Sloan | Das supergeniale Rezept der Lois Clary | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Sloan Das supergeniale Rezept der Lois Clary

Roman
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-641-25458-2
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-641-25458-2
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein neuer Ansatz für Lois Clary
Als die beiden Brüder, bei denen Lois Clary jeden Abend ihr Essen bestellt, ihr Take-away aufgeben müssen, hinterlassen sie Lois einen Sauerteigansatz. Lois' Leben verändert sich fundamental: Sie kündigt ihren Job als Software-Ingenieurin, backt ihr eigenes Brot und eröffnet einen Stand auf einem geheimnisvollen Markt, wo es in allen Farben leuchtenden Käse und Kekse aus Heuschreckenmehl gibt. Als der Sauerteigansatz das Interesse einer Biochemikerin weckt, regt sich in Lois der Verdacht, dass diese Frau für die Lebensmittelindustrie arbeitet, und sie will wissen, wer eigentlich den Markt finanziert ...Im Hardcover erschien dieser Roman unter dem Titel »Der zauberhafte Sauerteig der Lois Clary«.

Robin Sloan wurde 1979 in der Nähe von Detroit geboren, hat an der Michigan State University Wirtschaftswissenschaften studiert und anschließend für Twitter und verschiedene andere Onlineplattformen gearbeitet. Sein Debüt »Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra« erschien 2015 bei Heyne. Robin Sloan lebt in San Francisco.

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DIE BESTE ESSERIN Ich hätte Nährstoffgel zu Abend gegessen, wie immer, hätte ich nicht an meiner Wohnungstür die Speisekarte eines Restaurants aus der Nachbarschaft entdeckt, das mit seinem neuen Lieferservice warb. Ich kam gerade von der Arbeit nach Hause, mein Gesicht vom Stress ganz spröde – was häufig vorkam –, und normalerweise hätte ich keinerlei Interesse an etwas gehabt, was ich nicht kannte. Meine allabendliche Portion Slurry wartete drinnen auf mich. Doch die Speisekarte machte mich neugierig. Die Worte waren in einer dunklen, selbstbewussten Schriftart gedruckt – besser gesagt in zwei Schriftarten: Die Gerichte wurden zuerst in dem Alphabet beschrieben, das mir geläufig war, und dann in einem anderen, das ich nicht kannte und das in etwa wie Kyrillisch aussah, mit jeder Menge Punkte und verbindenden Schnörkeln. Das Menü war jedenfalls recht kompakt: Es gab Spicy Soup oder ein Spicy Sandwich oder eine Kombi (Double Spicy), alle Speisen waren, wie die Karte erklärte, vegetarisch. Oben stand in riesigen, ausladenden Buchstaben der Name des Restaurants: CLEMENT STREET SUPPE UND SAUERTEIG. Darunter die Telefonnummer und das Versprechen, schnell zu liefern. Die Clement Street war ganz in der Nähe. Ich fand die Speisekarte charmant, und daraus ergab sich, dass mein Abend, und mein Leben an sich, einen anderen Verlauf nahmen als geplant. Ich wählte die Nummer, und mein Anruf wurde sofort entgegengenommen. Eine Männerstimme antwortete leicht außer Atem. »Clement Street Suppe und Sauerteig! Einen Moment, bitte!« Ich wartete und hörte Musik dudeln – ein Lied in irgendeiner fremden Sprache. Die Clement Street war eine vielsprachige Arterie, durch die Kantonesisch, Burmesisch, Russisch und Thailändisch pulsierten, manchmal sogar Fetzen von Gälisch. Doch dies war eine andere Sprache. Die Stimme war wieder dran. »Okay! Hallo! Was kann ich für Sie tun?« Ich bestellte die Double-Spicy-Kombi. Ich war von Michigan, wo ich aufgewachsen und zur Schule gegangen war, und wo meine Körperfunktionen größtenteils friedlich und vorhersehbar gearbeitet hatten, nach San Francisco gezogen. Mein Vater war Datenbankprogrammierer bei General Motors und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mich von Kindesbeinen an mit Computern zu umgeben. Ein Plan, der aufging, denn nie zog ich etwas anderes in Betracht, als in seine Fußstapfen zu treten, besonders in einer Zeit, in der dem Programmieren eine schimmernde Dynamik anhaftete und Informatiklehrstühle aggressiv junge Frauen umwarben. Es ist schön, umworben zu werden. Dass ich gut darin war, half natürlich. Mir gefiel der Rhythmus aus Herausforderung und Lösung, Programmierprobleme zu enträtseln war sehr befriedigend. Während meiner Zeit am College war ich zwei Sommer lang Praktikantin bei Crowley Control Systems gewesen, einer Firma in Southfield, die Software für die Motorensteuerung eines Elektroautos von Chevrolet herstellte, und als ich meinen Abschluss in der Tasche hatte, wartete dort ein Job auf mich. Die Arbeit war minutiös vorgegeben und wurde sorgsam überprüft, und manchmal kam es mir vor, als wäre ich eine Maurerin: Man musste die Ziegel mit Bedacht ablegen, denn eine zweite Chance hatte man nicht. Der Computer auf meinem Schreibtisch war alt und vor mir von mindestens zwei anderen Programmierern benutzt worden, aber die Codebasis aktuell und interessant. Neben meinen Monitor stellte ich ein Bild von meinen Eltern und einen winzigen Kaktus, den ich Kubrick getauft hatte. Ich kaufte ein Haus zwei Städte weiter, in Ferndale. Dann wurde ich gescoutet. Eine Frau kontaktierte mich über mein klägliches LinkedIn-Profil – ihr eigenes identifizierte sie als Talent Associate einer Firma namens General Dexterity mit Sitz in San Francisco –, bat mich um einen Anruf, um mir auf den Zahn zu fühlen, und ich willigte ein. Ihr strahlendes Lächeln drang durch den Lautsprecher. General Dexterity, so sagte sie, sei führender Designer von Roboterarmen für Labore und Fabriken. Die Firma brauche Programmierer mit Erfahrung im Bereich der Bewegungskontrolle, und die seien in San Francisco spärlich gesät. Sie erklärte mir, eine Filtersoftware habe mein Profil als vielversprechend angezeigt, und dass ihre Meinung mit der Auswertung des Computers übereinstimme. Folgendes glaube ich über Menschen meines Alters: Wir sind die Kinder aus Hogwarts, und mehr als alles andere wollen wir wissen, wo wir hingehören. Ich saß in meinem Auto auf dem kleinen Parkplatz hinter Crowley Control Systems an der West 10 Mile Road in Southfield, und meine Welt öffnete sich einen winzigen Spalt. Es war nur ein Haarriss, gerade eben groß genug, um hindurchzuspähen. Am anderen Ende der Leitung orakelte die Recruiterin von schwierigen Problemen, die nur die hellsten Köpfe zu lösen vermochten. Sie erwähnte großzügige Lohnvorteile und Mahlzeiten umsonst, und oh, war ich Vegetarierin? Nicht mehr, nein. Aber vielleicht würde ich es noch einmal versuchen, in Kalifornien. Sie schwärmte von der Sonne. Der Himmel über dem Crowley-Parkplatz war grau, und es tröpfelte, wie vom Unterbau eines Autos. Dann – ganz ohne Orakeln – machte mir die Frau ein Angebot. Sie bot mir ein Gehalt, das mehr Geld umfasste als das, was meine beiden Eltern derzeit zusammen verdienten. Ich war gerade ein Jahr mit dem College fertig. Wieder wurde ich umworben. Nach zehn Monaten mit einer Michigan’schen Hypothek verkaufte ich mein Haus in Ferndale mit kleinem Verlust. Ich hatte kein einziges Bild an die Wand gehängt. Als ich mich von meinen Eltern verabschiedete, weinte ich. Das College war weniger als eine Stunde entfernt gewesen, insofern war dies ein wirklicher Abschied. Mit meinem Hab und Gut im Wagen und meinem Kaktus angeschnallt auf dem Beifahrersitz, fuhr ich quer durchs Land. Ich fuhr über einen schmalen Pass durch die Rockies gen Westen, durch das staubige Nichts von Nevada, kollidierte mit dem sattgrünen, vertikalen Kalifornien und hatte einen Schock. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das südöstliche Michigan ist plattes Land, beinahe konkav – hier hatte die Welt eine Z-Achse. In San Francisco wartete eine Übergangswohnung auf mich, ebenso wie die Recruiterin, die mich auf dem Gehweg vor dem geklinkerten Hauptgebäude von General Dexterity empfing. Sie war winzig, vielleicht eins fünfzig groß, doch ihr Händedruck war schraubstockartig. »Lois Clary! Willkommen! Sie werden es hier lieben!« Die erste Woche war atemberaubend. Zusammen mit einem Dutzend anderer Dexters (wie man uns nahelegte, uns zu nennen) füllte ich Krankenversicherungsformulare aus, nahm etliche schauderhaft aussichtsreiche Aktienoptionen entgegen und hörte mir Vorträge über die kurze Firmengeschichte an. Ich sah den originalen Roboterarm-Prototypen, den der Firmengründer gebaut hatte, eine stattliche, mit drei Gelenken ausgestattete Extremität, beinahe so groß wie ich, die mitten in der Cafeteria in einem kleinen Schrein aufbewahrt wurde. Man konnte rufen: »Arm, neuer Befehl, sag hallo!«, und dann winkte er eifrig zur Begrüßung. Ich lernte die Anatomie der Software kennen, mit der ich arbeiten würde, genannt ArmOS. Ich lernte meinen Chef kennen, Peter, der meine Hand noch fester drückte als die Recruiterin. Ein hauseigener Makler besorgte mir eine Wohnung auf der Cabrillo Street im Richmond District von San Francisco, für die ich eine Miete zahlte, die viermal höher war als meine Hypothekenrate in Michigan. Der Makler ließ den Schlüssel in meine Hand fallen und sagte: »Ist nicht sehr groß, aber Sie werden so oder so nicht viel Zeit hier verbringen!« Der Gründer von General Dexterity, ein unfassbar junger Mann namens Andrei, führte unsere Gruppe über die Townsend Street zum Task Acquisition Center, einem niedrigen Gebäude, das einmal eine Tiefgarage gewesen war. Der Zementboden war noch mit Ölflecken überzogen. Statt langer Autoreihen standen hier nun dreißig Roboterarme hintereinander. Ihre Plastikverkleidung war im Firmenblau gehalten, die Konturen gefällig und leistungsfähig, mit einem Hauch von Bizeps – eine sanfte Beule, darauf das General-Dexterity-Logo, ein schmucker Blitz. Alle Arme arbeiteten gleichzeitig, sie fegten und griffen und stießen und hoben. Man wollte uns beeindrucken: Es funktionierte. All das waren sich wiederholende Gesten, erklärte Andrei, derzeit wurden sie von menschlichen Muskeln und menschlichen Hirnen ausgeführt. Wiederholung sei der Feind der Kreativität, sagte er. Wiederholung war etwas für Roboter. Wir hatten eine Mission: das Ende körperlicher Arbeit. Was dafür nötig wäre? Ein Arsch voll Arbeit. Meine Orientierungswoche endete am Freitagabend mit ein paar feierlichen Bieren und einem Tischtennisturnier gegen einen der Roboterarme, der natürlich gewann. Dann fing mein Job an. Nicht am folgenden Montag. Am nächsten Morgen. Samstag. Ich hatte das Gefühl – flupps –, von einem Schlauch eingesogen zu werden. Die Programmierer bei General Dexterity unterschieden sich völlig von meinen Crowley-Kollegen, die mittleren Alters und entspannt gewesen waren, und die nichts lieber taten, als geduldig zu erklären. Die Dexters waren alles andere als geduldig. Viele von ihnen hatten die Uni abgebrochen, sie hatten es eilig gehabt hierherzukommen, fertig zu sein, und reich. Sie waren fast ausnahmslos männlich, jung, knochig und kaltäugig, Gespenster in japanischen Jeans und Limited-Edition-Turnschuhen. Sie fingen spät am Morgen an und arbeiteten bis nach Mitternacht. Sie schliefen...


Falk, Dietlind
Dietlind Falk wuchs im Ruhrgebiet auf. Sie studierte literarische Übersetzung an der Universität Düsseldorf und arbeitet seit 2010 als freie Übersetzerin aus dem Englischen und dem Französischen.

Sloan, Robin
Robin Sloan wurde 1979 in der Nähe von Detroit geboren, hat an der Michigan State University Wirtschaftswissenschaften studiert und anschließend für Twitter und verschiedene andere Onlineplattformen gearbeitet. Sein Debüt »Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra« erschien 2015 bei Heyne. Robin Sloan lebt in San Francisco.



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