E-Book, Deutsch, 195 Seiten
ISBN: 978-3-482-72991-1
Verlag: NWB Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Zielgruppe
Dieses Buch richtet sich an Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Wirtschaftsprüfer und Steuerabteilungen größerer international tätiger Unternehmen.
Autoren/Hrsg.
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B. Praxis der Verrechnungspreissysteme in ausgewählten Branchen (Sinz)
I. Die Branche als Einflussfaktor des Verrechnungspreissystems
Nur vor dem Hintergrund der betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten einer Branche (bzw. deren Markt- und Wettbewerbsverhältnisse) können grenzüberschreitenden Geschäftsvorfälle innerhalb einer Unternehmensgruppe im Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz beurteilt werden. Zwingender Bestandteil einer Verrechnungspreisdokumentation ist daher nach übereinstimmenden internationalen wie nationalen Vorschriften insbesondere eine geeignete Industrie- und Unternehmensanalyse.1) Ein maßgeblicher Einfluss der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse der relevanten Branche auf das Verrechnungspreissystem einer Unternehmensgruppe wird von der OECD bzw. vom nationalen Gesetzgeber im Regelfall unterstellt. Als Verrechnungspreissystem werden in einem engeren Sinn insbesondere die Rahmenbedingungen der Preisbestimmung für grenzüberschreitende Transaktionen einer international agierenden Unternehmensgruppe verstanden, die Gegenstand einer Verrechnungspreisdokumentation sind. Daneben stehen weitere Elemente in einem wechselseitigen Zusammenhang zur Verrechnungspreisbestimmung. In einem weiteren Sinne umfasst ein Verrechnungspreissystem insbesondere auch die Ausprägung von Planung, Implementierung, Administration und Verteidigung von Verrechnungspreisen als Instrumente des Verrechnungspreismanagements. Das Verrechnungspreismanagement beschäftigt sich mit der Gewinnung, Analyse und Bewertung von Verrechnungspreisinformationen zur Ableitung eines optimalen Einsatzes dieser Verrechnungspreisinstrumente. Mit den verrechnungspreistechnischen Funktions- und Risikoprofilen der an der Wertschöpfung beteiligten Unternehmen kann das Geschäftsmodell einer Unternehmensgruppe beschrieben werden. Das Geschäftsmodell ist Ausfluss der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens, welche von den relevanten Markt- und Wettbewerbsverhältnissen beeinflusst wird. Die von der betriebswirtschaftlichen Theorie zur Unternehmensführung entwickelten Modelle zur Ableitung von Unternehmensstrategien basieren auf diesen Überlegungen. Daneben zeigt sich in der empirischen Praxis die Ausbildung von typischen Geschäftsmodellen abhängig von den Markt- und Wettbewerbsverhältnissen einer Branche. II. Die Branche als Einflussfaktor in der betriebswirtschaftlichen Theorie
1. Marktorientierte Ansätze
Wichtige Ansätze der Unternehmensführung basieren direkt auf den Markt- und Wettbewerbsverhältnissen der relevanten Branche. In der klassischen Industrieökonomie wird als Ziel des strategischen Managements die Positionierung des Unternehmens im Markt in einer relativ zu den anderen Unternehmen guten Position vorgegeben.2) Porter hat hierzu ein Modell entwickelt, in dem nicht nur die Struktur einer Branche das strategische Geschäftsmodell und den Erfolg eines Unternehmens bestimmt, sondern umgekehrt auch das strategische Geschäftsmodell von Unternehmen die Branchenstruktur verändern kann.3)
(Graphik 1: Structure-Conduct-Perfomance Modell, vgl. Porter, a. a. O., S. 616) Basierend auf diesem Modell werden z. B. drei mögliche Strategien abgeleitet, mit denen sich ein Unternehmen konsequent auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse ausrichten soll:4) Umfassende Kostenführerschaft Differenzierung Konzentration auf Nischen Basis einer möglichst erfolgreichen strategischen Steuerung der Unternehmung sind damit die Kenntnis und das Verständnis der relevanten Markt- und Wettbewerbsverhältnisse. Diese Analyse erfolgt nach dem Modell der fünf Wettbewerbskräfte:5) Aktuelle Wettbewerbsintensität Bedrohung durch potentielle neue Konkurrenten Verhandlungsmacht der Lieferanten Verhandlungsmacht der Abnehmer Bedrohung durch Ersatzprodukte
(Graphik 2: Wettbewerbskräfte nach Porter (ausführlich), vgl Macharzina/Wolf: Unternehmensführung, 6. Aufl., Gabler 2008, S. 312) Mit diesem Modell der Wettbewerbskräfte werden die spezifischen Branchenstrukturen eines Marktes beschrieben. Dieses Modell ist damit auch Grundlage der sog. Industrieanalyse im Rahmen der Entwicklung bzw. Dokumentation von Verrechnungspreismodellen. Die Beschreibung der Wettbewerbsintensität und der auf sie einwirkenden Kräfte erfolgt aus Sicht des Unternehmens. Die Branchenstruktur ergibt sich damit aus dem Blickwinkel einer unternehmenseigenen Analyse. Damit ist bereits in diesem Modell ein Baustein zur theoretischen Begründung der sog. Unternehmensanalyse zur Entwicklung bzw. Dokumentation von Verrechnungspreismodellen zu finden. Das Modell der Wettbewerbskräfte hat zu einer Vielzahl strategischer Entscheidungsmodelle geführt. Die folgende Übersicht führt, ohne Anspruch der Vollständigkeit, entsprechende Portfoliotechniken auf:
(Graphik 3: Überblick über marktorientierte Portfoliotechniken, vgl. Oehlrich, Betriebswirtschaftslehre, 2. Aufl., Vahlen 2010, S. 91) 2. Ressourcen- und kompetenzorientierte Ansätze
Die Analyse der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse bietet nachvollziehbare Erklärungsmuster für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Allerdings wird dabei die unternehmensinterne Sichtweise nicht ausreichend beachtet, was besonders im internationalen Kontext kritisiert wird, da verschiedene Märkte zu berücksichtigen sind und die Entscheidungen im strategischen Management stark von den internen Ressourcen und Kompetenzen abhängen. „Besonders bei der Eroberung neuer Märkte durch eine Verlagerung von Wertaktivitäten, können sich die Unternehmen oftmals noch nicht auf bereits bestehende Stärken in einem Markt zurückziehen, sondern müssen sich aktiv neue Ressourcen aufbauen, die sie dann in Wettbewerbsvorteile umwandeln können.”6) Aus der Kritik an den markt- und wettbewerbsorientierten Ansätzen sind sog. ressourcen- und kompetenzorientierte Ansätze entstanden. Diese erklären die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen aus der unterschiedlichen Verfügbarkeit von Ressourcen und Kompetenzen.7) Primäre Verursachungsgröße für Wettbewerbsvorteile und damit den unternehmerischen Erfolg ist hiernach die effiziente Verwertung unternehmensinterner Faktoren, v. a. der Ressourcen und der Kompetenzen der Unternehmung.
(Graphik 4: Resource-Conduct-Performance Modell, vgl. Miroschedji Globale Unternehmens- und Wertschöpfungsnetzwerke, Wiesbaden 2002, S. 149) Die Aufgabe des strategischen Managements ist es, das Potential wertstiftender Ressourcen aufzuspüren und die entscheidenden Ressourcen mit entsprechenden Kompetenzen zu individuellen strategischen Geschäftsmodellen zu kombinieren.8) Soweit dies nicht bereits durch den...