Schmidt-Tollgreve / Landeskunde / Schulz | Der Briefwechsel zwischen Heinrich Christian Boie und Johann Martin Miller | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 108 Seiten

Reihe: Edition Dithmarscher Landeskunde

Schmidt-Tollgreve / Landeskunde / Schulz Der Briefwechsel zwischen Heinrich Christian Boie und Johann Martin Miller

ergänzt durch Briefe von Christian Rudolf Boie
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7597-3223-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

ergänzt durch Briefe von Christian Rudolf Boie

E-Book, Deutsch, 108 Seiten

Reihe: Edition Dithmarscher Landeskunde

ISBN: 978-3-7597-3223-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Briefwechsel zwischen dem Dichter und Herausgeber Heinrich Christian Boie (1744-1806) und dem Schriftsteller Johann Martin Miller (1750-1814) liegt mit dieser Edition erstmals geschlossen vor, insoweit die Briefe der beiden Korrespondenten noch erhalten sind. Die Korrespondenz wirft nicht nur ein Licht auf den sogenannten Göttinger Hain, dem die Briefschreiber angehörten, bzw. seine weiteren Mitglieder, sondern auch auf das literarische Leben im ausgehenden 18. Jahrhundert bzw. auf die persönliche Lebenswelt Boies und Millers als Teil des kulturellen Lebens. Die Briefe Christian Rudolf Boies (1757-1795) sind ergänzend in die Arbeit eingeflossen, da er als Bruder Heinrich Christians eine gewisse Zeit lang unmittelbaren Kontakt zu Miller hatte. Auch finden sich in seinen Briefen unter anderem Informationen über Heinrich Christian Boie, die in dessen Briefwechsel mit Miller bzw. im Rahmen ihrer Freundschaft eine Rolle spielen. Die Briefe Christian Rudolf Boies geben darüber hinaus einen Einblick in das studentische Leben in Göttingen der damaligen Zeit und zudem in die Lebensbereiche der Hain-Dichter. Die Briefedition ist als weiterer Quellen-Baustein für die Forschung zu dem Göttinger Dichterbund und der Literatur des 18. Jahrhunderts zu verstehen. Hargen Thomsen führt in seinem Vorwort den kulturellen, insbesondere literarischen Umbruch in den letzten Jahrzehnten des 18 Jahrhunderts vor Augen.

Urs Schmidt-Tollgreve (1972) erkundet seit 1999er das Wirken von Heinrich Christian Boie und hat eine Biographie, Buchbeiträge und Aufsätze veröffentlicht.

Schmidt-Tollgreve / Landeskunde / Schulz Der Briefwechsel zwischen Heinrich Christian Boie und Johann Martin Miller jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Hargen Thomsen
Vorwort zum Briefwechsel Boie – Miller
Jeder, der sich mit Geschichte beschäftigt, wird schon die eigentümliche Beobachtung gemacht haben, dass sie sich in ganz unterschiedlichem Tempo fortbewegt. Auf Phasen der Stagnation, die Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte andauern können, folgen dann manchmal Revolutionen, die in wenigen Wochen oder Monaten alles umstoßen, was bis dahin doch unumstößlich schien, und Institutionen, von denen man dachte, sie seien für die Ewigkeit gemacht, sind plötzlich im Handumdrehen verschwunden. Viele von uns haben diese Beobachtung selbst machen können, als im Herbst 1989 die deutsche Teilung innerhalb weniger Wochen überwunden wurde, von der wir doch alle geglaubt hatten, wir würden ihr Ende nicht mehr erleben (auch wenn hinterher natürlich alle es besser gewusst hatten). Diese Tempounterschiede zwischen Stagnation und Revolution gibt es nicht nur in der politischen Geschichte, auch wenn sie hier deutlicher sichtbar sind, und ihre Folgen schneller für alle spürbar werden. Auch die Kultur- und Literaturgeschichte kennt Phasen von Stagnation, auf die dann solche folgen, in denen innerhalb weniger Jahre alles in Bewegung gerät und die Ansichten darüber, was schön und gelungen ist und was eine zeitgemäße Literatur bewirken soll, sich fundamental wandeln. Für die Zeitgenossen mag das nicht so leicht sichtbar sein wie in der politischen Geschichte, weil Altes und Neues noch längere Zeit nebeneinander her laufen, und manchmal erst eine spätere Generation bemerken kann, wie ein bestimmtes Gedicht oder ein bestimmter Roman etwas radikal Neues bringen, das sich später durchsetzen wird. Auffällig ist überdies, dass kulturelle Glanzzeiten selten mit politischen oder wirtschaftlichen Hochphasen in eins fallen. Das gilt auf jeden Fall für die 1770er Jahre, die politisch keine wichtige Landmarke vorzuweisen haben, in der deutschen Literatur aber zu den aufregendsten Jahrzehnten zählen, solange überhaupt in deutscher Sprache geschrieben wird. Seit dem Tod der großen Barockdichter Andreas Gryphius (1664) und Hans Jacob Christoph von Grimmelshausen (1676) war fast hundert Jahre lang kein Dichtername mehr aufgetaucht, den man sich hätte merken müssen. Mitte des 18. Jahrhunderts erst änderte sich das, als Gotthold Ephraim Lessing, Christoph Martin Wieland und Friedrich Gottlieb Klopstock mit ihren ersten Werken hervortraten. Alle drei hatten schon seit den 1750er Jahren veröffentlicht, erreichten aber in den 70er Jahren den Höhepunkt ihres Wirkens und ihres Ruhms. Lessing hatte 1772 mit dem Trauerspiel Emilia Galotti gezeigt, dass nicht nur das Schicksal mythischer griechischer Heroen, sondern auch das zeitgenössischer deutscher Bürger tragisch sein kann. Wieland hatte 1773 mit dem Agathon den ersten deutschen Entwicklungsroman (in griechischem Gewand) geschrieben. 1774 veröffentlichte Klopstock seine Gelehrtenrepublik, die Utopie einer Gesellschaft, deren Regeln nicht auf Macht, Einfluss und einer seelenlosen Bürokratie beruhen, sondern auf dem vernünftigen Diskurs der Besten und Klügsten (das ist nach wie vor eine Utopie!). Diese drei waren die Vorreiter, die junge Autoren aufmerksam machten, zu Neuem anregten und begeisterten. Und dann ging es plötzlich schnell, dann kamen die Dichter und Denker plötzlich in hellen Haufen. Es ist gar nicht möglich, all die Gruppen und Grüppchen aufzuführen, die sich in kleinen Residenzstädten, großen Handelsorten, betriebsamen Universitäten oder abgelegenen Landgütern für kurze oder längere Zeit konstituierten und wieder trennten. Ein paar der wichtigsten Strömungen seien hier erwähnt. Da war zum einen die Empfindsamkeit, deren Vordenker der Philosoph Friedrich Heinrich Jacobi war, der auf seinem Landgut Pempelfort bei Düsseldorf u. a. Goethe, Wieland und die Brüder Humboldt als Gäste empfing. Jacobi definierte den Menschen als in erster Linie empfindendes, erst in zweiter Linie rationales Wesen, und die Dichter der Empfindsamkeit trieben einen wahren Kult mit ihren Emotionen und wurden nicht müde sich in extatischen Ausdrücken der gegenseitigen Freundschaft und Liebe zu versichern (was heute oft eher peinlich anmutet). Viele dieser Empfindsamen waren auch durch den evangelischen Pietismus beeinflusst, der einen gefühlsmäßigen Zugang zum Glauben suchte, und dem etwa Matthias Claudius in Wandsbek nahestand, oder Heinrich Jung-Stilling, der 1777 seine Autobiographie Heinrich Stillings Jugend herausbrachte, die erste Lebensgeschichte eines Mannes, der aus ärmlichsten Verhältnissen stammte. Auf katholischer Seite gab es den Münsteraner Kreis um die Fürstin Gallitzin, der auch zu protestantischen Dichtern und Philosophen Kontakt hielt. Auf der anderen Seite des Spektrums stand der „Sturm und Drang“, so benannt nach einem Drama von Friedrich Maximilian Klinger, der zusammen mit Johann Michael Reinhold Lenz zu den bekanntsten Vertretern dieser Richtung zählt: rebellische junge Männer, die die Boheme-Attitüde selbsterklärter Genies pflegten. Für Miller immerhin war Klinger ein „Halbgott“, wie er in Brief Nr. 12 erklärt. Anders als die Empfindsamen kannten die Stürmer und Dränger auch die dunklen Seiten der Leidenschaft und kritisierten soziale Missstände. Als dritte wichtige Gruppe wäre der „Göttinger Hain“ zu nennen, der ofiziell am 12. September 1772 von Studenten der Universität Göttingen gegründet wurde – in einem Göttinger Hain. Die wichtigsten Mitglieder waren Johann Heinrich Voß, L. C. H. Hölty, die Brüder Friedrich Leopold und Christian Stolberg und die beiden Korrespondenten des vorliegenden Briefwechsels Johann Martin Miller und Heinrich Christian Boie. Keine offiziellen Mitglieder, aber dem Kreis nahestehend waren Matthias Claudius und Gottfried August Bürger, der hier auch seine klassische Schauerballade Lenore vorstellte. Dabei gab es zwischen den Werken der einzelnen Mitglieder große Unterschiede, z. B. haben Höltys schlichte, volksliedhafte Verse („Üb immer Treu und Redlichkeit / bis an dein kühles Grab“) nicht viel zu tun mit Voß’ weitausladenden Idyllen, die sich an antike Vorbilder und Versmaße anlehnen. Gemeinsam war allen nur der Abscheu gegenüber Wieland und dessen französisierenden Rokokoversen und andererseits die rückhaltlose Bewunderung Klopstocks (dessen Ode Der Hügel und der Hain den Namen der Vereinigung angeregt hatte). Dieser geradezu religiös anmutende Klopstock-Kult ist auch im vorliegenden Briefwechsel spürbar. Besonders Miller scheint seine Bekannten nur danach zu beurteilen, wie sie zum verehrten Meister stehen und versucht, sie in diesem Sinne zu „bekehren“. Neben diesen recht laut auftretenden Gruppierungen gab es in dieser Zeit der literarischen Revolution auch einige leise Revolutionäre (die sich auch gar nicht als solche empfanden). So erschien 1771 anonym der Briefroman Geschichte des Fräuleins von Sternheim, herausgegeben von Wieland, aber nicht von ihm verfasst, sondern von seiner Freundin Sophie La Roche, die in der Folgezeit, ermutigt durch den enormen Erfolg des Buches, zur ersten „hauptberuflichen“ Schriftstellerin Deutschlands wurde und damit den Frauen den Weg in die Literatur ebnete. Neben all diesen Halbgöttern und Möchtegerngenies müssen zum Schluss dieses Überblicks noch zwei echte Genies erwähnt werden, die die literarische Revolution der 1770er Jahre wesentlich mitbestimmten, nämlich Johann Wolfgang Goethe (das „von“ kam erst viel später) und Johann Gottfried Herder. Goethes Genialität bestand vielleicht darin, dass er fähig war, alle Entwicklungen seiner Zeit aufzunehmen und zu verschmelzen. Er war mit all den oben erwähnten Personen nicht nur persönlich bekannt, er war auch offen genug, sich von ihnen anregen zu lassen und daraus kreative Energie zu schöpfen. Sein Roman Die Leiden des jungen Werther, 1774 erschienen, wurde zum Kultbuch seiner Generation, weil der Held den neuen Menschentypus repräsentiert, der sich ganz von seinen Emotionen leiten lässt und gegen die bestehenden Verhältnisse aufbegehrt. Aber (und das entging vielen seiner Leser) Goethe lieferte zugleich auch die Kritik an diesem Typus: Werther geht am Ende zugrunde, weil er sich völlig in seinen Emotionen verliert und es nicht schafft, die Vernunft als notwendiges Gegengewicht in sich zu etablieren. Herder, aus dem heute polnischen Ostpreußen stammend, ist der unbekannteste unter den Großen seiner Zeit, weil die Unmenge an Anregungen, die er mit seinen Ideen in alle Richtungen gegeben hat, von einer Unmenge von Leuten aufgegriffen wurden, ohne dass sich einer dafür bedankt hätte (Goethe hat es immerhin getan). 1778 erschien seine Volkslieder-Sammlung, Jahrzehnte bevor die Romantiker darauf kamen, sie zu sammeln. Für Herder war wichtig, das Volk, also die einfachen Menschen, als schöpferische Kraft zu zeigen. Er entwickelte in dieser Zeit seine Geschichtsphilosophie, die er ab 1784 als Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit in mehreren Bänden veröffentlichte, ein gewaltiger Überblick über sämtliche Zivilisationen...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.