Stapf | Caspar David Friedrichs Wanderer | Buch | 978-3-947965-04-5 | sack.de

Buch, Deutsch, 352 Seiten, Format (B × H): 1700 mm x 2280 mm, Gewicht: 905 g

Stapf

Caspar David Friedrichs Wanderer

Franz Christian Boll und die Kunst der Romantik

Buch, Deutsch, 352 Seiten, Format (B × H): 1700 mm x 2280 mm, Gewicht: 905 g

ISBN: 978-3-947965-04-5
Verlag: Okapi-Verlag ein Imprint der Leetspeak Media GmbH


In so vertrauten Gemälden Caspar David Friedrichs wie der „Wanderer über dem Nebelmeer“ oder die „Kreidefelsen auf Rügen“ gehörte Franz Christian Boll als Rückenfigur zum prominentesten Bildpersonal der Romantik. Detlef Stapf zeigt in der reich illustrierten Biographie das Leben dieses bekanntesten Unbekannten der Kunstgeschichte und dessen prägenden Einfluss auf Zeitgenossen wie Caspar David Friedrich, Philipp Otto Runge, Friedrich Ludwig Jahn, Friedrich Fröbel oder Herzog Carl II. von Mecklenburg-Strelitz.
Mit der Darstellung von Leben und Werk dieser faszinierenden Persönlichkeit gelingt eine spannende Entdeckungsreise zu den Quellen der romantischen Theologie und Kunst.
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Prolog

Erstes Kapitel
Herkommen. Verfolgte Protestanten. Gestrenger Vater mit dem Schnurrbart. Die Frömmigkeit der stummen Mutter. Fassmachen und Schnapsbrennen. Bollscher Kümmel für Amerika. Mecklenburgische Stadtgesellschaft. Dörch­läuch­ting und die Kinder. Außenseiter in der Gelehrtenschule. Der liberalste Fürst Deutschlands.

Zweites Kapitel?
Erste große Reise mit der Postkutsche. Immatrikulation in Jena. Mecklenburger Landsmannschaft. Immer knapp bei Kasse. Begegnung mit Kants Philosophie. Begeisterung für Fichte. Dankbarkeit gegenüber Paulus. Männer-Bünde. Botanische Erlebnisse. Im Zentrum der Frühromantik.

Drittes Kapitel
Hauslehrer beim Kreisphysikus. Melancholie in der Provinz. Erste Predigten in der Johanniskirche. Schwieriger Schüler Gustav. Die Buddenbrooks von Neubrandenburg. Bewunderung für den Hain-Dichter. Caspar David Friedrichs Brückner-Porträt.

Viertes Kapitel
Nützliche Beiträge. Aufforderung zur Gymnastik. Enthemmte Seelenzustände. Moderne pädagogische Beherzigungen. Erhabenheit der Natur. Gegen die Romanleserei. Gespräche im Reich der Toten. Gleichberechtigte Frau. Bildung für alle. Freundschaftskult. Der junge Gustav Brückner.

Fünftes Kapitel
Wanderung mit Caspar David Friedrich. Gefahrvolle Sächsi­sche Schweiz. Das Doppelporträt. Biografische Gemeinsamkeiten. Ü­ber­gang zum Jenseits als ästhetisches Problem. Diesseitsverachtung. Ode an den Tod. Frühromantischer Diskurs über das Sterben.

Sechstes Kapitel
Der Ehrgeizige Candidat. Wahl zum dritten Prediger. Die An­tritts­pre­digt. Zustand der Landeskirche. Aufgaben des Pastors. Wirt­schaftliche Lage. Chronik der Merkwürdigkeiten. Der verschmähte Liebhaber. Die gebildete Friederike. Verlobung. Stille Hochzeit. Liebesphilosophie. Friedrichs Impressionen von der Hochzeitsgesellschaft. Ein Pastorenbild für die Eitelkeit.

Siebtes Kapitel
Friedrich Ludwig Jahn als Hauslehrer beim Baron Le Fort. Die Anfänge deutschen Turnens. Der Schoßjünger. Zwei Männer in Betrachtung des Mondes. Friedrich Fröbel entdeckt die Kindererziehung. Der Verwandte Philipp Otto Runge. Bildnis mit Perücke. Geschichtsphilosophische Umkehr.

Achtes Kapitel
Anbetung der falschen Götzen. Urgeschichte Mecklenburgs. Tempel zu Rethra. Patriotische Archäologie. Vandalische Ahnenlinie des Herzogs. Mythos Walleichen. Kauziger Gideon Sponholz. Druide Pistorius. Friedrichs Hünengräber. Vision von der christlichen Kirche. Pastor Primarius stirbt. Reformationsgeschichten. Klosterort Broda. Bolls Freundschaftshügel. Prämonstratenser. Kreuz an der Ostsee. Mönch am Meer. Abtei im Eichwald. Naturpoesie.

Neuntes Kapitel
Ruf nach Bremen. Romantische Freundschaft des Herzogs. Vermittler für den Freimaurer. Predigen im ägyptischen Saal. Pan­the­on im Schlosspark. Tetschener Altar für Hohenzieritz. Tod der Königin Luise. Verschlossener Oculus dei. Trostbilder für den Prinzen. Friedrichs Arkadien.

Zehntes Kapitel
Napoleons Truppen in Neubrandenburg. Verfall der Sitten. Erin­nerung an den Tilly-Tag. Das legendäre Aalhäuschen. Der Fischer am Meeresstrand. Nebel. Homiletisches Ideenmagazin. Die Reformschrift erscheint. Brief an Philipp Otto Runge. Ideenwelt eines Kantianers. Friedrichs großes Boll-Porträt. Zehn Gebote des Kunstgeistes. Offenbarung der Textvergleiche.

Elftes Kapitel
Herzoglicher Militärpastor. Te Deum für den König von Rom. Reformschrift zweiter Teil. Caspar David Friedrichs Winterbilder. Kappzaum-Metapher. Gotische Kathedrale. Die Gartenlaube im Hopfenfeld. Harfenbespannung in der Architektur. Das brennende Neubrandenburg.

Zwölftes Kapitel
Die Befreiungskriege. Geschundene Franzosen. Den Herderschen Katechismus durchgesetzt. Menschlicher Tribut. In der Johanniskirche wird wieder gepredigt. Bibelgesellschaften. Friedrich Ludwig Jahns Hochzeit. Kriegsheld August Milarch. Caspar David Friedrichs Sehnsucht nach dem Norden. An Huttens Grab. Reformkatalog. Einladung nach Ludwigslust. Gotthilf Heinrich von Schubert.

Dreizehntes Kapitel
Herzog Carl stirbt. Friedrichs Altar der Marienkirche. Reformationsgedenken. Luther als Nationalheld und Held des Glaubens. Freiheit und Abgrenzung der Kirche. Letzte Predigt über das kurze Leben. Bolls früher Tod. Die Söhne Franz und Ernst. Fritz Reuters Freunde.

Vierzehntes Kapitel
Friedrichs Hochzeitsreise. Der lange Weg zum aufgestellten Denkmal. Gestirne als Lehrer und Schüler. Gedächtnisbilder von 1818. Der Wanderer über dem Nebelmeer. Kreidefelsen auf Rügen. Auf dem Segler. Klosterfriedhof im Schnee. Der Dom zu Meißen als Ruine.

Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Personenregister
Zeittafel


Prolog
Als im November 1817 in Neubrandenburg eine Thyphus-Epedemie hunderte Einwohner dahinraffte, gab Franz Christian Boll den Kranken und Sterbenden furchtlos Beistand. Der Pastor infizierte sich bei seinen Besuchen in den Seuchenhäusern selbst. Sein Schwiegervater, der Arzt und Kreisphysikus Adolf Brückner, sagte ihm nur noch wenige Lebenswochen voraus. Boll bot schier übermenschliche Kräfte auf, um seinen Zeitgenossen eine Vorstellung zu vermitteln, wie man den Tod nicht fürchten muss und unerschrocken in das Reich Gottes eintritt. Das war sein theologisches Lebensthema. In einer großen, intellektuellen Predigt, die er noch drucken lässt, legte er vor seiner Gemeinde Rechenschaft ab über sein Versprechen „die fleckelöse Tugend einem langen Leben vorzuziehen“. Boll starb 12. Februar 1818 im Alter von 41 Jahren mit jener Gelassenheit, die er für einen Christenmenschen geboten hält.
Der Prediger war mit seiner Erweckungstheologie die Inspiration für die religiösen Programmbilder Caspar David Friedrichs. Der Tod des Freundes und Verwandten löste bei dem Maler eine bislang nie gekannte Produktivität aus und ließ ihn in seiner romantischen Kunst einen neuen, geradezu hymnischen Ton anschlagen. Er „feierte“ im Sinne Bolls eine Messe der Bilder. Als Gedächtnismotive entstanden ab Herbst 1818 so bedeutende Gemälde wie der „Wanderer über dem Nebelmeer“ (Abb. 1) oder die „Kreidefelsen auf Rügen“ (Abb. 85). Der Prediger in Rückenfigur geriet auf diese Weise zum prominentesten Bildpersonal der Romantik.
Diese Biografie will den bekanntesten Unbekannten der neueren Kunstgeschichte in sei­ner Zeit porträtieren sowie dessen Nähe und Beziehung zu Caspar Da­vid Friedrich aus Bildern, Texten, Lebensläufen, Ereignissen rekonstruieren. Boll, Sohn eines Handwerkers, pietistisch erzogen, in einen akademischen Beruf aufgestiegen, erweist sich als eine faszinierende, höchst widersprüchliche Persönlichkeit mit einer gewissen messianischen Begabung. Man kann diesem Pastor kaum historische Bedeutung über die Mauern seiner Stadt oder seinen Wirkungs­kreis hinaus zumessen. Jedoch waren seine Ideen und seine Persönlich­keit in ungewöhnlicher Weise von der Epoche der Romantik geprägt. Seine geistige Ausstattung bekam er während seines Studiums 1795 bis 1798 in Jena, zu dieser Zeit das intellektuelle Zentrum der deutschen Früh­romantik. Der Kantianer Boll wurde zum frühesten Vertre­ter der Er­weckungsfröm­migkeit in Mecklenburg. Dieser theologischen Strö­mung, die sich wie die Romantik als spirituelle Bewegung gegen den Rationa­lis­mus der Aufklärung verstand und die Reform der lutherischen Kirche im Geist der Reformation anstrebte, widmete der Prediger 1809/10 ein beach­tens­­wertes publizistisches Werk. In der Kirchengeschichte Mecklenburgs spielte Boll die Rolle eines streitbaren Reformers, der nach den Befreiungs­kriegen von 1813/14 für weitreichende Veränderungen in Kirche und Staat eintrat. Gemessen an der Kürze seiner Ausbildung konnte er auf eine ungewöhnlich breite Kenntnis der theologischen, philosophischen, historischen, naturgeschicht­lichen und schönen Literatur verweisen. Mit seinen An­sich­ten, etwa zur Bildungsgerechtigkeit und Geschlechteremanzipation, dachte er seiner Zeit weit voraus. Die Wirkung seiner Reformvorschläge war begrenzt durch seinen frühen Tod. Eine gewisse Bedeutung für gesellschaftliche Veränderungen im Herzogtum Mecklenburg-Strelitz hatte Boll als Freund und theologischer Berater des bis 1816 regierenden Herzogs Carl II.
Die Lebens- und Schaffenswege von Franz Christian Boll und Caspar David Friedrich sind zeitlich, verwandtschaftlich und in der Ideenparallelität so eng miteinander verwoben, dass die Wirkung des Predigers auf die Ansichten und das Bildprogramm des Malers evident ist. Hilfreich, die Art und Weise der Einflussnahme auf künstlerische Haltungen einschätzen zu können, ist die Beziehung Bolls zu Philipp Otto Runge. Aus dem Verhältnis zwischen dem Pastor und den beiden Malern kann man die These ableiten, dass der Theologe aus der mecklenburgischen Provinz signifikanten Einfluss auf die Ideenwelt der Malerei der deutschen Romantik nehmen konnte.
Die intensivere Annäherung an Bolls Persönlichkeit war aufgrund bereits vorhandener biografischer Aufsätze, der theologischen und literarischen Schriften, der gedruckten Predigten und Kausalreden, der aufgefundenen Korrespondenz sowie einer handschriftlichen Chronik möglich. Es konnten aber auch zahlreiche neue Quellen erschlossen werden. Hiervon ist, soweit es Sinn macht, authentisches Material in den biografischen Text eingeflossen. Manches spricht mit lebhaftem Zeitkolorit für sich. Der Autor war bestrebt, Boll in den philosophischen und theologischen Debatten der Romantik zu verorten, um deutlich zu machen, welche Impulse aus diesem Umfeld in die Sphäre der Kunst gelangten.
Das Interesse an Franz Christian Bolls Biografie erschöpft sich nicht in ihrer Bedeutung für die Geschichte Mecklenburgs und Neubrandenburgs. Obwohl er seine Heimatstadt nach dem Studium in Jena kaum noch zu größeren Reisen verließ, reflektierte er die geistigen Strömungen seiner Zeit in Philosophie, Literatur und Theologie auf eine Weise, die über den Horizont eines Predigers zu Beginn des 19. Jahrhunderts hinausreicht. Weil er sich als leidenschaftlicher Menschenbeobachter und Geschichtsuntersucher sah, vermitteln seine Texte ein an Facetten reiches Bild über die bürgerliche Lebenswelt um 1800. Seine Korrespondenz zeugt gleichwohl vom Leiden an der Wirklichkeit, das, für die Epoche der Romantik durchaus typisch, zwischen selbstüberhebender Euphorie und Todessehnsucht schwankte. In der pietistischen Tradition verwurzelt, kann man ihn als einen neuzeitlichen Mystiker sehen, der mit Tatkraft im Diesseits wandeln wollte, für den aber der „Aufstieg zu Gott“ bereits im Reichtum des irdischen Lebens begann. In diesem Sinne kann es für Bolls Leben und Tod kaum eine treffendere Bildmetapher geben als den „Wanderer über dem Nebelmeer“. Am Ende sollte der Leser die Erkenntnis mitnehmen, dass diese einsame Figur auf dem Felsen tatsächlich für eine ganze Epoche zu stehen scheint und somit die unterstellte Sinnoffenheit bietet. In der engeren, auf den theologischen Kontext bezogenen Interpretation muss man das Gemälde wohl doch als Sinnbild eines erweckten Protestantismus im 19. Jahrhundert lesen.
Mit Bolls Wirken in seiner Heimat wird auch ein Bild von den historischen Umständen gezeichnet, die der Vorderstadt Neubrandenburg und dem Land Mecklenburg-Strelitz einen bisher wenig bekannten Platz in den vielfältigen Verflechtungen der deutschen und europäischen Geschichte zubilligen. In einer Zeit, da Carl II. als der liberalste regierende Fürst in Deutschland galt, bildete sich für wenige Jahre ein geistiges Anregungspotenzial, das für die Entwicklung von Persönlichkeiten wie die des Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn, des Pädagogen Friedrich Fröbel sowie der Maler Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge wichtige, oft entscheidende Impulse gab.


Detlef Stapf, geboren 1952 in Rudolstadt (Thüringen), war langjähriger Feuilletonchef des Nordkurier in Neubrandenburg. Zahlreiche Publikationen zur zeitgenössischen Kunst und Kunstgeschichte. Heute lebt er als Publizist und Kommunikations­berater in Hinrichshagen bei Greifswald.


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