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E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Spahn Lampenfieber

Handbuch für den erfolgreichen Auftritt. Grundlagen, Analyse, Maßnahmen

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-89487-821-4
Verlag: Henschel Verlag in E. A. Seemann Henschel GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Lampenfieber verstehen und erfolgreich damit umgehen

Ein Auftritt steht bevor, eine Rede muss gehalten werden, das Publikum wartet gespannt – man spürt ein Prickeln, der Atem geht schneller, das Herz schlägt bis zum Hals … Mit derlei Anzeichen von Lampenfieber haben auftretende Künstler jeden Tag zu tun, in der Regel während ihres gesamten Berufslebens. Jedoch nicht nur künstlerisch Tätige, sondern auch Lehrer, Manager, Moderatoren, Politiker, Journalisten u. a. kennen Lampenfieber aus vielen beruflichen Situationen. Wie man mit seinem Lampenfieber umgehen kann, zeigt Claudia Spahn fundiert und anschaulich in diesem praktischen Handbuch.Was ist Lampenfieber? Warum tritt es auf? Wie äußert es sich? Wie bekomme ich es in den Griff?gut nachvollziehbare Erklärungen zum Lampenfieber, erweitert um Analyse und Maßnahmenfür Kreativschaffende in Theater, Film, Oper, aber auch für andere Berufe und Situationenmit persönlichen Erfahrungen von z.B. Renée Fleming, Gerd Heinz, Gidon Kremer, Waltraud Meier u.a.konkrete Übungen zum Warm-up, zur Aufrichtung, zur Bühnenpräsenz und zur Spannungsregulation
Ein menschliches Phänomen

Wichtig ist, Lampenfieber als ganz normales und sinnvolles menschliches Phänomen zu begreifen, mit dem man gut umgehen kann und das beim Auftritt, in einem wichtigen Gespräch, bei einer Rede und in vielen anderen Situationen in kreative Energie umgewandelt werden kann. In diesem Buch werden die gesellschaftlichen, individuellen und situativen Faktoren analysiert, die zur Entstehung von Lampenfieber beitragen. So hat sich z.B. im Bereich der darstellenden Künste (Musik, Musiktheater, Schauspiel, Tanz) durch Livestreams bzw. Live-Darbietungen die Ausübung des Berufs komplett gewandelt. Aber auch mentale Vorstellungswelten haben sich geändert, Verunsicherungen entstehen aus einem falschen Anspruchsdenken, möglichst fehlerfrei, „cool“ oder perfekt zu sein. Hier bietet der Ratgeber Hilfe, sich damit kritisch auseinanderzusetzen.
Keine „Angst vor der Angst“

Der Auftritt auf einer Bühne oder einem Podium ist immer eine Interaktion mit dem Publikum; man tritt zu diesem Publikum in eine Beziehung. Das kann ein besonderer, ein wunderbarer Moment werden – auch mithilfe ganz kleiner, aber hilfreicher Auftrittsrituale, die viele Musiker, Schauspieler und Tänzer pflegen. Also: Keine Angst – und auch keine „Angst vor der Angst“, sondern aus der Anspannung eine positive Spannung machen! Von Claudia Spahn ist ebenfalls erschienen: „Musikergesundheit in der Praxis. Grundlagen, Prävention, Übungen“
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Analyse Welche gesellschaftlichen Faktoren beeinflussen Lampenfieber? Das Erleben von Lampenfieber spielt sich nicht im luftleeren Raum ab, sondern wird durch die uns umgebenden gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst. Zum einen wissen wir aus historischen Quellen – bis zurück in die römische Antike (Cicero, »De oratore«) –, dass Lampenfieber kein neu entstandenes Phänomen unserer Zeit ist. Möglicherweise hat es aber heute an Relevanz gewonnnen. Hierauf weisen die starke Präsenz des Themas im Internet sowie die Ratgeberliteratur zum Umgang mit Lampenfieber hin. Gleichzeitig mag dies auch mit dem allgemein vertieften Verständnis psychologischer Vorgänge und mit der ansteigenden Häufigkeit psychischer Probleme zusammenhängen. Insbesondere Ängste im sozialen Bereich, mit denen sich Lampenfieber im weitesten Sinne assoziieren lässt, gehören zu den häufigsten Erkrankungen. Jeder Dritte bis Vierte in Deutschland leidet mittlerweile an einer psychischen Störung, zu den häufigsten zählt die Angststörung (Jacobi et al., 2004). Die Frage, ob sich das Erleben von Lampenfieber im Laufe der Zeit verändert hat, ist aus den uns vorliegenden Zeugnissen nicht eindeutig zu beantworten. Interessanter erscheint es jedoch, die im gesellschaftlichen Kontext wichtige Frage zu stellen, wie Lampenfieber heute wahrgenommen wird und wie wir uns zum Phänomen Lampenfieber einstellen. Denn wenn wir den gesellschaftlichen Hintergrund, vor dem sich das individuelle Lampenfieber ereignet, besser verstehen, ermöglicht uns dies gleichzeitig, einen anderen, neuen Zugang zu unserem individuellen Erleben. ? Die erste Vermutung lautet: Lampenfieber passt nicht in unsere Welt, in der wir danach streben, alles möglichst perfekt ablaufen zu lassen. Im Bereich der Darstellenden Künste – Musik, Musiktheater, Schauspiel und Tanz – hat die Entwicklung von Ton- und Videoträgern einen starken Einfluss auf den Stellenwert von Live-Darbietungen ausgeübt. So ist ein heute auftretender Künstler von einer ganz anderen mentalen Vorstellungswelt umgeben als noch vor hundert Jahren. Unsere heutige Kommunikationstechnologie ermöglicht die permanente Verfügbarkeit von Audio- und Bildmaterial, indem über stationäre und mobile Geräte nach individuellem Bedürfnis Ton- und Videoaufzeichnungen angehört und angesehen werden können. Dies spielt ganz besonders im Bereich der klassischen Musik eine wichtige Rolle. Zu nahezu allen musikalischen Werken und Stilen existieren mehrere CD-Einspielungen, die ein Großteil der Zuhörer sowie der Künstler selbst vor dem Auftritt bereits kennen und mit denen sich der auftretende Künstler zu messen hat. Da wir den weitaus größeren Teil unserer Hörerfahrungen mit der technischen Wiedergabe von Musik und nicht mit Live-Konzerten verbringen, sind wir diese Art der Darbietung gewohnt, die zudem jederzeit und ubiquitär (vom häuslichen Wohnraum bis zur Straßenbahn) abrufbar ist. Beim Vergleich von Live-Darbietung und Tonaufnahme werden jedoch die sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen verglichen, denn Aufnahmen im Tonstudio laufen unter gänzlich anderen Bedingungen ab als eine Live-Darbietung: Sie erlauben zum Beispiel die Wiederholung schwieriger Passagen; bei Ensemble-Einspielungen werden die Tonspuren zum Teil einzeln aufgenommen und erst bei der Endproduktion der CD übereinandergelegt – insgesamt sind die technischen Manipulationsmöglichkeiten des aufgenommenen Materials hinsichtlich Ton- und Klangqualität extrem groß. Auf diese Art von Kontrolle und Perfektion muss eine Live-Darbietung verzichten. Durch das tägliche Hören von technisch produzierter Musik wird jedoch diese ursprünglich artifiziell entstandene Klangkulisse als vermeintlich natürlich wahrgenommen und bildet unsere innere Hörreferenz. Wir finden dieses Phänomen heute schon bei Jugendlichen, wenn diese nach einem Live-Konzert enttäuscht äußern, dass es gar nicht geklungen habe wie auf der CD, oder im thematisch übertragenen Sinn auf ein Beispiel aus dem nicht musikalischen Bereich: wenn sich manche Kinder heute wundern, dass echte Kühe nicht lilafarben sind wie die ihnen besser vertraute »Milka-Kuh« aus der TV-Werbung. In allen künstlerischen Bereichen übt die abrufbare Präsenz von Videoaufnahmen, z.B. auf YouTube, einen zunehmenden Einfluss aus. Insgesamt entsteht für den Nutzer dieser Medien der Eindruck, dass technische Höchstleistungen immer weiter zunehmen und dass das Leistungsniveau insgesamt angestiegen ist. Perfektionsansprüche, die von außen an den Performer herangetragen werden und die dieser an sich selbst stellt, werden hierdurch bis ins Unmenschliche gesteigert und erhöhen in der Folge das Lampenfieber. Auch hinsichtlich des Perfektionsstrebens und der Fehlerkultur bei Liveauftritten ist durch die zunehmende Verfügbarkeit von »Tonkonserven« im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts ein Paradigmenwechsel zu beobachten. Zwar verfügten bereits die Virtuosen des neunzehnten und beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts über ein hohes spieltechnisches Niveau, wie in zahlreichen zeitgenössischen Berichten nachzulesen ist, jedoch waren der musikalische Ausdruck und die Klangkultur wichtiger als die fehlerlose Wiedergabe des Notentextes. Der legendäre Pianist Arthur Rubinstein (1887–1982) behauptete über sich selbst, dass er in Konzerten manchmal bis zu 30 Prozent der Noten unter den Tisch habe fallen lassen. Auch habe er sich in seiner Jugend nicht sehr auf das Klavierüben konzentriert und vieles im Leben sei ihm wichtiger gewesen als das Üben (Rubinstein, 2004). Selbst wenn diese Aussagen anekdotischen Charakter besitzen, so zeigen sie doch eine im Vergleich zu heute größere Selbsttoleranz und ein weniger ausgeprägtes Perfektionsideal. Im heutigen Klassikbetrieb wäre es für Publikum und Kritik vermutlich nur schwer akzeptabel, wenn ein mit Rubinstein vergleichbarer Topstar eine gewisse Fehlerquote in seinen Konzerten von vornherein öffentlich einräumen würde. Mittlerweile hat sich das Wort »cool« zum Ausdruck für Superlative entwickelt, »ewig cool«, »cooler Typ« … Kann Lampenfieber aber »cool« sein? Passt Lampenfieber in unser Weltbild der Coolness und Perfektion? Hier lauert die Falle, dass wir Lampenfieber nicht als angemessene menschliche Erscheinung sehen, sondern es problematisieren, im Extremfall sogar pathologisieren. Der gesellschaftliche Hintergrund setzt dann Lampenfieber als Problem in Szene, obwohl es per se keines ist. Dieses Phänomen veranschaulicht Abbildung 8 (S. 36). Wenn wir unsere Überlegungen zum allgemeinen Erleben von Lampenfieber fortführen, so stoßen wir auf ein weiteres gesellschaftliches Phänomen, welches der Entwicklung von übersteigertem Lampenfieber Vorschub leisten könnte. ? Die zweite Vermutung lautet deshalb: Eine heute allgemein erlebte Verunsicherung bildet den Nährboden für die unangenehme Komponente des Lampenfiebers. Abb. 8: Die beiden Kreisflächen auf der Abbildung sind identisch. Je nach Färbung des Hintergrunds nimmt sie unser Auge jedoch als unterschiedlich wahr (Bach, 2011). Diese Vermutung stützt sich auf Ergebnisse der soziologischen Forschung. Der Soziologe Hartmut Rosa (2005) sieht die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne und die dadurch verursachte permanente Tendenz zur Beschleunigung in allen Lebensabläufen als Grund dafür, dass wir unter einem permanenten Druck stehen, uns selbst und unseren Wert immer wieder neu zu beweisen: »Egal, wo wir sind, wir können uns unserer Position und Anerkennung nie sicher sein.« (Rosa, 2005) Laut Rosa führt die Notwendigkeit, immer schneller werdenden Wandlungen hinterherzulaufen, zu einem Gefühl tiefer Verunsicherung, welches mittlerweile alle Lebensbereiche erfasst habe. Wir können hierin eine Grundkomponente sozialer Angst erkennen, welche auch die unangenehmen Seiten des Lampenfiebers stärker hervortreten lässt. ? Die dritte Vermutung lautet: Lampenfieber widersetzt sich dem verbreiteten Anspruch, alles kontrollieren zu können. Grundsätzlich ist die Kontrolle über Naturereignisse und soziale Vorgänge ein entscheidender Faktor der Evolution und in vielen Bereichen hat uns eine zunehmende Kontrollierbarkeit eine höhere Lebensqualität beschert, denken wir z.B. an technologische Entwicklungen, an medizinische Behandlungsmöglichkeiten und vieles andere mehr. Für künstlerische Live-Darbietungen und darüber hinaus für jede Live-Exposition hat sich der Anspruch der kontrollierten Reproduzierbarkeit (vgl. Benjamin, 1939) als nachteilig erwiesen, denn menschliche Bewegung, Affekte und menschlicher Ausdruck sind im direkten Erleben eben nur bis zu einem gewissen Grad kontrollierbar. Gerade darin liegt der Reiz lebendiger Teilhabe an diesen Prozessen. Performer finden sich häufig mit der Erwartung konfrontiert, in der Auftrittssituation absolute Kontrolle zu behalten. Übernehmen sie diese allgemeine Einstellung unhinterfragt, stehen sie in der Gefahr, am eigenen Anspruch zu scheitern. Die aufgezeigten allgemeinen gesellschaftlichen Einflüsse auf das Erleben von Lampenfieber nehmen im jeweiligen beruflichen Umfeld darüber hinaus spezifische Charakteristika an. Bisher hat es wohl noch keine Berufsgruppe geschafft, gemeinschaftliche Strategien für einen angemessenen Umgang mit dem Thema Lampenfieber zu entwickeln. Im Konzert- und Theaterbereich herrscht noch immer eine überwiegende Tabuisierung und Verleugnung vor. Auch bei Angehörigen anderer Berufsgruppen, welche sich häufig exponieren und Lampenfieber erleben, wie z.B. Lehrpersonen, Politikern, Managern, gehört es kaum zur Berufsidentität, Lampenfieber als besonderes Charakteristikum...


Spahn, Claudia
Prof. Dr. med. CLAUDIA SPAHN, Leiterin des Freiburger Instituts für Musikermedizin, ist Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin und Musikerin mit abgeschlossenem Studium. Sie verfügt sowohl über umfangreiche Erfahrung mit eigenen künstlerischen Auftritten als auch in Lehre, Fortbildung und Behandlung von Lampenfieber und Auftrittsangst. Sie ist Autorin zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen. In der Forschung beschäftigt sie sich u. a. mit psychophysiologischen Phänomenen des Lampenfiebers bei professionellen Künstlern. Claudia Spahn ist Vorstandsmitglied in der „Deutschen Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin“.


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