E-Book, Deutsch, 120 Seiten, E-Book
Schulte Coaching - das Einsteigerbuch
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7910-4712-6
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Für Berater, Trainer und Führungskräfte
E-Book, Deutsch, 120 Seiten, E-Book
ISBN: 978-3-7910-4712-6
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thomas Schulte ist Volkswirt und hat über zwanzig Jahre Erfahrung als Banker, Unternehmensberater und Coach. Als Geschäftsführer einer innovativen Coaching-Company im Raum Südhessen begleitet er Organisationen, Teams und Einzelpersonen bei der Umsetzung anspruchsvoller Veränderungsvorhaben.
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2 Übergang von Training, Beratung und Führung zu Coaching
Die Erfahrungen aus früheren Berufen kommen einem Einsteiger zweifellos zugute und bereichern sein Coaching, aber sie können einem das Leben als Coach und insbesondere den Übergang in den neuen Beruf des Coachings auch unnötig verkomplizieren. Als ich zu Beginn der 2000er Jahre meine erste Coachingausbildung begann, nannte mich die Ausbilderin Thomas, the International Business Machine, in Anlehnung an meinen früheren Arbeitgeber (IBM). Als Unternehmensberater war ich viele Jahre in der Welt der Projektpläne, Meilensteine, Ergebnisdokumente und Deadlines unterwegs gewesen. Der Kunde hatte ein Problem und wir als Berater, die Lösung. Ohne Wenn und Aber. Falls wir nicht wussten, wie wir das Problem lösen sollten (und das war sehr oft der Fall), hielten wir uns an das Credo, dass wir alle gleich zu Beginn unserer Beratertätigkeit eingeimpft bekommen hatten: F***, just do it. Etwas höflicher formuliert: Denk nicht darüber nach, mach es einfach. Ich muss auf meine Coach-Ausbilderin ziemlich ergebnisorientiert und getrieben gewirkt haben. Mit Thomas, the International Business Machine, hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Das war zwar unangenehm, aber auch ganz heilsam. Meine Erfahrung als Consultant war zuweilen hilfreich, aber es gab auch Momente, da haben sie mir das Leben als angehenden Coach eher zur Hölle gemacht. Zum Glück war ich bei dieser Ausbildung in guten Händen und viele Erkenntnisse der damaligen Zeit sind in dieses Kapitel eingeflossen. Aller Anfang ist schwer, aber vielleicht kann man diese einmalige Zeit auch bewusst genießen, im Sinne von Hermann Hesses »Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne«.
Jeder Coach fängt zu irgendeinem Zeitpunkt an und ist dann erst einmal ein Einsteiger. Berater, Trainer und Führungskräfte blicken oft auf hervorragende Leistungen zurück. Die Versuchung ist groß, dies einfach auf Coaching zu übertragen. Auch Kunden spielen manchmal mit dem Gedanken, sich als Coach selbstständig zu machen und fragen mich, ob sie die notwendigen Kenntnisse nicht bereits haben. Teilweise sicherlich, aber erfahrungsgemäß nicht in dem Ausmaß, das sie sich erhoffen. Ungeachtet dessen, wie viel Erfahrung man als Führungskraft, Berater oder Trainer gesammelt hat, niemand kann gleich ein Profi im Coaching sein, weil Coaching ein eigenständiger Beruf ist. Die vier Kriterien einer Coachinglösung, die wir im vorigen Abschnitt kennengelernt haben, auftragsbezogen, individuell/passgenau, neu/kreativ und nachhaltig, sind von den anderen Beratungs- und Führungsformen verschieden. Es ist ein wenig wie Tennis und Tischtennis oder Handball und Fußball – die Gemeinsamkeiten sind da, doch je mehr man ins Detail geht, umso größer werden die Unterschiede. Und niemand kann in mehreren Disziplinen gleichzeitig in der Bundesliga spielen.
Wenn sich ein Mensch umschulen lässt, etwa vom Schreiner zum EDV-Beauftragten oder vom Busfahrer zum Betriebswirt, sind die Berufe in der Regel so verschieden, dass man kaum in Versuchung geraten kann, den alten Beruf weiter auszuüben. Der neue Beruf ist so grundsätzlich anders, dass er eine Zäsur darstellt. Den alten hat man hinter sich gelassen, ein für alle Mal. Es gibt kein zurück. Selbst wenn man wieder in einem unbedachten Moment zur alten Tätigkeit zurückkehren würde, würde das sofort auffallen, und zwar allen Beteiligten. Ganz anders ist das beim Übergang zum Coaching. Hier ist das Training oder die Beratung oder Führung stets eine gangbare Alternative in der Arbeit mit den Kunden. Für die meisten Klienten dürfte der Rückfall in den alten Beruf zunächst einmal unbemerkt bleiben. Der Einsteiger in das Coaching wird permanent auf der Hut sein müssen, nicht wieder in die alte Beschäftigung zurückzugleiten. Deshalb wollen wir uns in diesem Abschnitt damit auseinandersetzen, wie dies vermieden werden kann. Ein möglicher Übergang in das Coaching wird von vielen in der Anwendung diverser Coachingtools gesehen. Sind Tools für den Einsteiger geeignet? Und kann der Einsatz von Tools einen Rückfall in die alte Profession verhindern?
2.1 Tools im Coaching
Der Beratungsmarkt hat eine wahrhaft unüberschaubare Menge an Tools hervorgebracht. Beispielsweise die SWOT-Analyse, die ursprünglich als Instrument der strategischen Planung von Unternehmen entwickelt wurde, aber auch auf Einzelpersonen übertragen werden kann. Bei der SWOT-Analyse werden vor dem Hintergrund einer angestrebten Zielerreichung die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken bestimmt und zur Strategiefindung herangezogen (de.wikipedia.org/wiki/SWOT-Analyse). Ein anderes Tool ist beispielsweise das Johari-Fenster (de.wikipedia.org/wiki/Johari-Fenster). Das ist eine Methode beziehungsweise Übung, die Menschen dabei unterstützt, sich selbst und ihre blinden Flecken besser kennenzulernen, indem das Eigenbild mit dem Fremdbild der Mitmenschen verglichen wird. Oder die Projektumfeldanalyse (de.wikipedia.org/wiki/Projektumfeldanalyse), mit deren Hilfe versucht wird, die Umwelt und die Einflussfaktoren eines Projektes oder eines Unterfangens systematisch zu erfassen und zu bewerten. Ihr Ziel ist es, Risiken frühzeitig zu erkennen und die Personen, die ein Interesse an dem Vorhaben besitzen oder gar Gegner sind, zu Mitwirkenden und Unterstützern zu machen. Die Liste solcher Werkzeuge ließe sich vermutlich unendlich lange fortsetzen und sie sind dem Leser wahrscheinlich vertraut. Ein Buch über Tools zu schreiben ist eine der leichteren Übungen, da das Material dafür in der Literatur oder in der Wikipedia leicht einsehbar ist.
Die Frage jedoch, inwieweit diese Tools für das Coaching eines Einsteigers geeignet sind und ob sie gar als eine Überbrückungshilfe für den angehenden Coach genutzt werden können, ist ungleich schwerer zu beantworten. Die Antwort lautet nämlich: Ja und Nein. Ob ein Tool Coaching ist, hängt davon ab, ob es die vier Kriterien einer Coachinglösung erfüllt. Dient das Tool der Problemlösung des Klienten, liefert es also auftragsbezogene, individuelle/passgenaue und neue/kreative und nachhaltige Lösungen für ihn? Falls ja, ist das Tool Coaching, falls nein, ist es, im Sinne dieses Buches, kein Coaching. Das Studium von Tools ist selbstverständlich für den Einsteiger sinnvoll, so wie das Studium vieler anderer Themengebiete wie Kommunikation und Persönlichkeitspsychologie auch. Nur ob es für den spezifischen Klienten Coaching ist, kann nur der Coach selbst (in Abstimmung mit dem Klienten) entscheiden. Das macht den Coach selbst zum Tool, nämlich als das »Tool«, ein sinnvolles Tool erst auszuwählen. Das Tool per se ist im Zweifel erst einmal kein Coaching, nur der Mensch selbst, der es als Werkzeug für Aha-Erlebnisse für den Klienten einsetzt, oder eben nicht, ist das eigentliche Coaching-»Tool«. Der Coach als Mensch ist das mit Abstand wichtigste »Tool« im Coaching. Das, was man im Allgemeinen unter Tools subsumiert, sind allesamt Hilfsmittel, als Teilkomponenten zur Lösung zu sehen. Denn die eigentliche Aufgabe besteht in der Auswahl der Tools. Kein Tool nimmt einem Coach die Auswahl der Tools ab. Und ich habe bei der Online-Recherche kein solches Meta-Tool gefunden. Es wäre auch nobelpreisverdächtig. Tools sind zunächst einmal per se kein individuelles/passgenaues oder neues/kreatives Medium. Sie sind Lösungen, die irgendwo und irgendwann schon funktioniert haben, und sie sind verlockend für den Coachingeinsteiger, da sie durch ihren Lösungscharakter eher dem Training oder der Beratung zugehörig sind. Aber sie sind mitunter auch riskant, wenn Tools dem Einsteiger durch ihre Bekanntheit und Bewährtheit eine Scheinsicherheit vermitteln und ihn in die alte Tätigkeit zurückgleiten lassen.
Einige ausgewählte Tools können jedoch für den Einsteiger auch ein Segen sein, wenn sie einen Rückfall in die Berater- oder Trainertätigkeit zu vermeiden helfen, wohlgemerkt nur dann, wenn sie den angehenden Coach erst einmal davon abhalten, schnelle Antworten anzubieten. In diesem und nur in diesem Fall lassen sie einem Einsteiger gedanklich erst einmal ein wenig Abstand davon nehmen, das Problem und seine Lösung sofort genau verstanden zu haben. Solche Tools können beispielsweise Methoden sein, die zunächst lediglich Informationen über den Kunden sammeln, gerade auch solche, die scheinbar nichts mit dem Problem zu tun haben. Dazu werden wir in einem späteren Abschnitt beispielsweise das 4-Q-Modell besprechen.
Fazit: Für den Einsteiger sind Tools ein gutes Mittel für Studium und man kann gar nicht genug von ihnen kennen. Ob sie aber Coaching sind, kommt auf den spezifischen Klienten an und seinen einzigartigen Anforderungen. Das eigentliche Tool ist der Coach selbst, denn nur er kann ein für den Klienten geeignetes auswählen. Empfehlenswert sind Tools, die den Einsteiger Abstand von sofortigen Lösungen nehmen...