Sittig | Zwischen Eifel und Hölle | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Reihe: Eifel Krimi

Sittig Zwischen Eifel und Hölle


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-96041-225-0
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Reihe: Eifel Krimi

ISBN: 978-3-96041-225-0
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Kurz nachdem Hauptkommissar Wärmlands Beziehung zerbrochen ist, wird sein größter
Alptraum wahr: Im Briefkasten findet er einen abgetrennten Finger, der angeblich von seinem entführten Sohn Stefan stammt. Doch statt Lösegeldforderungen erhält Wärmland immer wieder Kleidungsstücke Stefans, teilweise blutgetränkt. Für den
Kommissar beginnt ein traumatischer Wettlauf gegen die Zeit.

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EINS
Der um siebzehn Uhr fünfundfünfzig in Paris-Nord gestartete Thalys fuhr mit neunzehn Minuten Verspätung um einundzwanzig Uhr siebenundzwanzig in den Kölner Hauptbahnhof ein. Wärmland trat nervös von einem Bein auf das andere. Als die Türen sich öffneten, hielt er Ausschau nach seiner Freundin und fragte sich, wie sie wohl reagieren würde, wenn sie ihn sah. Nicole erwartete seinen Besuch erst morgen. Doch die Anzeichen und Hinweise der vergangenen Wochen hatten Wärmland in letzter Zeit immer deutlicher erkennen lassen, dass es um ihre Beziehung nicht mehr gut stand, und er wollte Antworten. Vor etwa zwei Monaten hatte es begonnen. Sie hatte das gemeinsame Wochenende abgesagt, mit dem Hinweis auf eine zu große Arbeitsbelastung. An sich nichts Ungewöhnliches, sie war auch früher schon einige Male in Paris geblieben, wenn die Arbeit es erforderte. Manchmal war stattdessen er zu ihr gefahren und hatte sie in der französischen Metropole besucht, aber in der Regel kam sie nach Deutschland, um mit ihm in ihrer Kölner Wohnung oder bei Wärmland in der Eifel das Wochenende zu verleben. Trotz ihrer Fernbeziehung sahen sie sich häufig, und Wärmland hatte geglaubt, dass ihr gemeinsames Leben auf diese Weise gut weiterfunktionieren würde. Alles schien perfekt. Bis zu jenem aus Wärmlands Sicht denkwürdigen Donnerstagabend, an dem er in Nicoles Stimme den Hauch einer Veränderung wahrgenommen hatte. An diesem Abend hatte sie irgendwie anders geklungen. Als sie ihr Bedauern darüber zum Ausdruck brachte, in Paris bleiben zu müssen, hatte er einen fremden Unterton wahrgenommen. Eine bis dahin noch nie aufgetretene Schwingung, eine mikroskopisch kleine, irritierende Frequenzänderung. Das hatte bei ihm intuitiv eine ganz bestimmte Art von Unwohlsein ausgelöst, jene, die von unterschwelligem Misstrauen befördert wird. Etwas war anders als zuvor. Den daraus erwachsenden Gedanken, Nicole könnte eine Affäre mit einem anderen Mann haben, hatte er als absurd und völlig abwegig beiseiteschieben wollen. Gelungen war es ihm jedoch nicht. Seither wurde er das Gefühl nicht los, dass ihre bis dahin so glückliche Beziehung in jenem Moment einen ersten Haarriss erhalten hatte. Einen, der sich stetig vergrößerte, denn Nicoles Verhalten war auch weiterhin verändert. In den nachfolgenden Wochen war es zu weiteren Absagen gekommen, sie hatten einander überhaupt nicht mehr gesehen, und immer war es die Arbeit, die sie als Grund für ihren Verbleib in Paris nannte. Auf Wärmlands Fragen reagierte sie zunehmend gereizt und ließ sich von ihm auch keine weiteren Begründungen entlocken. So war Wärmland ungewollt zu einigen freien Wochenenden gekommen, was ihn aber alles andere als beglückte. Nicole fehlte ihm, und nach längerer Zeit spürte er nun wieder diesen stillen Schmerz von Einsamkeit, den er leider viel zu gut kannte. Ein paarmal war sein sechzehnjähriger Sohn Stefan zu einem zusätzlichen Besuch nach Mayen gekommen. Doch obwohl sie immer eine schöne Zeit gehabt hatten und er sich über die Extrastunden freute, die sie miteinander verbrachten, schlug sich in Wärmlands emotionaler Gesamtbilanz ein deutliches Minus nieder, denn er glaubte zu fühlen, dass hinter dem sich inzwischen etwas unscharf abzeichnenden Horizont seiner Beziehung etwas aufzog, was ihm großen Kummer und finstere Täler der Einsamkeit bescheren würde. Mit banger Erwartung hatte Wärmland auf Nicoles weiteres Vorgehen gewartet. Vor zwei Tagen hatte sie dann endlich für dieses Wochenende ihr Kommen zugesagt. Dass sie ihn beinahe im selben Atemzug um einen ruhigen Freitagabend für sich allein in ihrer Kölner Wohnung gebeten hatte, war dabei Wasser auf die Mühlen seiner Befürchtungen gewesen. Es hatte Wärmlands Unruhe um ein Vielfaches gesteigert und dazu geführt, dass er nur einen einzigen Ausweg für sich gesehen hatte: Klarheit zu schaffen, sobald es möglich war. Er musste endlich wissen, woran er war. Die Situation hatte sich für ihn in einem solchen Maße verschlechtert, dass in seinen Gedanken kaum noch Platz für andere Dinge war. Während blechern die Ansage hinsichtlich der Möglichkeiten zur Weiterfahrt über den Bahnsteig hallte, quollen Menschen aus dem Zug hervor, Geschäfts- wie Privatreisende, und mühten sich ab, mit ihrem Gepäck durch die Phalanx der vielen Wartenden und Einsteigewilligen hindurchzukommen. Wärmland hatte kein Glück, denn Nicole stieg nicht unmittelbar vor seiner Warteposition am vorderen Zugdrittel aus. Und auf dem Bahnsteig konnte er sie im quirligen Gewusel sich schnell bewegender Menschen nirgends ausmachen. Langsam ging er in Richtung des mittleren Zugabschnitts. Dann sah er sie – gerade in dem Moment, als sie durch den hilfreich ausgestreckten Arm eines gut gekleideten Herrn mit grau meliertem längeren Haar sicheren Schrittes den ersten Fuß auf den Bahnsteig setzte. Nach vollständig vollzogenem Ausstieg drückte sie ihm dankbar einen Kuss auf die Wange. Wärmlands Herz schnürte sich zusammen, und seine kleine heile Welt, die er schon so in Bedrängnis gesehen hatte, zerbrach endgültig. Das Schlimmste, was seiner Meinung nach hätte passieren können, war eingetreten. Nicole Benoît hakte sich bei ihrem Begleiter unter, und beide gingen in Richtung des nächsten Treppenabgangs. Wärmland haderte noch mit sich, was er tun sollte. Den Kerl sofort niederschießen, die Spuren verwischen und Nicole einer Gehirnwäsche unterziehen? Nichts davon ließe sich in den nächsten Sekunden erfolgreich realisieren. Er musste es wohl zunächst einfach hinnehmen und abwarten, was der morgige Tag bringen würde. Sogleich beschlich ihn die Furcht, dass sie ihm vielleicht noch absagen würde und er ohne eine persönliche Begegnung auskommen musste. Sich wieder nur mit einer ihrer unbefriedigenden Ausreden abspeisen zu lassen wäre jedoch völlig inakzeptabel – das wollte er in keinem Fall hinnehmen. Aber was konnte er stattdessen tun? Nicht mehr auf irgendetwas warten, beantwortete er sich die Frage selbst, sondern schnellstmöglich die Wahrheit ergründen. Das war der in diesem Moment einzige noch gangbare Weg, ungeachtet dessen, was das Ergebnis sein würde. Wärmland setzte sich in Bewegung und folgte Nicole und ihrem Begleiter mit etwas Abstand in Richtung Ausgang. Die beiden verließen den Bahnhof auf der Domseite und wandten sich in Richtung der Taxis, die auf der rechten Seite des Vorplatzes auf Kundschaft warteten. Sie wird wohl mit ihm nach Hause fahren, vermutete Wärmland. Ob er mit seiner Vermutung richtiglag, würde sich zeigen, wenn er es schaffte, an ihnen dranzubleiben. Die beiden Verfolgten bestiegen, wie von Wärmland erwartet, ein Taxi. Er beeilte sich, selbst auch eines zu besetzen, um ihnen folgen zu können, denn schließlich konnte er, ohne es mit eigenen Augen gesehen zu haben, nicht völlig sicher sein, dass sie mit dem adretten, hilfsbereiten Herrn zu ihrer Wohnung fuhr. Es konnte auch andere Varianten und Möglichkeiten geben. Das Fluchttaxi war losgefahren und bog bereits um die Ecke, als Wärmland dem Fahrer im nächsten Fahrzeug seinen Dienstausweis zeigte. »Können Sie an dem Kollegen vor Ihnen dranbleiben?«, fragte er den über diese Bitte in keiner Weise erstaunten Fahrer. Der Mann grunzte nur etwas Unverständliches, während er sein Fahrzeug in Bewegung setzte. Es klang ein bisschen wie: »Wurde ja auch mal Zeit, dass sich hier etwas Abwechslung einstellt.« Wärmland fühlte sich wie ein unfreiwilliger Kamikazepilot, der mit einem Motorschaden in der Luft unterwegs war. Egal, wie es weiterging, es konnte nur schiefgehen – davon war er überzeugt. Schließlich kam nach ein paar Minuten sogar der Moment, da er seine Verfolgung in Frage stellte und mit seinem Plan haderte. Ihm wurde jedoch wieder bewusst, wie wichtig es für ihn war, bezüglich seiner Beziehung mit Nicole Gewissheit zu erlangen. Er war noch so verliebt in sie wie zu Beginn ihres wunderbaren Kennenlernens. Nein, halt, das stimmte nicht, sein Verliebtsein hatte in den vergangenen Monaten sogar zugenommen. Wärmlands Taxifahrer blieb tatsächlich hartnäckig am Fahrzeug des Kollegen dran, der eindeutig den Weg zu Nicoles Wohnung eingeschlagen hatte. Wärmland fragte sich für einen kurzen Augenblick, ob es nicht vielleicht doch eine völlig harmlose Erklärung für das vertraute Miteinander der beiden gab? Nach dem Motto: »Darf ich dir meinen Cousin vierten Grades vorstellen, lieber Jan? Er ist ganz zufällig in meinem Zug gewesen, weil er einen Geschäftstermin in Köln hat. Er ist in der Modebranche tätig, deshalb ist er so unglaublich gut angezogen, und er hat früher als Model gearbeitet, deshalb sieht er trotz seiner vierundfünfzig Jahre immer noch so unverschämt gut aus. Albert wird heute Nacht übrigens bei mir in der Wohnung übernachten, weil sein Hotel, das er seit Jahren in Köln bucht, versehentlich eine Doppelbuchung vorgenommen hat. Ein völlig harmloser Freundschaftsdienst unter Verwandten, nichts, worüber du dir den Kopf zerbrechen müsstest, chéri. Auch nicht darüber, dass er bei mir im Bett schläft. Um einschlafen zu können, braucht er jemanden in seiner unmittelbaren Nähe, du verstehst schon, weil er als Baby vertauscht wurde und irgendwie einen lieben Menschen um sich braucht, vor allem im Dunkeln.« Wärmland wurde durch lautes Hupen und einen Schwall von Flüchen aus seiner schmerzhaften Vision gerissen. Sein Fahrer ließ eine üppige kraftsprachliche Ausdrucksfähigkeit erkennen, ausgelöst durch das Fehlverhalten eines anderen Autofahrers. Wärmland vermutete, dass es sich bei dem Ausbruch von Worten im Ausmaß des Auswurfs eines Mount St. Helens entweder um eine ihm bisher unbekannte Form des Kölschen handelte oder um normales, aber temperamentvoll vorgetragenes Farsi, das man im Iran und in Afghanistan...


Hans Jürgen Sittig, 1957 in Mayen/Eifel geboren, begann als Biologiestudent mit dem Schreiben und Fotografieren für verschiedene Magazine und Zeitschriften. Der in Bonn lebende Vater zweier Söhne spielt Klavier, Theater in Wuppertal und in kleinen TV-Serien. www.hans-juergen-sittig.de



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