Schreiner | Mein erster Neger / Die Rosen des Heiligen Benedikt | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Schreiner Mein erster Neger / Die Rosen des Heiligen Benedikt

Afrikanische Erinnerungen / Liebes-und Haßgeschichten
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7317-6022-1
Verlag: Schöffling
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Afrikanische Erinnerungen / Liebes-und Haßgeschichten

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-7317-6022-1
Verlag: Schöffling
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Endlich wieder in Neuausgabe lieferbar: Margit Schreiners Erzählungen »Mein erster Neger«, zusammen mit ihrem Debütband »Die Rosen des Heiligen Benedikt«. Über die aus dem österreichischen Linz stammende Autorin schrieb Verena Auffermann in der Süddeutschen Zeitung: »Margit Schreiner beherrscht die Dramaturgie kurzer Erzählungen, weiß wie der Bogen zu spannen ist. Sie ist eine überzeugende Erzählerin kleiner Fluchten, deren Wege sie mit Schrecken unterlegt. Ihre Sprache ist unmanieriert, kurz, schnell und treffsicher.«

Margit Schreiner wurde 1953 in Linz geboren. Nach längeren Aufenthalten in Tokio, Paris, Berlin, Italien und dann wieder in Linz lebt sie derzeit in Gmu?nd, Niederösterreich. Sie erhielt fu?r ihre Bu?cher zahlreiche Stipendien und Preise, u. a. den Oberösterreichischen Landeskulturpreis und den Österreichischen Wu?rdigungspreis fu?r Literatur. 2015 wurde sie mit dem Johann-Beer-Literaturpreis und dem Heinrich-Gleißner-Preis ausgezeichnet, 2016 erhielt sie den Anton-Wildgans-Preis. Mit Kein Platz mehr war sie 2018 fu?r den Österreichischen Buchpreis nominiert. www.margitschreiner.com
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


"Die Rosen des Heiligen Benedikt. Liebes- und Haßgeschichten"Scheidung auf ÖsterreichischDer RechtsanwaltDer Senner von der KargeralmHassanBergheimerstraße Nr. 3Der GlückwunschDer SchergentoniDie Rosen des Heiligen BenediktEin ZwischenfallDer alte Mann und das MädchenNachtsDer BriefLucie sagtDie Bindermichlerüber das Geschlecht"Mein erster Neger. Afrikanische Erinnerungen"Ankunft in AfrikaDie MissionVaterMein erster NegerHendrichDer Mann, der sein Pferd suchteBefreiungDie Hitsch und ihr MannFressenDer nordische Mensch Safari-Lodge "Ernest Hemingway"übrigens: HabibiDie Onkel-StoryKeniaDer Junge und sein HundDas Abschiedsfest"


Scheidung auf österreichisch

»Ich wüßte nicht«, sagte mein Mann und blätterte nachlässig in einem riesigen Stoß von Papieren, »wo die Geburtsurkunde meiner Mutter sein könnte.«

Ich horchte auf.

Auf dem Schoß meines Mannes saß seine jüngste, zweijährige Tochter, die er mir gerade vorgestellt hatte. Sie klammerte sich an seinen Hals und sah mich mit vorgeschobener Unterlippe an, als wollte ich ihr den Vater wegnehmen.

»Aber vielleicht«, sagte er, »verzichtet man ja darauf.«

Er erinnerte mich an unsere Heirat und daran, wie der zuständige Standesbeamte schließlich doch auf die Geburtsurkunde des Vaters meines Mannes verzichtet hatte.

»Mein Vater ist seit fünfundvierzig Jahren tot«, hatte mein Mann damals zu dem Beamten gesagt, »und kein Mensch weiß, wo genau er geboren ist.«

Der Vater meines Mannes kam aus Istrien. Seine Mutter ist in der Bukowina geboren.

»Ich finde meinen Staatsbürgerschaftsnachweis nicht mehr«, sagte mein Mann einige Monate später am Telephon. Ich hatte ihn in Triest angerufen, weil ich mich endlich scheiden lassen wollte. Er äußerte sich sehr entschieden dahingehend, daß ich seinen Staatsbürgerschaftsnachweis vor etwa einem Jahr in Empfang genommen und in unsere Scheidungsmappe eingereiht hätte. Aber dort war er nicht. In der Scheidungsmappe waren bis auf sein Maturazeugnis und einem alten, ungültigen Reisepaß ausschließlich meine eigenen Papiere, und das seit sieben Jahren.

Wir hatten vor neun Jahren in Tokyo geheiratet. Der Entschluß war gefaßt worden, weil ich als ehemalige Lebensgefährtin meines in Tokyo an der Universität Deutsch unterrichtenden späteren Mannes keine Aufenthaltsgenehmigung in Japan bekommen hatte und gezwungen gewesen war, alle drei Monate aus Japan auszureisen, um vom Ausland aus ein neues Touristenvisum zu beantragen. Das war zeitraubend und kostspielig gewesen.

Nach drei Jahren hatte ich gepaßt.

Der Akt war sehr einfach gewesen. Wir fuhren nach der Arbeit mit der Schnellbahn von Tamagawagakuen, wo wir wohnten, nach Machida, wo das Gemeindeamt war. Ein freundlich lächelnder Herr legte uns ein mit Zeichenschrift eng bedrucktes Papier vor, das damals auch mein Mann noch nicht lesen konnte und das beglaubigt ins Deutsche übersetzen zu lassen uns dann bei der Scheidung eine schöne Stange Geld kosten sollte, wir setzten unsere Unterschrift darunter, und der freundlich lächelnde Herr setzte einen dicken roten Stempel über unsere Unterschrift. Im Anschluß daran feierten wir alle drei unsere Hochzeit, indem wir Sushi – rohen Fisch auf gesäuerten Reisbällchen – aßen, was meine Lieblingsspeise war. Es war einer der schönsten Tage unserer Ehe.

Dann allerdings begannen die Schwierigkeiten. Die Beschaffung der Papiere, die die österreichische Botschaft in Tokyo zur Bestätigung unserer Heirat verlangte, erwies sich, zumindest was die Papiere meines Mannes anbelangte, als so kompliziert, daß wir in den Sommerferien nach Österreich fliegen mußten, um alles zu besorgen, was uns selbst an Ort und Stelle nicht vollständig gelang. Es hatte sich nämlich herausgestellt, daß in der damals noch vorhandenen Geburtsurkunde der Mutter meines Mannes an der letzten Ziffer des Geburtsjahres herumradiert worden war, weshalb der österreichische Standesbeamte eine Überprüfung und Bestätigung der Echtheit der Papiere im heutigen Rumänien verlangte, die sich über Wochen hinzog. Als die Papiere ungeprüft wieder zurückkamen (die Stadt, in der die Mutter meines Mannes geboren ist, oder zumindest das kirchliche Taufregister gibt es nicht mehr), gab der Standesbeamte auf. Er verzichtete nicht nur auf jede weitere Überprüfung unserer Papiere, sondern sogar, wie gesagt, auf die Geburtsurkunde des Vaters meines Mannes, was er zudem schriftlich bestätigte, so daß auch der Beamte bei der österreichischen Botschaft in Tokyo nach unserer Rückkehr auf die Urkunde verzichtete und, nachdem die Heiratsurkunde aus Machida sowie Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung meines Mannes aus dem Japanischen ins Englische und verschiedene Urkunden aus dem Deutschen ins Japanische übersetzt worden waren, unsere Heirat anerkannt werden konnte.

Nach Anerkennung unserer Eheschließung durch die österreichische Botschaft aßen wir Sushi in einem guten Restaurant in Shinjuku – ohne Beamte.

Wahrscheinlich ist der Staatsbürgerschaftsnachweis meines Mannes bei seinem Umzug von Japan nach Österreich verlorengegangen. Wir lebten damals bereits getrennt, und ich war längst nach Salzburg zurückgekehrt. Mein Mann hatte zu der Zeit eine japanische Freundin, die ihm beim Umzug half. Die brachte unter anderem seine Pakete zur Post. Wie er später feststellen mußte, sind zwei von den damals von dieser Freundin zur Post gebrachten Paketen niemals in Österreich angekommen. Es seien, sagte er, hauptsächlich Photos in diesen Paketen gewesen, darunter die Aktphotos, von denen er in einer bestimmten Phase unserer Ehe unzählige gemacht hatte.

Aber was heißt schon hauptsächlich? Ich frage mich heute wie damals, ob in einem der beiden Pakete nicht auch sein Staatsbürgerschaftsnachweis gewesen sein könnte. Falls er nicht ohnehin irgendwo in seiner Wohnung in Triest herumliegt. Mein Mann war nämlich immer schon äußerst schlampig, was auch einer der Gründe war, warum ich ihn verlassen habe. Es kann daher natürlich auch sein, daß er seinen Staatsbürgerschaftsnachweis einfach verschlampt und dann nie wieder gründlich genug gesucht hat. »Der Leidensdruck reicht nicht«, sagte der Psychologe, den ich seit fünf Jahren regelmäßig aufsuche, »ein Mensch wie Ihr Mann braucht mehr als verlassen zu werden, um Scheidungswillen zu entwickeln.«

Wie aber hätte der Leidensdruck größer sein können? Seine Freundin, eine Italienerin, mit der er seit nunmehr sieben Jahren zusammenlebt und drei Kinder hat, bedrängte ihn, wie sie mir selbst am Telephon versicherte, tagtäglich, die Sache endlich hinter sich zu bringen.

Mein Psychologe meinte, im Falle einer hartnäckig manischdepressiven Natur mit ausgeprägt sthenischem Stachel müßte wahrscheinlich erst ein völliger nervlicher Zusammenbruch erfolgen, bevor an Scheidung überhaupt zu denken sei.

Aber ich glaube, eher wäre ich zusammengebrochen. Vier Beziehungen waren bereits an meinem Ehestand gescheitert, und der Lebensmittelhändler in Viehhausen, wo ich damals wohnte, sprach mich jeden Tag mit einem anderen meiner beiden Nachnamen – Mädchen- und Gattennamen – sowie gelegentlich sogar einem der Namen eines meiner ständigen Begleiter an. Das Finanzamt sandte mir die Unterlagen für meinen Mann zu, die ich nach Triest weiterleitete, die aber wegen der Unzuverlässigkeit der italienischen Post meist nicht rechtzeitig dort eintrafen, was Mahnungen, Zahlungsaufforderungen und Gebührenvorschriften zur Folge hatte, die wiederum an mich gesandt wurden und deren Weiterleitung ebenfalls zu lange dauerte, so daß weitere Mahnungen, Zahlungsaufforderungen etc. eintrafen. Einmal stand bereits der Gerichtsvollzieher vor der Haustür, und ich konnte mich gerade noch rechtzeitig in einer Nachbarwohnung in Sicherheit bringen.

Die österreichische Hundesteuerzahlungsaufforderung für seinen längst Triest verunreinigenden Dackel traf ebenfalls jedes Frühjahr bei mir ein, und beim Ansuchen um die Wohnbeihilfe meiner Magistratswohnung brauchte ich seinen Lohnzettel, der, wie man sich vorstellen kann, auch nie rechtzeitig eintraf und den ich dann auch noch beglaubigt übersetzen lassen mußte. Sogar bei meinem Kirchenaustritt vor nunmehr zehn Monaten wurde die Unterschrift meines Mannes verlangt. Er mußte persönlich anreisen und sie vor den Augen des Beamten der Kirchenaustrittsstelle leisten.

Mein Psychologe sagte, ich litte an einer Überfixierung auf den ehemaligen Partner, die bedingt sei durch ein gestörtes Lösungsverhalten von meinem Vater. Damit spielte er darauf an, daß mein Mann zwanzig Jahre älter war als ich. Er wurde voriges Jahr fünfzig Jahre alt. Da meine Mutter im selben Jahr siebzig und mein Vater achtzig Jahre alt wurden, hatten sich meine Eltern schon sehr auf die große gemeinsame Geburtstagsfeier gefreut.

Denn obwohl ich ihnen immer wieder erklärt hatte, daß wir getrennt lebten und die Scheidung unmittelbar bevorstünde, hatten sie mir in den letzten Jahren unserer Ehe nicht mehr geglaubt. Meine Mutter hatte mich immer wieder lächelnd gefragt, wie lange wir dieses Spiel eigentlich noch spielen wollten. Bei unserem großen Familientreffen vor acht Monaten hatte sie dabei auf meinen Bauch geschaut. Aber sie kann gar nichts gesehen haben. Ich war da erst im zweiten Monat schwanger.

Kurz darauf rief ich meinen Mann in Triest an, um ihm mitzuteilen, daß die Scheidung endgültig in den nächsten sieben Monaten vollzogen sein müßte. Er fragte mich nur, ob ich denn endlich die Sache mit der durch den Stempel unleserlich gewordenen Unterschrift auf unserer japanischen Heiratsurkunde geklärt hätte. Er glaube nämlich, sagte mein Mann und lachte, daß wir gar nicht geschieden werden könnten, solange nicht geklärt sei, ob wir überhaupt verheiratet gewesen seien.

Da war ich am Ende meiner Kräfte. Ich fühlte, wie die Dinge sich immer mehr verdichteten.

Nachdem ich lange panisch in der Wohnung auf und ab gegangen war, rief ich meinen Psychologen an und bat ihn um eine – von ihm Krisenintervention genannte – Sondersitzung, bei der er mir riet, den alten Schulfreund, auf den ich bei unseren Gesprächen über meine frühkindliche Sexualität immer wieder zu sprechen gekommen und der inzwischen ein bekannter Scheidungsanwalt geworden war, aufzusuchen.

Als ich...


Schreiner, Margit
Margit Schreiner wurde 1953 in Linz geboren. Nach längeren Aufenthalten in Tokio, Paris, Berlin, Italien und dann wieder in Linz lebt sie derzeit in Gmu¨nd, Niederösterreich. Sie erhielt fu¨r ihre Bu¨cher zahlreiche Stipendien und Preise, u. a. den Oberösterreichischen Landeskulturpreis und den Österreichischen Wu¨rdigungspreis fu¨r Literatur. 2015 wurde sie mit dem Johann-Beer-Literaturpreis und dem Heinrich-Gleißner-Preis ausgezeichnet, 2016 erhielt sie den Anton-Wildgans-Preis. Mit Kein Platz mehr war sie 2018 fu¨r den Österreichischen Buchpreis nominiert.
www.margitschreiner.com

Margit Schreiner wurde 1953 in Linz geboren. Nach längeren Aufenthalten in Tokio, Paris, Berlin, Italien und dann wieder in Linz lebt sie derzeit in Gmu¨nd, Niederösterreich. Sie erhielt fu¨r ihre Bu¨cher zahlreiche Stipendien und Preise, u. a. den Oberösterreichischen Landeskulturpreis und den Österreichischen Wu¨rdigungspreis fu¨r Literatur. 2015 wurde sie mit dem Johann-Beer-Literaturpreis und dem Heinrich-Gleißner-Preis ausgezeichnet, 2016 erhielt sie den Anton-Wildgans-Preis. Mit Kein Platz mehr war sie 2018 fu¨r den Österreichischen Buchpreis nominiert.
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