E-Book, Deutsch, Band 2, 368 Seiten
Reihe: Hauptkommissar Jan Schröder
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 2, 368 Seiten
Reihe: Hauptkommissar Jan Schröder
ISBN: 978-3-8412-1854-4
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ralf Schmidt wurde 1968 in Hayingen auf der Schwäbischen Alb geboren. Er lebt mit seiner Frau in der Nähe von Ingolstadt, wo er an seinen Harley-Davidsons und an neuen Romanen arbeitet. Im Aufbau Taschenbuch ist von ihm 'Kreuz und Chrom', der erste Band mit Hauptkommissar Jan Schröder, lieferbar.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1
30 Jahre später
Hauptkommissar Jan Schröder blickte auf, als die Bürotür geöffnet wurde.
»Was meinst du? Dorthin oder eher dort drüben, wo die Bunten sind?«, fragte er und hob die Zeichnung seiner Tochter Lea hoch.
Kai Lorenz blieb im Türrahmen stehen, atmete tief ein und schüttelte kaum merklich den Kopf. »Hier sieht es bald aus wie in einem Kindergarten mit all den gemalten Bildern deiner Tochter.«
Schröder ließ den Blick durch das Büro wandern. »Ich finde, sie haben etwas Beruhigendes. Du nicht?«
Lorenz sah sich um. »Ja, vielleicht. Sie malt ja gut. Verdammt, du solltest den Job als Kripochef endlich annehmen. Nowak wartet nicht mehr lange auf eine Zusage. Dann bekommst du ein eigenes Büro.«
»Höre ich da etwa Kritik?«
Lorenz schüttelte abermals den Kopf und kam auf seinen Kollegen zu. »Hier«, sagte er und streckte Schröder einen Zettel entgegen. »Ist gerade reingekommen.«
Der Hauptkommissar legte die Stirn in Falten. »Eine ältere Frau?«, fragte er und sah zu seinem Kollegen auf.
»Komm, wir fahren hin. Spusi und der ganze Trupp sind schon dort.«
»Julia auch?«
»Ja. Die Valentini wartet bestimmt schon auf dich«, sagte Lorenz und ging zur Tür.
Schröder folgte seinem Kollegen und dachte dabei an ihren zurückliegenden Fall, bei dem er die Staatsanwältin kennengelernt hatte. Damals war ein Pfarrer ermordet worden. Er hoffte insgeheim, dieser Fall würde keine so hohen Wellen schlagen wie der letzte.
Lorenz parkte den Wagen an der Straße vor dem Gebäude, wo bereits verschiedene Einsatzfahrzeuge standen.
Schröder stieg aus, verharrte einen Moment und ging zu einer steinernen Treppe, die zum Eingang des alten Hauses führte, neben dem ein Streifenpolizist Stellung bezogen hatte.
»Morgen. Wo ist es?«, fragte er den Polizisten.
»Da lang. Die seitliche Kellertreppe runter«, sagte der Mann und machte eine Kopfbewegung in diese Richtung.
Schröder betrat den hell ausgeleuchteten Kellerraum, in dem eine ganze Heerschar von Menschen stumm vor sich hin arbeitete. Der Tatortfotograf machte unentwegt Bilder. Ein Beamter in einem weißen Einweg-Hygieneanzug stellte Täfelchen mit Nummern auf. Ein weiterer Kriminaltechniker kniete neben dem Opfer.
Die Staatsanwältin stand mit vor der Brust verschränkten Armen am Rande der Szenerie und beobachtete das Geschehen.
»Hallo Julia«, begrüßte Schröder sie, woraufhin sie sich lächelnd umdrehte.
»Hi Jan. Hallo Kai. Auch schon da, die Herren?«
»Du weißt doch, ich brauche meinen Schönheitsschlaf«, flüsterte Schröder und trat näher an Valentini heran.
»Nicht hier. Du weißt, was wir vereinbart haben.«
»Okay. Was gibt es?«, fragte er und deutete zur Leiche.
»Eine Frau, Helga Schwarz, achtundsechzig Jahre alt. Der Notarzt konnte nur noch ihren Tod feststellen. Ich habe die Gerichtsmedizin gerufen. Kommt bitte mit«, sagte die Staatsanwältin.
Sie blieben vor dem Opfer stehen und sahen dem Rechtsmediziner einen Moment zu.
»Ich bin so weit fertig mit ihr. Bericht bekommt ihr morgen früh, wenn sie zeitig in der Gerichtsmedizin eintrifft. Der Leichenwagen ist noch nicht da«, sagte er und schaute kurz zur Tür.
»Okay«, begann Schröder. »Was können Sie uns jetzt schon sagen?«
Der Mediziner sah auf das Opfer. »Einschussloch am Rücken. Hier«, begann er und zeigte auf eine kleine rote Stelle zwischen den Schulterblättern. »Keine Austrittswunde. Der Schuss war nicht aufgesetzt, aber ich vermute, aus nächster Distanz«, führte der Rechtsmediziner aus.
»Wann?«, fragte Schröder knapp.
Der Mann wiegte den Kopf hin und her. »Vor etwa zwei bis drei Stunden. Es ist in diesem alten Kellergemäuer recht kühl.«
Schröder sah auf die Uhr. 8 Uhr 30. Er wandte sich Valentini zu. »Wer hat sie gefunden?«
Die Staatsanwältin deutete mit dem Kopf zum Ausgang. »Der Nachbar dort drüben hat heute Morgen die offene Kellertür gesehen und daraufhin die Polizei angerufen.«
»Wegen einer offenen Kellertür?«
Valentini zuckte nur mit den Schultern.
Schröder sah zur Tür und legte die Stirn in Falten. »Hat schon jemand mit ihm gesprochen?«
»Die Polizeibeamten waren kurz bei ihm, haben ihn aber nicht vernommen. Ich sagte ihnen, dass wir damit warten, bis der ermittelnde Hauptkommissar da sei.«
Schröder blickte sich im Keller um. Es war einer dieser alten gemauerten Keller, die immer etwas feucht rochen. An den Wänden waren Regale angebracht, die mit Kisten vollgestellt waren, aus denen hier und da Kleinwerkzeug oder anderes für den Garten benötigte Material herausschaute. An einer Seite standen verschiedene Gartengeräte wie Rechen, Laubbesen und Schaufeln. Hätte der Mörder vorgehabt, die Leiche verschwinden zu lassen, hätte er hier das nötige Werkzeug vorgefunden, dachte Schröder.
»Okay. Ich geh mal rüber zu ihm. Kai, du befragst die anderen Nachbarn«, sagte er zu seinem Kollegen, der an der Kellertür stand und diese ausgiebig betrachtete.
»Komm mal rüber«, erwiderte Lorenz.
Schröder ging vorsichtig an der Leiche vorbei zu seinem Kollegen, der die Kellertür immer noch interessiert musterte. »Was gibt es?«
Lorenz deutete mit der Hand auf zwei Stellen an der alten Holztür. »Vier schwere Eisenriegel, jeweils zwei oben und zwei unten. Dann noch das da«, sagte er und zeigte abermals auf die Tür.
Schröder beugte sich etwas herab und betrachtete den massiven Panzerriegel, der mittig angebracht war. »Vier eiserne Türriegel und ein massiver Panzerriegel? Für eine Kellertür?«, fragte Schröder erstaunt.
»Für eine dicke Kellertür. Schau dir das Teil an«, sagte Lorenz.
Schröder kniff die Augen etwas zusammen. »Das sind mindestens sechs Zentimeter.«
»Da hatte aber jemand eine ziemliche Angst vor Einbrechern«, sagte Lorenz und betrachtete die Außenseite des Zugangs. »Schröder«, sagte er dann und winkte ihn auf die Kellertreppe.
Er trat zu seinem Kollegen. »Was hast du entdeckt?«
Lorenz zeigte auf ein Tastenfeld auf der Außenseite der Tür. »Digitales Code-Schloss für den Schließzylinder.«
»Ein Code-Schloss für eine Kellertür?«, sagte Schröder nachdenklich, trat wieder in den Keller und blickte zum einzigen Fenster des Raumes. »Sie hatte mit Sicherheit Angst vor einem Einbruch oder so. Das Fenster ist massiv vergittert. Hier unten kommt keiner ohne schweres Werkzeug rein.«
Lorenz sah kurz zum Kellerfenster hinüber. »Ist ja eine kleine Festung hier«, sagte er.
»Rede mit den Nachbarn. Danach schauen wir uns das Haus an. Bin gespannt, ob es genauso gesichert ist. Irgendwo muss der Täter reingekommen sein. An der Kellertür sind jedenfalls keine Spuren gewaltsamen Eindringens«, sagte Schröder und verließ den Raum.
»Guten Morgen. Schröder, Mordkommission.«
Der Nachbar schaute kurz auf die tätowierten Unterarme des Kripobeamten, nickte und bat ihn herein.
»Herr …?«, begann Schröder.
»Entschuldigung. Baumann, Karl Baumann«, sagte der Mann und streckte ihm eine Hand entgegen.
»Sie haben Ihre Nachbarin Frau Helga Schwarz gefunden?«
Der Mann seufzte. »Nein, Gott behüte. Na ja, ich habe nur heute Morgen die Kellertür offen stehen sehen.«
»Deswegen haben Sie die Polizei gerufen?«
Der Mann nickte.
»Was fanden Sie daran verdächtig?«
Wieder seufzte der Mann und setzte sich in einen altmodischen braunen Ohrensessel. »Bitte«, sagte er und deutete auf einen Stuhl. »Es ist nicht so, wie Sie vielleicht denken.«
»Wie denke ich denn?«, fragte Schröder und sah Baumann verwundert an.
»Na ja. Dass ich den ganzen Tag zum Fenster rausschaue, was die Nachbarn so treiben.«
»Als Polizist bin ich froh darüber, wenn jemand ab und zu einen Blick auf seine Umgebung wirft. Aufmerksame Nachbarn konnten schon bei so mancher Verbrechensaufklärung helfen.«
Baumann nickte wieder. Er schien beruhigt zu sein. Der Hauptkommissar war sich sicher, dass Baumann öfters am Fenster stand und beobachtete, was draußen vor sich ging. Das erklärte nicht nur das Aussichtsfernrohr, das auf einem Stativ neben dem Fenster stand. Allein die Tatsache, dass Baumann das Thema überhaupt angesprochen hatte, sagte Schröder, dass er ganz gerne einen Blick aus dem Fenster warf.
»Sie war … na ja. Sie war vielleicht … ich glaube, sie war etwas verrückt. Die Schwarz, von drüben«, sagte Baumann und sah den Kripobeamten an.
»Verrückt? Woran machen Sie das fest?«
Unruhig rutschte der Mann auf seinem Sitz umher. »Na ja, sie wohnt … wohnte fast dreißig Jahre hier. Wir haben nie miteinander geredet. Sie … na ja, sie kam von der Arbeit, stieg aus dem Bus, überquerte schnell die Straße und verschwand in ihrem Haus. Morgens kam sie erst raus, wenn der Bus schon dastand. Dann eilte sie hinüber und stieg ein. Ich glaube … ich meine, die Fahrer wussten das und warteten auf sie, bevor sie wegfuhren.«
»Wann ging Frau Schwarz für gewöhnlich zur Arbeit?«, fragte Schröder.
»Die letzten Monate nicht mehr.«
»Ihr täglicher Rhythmus hat sich verändert?«
Der Nachbar zog sich eine blau-grau gemusterte...