E-Book, Deutsch, 251 Seiten
Reihe: Klassiker der Hochschullehre
Klassiker der Hochschullehre
E-Book, Deutsch, 251 Seiten
Reihe: Klassiker der Hochschullehre
ISBN: 978-3-7398-0337-1
Verlag: UVK
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Buch beantwortet die Frage, wie sich Entwicklungs- und Wachstumsprozesse in der Welt vollziehen und wie sich Standorte für wirtschaftliche Aktivitäten ergeben. Auch auf die Faktor-, Geld- und Devisenmärkte geht es ein. Die Auswirkungen, die internationale Arbeitsteilung auf die Realeinkommen der Arbeitnehmer und die Beschäftigung haben, beleuchtet das Buch darüber hinaus.
Die ökonomische Entwicklung von Transformations- und Entwicklungsländern bleibt in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt. Die Frage, wie sich Transformationsländer in die internationale Arbeitsteilung integrieren lassen, beantwortet dieses Buch ebenso.
Der Autor legt diesem Klassiker das Paradigma zugrunde, dass die Welt nur als Ganzes betrachtet und interpretiert werden kann.
Dieses Buch ist im Jahr 1997 im Verlag Lucius und Lucius in der utb-Reihe erschienen. Es handelt sich bei diesem Buch um den unveränderten Nachdruck eines herausragenden Werks der deutschen Lehrbuchliteratur, das nun in der Reihe Klassiker der Hochschullehre in der UVK Verlagsgesellschaft mbH erscheint.
Der Ökonom und Hochschullehrer Professor Dr. Horst Siebert (1938-2009) war von 1989 bis 2003 Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und 2007 Hayek-Preisträger.
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1 Die weltwirtschaftliche Sicht
1.1 Sieben weltwirtschaftliche Bilder
Bild 1. Blenden wir 130 Jahre zurück. Japan war damals eine geschlossene Volkswirtschaft ohne nennenswerte Außenbeziehungen, und zwar weder im wirtschaftlichen noch im kulturellen Bereich. In der Meiji-Revolution von 1868 öffnete sich das bis dahin geschlossene Japan dann bewußt nach außen. Es wird berichtet, daß Japan im frühen Stadium seiner Entwicklung Speichen für importierte Fahrräder produzierte, also eine Importsubstitution betrieb. Ende der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts war Japan mit einem Weltmarktanteil der Exporte von etwa 3 vH ein wichtiges Exportland geworden. Nach dem Zusammenbruch im Gefolge des zweiten Weltkrieges mußte Japan seinen wirtschaftlichen Aufbau von neuem beginnen. 1950 nahm Japan eine relativ unbedeutende Position in der Weltwirtschaft ein, sein Anteil am Weltexportvolumen lag bei 1 vH. Heute bestreitet Japan etwa ein Zehntel des Weltexportvolumens, und seine effiziente Industrie fordert sowohl Nordamerika als auch Europa heraus. Wie schafft es ein Land, sich erfolgreich in die internationale Arbeitsteilung zu integrieren? Wie gelingt es ihm, seine Ressourcen so einzusetzen, daß ihm der internationale Austausch Wohlstandsgewinne bringt? Welche Mechanismen bewirken, daß eine Volkswirtschaft diejenigen Exportgüter produziert, die in der Welt nachgefragt werden? Wie sieht die Politik einer konsequenten Außenorientierung aus? Wo stößt der Prozeß des wirtschaftlichen Wachstums durch Handel an Grenzen? Bedeuten fortschreitende Erfolge bei den Exportprodukten, daß weltweit die Nachfrage nach der Währung des Landes kräftig zunimmt, was sich letztlich in einer Aufwertungstendenz niederschlagen muß, so daß die preisliche Wettbewerbsfähigkeit geschmälert wird? Gilt dies für alle Aufholländer? Bild 2. Die Planwirtschaften Osteuropas konnten in der Zeit nach 1945 den Entwicklungsrückstand zu den USA nicht aufholen. Während in den 50er und auch in den 60er Jahren noch relativ hohe reale Wachstumsraten der sozialistischen Länder verzeichnet wurden, sind die 70er Jahre durch sehr niedrige Zuwachsraten gekennzeichnet. In den 80er Jahren brechen die Systeme dann im internationalen Standortwettbewerb zusammen (Schaubild 1.1). Sie konnten die Menschen nicht angemessen mit Gütern versorgen. Worauf ist dieser Mißerfolg zurückzuführen? Welche Bedeutung hatte dabei außer dem ineffizienten Planungssystem, den fehlenden Eigentumsrechten und den falschen Anreizen die sogenannte „Arbeitsteilung von oben“, bei der im COMECON unter den sozialistischen Planwirtschaften Größenvorteile der Produktion ausgenutzt werden sollten? Die Ungarn produzierten Omnibusse für die RGW-Länder, die Tschechen Straßenbahnen und die Ostdeutschen Eisenbahnwaggons. Durch diese von oben geplante Spezialisierung wurde der Wettbewerb zwischen den mittel- und osteuropäischen Volkswirtschaften ausgeschaltet, und auch vom weltweiten Wettbewerb waren sie abgeschottet. Schaubild 1.1 – Wirtschaftswachstum in den Planwirtschaften Mittel- und Osteuropas, 1950-1990 Quelle: Heitger (1993) nach Daten von Summers und Heston (1988; 1991) und IMF, International Financial Statistics. Wie kommt es, daß Volkswirtschaften nicht hinreichend aufholen, daß sie ihre Wohlstandsposition nicht halten können, ja relativ zu anderen Ländern sogar eine schleichende Erosion ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfahren? Wie lange können Regierungen solche Prozesse für die Bevölkerung unmerkbar halten? Wann wird sich die Bevölkerung durch einen Vergleich mit anderen Ländern ihrer veränderten ökonomischen Lage bewußt? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, daß nun die Transformation einer ehemaligen Planwirtschaft gelingt? Wie können diese Länder in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung integriert werden? Bild 3. Lateinamerika hat in den vier Jahrzehnten von 1950 bis 1990 im Innern eine wenig erfolgreiche Wirtschaftspolitik betrieben und sich nach außen durch eine Politik der Importsubstitution von der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung teilweise abgekoppelt. Importe wurden behindert, heimische Sektoren wurden nicht dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt. So gab es in Mexiko bis in die 80er Jahre ein System der Importlizenzen, wobei die Importlizenz in der Regel mit einem stärkeren Peso verbunden war (gespaltener Wechselkurs). Dadurch war es den Lizenzinhabern möglich, günstig an Importgüter heranzukommen. Dieses System wurde von einer Bürokratie verwaltet und stiftete zugleich den Verwaltern des Systems politische Macht. Mexiko gab diese Politik erst in den 80er Jahren auf und trat erst 1986 dem GATT bei. Lateinamerika verzeichnete im Zeitraum von 1950 bis 1990 ein schwaches wirtschaftliches Wachstum und hatte in den 80er Jahren eine negative Wachstumsrate. Schaubild 1.2 – Wirtschaftswachstum in ausgewählten Regionen der Welt, 1950-1990 Quelle: Heitger (1993) nach Daten von Summers und Heston (1988; 1991) und IMF, International Financial Statistics. Anders verlief die Entwicklung in den asiatischen Ländern des pazifischen Randes, die im wesentlichen durch eine Außenorientierung ihrer Wirtschaftspolitik gekennzeichnet waren und ihre Wirtschaft dem Wettbewerb von außen aussetzten. Es gab keine Diskriminierung zwischen heimischer Industrie und Außensektor. Haben Regionen der Welt, die eine Politik der Importsubstitution und des Außenschutzes betrieben haben, sich möglicher Entwicklungschancen und potentieller Wohlfahrtsgewinne beraubt? Wie ist der Zusammenhang zwischen Außenorientierung und Wachstum? Wachsen offene Volkswirtschaften stärker? Bild 4. In der großen Depression zu Anfang der 30er Jahre erlebte die Weltwirtschaft einen gewaltigen Zusammenbruch. Das Volumen des Welthandels ging innerhalb von vier Jahren auf ein Drittel seines Niveaus zurück. Die sogenannte Kindleberger-Spirale zeichnet nach, wie das Weltimportvolumen für 75 Länder, das als Indikator des Welthandels angesehen werden kann, von Monat zu Monat schrumpfte (Schaubild 1.3). Schaubild 1.3 – Die Kindleberger-Spiralea aWeltimportvolumen in Millionen US-Gold-$. Quelle: Charles P. Kindleberger, The World in Depression 1929–1939, London 1973, S. 172. Wie würde ein solcher Einbruch des Welthandels heute wirken? Deutschland exportiert etwa ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts, etwa 850 Mrd. DM (1996). Ein Rückgang des Exportvolumens auf ein Drittel, also um etwa 600 Mrd. DM, würde eine verheerende Depression mit sich bringen, insbesondere wenn man bedenkt, daß heute konjunkturbedingte Mindereinnahmen bei den Steuern von 10 bis 20 Mrd. DM als problematisch für die Konjunkturbewegung angesehen werden oder daß eine steuerliche Entlastung der Haushalte in dieser Größenordnung als ein stimulierender Impuls für die Konjunktur eingeschätzt wird. Bild 5. Bei den beiden Ölpreisschocks der siebziger Jahre verzwanzigfachte sich der Erdölpreis im Vergleich zu den sechziger Jahren. Während der Erdölpreis in den sechziger Jahren deutlich unter 2 US-$ pro Faß Rohöl lag, vervierfachte er sich in der ersten Ölkrise 1973/74 auf etwa 10 US-$. Beim zweiten Ölpreisschock 1979/80 stieg der Preis pro Faß von 12 US-$ auf nahezu 40 US-$. Die Ursache dieser Entwicklung war, daß die Ressourcenländer die Eigentumsrechte an den Rohölreserven in ihrem Boden beanspruchten, so daß die sieben großen internationalen Ölunternehmen von ihren Angebotsquellen abgeschnitten wurden. Die bis dahin geltenden Konzessionsverträge sahen vor, daß die Ölgesellschaften einen bestimmten Prozentsatz des Erlöses (Royalty) für die geförderten Ölmengen zahlten, aber faktisch über die Ölförderung verfügten und auch das Recht (mit einer zeitlichen Dauer von bis zu 70 Jahren) für die Erschließung neuer Ölquellen hatten. Anfang der 70er Jahre gingen die Nutzungsrechte am Erdöl auf die Ressourcenländer über. Eine notwendige Folge war, daß die Allokation des Erdöls nicht mehr in der vertikalen Hierarchie der Unternehmen (Förderung, Raffinerie, Transport, Distribution) erfolgen konnte, sondern daß Märkte – insbesondere der Spot-Markt von Rotterdam, inzwischen aber auch Terminmärkte – verstärkt die Allokation übernahmen. Die zentrale Konsequenz war, daß der auf die niedrigen Ölpreise der sechziger Jahre ausgerichtete Kapitalstock, insbesondere die Maschinen in der Produktion und die Motoren der Verkehrsträger, teilweise obsolet wurde. Die Produktivität des Kapitals ging zurück, und dies hatte Auswirkungen auf Produktion, Beschäftigung und Wachstum. Gleichzeitig erfolgte eine reale Umverteilung der Einkommen zugunsten der erdölproduzierenden...