E-Book, Deutsch, 300 Seiten
ISBN: 978-3-7554-5885-2
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1
Der Herbst ist im Anmarsch und die Herbstferien haben begonnen. Ich liege im Bett und würde dort am liebsten den ganzen Tag verbringen. Leon ist mit seinem Fußballverein für eine Woche in die Eifel gefahren und Laura mit Freundin und deren Eltern für eine Woche nach Mallorca. Im Haus ist es totenstill und Hermann Josef scheint schon im Büro zu sein; ich habe also mit Rambo das Reich für mich allein. Ich hatte mir die Ferienwoche so schön vorgestellt; Hermann und ich endlich mal allein zuhause. Im Geiste stellte ich mir Tagesausflüge oder Radtouren mit ihm vor, Picknick am See oder Grillabende in unserem Garten. „Du weißt doch, dass ich nicht spontan Urlaub nehmen kann, Vera! Die Quartalsabrechnungen müssen gemacht und pünktlich rausgeschickt werden!“, war sein Kommentar und ich hatte das Gefühl, dass er sich darauf sogar freute. Eigentlich hatte ich gehofft, dass Hermann sich in dieser Woche frei nehmen würde; bei den vielen Überstunden, die er hat. Weit gefehlt. Durch das Fenster fällt diesiges Licht und es scheint ein herbstlicher Tag zu werden. Ich recke und strecke mich und muss mich zwingen, aufzustehen. Ich hieve mich schweren Herzens aus dem Bett, werfe mir den Bademantel über und gehe in die Küche. Ganz schön still hier, richtig unheimlich, denke ich. Deswegen stelle ich die Espressomaschine an, um wenigsten ein zischendes Geräusch zu hören. Rambo sitzt ruhig und schläfrig in seinem Körbchen und linst mich aus einem Auge an. „Na mein Guter? Auch keine Lust, in den Tag zu starten?“, streichle ich ihm übers Fell. Er gibt ein leichtes Knurren von sich und ich denke, ihm fehlen, genau wie mir, jetzt schon die Kinder. „Nach dem ich meinen Kaffee getrunken habe, gehen wir beide erstmal eine lange Runde; hast du gehört? Vielleicht treffen wir ja Rudolf und die Pudelmama, die wir lange nicht mehr gesehen haben! Na, was meinst du, Rambo?“ Er hebt kurz den Kopf und döst weiter vor sich hin. Auf die Pudeldame wird er genauso viel Lust haben, wie ich. Der Espresso ist fertig und ich gehe zum Briefkasten, um mir die Zeitung zu holen, bevor ich mir das schwarze Gold durch die Kehle fließen lasse. Es war spät, bzw. früh geworden, bei unserem Treffen gestern. Claudi hatte Geburtstag und Jenny und mich ins feinste Restaurant der Stadt eingeladen. Sie wollte nicht alleine zu Hause sein, da ihr Mann schon wieder unterwegs war; dieses Mal in den Staaten, wie sie uns erzählte. Während ich den Espresso genieße, lasse ich den gestrigen Abend noch einmal vor meinem geistigen Auge ablaufen. Alles war so wundervoll, der Schampus floss in Strömen und das tolle Buffet war mit mediterranen Köstlichkeiten bestückt, nur für uns Drei! Einfach köstlich! Zwischendurch rief Claudis Mann kurz an, um seiner Frau zu gratulieren. Da die Verbindung sehr schlecht war, dauerte das Gespräch auch nicht sehr lange. Ich sah die Enttäuschung in Claudis Gesicht, die sich aber schnell wieder fasste. „Lasst uns feiern, Mädels! So jung kommen wir nicht mehr zusammen! Prost auf unsere Freundschaft! Ihr seid die Besten!“, rief sie und wir stießen zum hundertsten Mal mit Champagner an. Wir hatten eine Menge Spaß und feierten ausgelassen bis heute früh. Wie ich nach Hause gekommen bin, keine Ahnung. Der smarte, dunkelhaarige Kellner, der den ganzen Abend hinter dem Buffet stand und uns mit all den Köstlichkeiten verwöhnte, immer wieder die leeren Teller füllte hat, so glaube ich, das Taxi bestellt. Wir haben den ganzen Abend wie wild mit ihm geflirtet und er ließ alles tapfer über sich ergehen; der Schöne! Gut, dass ich nicht mehr weiß, was wir ausgelassenen und beschwipsten Weiber ihm alles an den Kopf geworfen haben… der braucht sicher heute eine halbe Packung Aspirin! Zum Glück treffe ich ihn nicht mehr. Ich würde vor lauter Scham das Loch im Boden suchen. Ich gehe unter die Dusche, ziehe mir meine bequemste Kleidung an, trage ein bisschen Rouge auf und sehe gleich viel frischer aus. Bevor ich die Stellenanzeigen durchsuchen will, gehe ich mit Rambo Gassi, obwohl der immer noch faul in seinem Körbchen liegt. „Na, hast wohl auch keine Lust, der hübschen Pudeldame zu begegnen, was? Dann gehe ich eben alleine! Das hast du dir jetzt selbst zuzuschreiben, mein Lieber!“ Er hebt schnell den Kopf und ist genauso fix an der Haustür. „Siehst du? Wo ein Wille, da ein Weg! Geht doch!“ Er springt an mir hoch und fiepst vor Freude. Er kann es kaum erwarten, bis ich ihm die Leine anlege, ein paar Leckerli einstecke und los geht’s. Danach werde ich Claudi anrufen und mich für den wunderschönen Abend bedanken. Im Park begegnen uns fremde Hunde; weit und breit ist nichts von Rudolf, dem Labrador und der Pudeldame zu sehen. Sicher waren sie heute früh schon unterwegs, denn jetzt haben wir kurz nach eins. Rambo scheint voller Energie, im Gegensatz zu mir. Er tollt und springt herum, als würde er den ganzen Tag am liebsten draußen bleiben. Ich gehe noch schnell beim Bäcker vorbei und kaufe zwei Croissants, die so richtig kalorienarm sind; die brauche ich jetzt! Nach gut einer Stunde Sauerstoff, bin ich schon wieder müde und denke an einen kurzen Mittagsschlaf, bevor Hermann nach Hause kommt. Zuhause angekommen frühstücke ich in aller Seelenruhe und schaue mir die Stellenangebote an. Es sieht düster aus, für Frauen in meinem Alter. Putzstellen werden genug angeboten; die habe ich hier Zuhause jeden Tag. Als ich Claudis Nummer wähle, ist nur der AB an: Hallo, wer mich erreichen will, muss schon etwas früher aufstehen! Wenn ich Lust und Zeit habe, rufe ich eventuell zurück! Wenn ich beides nicht habe, müsst ihr vorbeikommen! Habt einen schönen Tag. Tschüssi! Sehr lustig! Da ich nicht gerne mit der Technik spreche, werde ich später noch mal mein Glück versuchen. Sicher kuschelt sie gerade mit ihrem Lover…
* Bevor die Kinder auf die Welt kamen, war ich im Tageszeitschriftenverlag als Kurzgeschichtenschreiberin angestellt. Einmal in der Woche schrieb ich eine Kurzgeschichte, durch die die Umlage der Zeitung gestiegen war. Die Leser*Innen warteten schon gespannt auf die nächste Wochenausgabe. Es waren Geschichten aus dem Leben, die sich im Alltag ereigneten. Ich bekam hauptsächlich positive Emails von meinen Lesern. Manche hatten sogar Ideen zu einem brisanten Thema, oder schrieben mir zum Beispiel, was sie selbst erlebt hatten, was nicht immer lustig war. Alle Emails wurden von mir gewissenhaft beantwortet. Rüdiger war mein Chef und wir kamen sehr gut miteinander aus. Natürlich bedauerte er meinen Austritt nach dem Mutterschutz und daraus sind inzwischen etliche Jahre geworden. Letzte Woche hatte ich bei Rüdiger im Verlag einen Termin und gehofft, dort wieder arbeiten zu können. Die Abteilung im Verlag war mir egal; Hauptsache raus aus dem häuslichen Einerlei. Er bot mir sofort Kaffee an und bat mich nach einer herzlichen Umarmung in sein Büro. „Also, toll siehst du aus, Vera! Die Familie scheint dir wirklich gut zu tun!“, begann er das Gespräch und flatterte nervös mit den Augenliedern. „Danke! Du aber auch! Die paar Pfunde mehr stehen dir gut, Rüdiger! Damals warst du einfach zu dünn für einen Mann in deiner Position!“, stellte ich fest und lächelte ihn freundlich an. Er deutete es als Kompliment und kam schnell zum Thema: „Also, was hast du dir denn so vorgestellt, Vera?“ „Meine alte Stelle wird wohl inzwischen besetzt sein, oder?“ „Also, die ist leider gestrichen worden, da wir keinen mehr finden konnten mit so einer wunderbaren Phantasie, wie du sie hattest!“, erzählte er mir und… „Die Stelle ist seitdem auch nicht mehr besetzt worden! Leider!“ Enttäuscht nippte ich an meiner Kaffeetasse. „Eine freie Stelle im Verlag gibt es nicht mehr?“, fragte ich und kannte eigentlich schon seine Antwort. „Also, da ist nichts zu machen, Vera! Du weißt, wir müssen alle den Gürtel enger schnallen und sparen! Die Umlagen sind zurückgegangen und die Mitarbeiter müssen bezahlt werden; und das jeden Monat!“ „Vielleicht später, Rüdiger? Wenn jemand in Mutterschutz oder in Rente gehen würde? Dann kannst du mich jederzeit anrufen! Hörst du?“ „Also, das mache ich, Vera!“, versprach er und stand abrupt auf. Das Gespräch schien für ihn beendet zu sein und ich verabschiedete mich dann auch ziemlich schnell von dem schönen Rüdiger. Ich war so enttäuscht, dass ich mir im erstbesten Café ein zweistöckiges Stück Torte einverleibte und einem Latte Macchiato plus Sahnehaube. Aber mal ehrlich: Was hatte ich denn erwartet, nach all den Jahren? Hermann habe ich nichts von meinem Besuch im Verlag erzählt… Tage später klingelt das Telefon. „Hallo! Berger!“ „Also, guten Tag schöne Vera! Ich hoffe, dass es dir an diesem wunderschönen Herbsttag so gut geht, wie mir?“, scherzt jemand gutgelaunt am Ende der...