E-Book, Deutsch, 474 Seiten
Schöffner / Hagehülsmann Zukunftsfähige Machtsysteme in Unternehmen
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-17-042536-1
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Verantwortung richtig auf die Beine stellen
E-Book, Deutsch, 474 Seiten
ISBN: 978-3-17-042536-1
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Macht - ein Mythos? Macht ist die Fähigkeit, das Fühlen, Denken und Handeln anderer Menschen zu beeinflussen. Entscheidungen in Unternehmen sind daher meist mit Macht verbunden, wenn auch oft unbemerkt. Differenzierte Analysen hierzu fehlen, denn der Begriff wird oft negativ konnotiert. Diese interdisziplinäre Darstellung erläutert das Phänomen Macht aus begrifflicher, gesellschaftlicher und organisationaler Sicht. Die zukunftsgerichtete Managementperspektive wird aus der Sicht der Organisationsentwicklung und Transaktionsanalyse ergänzt. Das Ergebnis ist ein ganzheitlicher Leitfaden zu Machtkultur und somit nachhaltiger Führung in Unternehmen.
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2Menschen und Macht
Entsprechend unseres Basierens auf einem humanistischen Menschenbild verstehen wir Macht, so wie sie hier beschrieben wird, immer als Prozess der Interaktion von Menschen. Interaktion findet auch dann statt, wenn es nach einer Aktion eines Beteiligten scheinbar keine Reaktion des anderen Beteiligten gibt, denn auch Passivität kann eine aktive Reaktion im Sinne der Interaktion darstellen. In Anlehnung an Paul Watzlawicks Kommunikationsaxiome kann ein Mensch nicht „nicht reagieren“. Die Voraussetzung dafür ist, dass Menschen sich in einem gewissen relationalen Bezug zueinander befinden. Existiert ein derartiger Bezug nicht, kann nach unserem Verständnis auch keine Ausübung von Macht stattfinden. 2.1Machtbegriffe und -definitionen
Seit Menschengedenken üben Menschen in irgendeiner Form Macht auf andere Menschen aus. Doch obwohl diese Tatsache bereits so lange besteht und Macht überall präsent ist, gibt es keinen geschlossenen theoretischen Ansatz zu ihrer adäquaten Beschreibung.48 Es existieren zahlreiche Versuche, das Phänomen der Macht auf einen theoretisch und empirisch erfolgreichen Begriff zu bringen, all diese Versuche sind jedoch nicht widerspruchsfrei.49 Eine zusammenhängende, in sich geschlossene Definition des Machtbegriffs, welche allen Disziplinen gerecht und interdisziplinär konsistent wäre, existiert nicht. Das ist wenig überraschend, weil ihr zum einen durch die Ambivalenz der durch sie ausgelösten Emotionen auch immer etwas Negatives anhaftet, zum anderen weil sie aus einer großen Vielzahl unterschiedlicher wissenschaftlicher Perspektiven beleuchtet werden kann und muss. Die unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansätze durchdringen das Machtphänomen auch unterschiedlich, setzen andere wissenschaftliche Methoden an und verwenden eine jeweils unterschiedliche Fachsprache. Darüber hinaus ordnen diese verschiedenen Disziplinen ähnliche, im Kontext der Macht auftretende Erscheinungen unterschiedlich ein und belegen dieselben Begriffe mit unterschiedlichen Inhalten. So wird z.?B. in psychologischer Sicht unter „Einflussnahme“ die intendierte Einwirkung einer Person A auf eine Person B verstanden, die im Einklang mit den Interessen von B ist, wohingegen die Einwirkung von A auf B gegen die Interessen von B als „Machtausübung“ bezeichnet wird.50 Der bekannte Soziologe Niklas Luhmann konstatiert hingegen, dass Einfluss immer dann vorliegt, wenn „die Selektionsleistung eines Teilnehmers durch Mitteilung einem anderen bekanntgemacht und von diesem im Ergebnis als Einschränkung seiner Möglichkeiten des Erlebens und Handelns akzeptiert wird“.51 Das hat alles seine Berechtigung, denn da Macht in allen Lebensbereichen auftritt, müssen auch für diese vielen Bereiche jeweils passende Ansätze und Beschreibungen gefunden werden. Nähert man sich dem Phänomen der Macht für eine Fokussierung auf die Bereiche Management und Unternehmensführung, stößt man schnell auf verschiedene Perspektiven, aus denen heraus Macht für diesen kleinen Ausschnitt gesellschaftlichen Lebens betrachtet wird:52 Psychologie (inkl. Organisationspsychologie) Wirtschaftswissenschaften Politikwissenschaft Kommunikationswissenschaft Ethik Soziologie und Gesellschaftswissenschaft Systemtheorie und Sozialwissenschaft Philosophie und Sprachwissenschaft In fast jedem dieser verschiedenen Ansätze findet sich eine eigene Definition des Begriffes Macht, wobei sich diese inhaltlich nicht gleichen. Eine sehr bekannte und weit verbreitete Definition ist die des Soziologen Max Weber von 1921: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“53 Weber setzt also das Vermögen zur Durchsetzung des eigenen Willens gegen die Widerstände anderer mit dem Begriff der Macht gleich, wohingegen die deutsch-amerikanische Politologin Hannah Arendt den Begriff einordnet als „die menschliche Fähigkeit, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln“ (vgl. hierzu unsere Überlegungen zum Buchexzerpt von Ulrich Hemel zum Machtverständnis der 2000er Jahre ? Kap. 1) und ihn so vorrangig unter dem Aspekt der Verantwortung und der Gemeinschaft betrachtet.54 Bereits diese beiden Ansätze zeigen den Spannungsbogen auf, in dem sich das Phänomen Macht sowie entsprechende Konstrukte und Bedeutungen befinden. Diese Mannigfaltigkeit der Bedeutung des Begriffes „Macht“ berücksichtigend, wollen wir unseren weiteren Ausführungen zunächst die Definition von Macht voranstellen, auf die wir uns in diesem Buch beziehen. Diese beginnt mit einer etymologischen Betrachtung des Wortes „Macht“. Das Wort „Macht“ stammt von den althochdeutschen bzw. altgermanischen Begriffen „magh“ und „maht“, denen ihrerseits indogermanische Wurzeln zugeschrieben werden.55 Die Worte haben die Bedeutung von „kneten, formen, können, vermögen“ und beschreiben die Fähigkeit, etwas formen zu können bzw. etwas schaffen zu vermögen. Auch das mit Bedeutung „Reichtum“ verwendete Wort „Vermögen“ hat diesen Ursprung und auch andere Wortentwicklungen entstammen diesen Begriffen.56 Insofern hat bereits der Ursprung des Begriffs Macht zu mannigfaltigen Ausdrücken mit unterschiedlichen Bedeutungen geführt. Wenig verwunderlich, dass „Macht“ wie gezeigt nicht auf eine einzige, klar definierte Bedeutung hin reduziert werden kann. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das englische Pendant „Power“ ebenso für eine Vielzahl von Bedeutungen verwendet wird: Leistung, Energie, Potenz, Macht, Autorität. Infolge dieser verschiedenen im Sprachgebrauch etablierten Bedeutungen der Begriffe haben „Power“ und „Macht“ auch die Relevanz von (Entscheidungs-)Kompetenz. Der Fokus dieses Buches liegt auf Macht in gewinnorientierten Unternehmen, weshalb für die Bedeutung des in diesem Kontext verwendeten Begriffs der Macht wesentlich die Betrachtung aus gesellschaftswissenschaftlicher, politischer, betriebswirtschaftlicher, psychologischer, kommunikationswissenschaftlicher, soziologischer und ethischer Sicht relevant ist. Wie im ersten Kapitel bei den Schauplätzen der Macht (Familie, Wirtschaft, Staat, Gesellschaft) gezeigt wurde, beeinflussen sich diese gegenseitig, weshalb eine isolierte Betrachtung aus nur einer Perspektive für den genannten Kontext zu kurz greifen würde. Daher ist die Vielzahl der genannten Perspektiven wichtig, zumal diese eine unterschiedliche Gewichtung haben und die unterschiedlichen Perspektiven nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Es erfordert also einen Kompromiss, sich auf eine Definition von Macht zu einigen, auch wenn diese nicht für alle Aspekte im Kontext des Buches das Optimum einer Definition darstellt, sondern eben nur für einen überwiegenden Teil. Für eine durchweg konsistente Argumentation wählen wir eine Kompromisslösung als Definition. Die Bedeutung des nachfolgend definierten Machtbegriffes ist dabei so zu verstehen, dass es sich um das Vermögen handelt, das Verhalten anderer Personen im Sinne des Machtinhabers zu beeinflussen. Ein durch die Anwendung der Macht erfolgendes Verhalten oder eine Verhaltensänderung setzt dabei nicht zwingenderweise den Widerstand des Beeinflussten voraus, auch wenn er in bestimmten Fällen bestehen und in wiederum anderen Fällen durch die Machtanwendung überwunden werden kann. Wir konzentrieren uns bei unserer Machtdefinition auf das Erscheinungsfeld „Organisation“, um dem erwähnten Hauptfokus gewinnorientierter Unternehmen bestmöglich gerecht zu werden. In Anlehnung an die von den beiden Autoren Pfister und Zirkler gegebenen Definitionen von Macht definieren wir für den Inhalt dieses Buches den Begriff „Macht“ daher folgendermaßen:57 Macht ist das Potential, Einfluss auf andere auszuüben und sie zu beeinflussen. Der Begriff Potential bezeichnet die Fähigkeit zum Ausüben von Macht und umfasst sowohl deren Fülle als auch die wählbaren Mittel. Der Begriff Macht ist eng mit den Begriffen „Einfluss“ und „Autorität“ verbunden.58 Daher werden diese Begriffe für den Kontext dieses Buches ebenfalls definiert, um wiederum konsistent argumentieren zu können. In Anlehnung an die Darstellung von Jerald Greenberg definieren wir für unsere Zwecke „Einfluss“ daher wie folgt:59 Einfluss ist das aktive Einwirken, das Verhalten anderer Menschen in einer gewünschten Weise zu lenken oder zu verändern. Unter dem Begriff „Autorität“ verstehen wir im Kontext dieses Buches in Anlehnung an Gary Yukl:60 Autorität ist das Recht und die Verpflichtung, die mit einer Position in einer Organisation assoziiert werden und Erlaubnis geben, Macht auszuüben. Die drei Begriffe ergeben zusammen einen für unsere Zwecke sehr dienlichen Dreiklang: Einfluss ist der Weg, Autorität das Recht und Macht das Potential, d.?h. die Möglichkeit zur Veränderung von Verhalten und Haltung von Menschen. Einfluss ist dabei als aktive Handlung im Sinne von „Einfluss nehmen“ und nicht wie umgangssprachlich oft verwendet als „Einfluss haben“ zu verstehen. Letzteres werden wir später unter dem...