Schumacher | Teilhabe von wiederverheirateten Geschiedenen am eucharistischen Mahl | Buch | 978-3-942013-28-4 | sack.de

Buch, Deutsch, 216 Seiten, PB, Format (B × H): 135 mm x 215 mm

Schumacher

Teilhabe von wiederverheirateten Geschiedenen am eucharistischen Mahl

Problematik und Lösung aus theologischer Sicht
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-942013-28-4
Verlag: Pneuma Verlag

Problematik und Lösung aus theologischer Sicht

Buch, Deutsch, 216 Seiten, PB, Format (B × H): 135 mm x 215 mm

ISBN: 978-3-942013-28-4
Verlag: Pneuma Verlag


Dieses Buch zeigt eine neuartige theologische Begründung für die mögliche Teilhabe von wiederverheirateten Geschiedenen am eucharistischen Mahl.
Der Text erörtert die kirchenrechtlichen Bestimmungen, analysiert die Sünde moraltheologisch aus dem sittlichen Akt und bewertet eine zivile Wiederheirat vom Wesen des Ehesakraments her. Die Lösung der Problematik folgt aus der Dogmatik. Die Theologie der Eucharistie begründet einen unlösbaren Zusammenhang von Kirchengliedschaft und Eucharistie.
So wird deutlich, wie sehr die Eucharistie-Koinonia tiefer reicht als jene Hindernisse und Widersprüche, welche die Kreatur auf ihren Abwegen und Umwegen in dieser Zeit überhaupt zu vollbringen vermag.
Ein Beitrag zur Überwindung des Widerstreits zwischen pastoralen Postulaten und Lehrmeinungen auf dem Weg theologischer Vertiefung.

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Weitere Infos & Material


Einleitung 9
Abschnitt 1: Frage nach einer rechtmäßigen Einschränkung der Teilhabe am eucharistischen Mahl 21
Grundlegendes Recht zur Teilhabe an der Eucharistie 21
Situation der wiederverheirateten Geschiedenen
innerhalb der Kirche gemäß ihrem Recht 26
Bigamie als Straftat im CIC/1917 auf der Grundlage des vorherrschenden Eheverständnisses 27
kein Straftatbestand gemäß CIC/1983 auf Basis des erneuerten Eheverständnisses 30
Frage der Nichtzulassung zur Teilnahme am eucharistischen Mahl (can. 915 CIC/1983) 33
erforderliche Offenkundigkeit des Nichtzulassungsgrundes 35
offenkundige schwere Sünde als valide rechtsfolgefähige Kategorie? 37
Eintreten der Rechtsfolgen: normativ vs. deskriptiv 41
Der ekklesiale Kontext 42
Frage der standardmäßigen Anwendbarkeit des can. 915 CIC/1983 auf die wiederverheirateten Geschiedenen 44
Erklärung durch den Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte 47
Frage der Nichtberechtigung zur Teilnahme am
eucharistischen Mahl (can. 916 CIC/1983) 49
Hintergrund: Wandel des Kommunionverständnisses und der Kommunionpraxis 50
schwere Sünde als Nichtberechtigungsgrund zur Teilnahme am eucharistischen Mahl 54
Todsünde, schwere Sünde, läßliche Sünde 55

Abschnitt 2: Sünde in theologiegeschichtlicher Perspektive 59
alttestamentliche Akzentuierungen für Verfehlung,
Bruch und Verkehrung 59
Generalterminus ??? 60
weitere Bezeichnungen 62
Theologien der Sünde in den Schriften des Neuen Testaments 65
synoptische Theologie 65
paulinische Theologie 68
johanneische Theologie 71
Patristische Auffassungen von der Sünde 74
Augustinus 78
scholastische Theologien der Sünde 82
Thomas von Aquin 84
Johannes Duns Scotus 90
Sünde gemäß der Reformation 92
Konzil von Trient 94
nachtridentinische Entwicklungen 97
Katechismus 98
Priesterausbildung, Beichtpastoral und Kasuistik 101
Immanuel Kant 103
objektivistisch-gesetzhaft akzentuiertes Sündenverständnis 108
personal akzentuiertes Sündenverständnis 112
Erneuerungsbewegungen 113
Theodor Steinbüchel 114
Bernhard Häring 115
Beschleunigung der Erneuerung im Kontext des Zweiten Vatikanischen Konzils 117
nachkonziliare Theologien der Sünde 120
Piet Schoonenberg SJ (1911-1999) 120
Karl Rahner SJ (1904-1984) 122

Abschnitt 3: Die Frage nach der Sünde bei wiederverheirateten Geschiedenen 129
1. Der sittliche Akt 129
actus humanus 129
Dimension der Sittlichkeit 131
über sich hinaus verwiesen 137
2. Der Mensch angesichts Gottes 138
Gründungsbezug 138
Gegenüber Gottes 139
zur Antwort gerufene Freiheit 141
3. Gott-Mensch-Verhältnis als Gnade 143
Bund 143
Jesus Christus 145
Die Gabe des Geistes 148
Gabe der Gottunmittelbarkeit (Koinonia) 150
Geheimnis der Kirche 152
Feier der Eucharistie 156
emporgehoben zur Teilhabe an Gottes eigenem Leben 157
4. Sünde im Widerstreit gegen die Gnade 158
Akt der Sünde 158
beeinträchtigter Grund- und Erstakt 161
Sünde gegen Gnade 164
Sünde gegen Kirche 167

Abschnitt 4: Frage nach möglicher Einschränkung der Teilnahme von wiederverheirateten Geschiedenen am
eucharistischen Mahl 171
Frage nach dem Gegenstand der Sünde bei wiederverheirateten Geschiedenen 172
Bewertung der zivilen Wiederheirat 181
akthafte Einheit 181
Lebenspartnerschaftliches Mit-Sein
als Ausdrucksform von Mit-Sein überhaupt 183
Lebenspartnerschaft unterhalb des Sakraments 187
Abgrenzung gegen Kriterium des ehevertragsbrecherischen Geschlechtsakts 193
Akt, Gewicht und Zurechnung der Sünde 197
Ergebnis: Feier der Eucharistie als unausschließbarer Vollzug der Koinonia 202
Fazit 213


Über die Frage der Nichtzulassung von zivilrechtlich wiederverheirateten Geschiedenen zum eucharistischen Mahl wird eine heftige Auseinandersetzung geführt. Die Kontroverse ist nicht neu. Seit Beginn des 20. Jhd. rezidivierend, hat sie sich in mehreren Wellenbewegungen zugespitzt.
Einmal mehr werden nunmehr die außerordentliche Bischofssynode 2014 und die ordentliche Versammlung 2015 im Kontext der Beratungen um Ehe und Familie auch mit dieser Problematik befasst. Über Fragestellungen zur Ehe hinaus betrifft die Frage der Nichtzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zum eucharistischen Mahl eine komplexe Thematik, welche die kirchenrechtliche Interpretation der cann. 915 und 916 CIC/1983, die mit diesen Canones einhergehende dogmatische sowie moraltheologiesche Frage nach Wesen und Beurteilung der Sünde sowie grundlegend die dogmatische Frage nach der Theologie der Eucharistie, den Zusammenhang von Kirchengliedschaft und Eucharistiekoinonia sowie deren pneumatische Verankerung in der Gnade umfasst.
Zur Steigerung der Komplexität trägt bei, dass in der Kontroverse keineswegs etwa die grundlegenden theologischen und kirchenrechtlichen Fragen im Vordergrund stehen, sondern die Auseinandersetzung von Vorstellungen überlagert wird. Auf der einen Seite richtet sich der Fokus auf die pastorale Dringlichkeit angesichts der Realität insbesondere in industrialisierten und postindustriellen Gesellschaften, in denen statistisch gesehen mehr als jede dritte Ehe geschieden wird, während zugleich immer weniger Lebenspartnerschaften überhaupt in einer institutionalisierten Form von 'Ehe' geschlossen werden, zumal die Form der Lebenspartnerschaft nicht mehr gesellschaftlich normiert oder sanktioniert begegnet. Eine lebenslange Partnerschaft ist gesellschaftlich de facto nicht mehr die Regel. Diese Entwicklung macht auch nicht vor gläubigen Christen halt. Auf der anderen Seite stehen jene, welche die Unauflöslichkeit der Ehe als Sakrament unterstreichen: eine Wesenseigenschaft, die von ersterer Gruppe, welche den Ruf nach Barmherzigkeit erhebt, übrigens nicht oder zumindest normalerweise nicht geleugnet wird. So reden die Konfliktparteien weitgehend aneinander vorbei, solange sie nicht die grundlegenden theologischen und kirchenrechtlichen Fragen in Angriff nehmen. Ob dies im Rahmen der Arbeitsphase zwischen den Bischofssynoden 2014 und 2015 gelingt, soll erhofft, mag aber bezweifelt werden.
In seinem Vortrag anlässlich der Eröffnung des Konsistoriums am 20. Februar 2014 hat Kardinal Walter Kasper darauf hingewiesen, in welch vielerlei Hinsicht das Problem der wiederverheiratet Geschiedenen komplex und dornenreich ist. Mit Blick auf die bevorstehenden Bischofssynoden wurden konkrete Problematiken skizziert, Fragen aufgeworfen und so mögliche Lösungswege jenseits von Laxismus und Rigorismus angedeutet. Kardinal Kasper illustriert die gegenwärtige Aporie durch ein Fallbeispiel eines zivilrechtlich wiederverheirateten Geschiedenen, der das Versagen auf der geschichtlichen Ebene des Mit-Seins in seiner ersten (zugleich sakramentalen) Ehe bereut und die Verbindlichkeiten geklärt hat, der sich inzwischen in einer neuen (nichtsakramentalen) dauerhaften Lebenspartnerschaft befindet, welche man aufgrund der Kinder aus dieser Lebenspartnerschaft ohne neue Schuld nicht lösen könnte, und der sich bei aller Verfahrenheit in seinen Lebensverhältnissen trotz allem redlich müht, aus dem Glauben zu leben, wobei es ihn gemäß seiner Christus- und Kirchengliedschaft nach Teilhabe am sakramentalen Leben der Kirche verlangt. Wie könne man ihm das Sakrament der Buße und die Kommunion verweigern?
Sollen zivilrechtlich wiederverheiratete Geschiedene an der Teilhabe am eucharistischen Mahl gehindert sein oder gehindert werden, so kann dies nicht anders als nach Maßgabe des Rechts erfolgen. 'Jeder Getaufte, der rechtlich nicht daran gehindert ist, kann und muss zur heiligen Kommunion zugelassen werden'. Durch diese Bestimmung konkretisiert can. 912 CIC/1983 ein in der Christus- und Kirchengliedschaft zutiefst begründetes 'Recht, aus den geistlichen Gütern der Kirche, insbesondere dem Wort Gottes und den Sakramenten, Hilfe […] zu empfangen' (can. 213 CIC/1983). Cann. 915 und 916 benennen konkret, unter welchen Bedingungen ein Christgläubiger von der Teilhabe am eucharistischen Mahl gehindert ist. Eine Nichtzulassung oder Nichtberechtigung zur Teilhabe am eucharistischen Mahl kann, abgesehen von Exkommunikation oder Interdikt, nur in der schweren Sünde begründet sein.
1. Dass eine solche im Fall der wiederverheirateten Geschiedenen definitiv vorliegt, blieb so lange kaum zu bestreiten, wie das Eherecht des CIC/1917 in Kraft und das dieser Regelung zugrunde liegende Eheverständnis maßgeblich anerkannt war. Von jenem Eheverständnis her, welches der Rechtsordnung des CIC/1917 zugrunde liegt, wird nachvollziehbar, dass u.a. Familiaris Consortio Nr. 84 den fortdauernden Widerspruch zur Unauflöslichkeit der Ehe an der geschlechtlichen Vereinigung mit einer anderen Person als dem eigenen Ehepartner festmacht, welche einen Vertragsbruch des exklusiv eingeräumten ius in corpus bedeutet, was im Fall eines zivilrechtlich wiederverheirateten Geschiedenen zudem öffentlich manifestiert ist. Da gemäß CIC/1917 der bestehende Ehevertrag mit jedem neuen ehevertragsbrecherischen Geschlechtsakt immer wieder von neuem gebrochen wird (toties – quoties), kommt außer der Trennung vom neuen Partner höchstens eine Selbstverpflichtung auf eine enthaltsame Lebensweise in Frage, um nach Auffassung von Familiaris Consortio Nr. 84 nicht in fortwährender Sünde hartnäckig zu verharren und zum Empfang der Sakramente wieder zugelassen werden zu können.
Das erneuerte Eheverständnis, welches durch Vat. II in GS 47-52 zum Ausdruck gebracht worden ist und Eingang in den CIC/1983 gefunden hat, kennt kein ius in corpus mehr. Stattdessen ist die Wesensbestimmung der Ehe als eine das ganze Leben einbeziehende Schicksalsgemeinschaft neu eingeführt worden (GS 48). Der Aspekt geschlechtlicher Vereinigung steht nicht für sich im Fokus, sondern steht als personale Ausdrucksform des gegenseitigen Schenkens und Annehmens im direkten Zusammenhang mit einer personalen Gemeinschaft des Lebens (GS 49). Insofern stellt sie auch ein vorzüglich geeignetes Ausdrucksinstrument für jene eheliche Gemeinschaft dar, welche in der Form des Ehesakraments vollzogen wird.
Eine sich möglicherweise auch in geschlechtlicher Gestalt ausdrückende gelebte personale Gemeinschaft eines zivilrechtlich Geschiedenen, der mit seinem früheren Lebenspartner, mit dem er einst eine sakramentale Ehe eingegangenen ist, keine personale Gemeinschaft mehr hat, verletzt in dieser Hinsicht kein Recht dieses früheren Partners. Es existiert nämlich kein ius in corpus als ein für sich bestehendes Anrecht, gegen welches durch spätere Geschlechtsakte mit einer anderen Person, mit der man sich zu diesem Zeitpunkt im Zustand der personalen Gemeinschaft befindet, verstoßen würde. Vielmehr ist infolge des Wegfalls des geschichtlichen Vollzugs der personalen Gemeinschaft mit dem früheren Ehepartner, mit dem die Ehe als Sakrament eingegangen worden ist, auch die personale Beziehungsgrundlage für jeglichen geschlechtlichen Ausdruck entfallen. Also begeht der Betreffende nicht ständig neu eine mit seinen Lebensverhältnissen einhergehende, im geschlechtlichen Vollzug bestehende Sünde des Ehebruchs toties – quoties.
2. Darüber hinaus bleibt durchaus zu fragen, wie die Lebensverhältnisse des konkreten wiederverheirateten Geschiedenen auch ohne Bezug auf ein ius in corpus sittlich zu bewerten sind, ob oder inwiefern diese einen Akt der Sünde begründen. Für diese Beurteilung bleiben auch die Umwälzungen in Moralvorstellungen und Lebenswirklichkeiten nicht ohne Bedeutung sowie die Realitäten in dieser Welt, welche von Entfremdungen, Wunden und Strukturen der Sünde gezeichnet sind.
Für die Frage nach der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Eucharistie bedeutet dies eine Verlagerung von ehemals (straf-)rechtlichem auf moral-theologisches Terrain. Von daher ist es auch Gegenstand der Auseinandersetzung, welcher Art und inwieweit moralische Kriterien an die Lebensführung für die Nichtberechtigung oder die Nichtzulassung zur Teilnahme am eucharistischen Mahl Relevanz besitzen und im konkreten Fall möglicherweise rechtsmindernde Wirkung entfalten. Familiaris Consortio Nr. 82 sah dies gegeben und bezeichnete den Zustand z.B. jener, die nur zivil getraut sind, als 'für die Kirche unannehmbar', weshalb auch 'diese von den Hirten der Kirche leider nicht zu den Sakramenten zugelassen werden' können.
Die Frage nach der moralischen Bewertung der Lebensverhältnisse bleibt Gegenstand der Auseinandersetzung. Offenbar ist angesichts der Umwälzungen und eines Wertewandels die Frage neu entbrannt, welche moralischen Anforderungen zeitbedingt-kontingent und damit hypothetisch und welche übergeschichtlich-kategorisch gelten. In diesem Zusammenhang steht die Erhebung in Vorbereitung auf die Bischofssynode 2014 durch einen neun Fragen umfassenden Fragebogen, der 2013 an alle Teilkirchen übermittelt worden ist.
3. Schließlich umfasst die Auseinandersetzung um die Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zum eucharistischen Mahl noch eine weitere, dogmatisch-theologische Dimension. Familiaris Consortio konstatiert: 'Sie können nicht zugelassen werden; denn ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen in objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht.'
Sünde bezieht sich auf jenen Akt, welcher der Gnade zuwiderläuft. Und auch umgekehrt gilt: Was der Gnade zuwiderläuft, ist Sünde. Einen anderen Widerspruch gegen die Koinonia kann es nicht geben, der nicht unter das fallen würde, was als Sünde zu bezeichnen ist. Dies trifft auch auf den in Familiaris Consortio dargestellten Sachverhalt eines 'objektiven Widerspruchs' zu, der zwischen den Lebensverhältnissen des wiederverheirateten Geschiedenen und dem 'Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht' konstatiert wird. Die Sünde richtet sich per se gegen Gott. Sie realisiert akthaft einen Widerstreit gegen Gott und beeinträchtigt dementsprechend die Koinonia. Auch der Sünde gegen Gott bezüglich des Ehesakraments kommt eben dieser Charakter zu. Jede Sünde ist konkret-individuell, wie jeder Akt der Liebe konkret einzigartig ist. Es ergibt sich kein andersartiger, abzugrenzender Typus von Sünde, der aus einer spezifischen Sakramentsform folgen würde. Alle Sakramente realsymbolisieren die eine und selbe und ganze Koinonia in einer mit der betreffenden Sakramentsform jeweils einhergehenden Ausdrucksgestalt.
Dadurch, dass das Ehesakrament in-über dem Mit-Sein der Ehepartner verwirklicht wird und insofern eine anschaulich bundesgestaltige Ausdrucksform aufweist, welche Eph 5,32 in Analogie zum Verhältnis Jesu Christi zur Kirche auslegt, ergibt sich keine antikoinonialere Sündhaftigkeit als es der Sünde selbst von ihrem innersten Wesenszug ohnehin eigen ist. Das Ehesakrament besteht nicht als eidetisch subsistierende Analogie (so lässt es sich allenfalls gestalthaft illustrieren), sondern als eine die Koinonia realsymbolisierende Wirklichkeit. Jedes Sakrament realisiert die Verwirklichung des Anteils an der einen, wahren und ganzen Koinonia auf seine proprietäre real-symbolische Ausdrucksweise d.h. in einer ihm eigenen, geschichtlich-kontingenten Symbolgestalt. Es ist also nicht der Gnade nach auf einen eidetisch bestimmten (Teil-) Bereich zugerichtet, sondern seine Spezifikation bezieht sich auf die Ausdrucksgestalt. Auch gibt es keinen Bereich von Sondersünden, sonstigen Widersprüchen oder Tabus. Jeder Widerspruch zwischen einer Person, und der Koinonia, stellt jene Situation dar, welche Sünde ist. Diese aber ist stets akthafter Art.
Besondere Aufmerksamkeit erfordern die Paradigmenwechsel, welche um der adäquateren Reflexion der Wahrheit willen in der Theologie implementiert worden sind, vom Status Quo her vielfach aber noch nicht hinreichend in Herz und Geist ratifiziert zu sein scheinen. Dies betrifft keineswegs nur das erneuerte Eheverständnis. Bevor nämlich 'das erneuerte Eheverständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht allgemein rezipiert ist, ist auch die herkömmliche Lehre und Praxis hinsichtlich der wiederverheirateten Geschiedenen nicht aus den Angeln zu heben, da diese sich als zwangsläufige Konsequenz aus dem traditionellen kirchlichen Eheverständnis ergibt. Es ist also nichts dringlicher als die Rezeption des Eheverständnisses des Konzils.'
Bezüglich des Verständnisses von der Sünde ist ein Übergang von einer objektivistisch-gesetzhaften hin zu einer personal akzentuierten Sicht zu konstatieren, welche aus einer vertieften Einsicht in das Wesen der menschlichen Person und ihrer Geschichtlichkeit, einer Einsicht in den Zusammenhang von sittlichem Akt und Tatausdruck sowie in die Relation von sittlichem Akt und Grundakt resultiert. Zudem ist eine Verlagerung des Fokus von Sünde im individualethischen Sinn hin zu sozialethischen Bezügen zu bemerken. So besteht inzwischen eine erhöhte Sensitivität für Strukturen der Sünde, worin die Menschen einer Zeit gemeinschaftlich verstrickt sind, ohne dabei stets individuelle Schuld letztlich zuweisen zu können (z.B. globale Erwärmung, Tragfähigkeit der Erde, Gewalt, Armut).
Eine vertiefte Einsicht in das pneumatische Wesen der Kirche hat die Vorstellung nicht nur weg vom societas-perfecta-Modell und hin zur Vorstellung vom pilgernden Volk Gottes geführt. Die Einsicht in die Würde der Person sowie in die Freiheit ihres Gewissens hat die Schutzbedürftigkeit des Einzelnen gegen den Zugriff der Institution bewusst gemacht. Für die Diskriminierung sog. Unwürdiger kann es unter den Bedingungen der erneuerten Ekklesiologie keinen Platz mehr geben.
Der Überstieg dinglich-gegenständlicher Kategorien zugunsten der realsymbolischen Wirklichkeit sowie die – noch immer erst anfänglich verinnerlichte – Einsicht in den stets erforderlichen trinitätstheologischen sowie pneumatischen Fokus aller Theologie hat eine grundlegende Vertiefung der Theologie der Eucharistie sowie ein Bewusstsein um den eschatologischen sowie akthaften Charakter der Gnade und die Wirklichkeit der Koinonia ermöglicht. So braucht die Eucharistie nicht mehr reduktionistisch als Opfer plus Sakrament angesehen, sondern darf vom pneumatisch getragenen, realsymbolischen Vollzug der Koinonia im Kontext der Großtat Gottes her bedacht werden, der mit dem Leben der Kirche zuinnerst einhergeht.
Das Wissen um historische Fakten hat zu einer vertieften Einsicht in das Wesen der Zeugnisse der Heiligen Schrift geführt, die nicht etwa die News von damals darstellen. Diese Entwicklung geht einher mit einer Vertiefung des Offenbarungsverständnisses weg von einer Instruktionstheorie top down hin zum Staunen vor dem Geheimnis der Selbstmanifestation Gottes in Jesus Christus, der geschichtlich vollbrachten Großtat, worin die Grenzen dieser Welt in den Bereich des Eschaton hinein aufgebrochen sind, in welchem die Kreatur zur Teilhabe an Gottes eigener Koinonia berufen ist.
Darüber hinaus ist ein Paradigmenwechsel hin zu einer stärkeren Bewusstheit um Paradigmen zu bemerken. Dadurch wird ein Wissen um die Vorläufigkeit, Weghaftigkeit und Perspektivität aller theologischer Aussagen befördert. Theologisches Denken unter den Bedingungen der irdischen Pilgerschaft bedeutet stets Theologie auf dem Weg.
Der nachfolgende Text geht im ersten Abschnitt der Frage der rechtmäßigen Einschränkung der Teilhabe am eucharistischen Mahl, d.h. der Nichtzulassung sowie der Nichtberechtigung, aus kirchenrechtlicher Perspektive nach. Da die kirchenrechtliche Norm auf das Kriterium der Sünde hinausläuft, wird im zweiten Abschnitt zunächst die theologiegeschichliche Entwicklung des Sündenverständnisses nachgezeichnet, bevor vor diesem Hintergrund im dritten Abschnitt die dogmatische sowie moraltheologiesche Frage nach dem Wesen und der Beurteilung der Sünde reflektiert wird: von der Analyse des sittlichen Aktes her, in der Bestimmung des Verhältnisses von sittlichem Akt und Grundakt sowie sittlichem Akt und Tatausdruck, mit Blick auf die conditio des Menschen angesichts Gottes sowohl hinsichtlich des kreatürlichen Verhältnisses als auch in Bezug auf die Gnade. Vor diesem Hintergrund unternimmt der vierte Abschnitt eine Zusammenschau der Aspekte, welche für eine mögliche Einschränkung der Teilnahme von wiederverheirateten Geschiedenen am eucharistischen Mahl relevant sind. Der Abschnitt nimmt den Gegenstand der Sünde bei wiederverheirateten Geschiedenen in den Blick, bewertet deren zivile Wiederheirat, grenzt diese gegen das Kriterium des ehevertragsbrecherischen Geschlechtsakts ab und versucht, die Sünde zu ermessen. Darüber hinaus werden die dogmatische Frage nach der Theologie der Eucharistie, den Zusammenhang von Kirchengliedschaft und Eucharistiekoinonia sowie deren pneumatische Verankerung in der Gnade erörtert. Hieraus folgt das Ergebnis, dass die Feier der Eucharistie derart mit der Christus- und Kirchengliedschaft einhergeht, dass ausschließlich der Totalakt bzw. ein auf diesen direkt hinauslaufenden Akt der Sünde die Koinonia selbst – und insofern auch die eucharistische Koinonia – aus Perspektive des Sünders bis an die Grenze des Erlöschens bringen würde.
So wird deutlich, wie sehr die Eucharistie-Koinonia tiefer reicht als jene Hindernisse und Widersprüche, welche die Kreatur auf ihren Abwegen und Umwegen in dieser Zeit überhaupt zu vollbringen vermag.


Thomas Schumacher, Dr. phil. Dr. theol.
Autor zahlreicher systematischer und theologiegeschichtlicher Publikationen u.a. zur christlichen Existenz, Trinität, Feier der Eucharistie, Theologie des Amtes



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