Schwarz-Schilling | Der verspielte Frieden in Bosnien | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 480 Seiten

Schwarz-Schilling Der verspielte Frieden in Bosnien

Europas Versagen auf dem Balkan
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-451-82248-3
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Europas Versagen auf dem Balkan

E-Book, Deutsch, 480 Seiten

ISBN: 978-3-451-82248-3
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Christian Schwarz-Schilling war zehn Jahre lang Minister in der Regierung Helmut Kohl. 1992 trat er aus Protest zurück, da die Bundesregierung nicht aktiv gegen die Gräueltaten in den Jugoslawienkriegen vorging. Seitdem widmet er sich leidenschaftlich der Befriedung und dem Wiederaufbau auf dem Balkan, insbesondere in Bosnien-Herzegowina. In diesem Buch legt er seine Erlebnisse über die letzten 30 Jahre, zugleich eine scharfsinnige Analyse der deutschen Außen- und Menschenrechtspolitik, vor, insbesondere über die 1990er Jahre. 25 Jahre nach dem Friedensabkommen von Dayton zieht Schwarz-Schilling auch Lehren für die Jetztzeit. Denn wieder agieren wir nur zögerlich bei der Befriedung brutaler Kriege und noch immer behandeln wir den Balkan nicht mit der angemessenen Aufmerksamkeit und laufen Gefahr, ihn für Europa zu verlieren.

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Geleitwort
»Ich habe überlebt. Ich hätte einen beliebigen Namen haben können, Muhamed, Ibrahim, Isak, das ist nicht wichtig. Ich habe überlebt, viele haben es nicht. Ich habe überlebt, wie sie gestorben sind. Zwischen ihrem Tod und meinem Dasein gibt es keinen Unterschied, weil ich in einer Welt weiterlebe, die dauerhaft, unwiederbringlich von ihrem Tod gezeichnet ist. Ich komme aus Srebrenica.« Emir Suljagic: Srebrenica – Notizen aus der Hölle Europa und der Westen hatten sich getäuscht: Es gab doch noch einmal einen Krieg und einen Völkermord in Europa – den Bosnienkrieg (1992– 1995). Wer hätte sich vorstellen können, dass 50 Jahre nach dem Ende der Nazi-Kriegsgräuel und dem Holocaust noch einmal eine derartige Barbarei auf europäischem Boden stattfinden würde? Doch selbst der Bosnienkrieg sollte nicht »der letzte Krieg in Europa« sein: der Kosovo, Georgien sowie die Kämpfe in der Ostukraine und um die Krim würden noch folgen. Auch wurde Francis Fukuyamas Behauptung vom »Ende der Geschichte« (1992) und dem globalen Siegeszug (gewaltfreier) Demokratie durch die Gräuel auf dem Westbalkan widerlegt: Das Narrativ universeller Durchsetzung von Freiheit und Menschenrechten wurde von den großserbischen Ideologen und Kriegstreibern um Slobodan Milosevic kaltlächelnd und brutal umgeschrieben. Seine Schergen Radovan Karadzic und Ratko Mladic haben das blutig umgesetzt. Dennoch ragt der Bosnienkrieg im Post-Weltkrieg-II-Europa, der nicht, wie fälschlich oft behauptet, ein Bürgerkrieg war, sondern Opfer serbischer Großmannssucht und Aggression von außen, weit heraus, nicht nur wegen des Genozids an den Bosniaken. Vielmehr sagen der Krieg und die bis in die Gegenwart andauernde Wiederaufbauphase etwas über das zweifelhafte Verständnis der sogenannten internationalen Gemeinschaft von der Notwendigkeit und Ausgestaltung humanitärerer Interventionen aus. Zwar gab es damals noch nicht den Grundsatz von der »Responsibility to Protect, R2P«, ein Konzept, das die UN-Vollversammlung erst 2005 verabschieden sollte. Aber neben dem Konzept der »Human Security«, das bereits im Rahmen der UNDP entwickelt wurde, gab es Leitlinien für den Schutz insbesondere der Zivilbevölkerungen vor Menschenrechtsverletzungen und Gräuel. Auch die UN, die NATO und die EU, die OSZE und der Europarat hatten solche Regeln – »nie wieder Barbarei« war allerorts die Devise. Selbst in Deutschland wurden die Erfahrungen mit dem Morden der Nazis und dem Holocaust nicht als Katalysator für einen entschiedenen deutschen Beitrag zur Kriegsbeendigung in Bosnien gesehen – im Gegenteil, wie Schwarz-Schilling schonungslos offenlegt, suchte man sich im Bundeskabinett mit dem Argument der »Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit« aus den Bemühungen zur Kriegsbeendigung herauszuhalten. »Nie wieder Auschwitz« sollte Joschka Fischer erst 1999, im Kosovo- Kontext, seinem Parteitag zurufen. Diese Serie unverzeihlicher Fehl- oder Nichtentscheidungen sowie politischer Fehler gesteht man sich erst jetzt, anlässlich des 25. Jahrestages des Srebrenica-Genozids am 11. Juli 2020, ein – ein »mea culpa« durchzieht nahezu alle Reden und Presseerklärungen aus Anlass des Gedenktags. UN-Generalsekretär Antonio Guterres räumt erstmals ein, »the UN and the international community failed the people of Srebrenica, and, as former Secretary-General Kofi Annan said, this failure will ›haunt our history for ever‹.« Es geschah in Frankreich, am Strand von Juan-les-Pins, Anfang August 1992. Nein, keine Erscheinung, vielmehr ein Albtraum für einen Menschenrechtler wie Christian Schwarz-Schilling – für jedermann. In der »Welt« stieß er auf abgedruckte Horrorberichte des amerikanischen Journalisten Roy Gutman aus dem gar nicht so weit entfernten Bosnien: Krieg, Massaker, Vergewaltigungen. Schwarz-Schilling mochte kaum glauben, was er dort las. Die Reportagen erschienen dem erfolgreichen Bundesminister für Post- und Telekommunikation, einem zivilen wie zivilisierten Zukunftsressort, wie »Berichte aus der dunklen Welt« (Dzevad Karahasan), einer Welt, die man sich in Bonn und später in Berlin kaum vorstellen konnte. Mit der ihm eigenen Energie und Beharrlichkeit ging er den Dingen sofort auf den Grund. Der Bosnienkrieg, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor allem in den Enklaven und sogenannten UN-Schutzzonen sowie das Ringen um das Daytoner-Friedensabkommen und der darauf folgende Versuch, ein neues, besseres, versöhntes Bosnien aufzubauen, sollten von da an – bis heute – sein Leben bestimmen. Aus dem »Christian von der Post« wurde in BiH wie international anerkennend »Mr. Bosnia« – ein »Bosnier mit befristetem Aufenthalt in Deutschland« (Tageszeitung »Oslobodjenje«). Dass er von den sogenannten einfachen Menschen im Westbalkan dafür geliebt wurde, ist keine spöttische Kolportage, sondern entsprach und entspricht der Wahrheit. Sein persönlicher Feldzug im besten Sinne für ein Ende des Krieges und der Gräuel begann mit einem Paukenschlag: die Niederlegung seines Ministeramtes im Protest gegen die Bosnienpolitik der Bundesregierung und das Ausscheiden aus dem Kabinett Kohl. Christian Schwarz-Schilling ist entschlossen, den »bosnischen Knoten« durchzuschlagen: »He does not take no for an answer!« Fortan nimmt er sich kritisch die Bosnienkriegspolitik der Bundesregierung wie der internationalen Gemeinschaft vor, seziert die Interessenlagen der Innenpolitik wie der europäisch-atlantischen Diplomatie, ohne Rücksicht auf große Namen, Staaten, politische Usancen und Empfindlichkeiten. Ob Kanzler, Außenminister oder internationale Staats-und Regierungschefs – wenn nötig, fährt er ihnen gehörig an den Karren, entlarvt, wenn es um den Krieg geht, ihre Spielchen, Kartelle, Intrigen, ihre Falschheiten, ihre Tricksereien, ihr Wegsehen, Nichtstun, ihr Abtauchen, ihren Mangel an Verantwortung, Empathie und Humanität. Jetzt war er auf ganz eigenem »Kriegspfad«, der zum Frieden führen sollte. Ausgestattet mit seinem Bundestagsmandat (1976– 2002), dem Vorsitz im Unterausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe und dem stellvertretenden Vorsitz im späteren Ausschuss gleichen Namens, vor allem aber seine langjährigen Erfahrungen als Politiker, bestens vernetzt, helfen ihm, die zahllosen Reisen nach Bosnien, in die Region und in die »Große Welt« der Geopolitik Europas und des Westens durchzustehen. Er ist rastlos, Tag und Nacht im Einsatz, fällt den Mächtigen lästig und kämpft um jedes Dorf, jedes Leben. Zeit und Kosten spielen für ihn keine Rolle. Geben es die amtlichen Mandate nicht her, später auch seine Rolle als internationaler Streitschlichter, greift er selbstverständlich in die eigene Schatulle und finanziert spontan Reisen für sich und seine freiwilligen Mitarbeiter, für Hilfslieferungen und andere Notmaßnahmen. Er telefoniert und faxt 24 Stunden um die ganze Welt und erfindet gar unkonventionelle Finanzierungsinstrumente wie die Verteilung von Geldumschlägen mithilfe von Privatfliegern an Hilfsbedürftige – das Befinden seines Portefeuilles ist ihm dabei nachrangig. Anders als so manchem Politiker, so beobachtet Rupert Neudeck von Cap Anamur, gelingt es ihm mühelos, vom hohen Ross zu steigen und ganz ohne die üblichen Entourages etwa der Außenminister zurechtzukommen. Christian Schwarz-Schilling vermag so manchen erstaunlichen Erfolg zu verbuchen, erfährt, mit Genugtuung, auch verspätete Anerkennung, selbst des lang zaudernden Kanzlers. Die Zeit als internationaler Streit­schlichter (Mediator) (1995–2004) bringt ihm viel Befriedigung, trotz der Reise- und Verhandlungsstrapazen. Dann aber treibt es ihn doch noch einmal in die »amtliche« Politik zurück – er übernimmt, mit Unterstützung Bundeskanzlerin Merkels, 2006 das Amt des Hohen Repräsentanten und später auch das des Europäischen Sonderbeauftragten für Bosnien und Herzegowina, mit Sitz in Sarajewo – einen »Doppelhut« der Verantwortlichkeit, sozusagen, unter dem Dach des Daytoner Friedensabkommens (1995). Wer, so meinten viele Bosnier und Internationale, könne den nun anstehenden Wieder-und Neuaufbau des kriegszerstörten Landes besser in Angriff nehmen, als Christian Schwarz-Schilling. Für viele Beobachter schien das eine eher leichte Aufgabe zu sein – keiner wie Schwarz-Schilling wusste aber besser, wie schwer es werden würde, die immer noch postkommunistischen Strukturen des Landes in Richtung auf eine spätere EU-Mitgliedschaft zu transformieren. Dayton gab mit den sogenannten Bonn-Powers dem Office of the High Representative, der Behörde der internationalen Regentschaft in dem De-facto-Protektorat BiH, eine enorme Machtfülle mit auf den Weg. Doch hatte die Weltgemeinschaft aus anderen humanitären Interventionen lernen müssen, dass internationale »State-Builder« aufpassen müssen, ihre Rolle als externe Wiederaufbaugehilfen nicht zu überdehnen und eine bestimmte »rote Linie« nicht zu überschreiten: Nur da, wo die Post-Konflikt-Gesellschaft nicht mehr weiterkommt, etwa in festgefahrenen ethnischen Spaltungen, sollten die »Externen« eingreifen. Dieser »political self-restraint«, ein Interventionsminimum zu wahren, ist aber nicht immer eingehalten worden – man ging da schon mal »overboard«. Irgendwie war das Post-Dayton BiH eine Art fragiler, manche meinen sogar gescheiterter, Staat. Wie viel Reform sollte nun der OHR anstoßen und durchführen, was sollte man den Bosniern überlassen? Derartige Fragen sollten sich später etwa im Kosovo und in Afghanistan erneut stellen. Schwarz-Schilling hatte hohes Vertrauen in die Selbstheilungskräfte der von ihm geschätzten Bosnier und in ihre Entschlossenheit, die Gräben des Krieges und...


Schwarz-Schilling, Christian
Christian Schwarz-Schilling, geboren 1930, Dr. phil., 1976 bis 2002 Mitglied des Bundestages, 1982 bis 1992 Bundesminister für Post und Telekommunikation, 1998 bis 2002 Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages, seit 1995 Internationaler Streitschlichter für Bosnien und Herzegowina, 2006 bis 2007 Hoher Repräsentant der UN in Bosnien und Herzegowina. Zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen u. a.: 1992 Bundesverdienstkreuz, 2002 Wilhelm-Leuschner-Medaille, 2006 Manfred-Wörner-Medaille, 2007 Hessischer Friedenspreis, 2019 Ehrenbürger der Stadt Sarajevo.

Christian Schwarz-Schilling, geboren 1930, Dr. phil., 1976 bis 2002 Mitglied des Bundestages, 1982 bis 1992 Bundesminister für Post und Telekommunikation, 1998 bis 2002 Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages, seit 1995 Internationaler Streitschlichter für Bosnien und Herzegowina, 2006 bis 2007 Hoher Repräsentant der UN in Bosnien und Herzegowina. Zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen u. a.: 1992 Bundesverdienstkreuz, 2002 Wilhelm-Leuschner-Medaille, 2006 Manfred-Wörner-Medaille, 2007 Hessischer Friedenspreis, 2019 Ehrenbürger der Stadt Sarajevo.



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