E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Reihe: zur Einführung
Spierling Arthur Schopenhauer zur Einführung
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96060-086-2
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Reihe: zur Einführung
ISBN: 978-3-96060-086-2
Verlag: Junius Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Philosophie Arthur Schopenhauers liegt ein einziger Gedanke zugrunde. Der Titel des Hauptwerks "Die Welt als Wille" und Vorstellung formuliert ihn bündig: Er besagt, dass 'diese Welt, in der wir leben und sind, ihrem ganzen Wesen nach, durch und durch Wille und zugleich durch und durch Vorstellung ist'. Was das heißt, erläutert Volker Spierling in dieser Einführung, indem er dem von Anfang an pessimistischen Grundgedanken durch das Gesamtwerk Schopenhauers folgt und ihn kapitelweise entfaltet.
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2. Wegbereitende Schriften
Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde
Die Schrift Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde mit dem Untertitel Eine philosophische Abhandlung ist eine Theorie der Erkenntnis. Schopenhauer versteht sie als »Einleitung und Propädeutik« zu seinem Hauptwerk. Sie steht in der Tradition von Kants Kritik der reinen Vernunft und bildet den erkenntnistheoretischen Unterbau des Systems. Die ursprünglich 1813 als Dissertation abgefasste Schrift wird in der zweiten Auflage von 1847 erheblich überarbeitet, ergänzt und dem Hauptwerk angepasst. Dabei wird vor allem ein zusätzlicher, materialistisch-physiologischer Blickwinkel eingearbeitet, der Kants Position fundamental korrigiert und erweitert. Der Gesichtspunkt der Genese von Erkenntnis wird gegenüber dem ihrer Geltung stärker gewichtet. Durch die Überarbeitung, die auch Bezüge zur Metaphysik ins Spiel bringt, wird die Abhandlung äußerst komplex und vielschichtig. Aus der Einleitungsschrift der Dissertation ist jetzt eine »kompendiose Theorie des gesammten Erkenntnißvermögens« (G, Vorr., VII) geworden, wie es in der zweiten Auflage heißt. Um diese Theorie wirklich verstehen zu können, sind nunmehr auch Kenntnisse des Hauptwerks erforderlich. Insofern gehört die überarbeitete Abhandlung sowohl zu den wegbereitenden Schriften wie auch zu den ergänzenden Schriften. Wichtige Stellen der zweiten Auflage sind: §§16, 20, 21, 43, 52. Schopenhauer selbst betont mehrfach die Wichtigkeit von §21. Im §43 spricht er vom »Grundstein meiner ganzen Metaphysik«. – Aufschlussreich für die Entwicklungsgeschichte der Abhandlung ist die von Schopenhauer 1820 gehaltene große Vorlesung in Berlin, in der er noch einmal mit sehr klaren Formulierungen seine Dissertation ausführlich darlegt, worauf er in seinem Hauptwerk verzichtet. Durch diese Darlegung wird auch ersichtlich, an welcher Stelle und auf welche Weise Schopenhauer die Schrift in sein System integriert. (Vgl. VN I, Kap. 4, 442-517) – Zur weiteren Vertiefung der Abhandlung, die eine Schlüsselrolle im Gesamtwerk spielt, kann das 22. Kapitel im zweiten Band der Welt als Wille und Vorstellung hilfreich sein, das den hinzukommenden materialistischen Blickwinkel explizit macht. Grundlage aller Wissenschaft. Die Thematik der Dissertation, also die ursprüngliche Fassung von 1813, lässt sich knapp zusammenfassen. Der Satz vom Grund lautet: Alles, was ist, hat einen Grund, warum es ist. Jedes Objekt des Subjekts (=Vorstellung) steht zu einem anderen Objekt (Vorstellung) im Verhältnis der Abhängigkeit. Kein Objekt könnte sein, wie es ist, wenn nicht ein anderes wäre, wie es ist. Dieses andere heißt Grund, jenes Folge. Kein Objekt, keine Vorstellung kann etwas völlig für sich Bestehendes, Isoliertes, Abgerissenes sein. Dies wissen wir vor jeder Erfahrung mit strenger Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit, mit anderen Worten a priori. Schopenhauer gibt ein Beispiel. Wir können uns zwar vorstellen, dass morgen das Gravitationsgesetz aufhört zu wirken, aber nicht, dass dies ohne Ursache geschieht. Bei jeder Vorstellung kann gefragt werden, warum das so ist. Das »Warum« ist daher die »Mutter aller Wissenschaften« oder der Satz vom Grund ist die »Grundlage aller Wissenschaft«. (Vgl. G1, §4, 6 f.) Der Satz vom Grund drückt die universale und notwendige Verbundenheit aller Objekte des Subjekts, d.h. aller Vorstellungen untereinander aus: »Alle unsre Vorstellungen stehn in einer gesetzmäßigen und der Form nach a priori bestimmbaren Verbindung.« (G1, §16, 18) Diese allgemeine gesetzmäßige Verbindung nennt Schopenhauer die »Wurzel« des Satzes vom Grund. Ziel der Dissertation ist es, nachzuweisen, dass der Satz vom Grund in vier verschiedenen Gestalten – in einer »vierfachen Wurzel« – auftritt. Diese Gestalten beziehen sich auf vier verschiedene Klassen der Objekte des Subjekts. Das bedeutet: so viele Arten von Vorstellungen, so viele Arten von Grund-Folge-Verhältnissen. Schopenhauer geht von zwei bekannten Gestalten des Satzes vom Grund aus: 1. Veränderungen der Objekte der empirischen Realität müssen immer eine Ursache haben. 2. Verknüpfungen von Begriffen zu Urteilen müssen, um wahr zu sein, immer einen Grund haben. Es gibt aber, so Schopenhauer, noch zwei weitere Gestalten, die 3. den mathematischen Grund und 4. die Motivation betreffen. Sie beziehen sich auf zwei weitere Klassen von Objekten des Subjekts, bei denen auch nach dem Warum gefragt werden kann. Warum sind in diesem Dreieck die drei Seiten gleich? Warum tust du das? Zusammengefasst: Alle Veränderungen in der anschaubaren empirischen Realität werden durch Ursachen erklärt (Satz vom Grund des Werdens oder Gesetz der Kausalität). Bei jedem Urteil wird nach seinem Grund gefragt (Satz vom Grund des Erkennens). In der Geometrie und Arithmetik überzeugen formale Einsichten in den Zusammenhang der Teile des Raumes und der Zeit, wobei dieser Zusammenhang unveränderbar so ist, wie er ist (Satz vom Grund des Seins). Handlungen werden erklärt und verstanden, wenn die Motive bekannt sind (Satz vom Grund des Handelns oder Gesetz der Motivation). Die Ausführung dieser vier Gestalten des Satzes vom Grund, die auch wissenschaftstheoretische Bedeutung hat, nimmt in der Abhandlung, auch in der zweiten Auflage, einen breiten Raum ein. Zu beachten ist, dass der Satz vom Grund sich nur auf Objekte des Subjekts, auf Vorstellungen – auf Erscheinungen – erstreckt, nicht auf Dinge an sich. Schopenhauer erwartet von der Auswirkung seiner Dissertation, dass die Philosophen zukünftig über die spezielle Art ihrer Begründung genau Rechenschaft ablegen, die einzelnen Gestalten nicht verwechseln und dadurch auf ihr dunkles, unverständliches Imponiergehabe verzichten. Gehirnphänomen der gegenständlichen Welt. Mit dem Satz vom Grund sind (vor allem durch die zweite Auflage) radikale (neu hinzukommende) Auffassungen verbunden, die auf den ersten Blick nicht leicht zu erkennen sind und die über Fragen nach der Gültigkeit wissenschaftlicher Aussagen weit hinausgehen. Sie erschließen sich erst im Kontext mit dem Hauptwerk. Der Anfang von Platons Höhlengleichnis kann aspekthaft den Zugang zu dieser Radikalität erleichtern.15 Dem Gleichnis zufolge leben die Menschen ihr Leben lang gefesselt in einer Höhle. Gezwungen, in das Innere der Höhle zu schauen, sehen sie weder das ursprüngliche Licht noch die wirklichen Dinge, sondern nur das künstliche Licht eines Feuers und flüchtige Schatten. Das Feuer, das hinter ihnen brennt, ist für sie ebenso wenig sichtbar wie die Gegenstände, die hinter ihrem Rücken vor dem Feuer vorbeigetragen werden. Nur die Schatten dieser Gegenstände, die vor ihnen an die Wand geworfen werden, können sie wahrnehmen. Auch sich selbst sehen sie auf diese Weise nur als Schatten. Da sie nichts anderes kennen, halten sie die Schatten für das wahre Sein. In Wettkämpfen eifern sie darum, wer am besten über die Schatten Bescheid weiß und ihre Abfolgen voraussagen kann. Der Mechanismus, der die Schatten erzeugt, bleibt ihnen verborgen, ja, er wird nicht einmal geahnt. Das, was für Platon die Welt der Schatten ist, ist für Schopenhauer die empirische Realität, also das, was wir Tag für Tag sehen, wenn wir die Augen aufmachen. In beiden Fällen ist von Menschen die Rede, die glauben, sie sähen die wirklichen Dinge (Dinge an sich). In beiden Fällen gibt es einen Mechanismus, der stattdessen Erscheinungen erzeugt. In beiden Fällen ist dieser Mechanismus nicht sichtbar und bleibt (zunächst) unerkannt. Der entscheidende Unterschied aber ist der: Das, was sich bei Platon gleichnishaft in einer Höhle mit gefesselten Menschen abspielt, spielt sich für Schopenhauer »traumhaft« im Bewusstsein oder, wie er auch physiologisch-materialistisch sagt, im Gehirn ab, an das die Menschen ihr Leben lang gebunden sind. Das Bewusstsein (zudem ein individuelles und egoistisches) ist der »Kerker« (W II, Kap. 50, 737), aus dem niemand herauskommt, um zu sehen, wie die Dinge unabhängig von ihm – bewusstseinstranszendent – beschaffen sind. Die unüberwindbare Bezogenheit auf ein Bewusstsein ist für Schopenhauer die Urbedingung aller Erkenntnis. Die Philosophie, die das berücksichtigt, heißt »Transzendentalphilosophie«: »Hierunter verstehe ich jede Philosophie, welche davon ausgeht, daß ihr nächster und unmittelbarer Gegenstand nicht die Dinge seien, sondern allein das menschliche Bewußtseyn von den Dingen, welches daher nirgends außer Acht und Rechnung gelassen werden dürfe.« (P II, §10, 9 f.) Innerhalb des Bewusstseins ist ein »Mechanismus« (W II, Kap. 22, 307) tätig, der eine gegenständliche Welt vor uns stellt, vor-stellt. Schopenhauer verwendet hier verschiedene Termini, z.B. spricht er von »Erkenntnissen a priori«, von »selbsteigenen Formen des Intellekts« oder von »Gehirnfunktionen«. Auch wir selbst, die...