Seidel / Schacht | Tod, wo ist dein Stachel? | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 2, 280 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm

Reihe: GEORGIANA

Seidel / Schacht Tod, wo ist dein Stachel?

Todesfurcht und Lebenslust im Christentum

E-Book, Deutsch, Band 2, 280 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 190 mm

Reihe: GEORGIANA

ISBN: 978-3-374-05038-3
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Niemand kann ihm entkommen, dem großen Gleichmacher Tod. 'Leben ist gefährlich. Wer lebt, stirbt', schrieb der polnische Aphoristiker Stanislaw Jerzy Lec mit schwarzem Humor. 'Tod ist … je der meine', pointierte Martin Heidegger diese situative Radikalität. Und für den Literaturnobelpreisträger Elias Canetti war der Tod ähnlich wie für sein Vorbild Johann Wolfgang Goethe nichts als ein Hassobjekt. In auffälligem Kontrast dazu bekennt das Christentum mit dem Apostel Paulus: 'Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?' (1. Korintherbrief 15,55)
Das meint mehr als nur die sokratische Unsterblichkeit der Seele, wie Platon sie im Phaidon entfaltet. Nach Christoph Markschies waren es nicht zuletzt die intensive Seelsorge an den trauernden Schwestern und Brüdern und die Erwartung der Auferstehung, die die schmerzhafte Endgültigkeit des irdischen Lebens keineswegs leugneten und doch durch heitere Gelassenheit dem Tod gegenüber den frühen Christengemeinden rasch Anhänger bescherten.
Das anregende, auch existenziell spannende Buch fragt danach, wie der 'in den Tod verschlungene' Sieg Christi heute theologisch zu interpretieren ist, angesichts eines exzessiven Materialismus, für den der Tod das möglichst zu verdrängende kalte Schlusswort ist.

Mit Essays, praktischen Erfahrungsberichten und literarischen Fundstücken von George Alexander Albrecht, Michael Dorsch, Siegmar Faust, Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Frank Hiddemann, Sebastian Kleinschmidt, Dieter Koch, Christian Lehnert, Martin Luther, Ulrich Schacht, Christine Schirrmacher, Cornelia Seidel, Thomas A. Seidel, Peter Zimmerlind.

[O Death, Where is Your Sting? Fear of Death and Love of Life in Christianity]
Nobody can escape him, the great leveller, Death. 'Life is dangerous. Who lives, dies', wrote the Polish aphorist Stanislaw Jerzy Lec with black humour. And for Elias Canetti as for Johann Wolfgang von Goethe death was nothing but an object of hate. But in marked contrast to that, Christianity with Paul confesses: 'Death is swallowed up in victory. O death, where is your victory? O death, where is your sting?' (1. Corinthians 15:54–55).
This means more than the Socratic immortality as developed by Platon in his Phaidon. According to Christoph Markschies it was not least the intense pastoral care for mourning sisters and brothers and the expectation of the resurrection, denying in no way the painful finality of earthly life, which because of its cheerful serenity contributed to the rapid growth of the early Christian communities.
This stimulating book asks how the victory of Christ, swallowing up death, is to be interpreted today in view of an excessive materialism that sees death as the cold final word that it tries to repress if possible.
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Vorwort
Niemand kann ihm entkommen, dem großen Gleichmacher Tod, weder der Reiche noch der Arme, weder der Mächtige noch der Ohnmächtige, weder der Kluge noch der Dumme. Leben ist gefährlich. Wer lebt, stirbt, schrieb der polnische Aphoristiker Stanislaw Jerzy Lec mit schwarzem Humor. Tod ist … je der meine, pointierte Martin Heidegger, der Philosoph, die damit verbundene situative Radikalität. Und für den Literaturnobelpreisträger Elias Canetti war der Tod lebenslang nichts als ein Hass-Objekt, ähnlich seinem großen Vorbild Johann Wolfgang Goethe, der trotzig zu Protokoll gab: Den Tod aber statuiere ich nicht! In auffälligem Kontrast dazu bekennt das Christentum mit dem Apostel Paulus: Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? (1. Kor. 15,55). Das meint jedoch anderes und mehr als nur die sokratische Untersterblichkeit der Seele, wie Platon sie im »Phaidon« entfaltet. Nach Christoph Markschies war es jene intensive Seelsorge gegenüber den trauernden Schwestern und Brüdern, die die schmerzhafte Endgültigkeit des irdischen Lebens keineswegs leugnete, und doch in Verbindung mit einer staunenswerten heiteren Gelassenheit gegenüber dem Tod den frühen Christengemeinden rasch eine nicht geringe Schar an Anhängern aus allen gesellschaftlichen Schichte des Imperium Romanum bescherte, die auch Verfolgung und Martyrium nicht scheuten. Liegt hier ein wesentliches, »siegreiches Alleinstellungsmerkmal« sowohl gegenüber dem kraftlosen Stoizismus eines dekadenten römischen Bürgertums als auch gegenüber den weit verbreiteten, rauschhaften Kulten des Mithras, Dionysos oder der Demeter? Todesfurcht und Lebenslust stehen in frühchristlicher Praxis nicht trotzig gegeneinander, sondern vielmehr in ritueller, alltagspraktischer Verbundenheit. Dieser fromme Zauber des Anfangs hat in der Christentumsgeschichte des Ostens wie des Westens zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche starke Kraft entfaltet. Was war und was ist also mit dem »in den Tod verschlungenen« Sieg gemeint und wie steht es um seine Wirkkraft heute, insbesondere mit Blick auf die kirchliche Lage in Deutschland? Nach Eberhard Jüngel bezeichnet das Paulus-Diktum einen spirituellen Machtkampf, den er so gedeutet hat: Der Tod hat seinen ›Stachel‹, das Instrument seiner Herrschaft, im Leben Gottes zurücklassen müssen. Die säkulare Gesellschaft von heute begegnet dieser »Entmächtigung« nicht nur mit Verdrängung und Unverständnis, sondern vor allem mit einem exzessiven Materialismus, der zuletzt aber auch nur in jene »totale Verhältnislosigkeit« mündet, die Natur und Geschichte als Einheit begreift und damit den Tod als das kalte Schlusswort. Doch auch in der praxis pietats vieler Pfarrerinnen und Pfarrer und (was nimmt es Wunder) in der Alltagsfrömmigkeit zahlreicher Christenmenschen ist diese Entmächtigung, […] die wir eine geistliche Verspottung des Todes nennen können (Jüngel), weitgehend aus der Übung gekommen. Aus den heute üblichen evangelischen Taufliturgien ist die Absage an Tod und Teufel verschwunden. In der Osternacht, so sie denn noch gefeiert wird, fehlt diese Widerrufung, der seit der alten Kirche über das christliche Mittelalter bis zu Reformation und an den Beginn der Aufklärung gemeinsam gesprochene, entschlossene Einspruch gegen die Todesmächte. Wo wird im sonntäglichen Gottesdienst, im Anschluss an die Fürbitte für die Verstorbenen, noch das memento mori aus Ps 90, 12 zitiert: Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden? Und, Hand aufs Herz, in wessen Abend- oder Morgengebet findet sich ein solchermaßen todernster und lebensfroher Passus, wie ihn uns beispielsweise die Chassidim als tägliches Doppelmantra anempfehlen: Ich bin Staub und Asche! Und: Meinetwegen wurde die Welt erschaffen? Dieser zweite Band in der Reihe GEORGIANA. Neue theologische Perspektiven1 will in unterschiedlicher Perspektive diesen Ein- spruch dokumentieren und inszenieren, um jene Entmächtigung des Todes kenntlich und lebbar zu machen. GEORGIANA 2 versammelt dazu die Beiträge des XXXVII. (Offenen) Konventes der Evangelischen Bruderschaft St. Georgs-Orden. Dieses 10. Erfurter Gespräch zur geistigen Situation der Zeit, zu dem die Bruderschaft in Verbindung mit dem ihr angeschlossenen Bonhoeffer-Haus e.V. (neben den in unregelmäßiger Folge in der Georgenburse organisierten Bonhoeffer-Studienkreisen) einlädt, fand vom 12. bis zum 14. November 2010 im Augustinerkloster zu Erfurt statt. Leider ist es uns nicht gelungen, den Hauptvortrag des Theologen Klaus Berger, Heidelberg, zum Thema »Tod, wo ist dein Stachel? Der theo-logische Zugang« und auch nicht die Skizze des in Weimar lebenden Philosophen und Leiter des Nietzsche-Archivs Rüdiger Schmidt-Grépály »Ich brauche noch etwas Zeit…« Der philosophische Zugang« für die Drucklegung zu erhalten. Doch dafür konnten wir überreichlich Kompensation erlangen, die uns die Möglichkeit bot, diesen Band in eine didaktisch klare und leserfreundliche konzeptionelle Form zu bringen. Fünf Kapitel gliedern den Stoff: I. Theologische Zeitansagen, II. Vergleichende Perspektiven, III. Lutherische Seelsorge und die Kunst des Sterbens, IV. Praktische Erfahrungen und V. Literarische Fundstücke. Im Anhang sind, wie in GEORGIANA 1, ein Personenregister (für das wir unserem Georgsbruder Matthias Katze erneut zu Dank verpflichtet sind), wichtige biografische Angaben zu den Autoren und eine Kleine Geschichte der Ev. Bruderschaft St. Georgs-Orden zu finden. Zu Beginn stehen die theologischen Zeitansagen, die in zweifacher Weise, von unterschiedlicher Warte aus, vorgenommen werden. Der renommierte Leipziger (praktische) Theologe Peter Zimmerling eröffnet den Reigen mit einer Bestandsaufnahme zum Umgang mit Sterben und Tod im deutschen Protestantismus heute. Im Kontrast dazu hebt er hervor, wie sich die Auseinandersetzung mit dem Tod durch die Reformation fundamental verän-derte und welche Rolle die Gesangbuchlieder, insbesondere die Paul-Gerhardt-Lieder, in der evangelischen Kirche im 17. Jahrhundert für Sterbende und ihre Begleiter spielten. In einem weiteren Schritt entwirft Zimmerling Grundzüge einer evangelischen Spiritualität angesichts des Todes und stellt abschließend, mit Verweis auf Dietrich Bonhoeffer, die Frage, welche Rolle die Bereitschaft zum Martyrium im Protestantismus gespielt hat bzw. in Zukunft spielen könnte. Siegmar Faust, langjähriges Mitglied der Bruderschaft St. Georg, verweist zunächst auf eine Einsicht der Paläoanthropologie, nach der mit der metaphysischen Entdeckung der Endlichkeit des Lebens, mit der »Erfindung« der Bestattungskultur vor ca. 100.000 Jahren, die menschliche Zivilisation ihren Ausgang nimmt. Darauf reflektierend fragt Faust, ob diese Zivilisation heute mit der insbesondere im »Westen« zu bemerkenden Verdrängung des Todes und einer Geringschätzung der Bestattungskultur ihrem Ende entgegen gehe? Vor diesem Hintergrund analysiert und meditiert Faust die These seines Hauptprotagonisten Wolfhart Pannenberg, dass die Verdrängung des Todes in der gesellschaftlichen Lebenswelt Hand in Hand gehe mit der Privatisierung der Individualität. Mit seinen geschichtstheologischen Reflexionen schlägt Faust nolens volens eine Brücke zum thematischen Fokus von GEORGIANA 1. Das Kapitel II versammelt vier vergleichende Perspektiven. Dass Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, unsere Hauptreferentin von 2010, ihren Vortrag Ist Sterben ein Gewinn? Religiöse und kulturelle Überlieferungen in der Nahsicht für uns noch einmal überarbeitet hat, freut uns außerordentlich. Mit profundem Zugriff vergleicht sie nachtodliche Vorstellungen verschiedener Religionen, um zu dem Fazit zu gelangen, dass viele Religionen die Analyse des Menschen und seines zerbrechlichen rsp. zerbrochenen Glücks teilen. Ganz und gar nichttriumphalistisch bekennt sie am Ende ihres religionswissenschaftlichen Durchgangs: Keine davon ist kühner als die Botschaft Christi. Damit ist in einem zeitgeistigen Gelände, das Positionslosigkeit mit Toleranz verwechselt, Widerspruch aufgerufen und das positionelle interreligiöse Gespräch eröffnet. Durch den Vergleich zwischen Islam und Christentum erfährt dieses Religionsgespräch an Tiefe und Brisanz. Christine Schirrmacher, jene im christlich-islamischen Dialog ausgewiesene und gefragte Expertin, untersucht Tod und Leben in der Bibel und im Koran. Ausgangspunkt für diesen Text bildete der Streit (2009) um den angemaßten Märtyrer-Begriff im Zusammenhang der islamistischen Selbstmordanschläge, die Ende der 1990er Jahre im Irak ihren Ausgang nahmen. Mittlerweile hat sich dieses todund lebenverachtende Morden nicht nur weltweit ausgebreitet. Es vergeht kaum eine Woche ohne entsprechende Schreckensnachrichten über die Opfer jener pseudoreligiösen Selbstmordattentäter, seien es nun Angehörige der vermeintlich »falschen« muslimischen Glaubensrichtung, Kriegsgegner, Christen oder andere »Ungläubige«. Zwar wird, so Schirrmacher, Selbstmord im Koran eindeutig abgelehnt. Sie macht jedoch darauf aufmerksam, dass eine Mehrheit muslimischer Theologen Selbstmordattentäter sich nicht als Selbstmörder betrachten, auf die im Jenseits die Strafe...


Seidel, Thomas A.
Thomas A. Seidel, Dr. theol., Jahrgang 1958, studierte nach einer Ausbildung zum Elektromonteur Evangelische Theologie in Leipzig;, wo er auch promoviert wurde. Er ist ev. Pfarrer, war bis 2005 Direktor der Ev. Akademie Thüringen und ist derzeit der Beauftragte der Thüringer Landesregierung zur Vorbereitung des Reformationsjubiläums „Luther 2017“. Seidel ist Vorsitzender der Gesellschaft für Thüringische Kirchengeschichte e.V. und geschäftsführender Vorsitzender der Internationalen Martin Luther Stiftung.

Schacht, Ulrich
Ulrich Schacht, Jahrgang 1951, studierte Evangelische Theologie in Rostock und Erfurt. 1976, nach politischer Haft in der DDR und Ausreise nach Hamburg, studierte er dort Politikwissenschaften und Philosophie. Von 1984 bis 1998 war er Leitender Redakteur und Chefreporter Kultur bei "Welt" und "Welt am Sonntag". 1990 erhielt er den Theodor-Wolff-Preis für herausragenden Journalismus. Seit 1998 lebt er als freischaffender Schriftsteller in Schweden. Schacht ist Mitglied der Hamburger Autorenvereinigung und des PEN-Clubs sowie Mitbegründer und Leiter der Ev. Bruderschaft St. Georgs-Orden.


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