Seife | Stephen Hawking | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 488 Seiten

Seife Stephen Hawking

Genie des Universums
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-406-77528-4
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Genie des Universums

E-Book, Deutsch, 488 Seiten

ISBN: 978-3-406-77528-4
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als Stephen Hawking in den frühen 1960er Jahren mit seiner Forschung begann, war sein Fach, die Kosmologie, eine verschlafene Disziplin, die über Jahrzehnte keine wesentlichen Fortschritte erlebt hatte. Als er 2018 starb, war es das wohl aufregendste Forschungsgebiet der Physik, das einen Nobelpreis nach dem anderen einheimst. Und Stephen Hawking galt weithin als der beste Physiker der Welt, wenn nicht sogar als der klügste Mensch. Charles Seife zeigt in seiner Biografie, wie es dazu kam.
In seiner Doktorarbeit von 1965 wies Hawking nach, dass der Urknall, aus dem das Universum entstand, ein unendlich kleiner Punkt sein muss, für den die Gesetze der Physik nicht gelten. Dieses "Singularitätstheorem" beflügelte seine Karriere. Anschließend gelangen ihm spektakuläre Entdeckungen über schwarze Löcher und die Frühzeit des Universums. Aufgrund von amyotropher Lateralsklerose begannen Hawkings Kräfte zu schwinden; seit den achtziger Jahren war er vollständig gelähmt und konnte nicht mehr sprechen. Glücklicherweise war er eine internationale Berühmtheit, Autor des Bestsellers "Eine kurze Geschichte der Zeit" (1988) und konnte sich so die Armee von Betreuern leisten, die es ihm ermöglichte zu Hause zu leben, zu arbeiten, zu kommunizieren, Kontakte zu pflegen und die Welt zu bereisen. Die mediale Öffentlichkeit ignorierte weithin seine Entdeckungen, war aber besessen von seiner Behinderung, seinem Privatleben und seinen "Äußerungen". Jeder Skandal, wie etwa seine Vorliebe für Swingerclubs, trug zur Legende bei. Diese aufregende, nicht immer schmeichelhafte Biografie erklärt nicht nur Hawkings komplexe Wissenschaft anschaulicher als er selbst, sondern zeichnet auch das verstörende Porträt einer vorsätzlichen Mythenbildung.

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Kapitel 1 Gleich neben Newton (2018)
In den letzten einhundert Jahren wurden nur drei Wissenschaftler in der Westminster Abbey beigesetzt: Ernest Rutherford, der die Struktur des Atoms aufklärte, J. J. Thomson, der das Elektron entdeckte, und schließlich Stephen Hawking. Die Urne mit Hawkings Asche wurde am 15. Juni 2018 in den Boden der Kathedrale eingelassen und, kaum einen Meter von den Gräbern Isaac Newtons und Charles Darwins entfernt, unter einer schieferschwarzen Platte beigesetzt. Hawking hatte sich öffentlich stets dagegen verwahrt, mit Newton verglichen zu werden, und jede derartige Anspielung entschieden als «Medienhype» zurückgewiesen. Doch die Öffentlichkeit stellte diese Verbindung gerne her: Hawking war der berühmteste Physiker seiner Zeit, besetzte in Cambridge den Lucasischen Lehrstuhl, den Newton dreihundert Jahre vor ihm innegehabt hatte, und hatte wie dieser einen Großteil seiner Karriere damit zugebracht, die Rätsel der Gravitationskraft zu lösen. Noch im Tod konnte sich Hawking, selbst wenn er gewollt hätte, nicht aus der Fessel des Vergleichs mit Newton befreien. Die beiden Wissenschaftler liegen nicht nur wenige Schritte voneinander entfernt begraben, ihre Grabsteine tragen zudem dasselbe Epitaph. Auf Newtons Grabmal aus weißem Stein prangt die lateinische Inschrift «Hic depositam est quod mortale fuit Isaaci Newtoni.» Auf Hawkings Grabstein stehen dieselben Worte, wenn auch nicht auf Lateinisch, sondern auf Englisch: «Here lies what is mortal of Stephen Hawking» (Hier ruhen die sterblichen Überreste Stephen Hawkings).[1] Obgleich kleiner als Newtons, ist Hawkings Grabstein kunstvoller gestaltet. Der Schriftzug zieht sich sanft den Linien eines Wirbels entlang, die, in den Schiefer eingraviert, in ein ellipsenförmiges Nichts hineingezogen zu werden scheinen: Gaswolken, die im Schlund eines schwarzen Lochs verschwinden. Links steht eine Gleichung, deren Schriftzeichen schwerelos wirken: T = hc3/8pGMk Kaum ein Betrachter des Grabsteins versteht die Bedeutung dieser Symbole. Für Stephen Hawking dagegen war diese Gleichung der Schlüssel zur Überwindung der Sterblichkeit. *** Bis zu seinem Tod 2018 war Hawking einer der angesehensten Menschen auf unserem Planeten und wahrscheinlich auch der am leichtesten auszumachende. Kaum bewegungsfähig, an den Rollstuhl gefesselt und von einer ganzen Entourage von Krankenschwestern begleitet, konnte er sich nirgendwohin incognito begeben. Woran ihm auch nicht besonders viel gelegen hätte. Die Öffentlichkeit verehrte Hawking, ohne genau zu wissen, warum. Für Einstein stand die Relativitätstheorie, für Newton das Gravitationsgesetz; die überwiegende Mehrheit von Hawkings Verehrern hatte dagegen kaum eine Ahnung, wofür Hawking seinen Ruf verdiente. Ebenso wenig verstanden sie, warum er in der Presse stets mit Einstein oder Newton verglichen wurde – ein Vergleich, den er bescheiden zurückwies, an dessen Pflege er aber zugleich hart arbeitete. Und selbst diejenigen, die eine vage Vorstellung von Stephen Hawkings Wissenschaft hatten, sahen nur einen winzigen Teil dessen, was Hawking zu Hawking machte. Denn er war nicht nur der Physiker Hawking, der Prominente Hawking, sondern auch der Selbstdarsteller, der Ehemann und Vater, die Symbolgestalt Hawking. Diese Aspekte standen im Widerstreit miteinander: In dem Augenblick, in dem Hawking zu Ruhm kam, zerbrachen seine Ehe und seine Familie. Als Mensch war er von der pflegerischen Hilfe seiner Studenten abhängig, während er sie als Physiker doch zu seinem intellektuellen Nachwuchs heranziehen wollte. Er war womöglich der weltweit meistgefeierte Physikkommunikator, hatte aber enorme Schwierigkeiten, sich verständlich zu machen. Selbst das scheinbar unkomplizierteste Element seiner Persönlichkeit, seine Kompetenz als erstklassiger Physiker, ist viel komplexer, als es der erste Blick nahelegt. Wissenschaftler sahen Hawking als einen Denker höchster Ordnung, doch zugleich rollten viele die Augen, wenn sie sich spätere Arbeiten anschauten, und zerrissen sie als nahezu bedeutungslos. Der wahre Hawking findet sich jenseits dieses komplexen Geflechts aus widersprüchlichen Narrativen. Wie bei den Singularitäten, die er erforschte, hindern enorme Kräfte Außenstehende daran, Hawkings Innerstes auch nur zu erahnen. Hinter dem Ereignishorizont seines Ruhms aber ist eine reale Person vorhanden. Diese Singularität ist äußerst vielfältig: ein herausragender Wissenschaftler, dessen Bedeutung fast durchgängig missverstanden wird; ein Mensch, der schwer gelitten und ebenso schweres Leid verursacht hat; ein Wissenschaftsstar, der Prominenz in der Forschung neu definierte und veränderte. Die meisten, die etwas über Hawking wissen, lassen sich von einer Momentaufnahme aus seinem Leben blenden, von einem Bild aus dem turbulenten Jahrzehnt von 1980 bis 1990, als er von einem angesehenen, aber unbedeutenden Forscher aus einem vernachlässigten Teilbereich der Physik zu einem Mann mit einem der glanzvollsten Namen überhaupt aufstieg. Doch wie eine Supernova, die ihre Heimatgalaxie für kurze Zeit überstrahlt, zieht Hawkings Ruhm die Aufmerksamkeit auf sich und lenkt zugleich vom Eigentlichen ab – indem er Millionen von Menschen einlädt hinzusehen und zugleich den Stern selbst verbirgt, ein pulsierendes, entblößtes Objekt, das alles verloren hat, was einst an ihm hing. *** Benedict Cumberbatch – ein Schauspieler, der Hawking in einem der vielen Kinofilme, Theaterstücke und Fernsehshows über das Leben des Physikers gespielt hatte – las am Großen Lesepult in der Westminster Abbey eine Passage aus der Weisheit Salomos: Denn er hat mir gegeben gewisse Erkenntnis aller Dinge, dass ich weiß, wie die Welt gemacht ist, und die Kraft der Elemente; der Zeit Anfang, Ende und Mitte; wie der Tag zu- und abnimmt; wie die Zeit des Jahres sich ändert, und wie das Jahr herumläuft; wie die Sterne stehen. Sicher oder – wie es in der englischen Bibelübersetzung heißt – unfehlbar (unerring) war Stephen Hawking nicht, aber er wollte Anfang und Ende des Universums verstehen und hatte sich dies zum Beruf gemacht. Als er in den frühen 1960er Jahren mit seiner Forschung begann, war sein Fach, die Kosmologie, ein abseits schlummerndes Forschungsfeld, das über Jahrzehnte keine wesentlichen Fortschritte erlebt hatte. Als er starb, war es das wohl aufregendste Fachgebiet in der Physik, das einen Nobelpreis nach dem anderen einheimste (und es weiterhin tut), weil es unser Verständnis darüber verändert, wie das Universum entstanden ist. Hawkings erstes bedeutendes Forschungsergebnis war eine wichtige Entdeckung über die Entstehung des Universums. Zu jener Zeit, 1965, versuchte man die Entstehung des Kosmos mit zwei konkurrierenden Modellen zu erklären: Entweder erneuerte er sich ewig aus sich selbst heraus oder er war aus einer gigantischen Explosion entstanden, die unter dem Begriff Big Bang oder Urknall bekannt ist. In seiner Doktorarbeit bewies Hawking, dass der Kosmos, wenn das Universum mit einem Urknall begonnen hatte, aus etwas heraus entstanden sein musste, das als Singularität bezeichnet wird: an einem Punkt, an dem die physikalischen Gesetze außer Kraft gesetzt sind, einem schier unendlich kleinen, aber sich grenzenlos auswirkenden Webfehler im Gefüge von Raum und Zeit. An einem Ort, an dem die Mathematik selbst scheitert. Die Erkenntnis war überwältigend: Wenn man an den Urknall glaubte, musste man hinnehmen, dass die uns bekannten physikalischen Gesetze ungeeignet sind, die Entstehung unseres Kosmos zu beschreiben. Diese Idee – heute als das Singularitäten-Theorem bekannt – war der Startpunkt für Hawkings Karriere. Mit zunehmendem Selbstvertrauen und Rang war Hawking entscheidend dafür verantwortlich, dass sich die heute vorherrschende Theorie darüber festigte, wie sich das sehr frühe Universum ausdehnte: die sogenannte «Inflationstheorie». Hawking selbst allerdings sah seinen wichtigsten Beitrag zur Kosmologie in seiner Arbeit an einer ehrgeizigen, radikalen und umstrittenen Theorie, mit der er versuchte, die quantenmechanische «Wellenfunktion des Universums» zu berechnen. Er glaubte nicht nur, seine Theorie beschreibe den tatsächlichen Startpunkt von Raum und Zeit in unserem Kosmos, sondern war...


Charles Seife hat Mathematik und Journalismus in Princeton, Yale und an der Columbia University studiert und lehrt heute Journalismus an der New York University. Er ist Autor zahlreicher populärwissenschaftlicher Bücher und hat als Journalist u.a. für die "New York Times" und "Scientific American" gearbeitet.



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