E-Book, Deutsch, 97 Seiten
Spanner Einsätze mit Faserverbundwerkstoffen
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-17-035382-4
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 97 Seiten
ISBN: 978-3-17-035382-4
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Verbreitung von leichten Faserverbundwerkstoffen in der Automobilindustrie, bei Sportartikelherstellern, dem Maschinenbau und in vielen anderen Industriezweigen nimmt stark zu. Kommt es zu Unfällen mit diesen Werkstoffen, können extrem scharfkantige Bruchstellen entstehen. Zudem können bei einem Brandereignis mit Faserverbundwerkstoffen lungengängige Partikel freigesetzt werden und zu einer Gefährdung der Einsatzkräfte führen. In diesem Buch werden die verschiedenen Faserverbundwerkstoffe und die damit einhergehenden Gefahren für die Feuerwehreinsatzkräfte, entsprechende Schutzmaßnahmen und Hinweise zur Einsatztaktik dargestellt. Einsatzbeispiele runden den Inhalt ab.
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2 [9]Einführung in Faserverbundwerkstoffe
Zum besseren Verständnis der einsatztaktischen Auswirkungen und der Sicherheitsempfehlungen im weiteren Verlauf dieses Buches soll zunächst der Aufbau und damit das Konstruktionsprinzip der Faserverbundwerkstoffe betrachtet werden. Zudem wird auf die Einsatzbereiche der Werkstoffe sowie auf Merkmale zum Erkennen der Stoffe im Feuerwehreinsatz hingewiesen. Dies soll zu einem Grundverständnis beitragen und die Einschätzungen zur Taktikauswahl und Risikoeinschätzung im Einsatz der Feuerwehr erleichtern. 2.1 Konstruktionsprinzip von Faserverbundwerkstoffen
Das Konstruktionsprinzip von Faserverbundwerkstoffen lässt sich sehr gut aus dem Fachbegriff ableiten. Bei »Faser-Verbund-Werkstoffen« handelt es sich um ein Verbundmaterial aus mindestens zwei Einzelkomponenten. Diese beiden Einzelkomponenten werden miteinander kombiniert, um eine Eigenschaftsverbesserung des neu geschaffenen Verbundwerkstoffes zu erreichen. Dabei werden die negativen Eigenschaften des jeweiligen Einzelwerkstoffes ausgeglichen und die positiven Eigenschaften der beteiligten Werkstoffe zum Vorteil des Verbundwerkstoffes genutzt. Anschaulich lässt sich dieses Bauprinzip am bekannten Beispiel Stahlbeton erklären. Dabei werden die Einzelmaterialien Baustahl und Beton in einem Werkstoff zusammengeführt. Es entsteht der »Verbundwerkstoff« Stahlbeton. Im Werkstoff übernimmt der Baustahl die Zugkräfte und der Beton überträgt die Druckkräfte. So wird ein Material geschaffen, das Zug- und Druckkräfte aufnehmen kann und neue Einsatzbereiche abdeckt. Die jeweiligen Nachteile der Einzelkomponenten wurden durch den Verbund der Einzelwerkstoffe ausgeglichen. Bild 1: Prinzipdarstellung des Verbundes Stahlbeton bestehend aus den Einzelwerkstoffen Baustahl und Beton. Überträgt man das dargestellte Prinzip des Stahlbetons auf die Faserverbundwerkstoffe so zeigt sich, dass auch Faserverbundwerkstoffe aus mindestens zwei Einzelwerkstoffen bestehen: diese sind die textilen Verstärkungsfasern und die sogenannte Matrix. Dabei übernehmen die Verstärkungsfasern, ähnlich dem Baustahl im Stahlbeton, die Aufgabe Zugkräfte zu übertragen. Die Matrix ist vergleichbar mit dem Beton: Sie umhüllt die Fasern, gibt dem Bauteil die gewünschte Geometrie [10]und sorgt für die Übertragung der Druckkräfte. Der Verbund aus textilen Verstärkungsfasern und der umhüllenden Matrix wird als Laminat bezeichnet. 2.2 Textile Verstärkungsfasern
Als Ausgangsmaterial für Verstärkungsfasern werden extrem dünne Faserfilamente verwendet. Dabei werden je nach Anwendungsfall verschiedenste Faserarten eingesetzt. Neben den bekannten und am häufigsten eingesetzten Kohlenstoff-, Glas- und Aramidfasern werden auch Verstärkungsfasern aus anorganischen Materialien wie Basalt, Bor oder Keramik und aus organischen Materialien wie Polyester, Nylon und Polyethylen für die Herstellung von Faserverbundwerkstoffen verwendet. Weitere Anwendungen setzen Naturfasern u. a. aus Flachs, Hanf, Holz oder Sisal ein. In Hochleistungsbauteilen werden häufig Kohlenstofffasern eingesetzt. Die extrem dünnen Fasern übertragen hohe Zugkräfte und erlauben so die Konstruktion [11]von Bauteilen hoher Leistungsfähigkeit bei geringem Gewicht und geringen Bauteilabmessungen. Gängige Kohlenstofffasertypen haben einen Durchmesser um sieben Mikrometer. Damit sind die Fasern etwa ein Zehntel so dick wie ein menschliches Haar. Bild 2: Größenvergleich zwischen einem menschlichen Haar und einer Kohlenstoffaser im Rasterelektronenmikroskop. (Foto: Carbon Composites e.V/AMU Universität Augsburg.) Die Verstärkungsfasern werden entweder direkt als Faser verwendet oder in einem weiteren Verarbeitungsschritt zu textilen Faserhalbzeugen verarbeitet. Diese textilen Strukturen können Gewebe, Gelege, aber auch Strick- oder Flechtwaren sein, die bereits die spätere Bauteilkontur erahnen lassen. Die Auswahl der Fasern erfolgt nach den Anforderungen, die an das herzustellende Bauteil gestellt werden. Diese können beispielsweise verschiedene mechanische, elektrische, Gewichts- oder Kostenanforderungen sein. Während Kohlenstofffaserverstärkte Verbundwerkstoffe (CFK) üblicherweise eine hohe Zugfestigkeit in Faserrichtung bei sehr geringem Gewicht aufweisen, besitzen glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) neben einer hohen Druck- und Zugfestigkeit vor allem eine gute isolierende Wirkung. Verwendet werden Glasfasern z. B. im Bootsbau, bei Tanks und Rohrleitungen oder mechanisch beanspruchten [12]Isolatoren. Faserverbundwerkstoffe, deren Verstärkungsfasern aus Aramid bestehen, besitzen im Vergleich zu kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen eine niedrigere Zug- und Druckfestigkeit, dafür eine wesentlich höhere Schlagzähigkeit. Sie werden daher häufig für Schutzausrüstungen, z. B. Splitterschutz, Panzerungen für Fahrzeuge und Schnittschutzhandschuhe, verwendet. Um die gewünschten Eigenschaften zu erreichen, werden unterschiedliche Fasertypen auch kombiniert (z. B. Aramid- und Kohlenstofffasern) eingesetzt. 2.3 Matrix-Systeme
Die zweite Komponente bei einem Faserverbundwerkstoff ist die Matrix. Zu den wichtigsten Aufgaben der Matrix zählen neben dem Halten der Fasern in der geometrischen Form die Übertragung der in das Bauteil eingeleiteten Kräfte auf die Fasern. Die Matrix beeinflusst unter anderem die Temperatur- und Medienbeständigkeit, das Brandverhalten und die Schadenstoleranz des Werkstoffs und besteht meist aus verschiedenen Kunststoffen. Es werden überwiegend duromere, reaktive Harzsysteme oder thermoplastische Kunststoffe eingesetzt. Duromere Harzsysteme zeichnen sich durch ihre chemische Aushärtung aus. Sie können nach der Aushärtereaktion nicht mehr durch Erwärmung verformt werden. Thermoplastische Kunststoffe lassen sich durch Erwärmung in einem bestimmten Temperaturbereich verformen. Dieser Vorgang kann wiederholt durchgeführt werden, wobei der Kunststoff beliebig oft geschmolzen und in einen flüssigen Zustand gebracht werden kann. Die Kunststoffe, die für die Matrix verwendet werden unterscheiden sich in ihrer Art und den Eigenschaften sehr stark und werden je nach Einsatzzweck entsprechend ihrer benötigten charakteristischen Merkmale ausgewählt. Je nach Auswahl und durch die Zugabe von Zusatzstoffen, sogenannten Additiven, lassen sich die unterschiedlichsten Eigenschaften, z. B. Schlagzähigkeit, Entzündbarkeit, Brandverhalten und Farbe, beeinflussen und zielgerichtet entsprechend der Bauteilanforderungen steuern. Bekannte und in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzte duromere Matrix-Systeme sind ungesättigte Polyesterharze (UP-Harze) und Epoxidharze (EP-Harze). Als thermoplastische Matrix wird oftmals Polyamid eingesetzt. 2.4 [13]Erkennungsmerkmale von Faserverbundwerkstoffen
Abhängig von der Verwendung, der Bausituation, der Oberflächenbehandlung oder dem Zerstörungsgrad, ist es oftmals nur schwer möglich, Bauteile aus Faserverbundwerkstoffen zu erkennen. Bauteile aus sogenanntem »Sicht-Carbon«, d. h. Bauteile aus Kohlenstofffaserverbundwerkstoff, die aus technischen oder optischen Gründen nicht überlackiert oder verkleidet sind, lassen sich allerdings recht leicht identifizieren. Die typische Oberflächenoptik zeigt die Faserstrukturen und gibt die spezielle Optik vor. Allerdings sollte man sich hier nicht täuschen lassen. Viele Hersteller oder Bastler veredeln ihre aus einfachen Kunststoffen hergestellten Bauteile mit Dekorfolien, die eine Carbon-Oberfläche imitieren. Einsatzbeispiele für Dekorfolien sind dabei vielfältig. Von Tuningteilen an Kfz, über Anbauteile an Motorräder, Fahrräder über Möbel bis hin zu Handyschalen reicht die Palette. Diese sehen oftmals täuschend echt aus. Generell ist ein echtes Carbon-Bauteil dort zu erwarten, wo die speziellen Eigenschaften technisch notwendig sind (z. B. Leichtbau) oder wo es sich um hochpreisige [14]Produkte handelt. Bauteile und Produkte, die nur wenige Euro kosten, lassen sich nicht aus echtem Carbon herstellen. Bild 3: Sichtbare »Carbon« Oberfläche am Schweller eines BMWi3 (Foto: Benjamin Prlic) Glasfaserverbundwerkstoffe lassen sich oftmals recht leicht an ihrer Oberfläche erkennen. Erdtanks, Rohre, Silos oder auch die Löschwasserbehälter in Feuerwehrfahrzeugen zeigen die Wirrfaserstruktur deutlich an der Oberfläche. Bei lackierten Bauteilen fällt die Identifizierung wesentlich schwerer. Hier kann oft nur aufgrund des Gebrauchs auf Faserverbundwerkstoffe geschlossen werden. Anwendungen die ein geringes Gewicht erfordern (z. B. Fluggeräte einschließlich Flugmodellen/Drohnen, Sportgeräte wie hochpreisige Fahrräder, Golf oder Tennisschläger) werden daraus hergestellt. Bei charakteristischen Anwendungsbeispielen [15]wie hochpreisigen Sportwagen oder typischen Faserverbundwerkstoff-Fahrzeugen wie BMWi3 oder BMWi8 sollten die Einsatzkräfte die Faserverbundwerkstoffe im Hinterkopf haben. Nach der Zerstörung von Bauteilen aus Faserverbundwerkstoffen durch mechanische Krafteinwirkung oder einem Brand sind diese leicht zu erkennen. In diesem Fall sind die Bauteile extrem zersplittert, es stehen einzelne Fasern oder Faserbündel aus dem Gesamtverbund heraus und die Bauteile weisen charakteristische scharfkantige Bruchkanten auf. Bild 4: Zerstörtes Bauteil aus Kohlenstofffaserverbundwerkstoff mit Splittern, scharfen Bruchkanten und Faserpartikel (Foto: Branddirektion München) Brennen Bauteile aus Faserverbundmaterialien, verbrennt die Matrix (umhüllender Kunststoff) in der...