E-Book, Deutsch, Band 1799, 64 Seiten
Reihe: Mami
Simon Mami 1799 - Familienroman
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95979-688-0
Verlag: Kelter Media
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kevin, wo bist du?
E-Book, Deutsch, Band 1799, 64 Seiten
Reihe: Mami
ISBN: 978-3-95979-688-0
Verlag: Kelter Media
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese einzigartige Romanreihe ist der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. Draußen schien die Sonne, doch Kevin saß traurig am Fenster des Zimmers, das er sich mit seinem Freund Philipp Kramer teilte. Er beachtete nicht die spielenden und laut juchzenden Kinder im Garten, sondern starrte auf das Eingangsportal, als erwarte er jemanden. Leise trat Julia Moser, die seit einem Jahr als Erzieherin im Städtischen Waisenhaus MARIENKÄFER arbeitete, zu Kevin hin. Ihr war schon öfters aufgefallen, daß der Junge einfach nur am Fenster saß und hinaussah. Er blickte kurz auf, als er Julia entdeckte, dann sah er wieder hinaus. 'Hast du keine Lust, mit den anderen Kindern zu spielen?' fragte Julia mit sanfter Stimme. 'Sieh mal, wie die anderen das schöne Wetter genießen.
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Draußen schien die Sonne, doch Kevin saß traurig am Fenster des Zimmers, das er sich mit seinem Freund Philipp Kramer teilte. Er beachtete nicht die spielenden und laut juchzenden Kinder im Garten, sondern starrte auf das Eingangsportal, als erwarte er jemanden. Leise trat Julia Moser, die seit einem Jahr als Erzieherin im Städtischen Waisenhaus MARIENKÄFER arbeitete, zu Kevin hin. Ihr war schon öfters aufgefallen, daß der Junge einfach nur am Fenster saß und hinaussah. Er blickte kurz auf, als er Julia entdeckte, dann sah er wieder hinaus. »Hast du keine Lust, mit den anderen Kindern zu spielen?« fragte Julia mit sanfter Stimme. »Sieh mal, wie die anderen das schöne Wetter genießen.« Kevin schüttelte nur stumm den Kopf und drückte seinen Teddybär fester an sich. Julia zögerte. Sollte sie den Kleinen einfach allein da sitzen lassen? Kurzerhand setzte sie sich neben ihn auf die Fensterbank und sah ebenfalls hinaus. »Wartest du auf jemanden? Du bist oft hier oben im Zimmer, wenn die anderen spielen, nicht wahr?« Kevin sah Julia wieder ernst mit seinen traurigen Augen an. »Ich warte darauf, daß meine Mama mich holt.« »Deine Mama? Davon weiß ich ja gar nichts. Wann wollte sie denn kommen?« fragte Julia erstaunt. Ihr war bekannt, daß Kevin vor einiger Zeit zur Adoption freigegeben worden war. Hatte er etwa bereits neue Eltern gefunden? »Ich weiß ganz genau, daß meine Mama eines Tages vor der Tür steht und mich nach Hause holt.« Trotzig drehte sich Kevin von Julia weg, doch sie sah trotzdem, daß er den Tränen nahe war. Erschrocken wollte sie ihn an sich drücken, unterließ es dann doch. Statt dessen sagte sie: »Ich gehe jetzt mal wieder. Aber du solltest ein bißchen an die Sonne gehen, du bist ganz blaß.« Dann verließ sie schnell das kleine Zimmer mit den farbenfrohen Möbeln und den Märchenbildern an den Wänden. Was war nur in den Jungen gefahren? Wer mochte ihm eingeredet haben, daß seine Mutter ihn zu sich nehmen würde? Julia arbeitete gerne im MARIENKÄFER, wie das Waisenhaus im allgemeinen kurz genannt wurde. Gleich, als sie im vorigen Frühjahr ihre Stelle dort angetreten hatte, war ihr der kleine stille Kevin Seifert aufgefallen und ans Herz gewachsen. Eigentlich sollte sie ja alle Kinder gleich behandeln, das hatte Julia schon während ihrer Ausbildung gelernt – aber Kevin war so anders als die meisten anderen Kinder. Er lachte selten, spielte höchstens mal mit seinem Freund Philipp und fiel niemals durch Schabernack auf. Julia hatte den Eindruck, als ob für Kevin das Heim nur eine Übergangslösung zu sein schien. Sie lenkte die Schritte zum Büro der Heimleiterin Frau Clasen; sie mußte unbedingt Näheres über Kevins Mutter erfahren. Bärbel Clasen saß hinter ihrem Schreibtisch und sortierte die eingegangene Post, als Julia nach einem zaghaften Anklopfen eintrat. »Könnte ich wohl einen Augenblick mit Ihnen reden?« fragte Julia. Sie wußte, daß Frau Clasen ständig in Zeitdruck war und vierundzwanzig Stunden am Tag arbeiten könnte, wenn es ihre Kraft zugelassen hätte. Seit einiger Zeit versuchte die Stadt, Personal einzusparen – natürlich gerade da, wo es am dringendsten gebraucht wurde. Frau Clasen sah auf. »Wenn es etwas Privates ist, habe ich keine Zeit für Sie, Julia. Aber wenn es um eines unserer Kinder geht, habe ich immer ein offenes Ohr.« Julia mußte lächeln. Bärbel Clasen tat immer so, als interessiere sie sich ausschließlich für die Belange der Waisenkinder. Aber in Wahrheit nahm sie auch großen Anteil am Privatleben der Mitarbeiterinnen. »Es geht um Kevin Seifert«, erklärte Julia und setzte sich auf den Besucherstuhl. »Ich mache mir Sorgen um den Jungen.« Frau Clasen nahm ihre Brille ab, strich sich seufzend über die Augen. »Ja, der Kleine sondert sich ständig ab, doch das war eigentlich schon immer so.« »Hm, das habe ich auch schon mitbekommen. Gerade vorhin saß er wieder oben am Fenster und sah hinunter. Als ich ihn fragte, ob er jemanden erwarte, behauptete er allen Ernstes, daß seine Mutter kommen wollte, um ihn abzuholen!« Die Heimleiterin hob verdutzt den Kopf. »Seine Mutter?« Julia zuckte die Achseln. »Ich habe mich ja auch gewundert, weil ich weiß, daß er zur Adoption freigegeben wurde. Ich dachte, Sie wüßten, was der Junge damit meinen könnte.« »Leider nicht«, erwiderte Bärbel Clasen und kaute nachdenklich am Brillenbügel. »Ich kann mich auch nicht daran erinnern, daß seine Mutter jemals Kontakt zu ihm aufgenommen hätte.« »Kommt denn jemand für eine Adoption in Frage?« Frau Clasen schüttelte langsam den Kopf. »Nicht, daß ich wüßte – und wenn es Interessenten für Kevin gäbe, wüßte ich es ganz bestimmt. Als er noch sehr klein war, ja, da haben sich viele Ehepaare für ihn interessiert. Aber die leibliche Mutter hatte bis dahin kategorisch eine Adoption abgelehnt, und ein Pflegekind wollten die Leute nicht haben. Zu riskant, daß die Mutter ihr Kind nach einer Weile zurückfordert – und ich kann sie verstehen.« »Warum hat sich die Mutter dann doch zur Adoption entschlossen?« wollte Julia wissen. »Tja, wenn ich das wüßte. Das war ja erst kurz bevor Sie hier angefangen haben, Julia. Da war es dann für Kevin leider zu spät – einen vierjährigen Jungen wollen die Leute nicht mehr.« »Ich verstehe aber nicht, wieso er steif und fest behauptet, daß er auf seine Mutter wartet!« Julia blickte fragend auf die Heimleiterin, die ebenso ratlos schien wie sie selber. »Sie kommen doch gut mit Kevin zurecht, Julia. Ich weiß, daß er Ihnen vertraut, versuchen Sie doch herauszubekommen, was er mit dem Warten bezwecken will.« Julia stand zögernd auf. Sie glaubte nicht, daß Kevin ihr so vertraute, daß er ihr alle kleinen Geheimnisse erzählen würde. Doch es stimmte, daß der Junge ihr gegenüber etwas aufgeschlossener war als bei den anderen Erzieherinnen, die sich im übrigen genauso große Mühe mit ihm gaben wie Julia. »Gut, ich werde es versuchen. Mal sehen, ob er immer noch in seinem Zimmer hockt.« Sie wurde beinahe von den beiden kleinen Mädchen umgerannt, die auf dem Gang Fangen spielten. Lachend schickte sie sie in den Garten, dann machte sie sich auf die Suche nach Kevin. Er war nicht mehr in seinem Zimmer. Julia sah, daß seine Jacke fort war – ebenso wie der abgenutzte Teddy, den er mal vom Heimpersonal zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Im weitläufigen Garten des Heimes wurde Julia schließlich fündig. Kevin saß auf einer Schaukel, mit dem Bären auf dem Schoß. »Ach, da bist du ja!« rief Julia betont fröhlich und eilte auf ihn zu. »Ich habe dich schon gesucht.« Kevin machte ein erstauntes Gesicht. »Wieso? Habe ich was angestellt?« »Ach was. Ich möchte nur mal mit dir reden, hast du auf der Schaukel noch ein kleines bißchen Platz für mich?« Bereitwillig rückte Kevin zur Seite, schien aber nicht sonderlich erpicht darauf zu sein, sich mit Julia zu unterhalten. Eine Weile saßen sie stumm da; Julia suchte fieberhaft nach den richtigen Worten. Es war so schwer, den Anfang zu machen. Schließlich fragte sie: »Du wartest also auf deine Mutter, ja?« Kevin nickte nur, was Julia auch nicht weiterbrachte. Sie wollte dem Kleinen auf gar keinen Fall weh tun, wußte aber nicht, wie sie dies vermeiden sollte. »Hm«, machte sie, »woher willst du wissen, daß deine Mutter herkommt?« Nun ging ein Ruck durch Kevins zarten Körper. »Ich weiß es eben!« Julia zuckte erschrocken zusammen – solch einen Gefühlsausbruch hatte sie nicht erwartet. Vorsichtig stellte sie daher die nächste Frage: »Und woher weißt du das?« »Weil die anderen Kinder auch geholt werden – ich hab’ das schon oft gesehen! Die Eltern kommen her und nehmen sich ihr Kind. Eines Tages wird auch meine Mutter kommen!« Daher wehte also der Wind! Kevin hatte die Kinder gesehen, die Adoptiv- oder Pflegeeltern gefunden hatten und war nun der Meinung, daß dies die leiblichen Eltern gewesen sein mußten. Wie sollte Julia ihm dies erklären? Konnte oder durfte sie ihm die Wahrheit schonungslos ins Gesicht sagen? Um etwas vom Thema abzulenken, sagte sie: »Du redest immer nur von deiner Mutter – was ist mit deinem Vater? Hat du nach ihm kein Verlangen?« Kevin setzte eine gleichgültige Miene auf. »Weiß nicht. Ich habe mal gehört, daß Frau Clasen gesagt hat, daß der Kevin Seifert keinen Vater hat – und der Kevin Seifert bin ich doch, oder?« »Ja, sicher bist du das!« »Aber eine Mutter, die hat jedes Kind, nicht wahr? Auch ich habe eine, und auf die warte ich jetzt.« Damit war für Kevin das Gespräch beendet. Er sprang vom Sitz der Schaukel und ging langsam zum Haus zurück, ohne sich noch einmal umzudrehen. Julia blickte ihm mit sorgenvoll gerunzelter Stirn hinterher. Sie mußte noch einmal mit Frau Clasen über Kevin sprechen. Stimmte es tatsächlich, daß Kevins Vater unbekannt war? * »Ja, das ist richtig. Es tut mir leid, daß der Junge dies mitgehört hat. Glauben Sie mir, Julia, das war nicht meine Absicht.« Man sah Bärbel Clasen an, daß ihr dieser Vorfall ehrlich leid tat. »Ich weiß gar nicht, wie mir das passieren konnte.« Am liebsten hätte Julia tröstend ihren Arm um die Heimleiterin gelegt, die alles dafür tat, daß sich die Kinder wohlfühlten. »Machen Sie sich doch nichts daraus«, sagte...