E-Book, Deutsch, 287 Seiten, eBook
Schweizer Leistung und Leistungsdiagnostik
1. Auflage 2006
ISBN: 978-3-540-33020-2
Verlag: Springer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 287 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-540-33020-2
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Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Klassische Leistungskonzepte.- Intelligenz.- Aufmerksamkeit.- Gedächtnis.- Kreativität.- Klassische Leistungsdiagnostik.- Intelligenzdiagnostik.- Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdiagnostik.- Gedächtnisdiagnostik.- Kreativitätsdiagnostik.- Kompetenz und Kompetenzdiagnostik.- Kompetenz und Kompetenzdiagnostik.- Förderung von Leistung.- Wirksamkeit von Lehrmethoden.- Effekte sozialer Förderung und Hemmung.- Hochbegabung.- Hochbegabung.- Leistungsrelevante Rahmenbedingungen/Leistungsmotivation.- Schülerleistungen im Kulturvergleich, bei Migration und aus sozioökonomischer Perspektive.
2 Klassische Leistungsdiagnostik (S. 70-.71)
2.1 Intelligenzdiagnostik (Karl Schweizer)
2.1.1 Charakteristiken
> Die Intelligenzdiagnostik dient der Bestimmung der intellektuellen Leistungsfähigkeit einer Person. Wesentlicher Bestandteil der Intelligenzdiagnostik ist die Anwendung hochgradig standardisierter Intelligenztests. Diese Tests sind das Ergebnis mehrerer parallel verlaufender Entwicklungen: Die Konstruktion und Optimierung von Tests wurde begleitet von der Erforschung der Intelligenzstruktur, von der Ausarbeitung und Verfeinerung von Theorien und Methoden der Testkonstruktion sowie von der Elaboration der Faktorenanalyse, welche die formale Repräsentation immer di. erenzierterer Modelle gestattete. Als Resultat dieser Entwicklungen liegen heute eine große Zahl qualitativ hochwertiger Intelligenztests vor, die vergleichsweise differenzierte Aussagen über die Ausprägung von Intelligenz ermöglichen.
Die Diagnostik als Lehre von der sachgemäßen Ermittlung einer Diagnose dient im Einzelnen der Gewinnung von Informationen über psychologisch relevante Merkmale von Personen, der Integration dieser Informationen bzw. Daten zu einem diagnostischen Urteil und der Vorbereitung von Entscheidungen, Prognosen oder Evaluationen (Jäger u. Petermann 1992, S. 11). Bei der Intelligenzdiagnostik steht die Intelligenz im Mittelpunkt aller diagnostischen Aktivitäten, die durch ein System von Regeln, Anleitungen und Algorithmen gesteuert werden. Ein zentraler Bestandteil der Intelligenzdiagnostik ist die fachgerechte Anwendung von Intelligenztests, in welche die inhaltlichen und methodischen Erkenntnisse der Intelligenzforschung integriert sind.
Weiterhin impliziert dieses System auch die Bereitstellung und Prüfung von idiographischen Hypothesen, also Hypothesen bezogen auf einzelne Personen (Westmeyer 2003). In diesem Sinne gilt: Intelligenzdiagnostik steht für die fachgerechte Anwendung von Intelligenztests und die Interpretation der Ergebnisse auf dem Hintergrund einer diagnostischen Fragestellung bzw. Hypothese.
Für die nähere Bestimmung der Eigenarten von Intelligenzdiagnostik ist die Einordnung in die Dimensionen von Diagnostik nach Pawlik (1976, S. 236) sehr nützlich. Es handelt sich um vier Dimensionen, die durch Gegensätze definiert sind:
- Statusdiagnostik vs Prozessdiagnostik,
- normorientierte vs kriterienorientierte Diagnostik,
- Testen vs Inventarisieren,
- Diagnostik als Messung vs Diagnostik als Information für und über Behandlung.
In Bezug auf die erste Dimension kann festgehalten werden, dass Intelligenzdiagnostik vor allen Dingen Statusdiagnostik ist. Die Intelligenzausprägung gilt unter normalen Bedingungen als sehr stabil (Owens 1966; Deary et al. 2000); Modifikationen sind nur in einem recht beschränkten Umfang möglich (7 Kap. 1.1.6). Nur die gezielte Vorbereitung auf einen bestimmten Test durch professionelles Coaching kann deutliche Vorteile bringen. Daneben hat sich das sog. dynamische Testen als Untersuchung des Lernfortschritts (Guthke u. Wiedl 1996), welches der Prozessdiagnostik zugeordnet werden muss, noch nicht durchsetzen können, und fraglich ist, ob es sich überhaupt für die Gesamterfassung von Intelligenz eignet.
Bezüglich der zweiten Dimension ist eine Zuordnung zur normorientierten Diagnostik notwendig. Unabhängig von der testtheoretischen Orientierung und deren Implikationen (vgl. Lord u. Novick 1968; Rasch 1960) ist vor allen Dingen von Interesse zu erfahren, an welcher Stelle eine Person in die Verteilung der entsprechenden Population einzuordnen ist. Erst durch den Bezug zur Verteilung bekommt der bei der Testung erzielte Punktwert seine Bedeutung.
Im Vergleich dazu ist die Anwendung eines Kriteriums, das im Rahmen eines Modifikationsprozesses erreicht werden soll, wenig sinnvoll, da die Intelligenzausprägung als nur wenig modifizierbar gilt (Caruso et al. 1982; Stankov 1986). Die dritte Dimension erfordert die Zuordnung der Intelligenzdiagnostik zum Testen, da die Datenerhebung der Bestimmung des Leistungslimits im Hinblick auf festgelegte Anforderungen dient. Die Aufgaben eines Intelligenztests können als spezifische psychologische Experimente aufgefasst werden (Conrad 1983). Zu diesen Aufgaben gibt es Erwar tungen, die idealerweise erfüllt werden sollten. Im Gegensatz dazu erfordert das Inventarisieren die Erfassung von Verhaltenspräferenzen; hier gibt es keine Erwartungen bzw. Standards, die eine Person möglicherweise nicht erfüllen kann.
Schließlich kann in Bezug auf die vierte Dimension festgehalten werden, dass Intelligenzdiagnostik als Messung aufzufassen ist, da sie Information über die Intelligenzausprägung liefert. Einer empirischen Relation, die durch die spezifische Ausprägung eines latenten Merkmals zustande kommt, wird ein numerisches Relativ zugeordnet. Intelligenzdiagnostik hat dagegen nichts oder nur sehr entfernt mit Behandlung zu tun.
Diagnostische Fragestellungen
Den Ausgangspunkt der Intelligenzdiagnostik bildet gewöhnlich eine Fragestellung (oder eine Hypothese), die ein spezifisches Erkenntnisinteresse signalisiert. Die Fragestellung kann unterschiedlich motiviert sein. Dahinter kann das Bedürfnis nach Unsicherheitsreduktion, das Streben nach Selbsterkenntnis etc. stehen (Wottawa u. Hossiep 1987). Entsprechend muss die Ausprägung von Intelligenz bestimmt oder aber die Frage geklärt werden, ob die Leistungsfähigkeit bestimmten Anforderungen genügt. Im Rahmen der Intelligenzdiagnostik werden nicht nur Fragestellungen bearbeitet, welche die Intelligenz als Ganzes betreffen, sondern auch Fragen nach spezifischen Teilfähigkeiten (fluide Intelligenz, kristallisierte Intelligenz, verbale Intelligenz etc.), denen besondere Relevanz in Bezug auf einen bestimmten Anwendungsbereich zukommt.
In diesem Sinne lassen sich in Abhängigkeit von dem jeweiligen Erkenntnisinteresse unterschied liche Ansatzpunkte für die Intelligenzdiagnostik unterscheiden, die in . Abb. 2.1 dargestellt sind.