E-Book, Deutsch, Band 319, 160 Seiten
Reihe: Perry Rhodan Neo
Staffel: Aphilie
E-Book, Deutsch, Band 319, 160 Seiten
Reihe: Perry Rhodan Neo
ISBN: 978-3-8453-5519-1
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
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1. Maria Croosh Mars, Lunae Planum, Croosh's Rescue Der Atmosphärewandler ragte wie ein kleines Gebirge in den Himmel. Vor dem pastelligen Lachsrot der Marsumgebung wirkte er dunkel, beinahe schwarz. Die riesige Maschine gehörte zur neuesten Generation der Atemluft generierenden Hochleistungsaggregate, die seit einigen Jahrzehnten die älteren Atmosphäreaufbereiter abgelöst hatten. Maria Croosh richtete sich aus der Hocke auf. Ein mittelschweres Sandfieber hatte sie vor Kurzem viel Substanz gekostet, das machte sich bemerkbar. Sie hatte abgenommen, was jedoch kaum jemandem auffiel. Sie ähnelte immer noch einer Walküre. Wegen ihrer eigenen Schwächephase hatte sie Ansgars Erkrankung leider nicht ernst genug genommen. Als dann die ersten grünen Bläschen auf der Haut ihres Sohns erschienen, war es zu spät gewesen, präventiv etwas zu tun. Sie machte sich Vorwürfe, aber das durfte sie nicht von der Arbeit abhalten. Die Bodenproben, die sie gerade nahm, würde sie erst im Labor der Siedlung komplett auswerten können, von der sie einige Kilometer Distanz trennten. Ihr geschultes Auge hatte das Wesentliche jedoch bereits erfasst: Die speziell für die Geologie des Mars geschaffenen Sandbakterien sowie Moos- und Flechtenkeime entwickelten sich prächtig. »Fertig!«, meldete sie über Helmfunk. Ihr Mann, der etwa fünfzig Meter entfernt arbeitete, hob bestätigend den Arm. Im Gegensatz zu Maria war er schmächtig, nur sein Haarwuchs war beeindruckend. Maria und James Croosh betreuten einen neuen Siedlungskern. Darum herum würde nach und nach eine neue Stadt entstehen. ... wohl eher ein Städtchen!, korrigierte sie sich in Gedanken. Einen Namen hatte die Siedlung bisher offiziell nicht, nur eine Nummer: LP-22/292E. LP stand für Lunae Planum. Kein Wunder, dass sie ihrem Zuhause einen Spitznamen gegeben haben, dachte sie. Wer will schon in etwas leben, das kaum mehr ist als eine Koordinatenangabe? Bis zur Tiefebene Chryse Planitia war es nicht weit, und nördlich von Marias Standort grub sich das Kasei Valles in die Tiefe. Das »Tal des Mars« zog sich mehr als anderthalbtausend Kilometer bis in die Chryse Planitia hinein. Irgendwann zwischen 3,5 bis 1,5 Milliarden Jahren in der Vergangenheit hatte sich dort ein mächtiger Strom hindurchgewälzt, dessen Ausmaße dem irdischen Amazonas in nichts nachgestanden hatten. Leben am Wasser. Wer wünscht sich das nicht? Auch wenn's nicht mehr da ist. Denn mittlerweile gab es in dieser Marsregion nur noch Staub und Sand. »Nicht mehr lange!«, murmelte sie. »Was sagst du?«, drang die Stimme von James aus dem Akustikfeld ihres Funkempfängers. »Nichts Wesentliches«, gab sie zur Antwort. »Wie immer also«, spöttelte er. »Monster!«, sagte sie. »Ungeheuer!«, erwiderte er. Wie ein altes Ehepaar, dachte sie amüsiert. Ehepaar war korrekt, alt indes definitiv falsch, auch wenn sie einander seit Ewigkeiten kannten. Der Atmosphärewandler spuckte unentwegt Sauerstoff in die Umgebung und vor allem die großen Versorgungsleitungen der Siedlung, ergänzt um reichlich Stickstoff, der für Terranormluft nicht fehlen durfte. Die Aufspaltung des Kohlendioxids, aus dem die ursprüngliche Marsatmosphäre dominant bestand, in für Menschen atembaren Sauerstoff war die Hauptaufgabe des Aggregatekomplexes. Ergänzend nutzte die Maschine Bodenressourcen. Maria drehte sich zur Kuppel um. Die geodätische Halbkugel aus Glassit und Stahl war seit etwa sechs Monaten vollendet, der Ausbau lief noch auf Hochtouren. Maria aktivierte die Vergrößerungsfunktion ihres Helmvisiers. Im Innern des Habitatdoms sah sie ganze Schwärme von Robotern, Koptern und anderen Arbeitsgeräten herumwuseln. Es war, als schaue sie direkt in einen Termiten- oder Ameisenbau. »Rafsdottir? Wie geht's voran?«, fragte sie. Das Signal wurde sofort bestätigt, ein kleines Kommunikationshologramm leuchtete vor Maria auf. Ana Rafsdottir leitete den Bau- und Schachtungstrupp, der die Fundamente für die Erweiterung B legte. Ihr Team arbeitete jenseits der Kuppel, also sah man von den kleinen Käfern nicht viel. Die Käfer waren Weiterentwicklungen der alten Krabbler, die man während des Arkonformings eingesetzt hatte. Sie erinnerten tatsächlich an dicke Käfer, manche davon sogar an Hirschkäfer, wenn die Arbeitsmodule angeflanscht waren. »Wir sind leicht im Verzug«, berichtete Rafsdottir im Holo. »Wir sind auf eine stark verdichtete Bodenformation gestoßen. Nichts Aufregendes, aber die Baudesintegratoren brauchen einfach etwas länger als geplant. Es könnten magmatische Ablagerungen sein, wahrscheinlich metamorphe Gesteine.« »Kein Grund zur Sorge«, beschied James Croosh. »Wenn das unser einziges Problem bleibt, sollten wir alle jubeln.« »Gibt es neue Nachrichten aus Bradbury Central?«, erkundigte sich Rafsdottir. »Chaos, wie üblich«, antwortete Maria. »Momentan sind unsere Verbindungen dorthin zudem unterbrochen, sagt Jennerson. Er bleibt dran. Nicht, dass uns das irgendwie weiterbrächte. Aber was ich zuletzt hörte, klang nicht gut. Auf der Erde muss der Teufel los sein.« Jennerson selbst schaltete sich in das Gespräch ein. Sein Konterfei entstand gut sichtbar in einem weiteren Hologramm. Er war aufgeregt, die Pausbacken waren gerötet. »Leute, ich hab hier eine deftige Sturmwarnung. Macht, dass ihr nach Hause kommt!« Maria grinste. Eigentlich waren Stürme auf dem Roten Planeten kein großes Problem. Wegen der extrem dünnen Marsatmosphäre war der Winddruck für gewöhnlich kaum der Rede wert. Eine sanfte Bö, mehr bekam man nicht zu spüren. Es sei denn, man hielt sich in der Nähe eines Atmosphäregenerators auf. Dessen Gasemissionen strebten, dem geringeren Umgebungsdruck folgend, sofort nach ihrer Freisetzung weg vom Wandler. Wegen des unablässigen Nachschubs, den das Aggregat lieferte, war die Luftdichte in seiner Nähe dennoch deutlich höher als das übliche eine Prozent des Erdnormwerts. Wenn ein Sturm diese größeren Luftmassen bewegte, grinste deshalb niemand mehr – hinzu kamen die Staub- und Sandpartikel. Ohne Schutzanzug war der Mars unverändert tödlich. Vielleicht nicht mehr so sehr wie vor hundert Jahren, aber ob man nach einer oder fünf Minuten tot war, spielte selten eine Rolle. Dann brach die Verbindung zusammen. Das lag wahrscheinlich an den elektromagnetischen Störungen durch den nahenden Sturm. Maria löste das Rückkehrsignal aus. Das zumindest funktionierte noch und ordnete die sofortige Beendigung aller Außeneinsätze an. Sie freute sich auf etwas Ruhe und ein Marsbier aus Bradbury Central, leicht temperiert, denn Kälte gab es auch dem Mars zur Genüge. Als sie den Käfer erreichte, wartete ihr Mann bereits auf sie. Sie bemerkte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. »Was ist?« James versuchte, ihr direkt in die Augen zu sehen, sein Blick war unstet. Das war eine seiner Eigenheiten. Er konnte niemanden fixieren, wenn er nervös war. »Die Atmosphärekontrolle von Rescue meldet sich nicht.« »Liegt's an der Kommunikation?«, fragte Maria. »Nein. Es sieht vielmehr so aus, als sei die Überwachung einfach ... ausgeschaltet worden. Aber so verrückt ist doch niemand.« »Sollte jedenfalls niemand sein«, korrigierte sie leise. »Sehen wir zu, dass wir zurückkommen! Dann kümmern wir uns sofort darum. Gib Jennerson Bescheid.« »Habe ich versucht«, erwiderte James. »Er meldet sich nicht mehr. Und das liegt nicht an den verdammten Störungen durch den Sturm.« »Bist du sicher?« »Hältst du mich für bescheuert, teure Gattin?«, fuhr er sie an. Er musste tatsächlich extrem beunruhigt sein. Er neigte wie sie selbst zu Ironie und Sarkasmus, aggressiv indes war er sonst nie. Sie stiegen ein. Die wie Käferflügel hochgeklappten Senktüren des Bodenfahrzeugs schlossen den Innenbereich hermetisch ab, und sofort saugte das Luftaufbereitungssystem die eingeschleppten Staub- und Sandpartikel ab. Hoffentlich geht's Ansgar gut!, war Marias nächster Gedanke. Ihr Junge lag noch immer in einem Quarantäneraum der Medosektion. Er hatte wegen einer Infektion mit Grünen Flugbeulen isoliert werden müssen, die er sich wahrscheinlich bei einem Besuch in Bradbury Central vor etwas mehr als drei Wochen eingefangen hatte. Die Krankheit war von Epsal eingeschleppt worden, schon bevor der schwarze Sperrschirm das Solsystem abgeschottet hatte. Verursacher war ein Pilz, der sich auf dem Mars recht heimisch fühlte und dem schier nicht beizukommen war. Er passte sich unglaublich schnell an die herkömmlichen Antimykotika und Fungizide an. Angst stieg in ihr empor, obwohl ein simpler Staubsturm kaum ein ausreichender Grund dafür war. Aber ihre Intuition hatte sie selten je getäuscht. Der Antrieb des Käfers jaulte auf, dann setzte sich das massige Gefährt in Bewegung. Es hatte mit etwa vierzehn Metern den Wendekreis eines historischen Universal-Motor-Geräts, auf dem das Konzept des Käfers beruhte. Sechs unabhängig aufgehängte Geländeräder schleuderten Sand in die Luft. Nichts wie nach Hause!, dachte Maria. Die Meldungen der restlichen Außengruppen trudelten ein. Nicht zum ersten Mal wünschte sich Maria eine etwas militärischere Ausrichtung, aber das war mit den individualistischen Siedlern nicht zu machen. Deshalb dauerte es eine Weile, bis sie wusste, wo sich die anderen aufhielten. Sie und James waren der geodätischen Kuppel von Croosh's Rescue am nächsten. Die Region Lunae Planum war im Umfeld des Siedlungsdoms relativ flach. Es gab keine Fossae, sah man...