E-Book, Deutsch, 176 Seiten
E-Book, Deutsch, 176 Seiten
ISBN: 978-3-401-80862-8
Verlag: Arena Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Andreas H. Schmachtl, geboren 1971, studierte Kunst, Germanistik und Anglistik in Oldenburg. Einen Gutteil seiner Zeit verbringt er in England, wo die Ideen zu seinen Büchern entstehen. Nicht zufällig geht es darin hauptsächlich um Igel, Mäuse und andere kleine Leute, deren Schutz und Erhalt ihm besonders am Herzen liegen. Seit 2007 illustriert und schreibt er exklusiv für den Arena Verlag.
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In einer Bibliothek ist Ordnung sozusagen das A und O, oder besser: das Abc. Denn stehen die Bücher am falschen Platz im Alphabet, findet man sie nur durch Zufall oder mit sehr viel Glück wieder. Manchmal sogar gar nicht. Das musste auch Missi feststellen, als sie ein bestimmtes Buch über das alte Rom suchte. Wie immer hatte Missi im Verzeichnis nachgeschlagen, wo das Buch stehen sollte. Nämlich hier. Direkt neben … Moment … Hier stimmte ja gar nichts mehr! Im gesamten Regal herrschte ein heilloses Durcheinander. Missi konnte sich nicht vorstellen, dass Frau Soundso für dieses Chaos verantwortlich war. Und wie sich schnell herausstellte, wusste die Bibliothekarin nicht einmal etwas von der Sache, bis Missi ihr davon berichtete. „Ach, nicht schon wieder!“, schimpfte Frau Soundso. „Letzte Woche hat jemand sämtliche Biologiebücher verstellt. Und heute sind es offenbar die Geschichtsbücher. Ich möchte mal wissen, wer das immer macht. Dem würde ich gern was erzählen! Ach was, Hausverbot würde ich ihm verpassen! Es dauert Stunden, die Bücher wieder zu sortieren. Wenn ich sie überhaupt wiederfinde!“ „Ich könnte Ihnen nach dem Unterricht ja ein bisschen helfen“, schlug Missi vor. Frau Soundso nahm den Vorschlag dankbar an. Sie wusste ja, wie gut Missi sich in der Bibliothek auskannte. Sie ahnte allerdings nicht, wie genau Missis Hilfe aussehen würde. Denn Missi würde nicht nur ein paar Bücher wieder an ihren Platz bringen. Missi wollte vor allem herausfinden, wer und was hinter diesem Unfug steckte! Gleich nach der letzten Stunde kehrte Missi in die Bibliothek zurück, wo Frau Soundso sie schon erwartete. „Haben Sie wirklich überhaupt keine Ahnung, wer die Unordnung angerichtet haben könnte?“, fragte Missi. Manchmal wussten die Leute nämlich mehr, als sie dachten. Man musste sie nur daran erinnern. Aber Frau Soundso schüttelte den Kopf. „Donnerwetter, du fragst ja wie ein Profi. Aber hier gehen einfach zu viele Leute ein und aus“, sagte sie. „Es ist ganz und gar unmöglich, sie alle im Blick zu behalten.“ Das stimmte vermutlich. Missi hatte noch nie darüber nachgedacht, wie viele Besucher die Bibliothek täglich hatte. Denn sie grenzte zwar an das Schulgebäude, war aber öffentlich. Somit konnte praktisch die ganze Stadt hier auftauchen. Und natürlich auch Unfug anstellen. Vor allem, weil man zwischen den hohen Regalen so gut wie unsichtbar war. „Die Sache ist besonders ärgerlich“, berichtete Frau Soundso, „denn ich habe eigentlich überhaupt keine Zeit für diese zusätzliche Aufräumerei. Heute sollte ich mich um die Karteikarten kümmern. Alle Neuzugänge müssen katalogisiert werden. Und dann wollen die Leute ja auch ihre Bücher ausleihen. All das müsste ich vorn am Tresen erledigen. Dort sitze ich aber nicht, wie du siehst.“ Missi linste um die Regalecke. Von hier aus war der Tresen tatsächlich ein ganzes Stück entfernt, und durch das Regal war es fast unmöglich, zu ihm hinüberzusehen. Genauso wie umgekehrt. Darüber lohnte es sich nachzudenken. „Welche Bücher wurden noch durcheinandergebracht?“, fragte Missi. Immerhin konnte jeder Hinweis sie auf die richtige Spur zur Lösung des Rätsels bringen. „Die Biologiebücher“, berichtete Frau Soundso. „Zum Glück nicht alle. Es waren nur zwei Reihen. Aber das reichte schon. Ich habe sehr lange gebraucht, sie wieder zu sortieren.“ Und auch dieses Mal dauerte es bis zum Nachmittag, bis alle Bücher am richtigen Platz standen. Missi rollerte nach Hause, dachte aber weiter über die merkwürdige Angelegenheit nach. Warum hatten die Unbekannten ausgerechnet diese Bücher durcheinandergebracht? Auf den ersten Blick hatten Biologie- und Geschichtsbücher ja nicht gerade viel gemeinsam. „Vielleicht geht es gar nicht um die Bücher?“, murmelte Missi beim Abendessen vor sich hin. „Wie bitte, welche Bücher?“, fragte ihre Mutter. Doch Missi hörte sie gar nicht. Sie war zu sehr in ihre Gedanken versunken. Und das lohnte sich. Denn beim Zähneputzen stellte Missi sich vor, wo die entsprechenden Bücher in der Bibliothek zu finden waren. Und da hatte sie einen Geistesblitz. Es ging bei der Sache überhaupt nicht um Biologie oder Geschichte! Es ging um die Regale, in denen sie standen! Und die hatten die Unbekannten aus einem bestimmten Grund ausgesucht. Sie wollten Frau Soundso für einen längeren Zeitraum von ihrem Tresen weglocken, denn von beiden Regalen aus waren weder der Tresen noch die Tür dahinter zu sehen. Die … Tür! Wieder ging Missi ein Licht auf. Ach was, ein ganzer Kronleuchter! Natürlich, den Unbekannten ging es um die Tür! Dazu muss man wissen, dass besagte Tür zur sogenannten „Schatzkammer“ führte und mit einem elektronischen Schloss gesichert war. Die Schätze darin bestanden nicht aus Gold, Silber oder ähnlichem Unfug. Wie es sich für eine Bibliothek gehörte, handelte es sich natürlich um besonders kostbare Bücher. Sie waren entweder sehr alt oder sehr selten. Darum waren sie auch nicht ausleihbar. Wer sie ansehen wollte, brauchte einen Termin und Baumwollhandschuhe. Außerdem ließ Frau Soundso niemanden mit ihren Schätzen allein. Jemand hatte es auf die Schatzkammer abgesehen! Das stand für Missi fest. Und sie würde auch herausfinden, wer der Unbekannte war. Dafür brauchte sie allerdings einen spitzenmäßigen Plan. Also grübelte sie wieder. Und zwar so gründlich, dass sie ausnahmsweise nicht vor dem Zubettgehen lesen konnte. Aber als sie ihre Nachttischlampe ausknipste, wusste sie, wie sie dem Täter auf die Schliche kommen konnte. Schon am nächsten Tag bezog Missi ihren Posten in der Bibliothek. Das fiel nicht weiter auf, sie war ja sowieso oft hier. Und Piwi fiel ebenfalls nicht auf, weil er so klein war. Nebenbei bemerkt war Piwi Pots ein echtes Computer-Ass. Er gehörte zu den Leuten, die sogar von den Lehrern gefragt wurden: „Mein Computer macht plötzlich so komische Sachen. Könntest du dir das mal ansehen?“ Und Piwi konnte nicht nur, er tat es auch. Ein paar Mausklicks und einen Neustart später tat die Kiste meistens wieder, was sie sollte. Darum war Piwi auch der Einzige, den Missi in ihren Plan einweihte. Abgesehen von Frau Soundso, versteht sich. Die wusste ebenfalls Bescheid. Denn Missi war überzeugt, dass der Unbekannte heute erneut versuchen würde, Frau Soundso von der Schatzkammer wegzulocken. Und es musste so aussehen, als hätte er Erfolg. „Aber wir können doch nicht einfach zulassen, dass jemand unbemerkt in die Schatzkammer einbricht“, klagte Frau Soundso. „Er bleibt ja auch nicht unbemerkt“, erklärte Missi. „Dafür wird Piwi sorgen. Okay?“ „Okay“, bestätigte Piwi, nahm hinter dem Tresen Platz und tippte auf dem Computer herum. Schließlich verkündete er: „Alles klar, die Kamera läuft.“ „Welche Kamera?“, staunte Frau Soundso. Piwi deutete auf die winzige Linse über dem Bildschirm. Und sie zeigte direkt auf die Tür zur Schatzkammer an der hinteren Wand. Jetzt schaltete Piwi seinen eigenen Computer ein, und das Kamerabild tauchte auf. „Das ist ja Zauberei“, hauchte Frau Soundso. „Nicht ganz“, lachte Missi. „Aber ziemlich nützlich.“ Und Piwi sagte: „Ach nee, nicht die!“ Ausgerechnet in diesem Moment betraten Nob, Rob und Hub die Bibliothek. Und das war nun wieder ganz besonders verdächtig, denn die drei Rüpel ließen sich sonst nicht oft hier blicken. Grund genug, sie ein bisschen im Auge zu behalten. Die drei marschierten direkt zu den Biologiebüchern und brachten sie erneut durcheinander. Im Hinausgehen rempelten sie sich gegenseitig an und grölten: „Echt ’ne ziemliche Unordnung hier.“ Missi gab Frau Soundso ein Zeichen. Die verschwand sofort hinter dem Biologieregal, um die Bücher zu sortieren. Piwi behielt die Kamera im Blick, und Missi folgte den dreien hinaus. Dort wartete ein Mann auf sie. Sie tuschelten kurz, und der Mann steckte den Jungs ein paar Geldscheine zu. Nob, Rob und Hub verschwanden, dann betrat der Mann die Bibliothek. Missi folgte ihm, stellte sich an den Tresen und sagte laut: „Na, so was, keiner da!“ Dann ließ sie den Mann allein. Gebannt beobachteten Missi, Piwi und Frau Soundso auf dem Bildschirm, wie der Mann sich umschaute. Dann ging er tatsächlich zur Schatzkammer und gab den elektronischen Code ein. Den richtigen! Nur mit Mühe konnte Missi Frau Soundso davon abhalten, zur Schatzkammer zu stürmen. Der Mann musste wieder herauskommen und mit seiner Beute die Bibliothek verlassen, erst dann konnte man ihm den Diebstahl nachweisen. Der Mann kam auch heraus. Er verließ eilig die Bibliothek … und lief zwei Polizisten direkt in die Arme. Denn selbstverständlich hatte Missi bei so einer wichtigen Sache zuvor die Polizei informiert! Zufällig wohnte Kommissar Pingelig ganz in der Nähe der Moppels. Darum wusste der Kommissar auch, dass Missi bestimmt nicht spaßte, als sie ihm am Telefon erklärte, in der Bibliothek würde ein echt großes Ding gedreht. Nur schien der Unbekannte doch nichts gestohlen zu haben. Jedenfalls hatte er keines der kostbaren Bücher bei sich. „Was ist hier los, Missi?“, fragte Kommissar Pingelig und wollte den Mann schon laufen lassen. Fieberhaft sausten die Gedanken durch Missis Kopf. Hatte sie sich womöglich getäuscht? Dann sah der Mann sie an. Nur ganz kurz. Und sah sofort wieder weg. Der hatte doch auf jeden Fall etwas gestohlen! Nur kein ganzes Buch. „Echt interessant“, murmelte Missi. „Wie bitte?“,...