E-Book, Deutsch, Band 12, 148 Seiten
Reihe: Die Göttinger Sieben
Schrader Die Göttinger Sieben
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7557-7234-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der rote Faden
E-Book, Deutsch, Band 12, 148 Seiten
Reihe: Die Göttinger Sieben
ISBN: 978-3-7557-7234-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Band 12: Der rote Faden Oma Paschonke überrascht die Göttinger Sieben mit einer ungewöhnlichen Bitte: Ihre Freundin Trude hat von ihrem verstorbenen Mann einen Briefumschlag mit einem weißen Papier, einem Krümel und einem roten Faden geerbt und bittet die Freunde um Unterstützung bei der Lösung der Angelegenheit. Während sie gemeinsam Stück für Stück der Lösung des Rätsels näherkommen, begegnen sie immer mehr Personen, die sich für das Geheimnis interessieren. In das undurchsichtige Milieu von verschwiegenen Freimaurern, neugierigen Heimbewohnern und Geheimschriftexperten gesellt sich plötzlich ein Phantom. Da es keine Skrupel hat und ihm jedes Mittel recht ist, um vor den Freunden das Geheimnis zu lüften, geraten sie schnell in höchste Gefahr.
Schon in der Schule war Tobias Schrader als Geschichtenerzähler berüchtigt, besonders wenn es um die Begründung für nicht gemachte Hausaufgaben ging. Allerdings hatten die Lehrer für seine Erzählungen oft wenig Verständnis. Das änderte sich erst nach der Schulzeit.
Autoren/Hrsg.
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Im Altenwohnheim
»Meine beiden Enkelsöhne Lukas und Jonas kennst du ja.« Oma Paschonke zeigte auf die beiden Brüder, dann wanderte ihre ausgestreckte Hand weiter. »Und das sind ihre Freude Erwin, Maike und Paul.« Die Schüler schüttelten Trude nacheinander die Hand. »Da ist ja noch jemand«, staunte Trude, als sie Gustav entdeckte, der aus Maikes Rucksack schielte. Hier in Trudes Zimmer bestand keine Gefahr mehr, von einer Pflegekraft entdeckt zu werden. Schnell humpelte Trude zum Schrank, holte Butterkekse heraus und fütterte Gustav, der mit dem Schwanz wedelte und sofort mit ihr Freundschaft schloss. »Schön, dass ihr kommen konntet«, sagte Trude, »nehmt doch erst einmal Platz. Es ist hier zwar nicht sehr geräumig, aber für ein paar Wochen wird es wohl gehen.« Während sie sich an den gedeckten grünen Marmortisch setzten, goss Trude allen Gläser mit Wasser und Apfelsaft ein. Inzwischen verteilte Oma Paschonke die mitgebrachten Kuchenstücke vom Bäcker auf die Teller. »Marianne erzählt mir immer von euren Abenteuern. Und die Zeitungsberichte über euch clevere Detektive lese ich natürlich auch.« »Danke«, sagte Kröte etwas verschämt. »Wie können wir Ihnen denn weiterhelfen?« »Mein verstorbener Mann hat mir diesen Umschlag hinterlassen.« Trude kramte einen weißen Briefumschlag hervor. »Als ob er es geahnt hätte, dass ich jetzt das Geld benötige. Hier, guckt mal. Auf der Vorderseite steht: Für Trude an meinem 10. Todestag. Der war gestern. Alles was ich darin fand … aber seht selbst.« Kröte öffnete den Umschlag und zog einen weißen, leeren Zettel, einen roten Faden und ein trockenes, graues Etwas heraus, das noch nicht einmal einen halben Zentimeter groß war. Er legte alles auf einen Teller. »Das sieht mir eher nach Abfall aus«, meinte Jonas und beugte sich über die eigenartigen Gegenstände. Trude nickte. »Das ist alles, was ich bekommen habe. Ein mit meinem Mann befreundeter Rechtsanwalt gab mir den verschlossenen Umschlag.« »Ich fürchte, dieser Mann hat sich einen Scherz mit Ihnen erlaubt«, sagte Lukas. »Allerdings einen sehr üblen Scherz«, ergänzte Jonas und sah Trude traurig an. Trude zuckte unsicher mit den Schultern und lächelte verlegen. In den vielen Falten ihres Gesichtes spiegelte sich ihre große Lebenserfahrung wider, nur offenbar nicht was den Umgang mit Geld anging. Mit ihren weißen, leicht gelockten Haaren und einer rot geblümten Bluse wirkte die zierliche Dame höflich und zurückhaltend. »Könnte es sein, dass der Umschlag geöffnet wurde, der Mann das Geld herausgenommen und den Umschlag anschließend wieder zugeklebt hat?«, fragte Jonas. »Das ist nicht ausgeschlossen. Aber Dr. Bode ist ein langjähriger Freund meines Mannes. Sie kannten sich aus der Loge. Der hätte es nicht gewagt, mich zu bestehlen.« »Aus der Loge?«, fragte Jonas. »Was ist denn das?« »Mein Mann war Mitglied einer Freimaurerloge. Das ist ein Club, bei dem nur Männer Zutritt haben und der sich für soziale Zwecke einsetzt.« »Nur Männer?« »Ja, es gibt aber auch Logen, die nur für Frauen zugelassen sind.« »War der Umschlag fest verschlossen, als Sie ihn bekommen haben?«, fragte Jonas. »Ja, und das rote Siegel mit dem Stempel der Loge war nicht gebrochen.« Kröte griff nach dem Umschlag und drehte ihn um. Das Siegel, das in roten Wachs gedrückt worden war, war unbeschädigt. Es zeigte ein großes F mit einem Punkt dahinter und ein Pferd, das von rechts nach links sprang. »Friedrich zum weißen Pferde«, ergänzte Trude. »So heißt die Loge. Dort war er lange Zeit Meister vom Stuhl, also quasi Vorsitzender der Loge.« Kröte untersuchte den Umschlag genauer. Trude hatte ihn mit einem scharfen Gegenstand, vermutlich einem Brieföffner, feinsäuberlich aufgeschlitzt. »Mit Wasserdampf ist der Umschlag jedenfalls nicht aufgemacht worden«, erkannte er fachmännisch. »Ist das die Handschrift Ihres verstorbenen Mannes?« Trude nickte. »Hundertprozentig.« »Nehmen wir also mal an, dass Ihr Mann Ihnen diese drei Gegenstände wirklich zukommen lassen wollte. Was hätte er wohl damit bezwecken wollen?« Trude sah die Freunde ratlos an. »Das weiß ich eben nicht. Er interessierte sich immer für geheimnisvolle Schriften, Rätsel und Mysterien. Vielleicht hat er deshalb so ein Rätsel daraus gemacht.« »Aber er musste doch damit rechnen, dass Sie diese Gegenstände gar nicht miteinander in Verbindungen bringen können«, überlegte Kröte. Trude zuckte mit den Schultern. »Kurz vor seinem Tod war er manchmal auch schon etwas tüdelig.« »Und konnte Ihnen der Rechtsanwalt auch nichts dazu sagen?«, fragte Maike. »Er beteuerte, dass er keine Ahnung hatte, was all die Jahre in dem Umschlag geschlummert hat.« »Das ist echt ein schwieriges Rätsel«, erwiderte Maike und betrachtete den kleinen grauen Krümel. »Sieht aus wie eine alte geschrumpfte Tablette.« »Was für eine Tablette?«, fragte Jonas und sah auf den Teller. »Ach, das Ding da. Meinst du es gehört zum Rätsel dazu?« Maike zuckte mit den Achseln. »Es war schließlich auch im verschlossenen Umschlag.« »Lass mal sehen.« Jonas legte den kleinen harten Gegenstand auf seinen Teelöffel. »Zum Zeitunglesen nehme ich immer eine Lupe, die hole ich mal her«, sagte Trude und zog am obersten Griff der Schreibtischschubladen. Gemeinsam sahen sie sich den seltsamen harten Krümel an. Jonas drückte vorsichtig mit einer Kuchengabel darauf. »Keine Ahnung, was das ist. Wir brauchen wohl ein Mikroskop.« Kröte nahm das Ding hoch und hielt es sich dicht vors Auge. »Lässt sich echt nicht erkennen.« »Ich kann auch nichts erkennen«, meinte Maike mit prüfendem Blick. »Nimm das Ding doch mal in den Mund und lutsch es. Vielleicht ist es ein uraltes Kaugummi«, schlug Jonas vor. Maike verzog angewidert ihr Gesicht. »Das ist ja mal wieder ein richtig leckerer Vorschlag von dir!« Lukas sah sich nach einem spitzen Gegenstand um und fand ihn überraschenderweise auf der Fensterbank. »Darf ich da mal mit der Spitze dieses Zirkels hineinstechen?« »Kein Problem«, sagte Trude. »Nur zu! Aber verletze dich nicht!« Lukas drückte die Spitze des Zeichengerätes in den Gegenstand, bis er ihn aufspießen konnte. »Und?« fragte Kröte. »Tja, es kommt keine Flüssigkeit heraus.« Lukas reichte den Zirkel weiter. »Das Ding lag ja auch mindestens zehn Jahre in dem Umschlag«, meinte Kröte. Dann hielt Jonas den trockenen Krümel ins Licht. »Ich weiß es auch nicht.« »Weiß ist das richtige Stichwort!«, fiel Würmchen ein. »Wir müssen Herrn Weiß fragen. Der muss das Ding untersuchen.« »Wer ist denn Herr Weiß?«, wollte Trude wissen. »Herr Weiß ist Chemielaborant und leitet das Göttinger Forschungsinstitut im Windausweg.« »Seid ihr sicher, dass der komische Krümel mit der Nachricht meines Mannes an mich zu tun hat?« Trude sah in nachdenkliche Gesichter. Die kurze Stille wurde durch ein Geräusch unterbrochen. Offensichtlich war vor der Tür etwas umgefallen. Gustav bellte einmal kurz. Das Zeichen, dass sich jemand in der Nähe befand. »Da ist die Tür wohl aufgegangen. Bitte schließt sie«, flüsterte Trude. Lautlos stand Lukas auf und schlich zur Tür. Bevor er sie erreicht hatte, hörten sie, wie sich Schritte schnell entfernten. Hastig riss er die Tür auf und blickte auf den Flur, aber er konnte niemanden mehr sehen. »Ich habe euch doch gesagt, dass die Wände hier Ohren haben«, sagte Trude, als er an den Tisch zurückkam. »Da wollte jemand offensichtlich wissen, was wir besprechen«, stellte Kröte fest. Trude nickte. »In so einem Pflegeheim ist jede Abwechslung sehr spannend. Man kann hier keine Geheimnisse für sich behalten. Und euch kennen die Bewohner nicht.« »Schade, dass ich nicht gesehen habe, wer das war. Aber die neugierige Person hat nur mitbekommen, dass wir vor einem Rätsel stehen«, sagte Lukas. »Und damit kann keiner was anfangen«, fügte Maike hinzu. »Den Krümel nehmen wir jedenfalls mal mit«, meinte Jonas. »Braucht ihr das Papier auch?«, fragte Trude. Lukas sah sich den Zettel noch einmal an. »Ich glaube nicht, oder?« »Ich wüsste nicht weshalb«, stimmte...