E-Book, Deutsch, 337 Seiten
ISBN: 978-3-7598-5557-2
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Geboren in Hildesheim, Studium in Bonn, dann Zeitungs-Volontariat in Süddeutschland. Seit 20 Jahren als Hörfunk-Journalist in der Lüneburger Heide tätig, mit vielen Einblicken in die Kommunalpolitik, die ein Herzstück der Holger-Hammer-Krimis ist. Darüber hinaus Theater- und Hörspiel-Autor.
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Sie lachte. „Das hätte ihm nicht gefallen. Es war ihm sehr wichtig, dass jeder wusste, wer er war. Und ihn für einen großen Künstler hielt.“ „War er das denn?“ Sie hob die Schultern. „Kunst ist doch immer Ansichtssache, oder nicht? Aber er wusste, sich in Szene zu setzen. In seinen Augen war er ein Geschenk Gottes an die Theaterwelt. Er hielt sich für einen Sänger, Tänzer, Rezitator – was sie wollen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte dieses Theater niemanden außer ihm selbst auf die Bühne gebracht. Gleichzeitig liebte er es, sich in Künstlerkreisen zu bewegen. Damit er das Gefühl hatte, dazu zu gehören. Stundenlang war er in den Garderoben und erzählte allen von seinen Erfolgen. Und wenn sie ihn nicht beklatschten, beschimpfte er sie als Banausen. Er hatte sehr eigene Vorstellungen von Kunst und Kultur.“ Mir fielen sofort die Briefe ein. Aber Fürchtegott war tot... „Was hatte es mit den Gängen auf sich?“ „Nun, nicht jeder hatte ihn gerne in seiner Nähe. Aber er brauchte das Gefühl, mit den Künstlern eine Art Verbindung einzugehen. Er baute die Gänge selber, genau wie die Gucklöcher. Er machte intime Aufnahmen. Entweder um sich daran zu ergötzen oder auch mal, um jemanden zu erpressen.“ „Womit?“ „Ach, sie wissen doch, wie das bei größeren Ensembles läuft. Da hat jeder was mit jedem. Er nutzte die Bilder entweder, um die Gage zu drücken oder sich einen Gastauftritt in der Show zu sichern.“ „Sie wissen wirklich eine Menge.“ Sie lächelte hintersinnig. „Aber sicher.“ „Wieso haben sie nicht schon eher darüber geredet?“ Sie hob die Schultern. „Wie gesagt: Mich hat keiner gefragt.“ Meine Gedanken kehrten zu dem toten Theaterleiter zurück. „Mit seinen kleinen Spielchen hat er sich bestimmt nicht viele Freunde gemacht.“ Anneliese Kröger hob amüsiert die Augenbrauen. „Wenn sie glauben, jemand hätte ihn umgebracht, sind die auf dem Holzweg, Schnüffler. Er war alleine, als das Feuer im Theater ausbrach. Die Türen waren verschlossen. Es gab für ihn kein Entkommen.“ „Hatte Bruckner mit all dem zu tun?“ Die Gardeorbenfrau lachte kehlig. „Josef Bruckner hatte mit allem, was in diesem Haus geschah, etwas zu tun. Er und Fürchtegott waren so gut wie unzertrennlich. Bruckner hätte alles für ihn getan, um sich im Gegenzug in seinem Glanz zu sonnen. Er hat ihm auch geholfen, diese Wände zu bauen. Und bei den Erpressungen hat er auch mitgemacht. Wusste, wer von den Künstlern mit wem eine Affäre hatte und wo sich Fotografieren am meisten lohnte. Die beiden waren ein Herz und eine Seele.“ Ich versuchte, die neuen Informationen an einen passenden Platz zu legen. Doch im Augenblick fand ich keinen. Vielleicht hatten Fürchtegott und sein Faktotum auch gar nichts mit der Sache zu tun. Beide waren immerhin tot. Es gab zu viele Geheimnisse und Ungereimtheiten in diesem Theater. Und zu viele Gestalten, die etwas zu verbergen hatten oder vom Ehrgeiz zerfressen waren. Immer wenn ich neue Antworten fand, hatte ich das Gefühl, mich weiter von der Wahrheit zu entfernen. „Glauben sie, dass Bruckner sterben musste, weil er zu viel über das Theater wusste?“ Anneliese Kröger winkte ab. „Ich habe nichts zu glauben, Hammer. Ich sehe nur Dinge. Die Schlüsse müssen andere ziehen. Aber wenn sie mich fragen, ist das alles viel zu lange her.“ „Besteht die Möglichkeit, dass Gotthilf Fürchtegott noch am Leben ist?“ Sie lachte wieder das heisere Lachen. „Er selbst hielt sich zwar für unsterblich, doch ich habe die verbrannte Leiche damals gesehen.“ „Die nicht eindeutig identifiziert werden konnte“, erinnerte ich sie. Doch die Kröger hob nur die Schultern. „Er war alleine im Theater, soviel steht fest. Ich bin sicher, dass er der Tote war. Wenn nicht, wäre er schon lange wieder in Erscheinung getreten und hätte das Feuer für seine Karriere genutzt. Wahrscheinlich hätte er eine ganze Oper daraus komponiert. Nein, glauben sie mir: Gotthilf Fürchtegott war nie geschaffen für ein Leben im Verborgenen. Oder außerhalb dieses Theaters.“ „Aber irgendwer treibt hier sein Unwesen und bringt Leute um.“ „Das sagen SIE. Bisher gibt es keine Beweise dafür.“ „Nur eine Menge Zufälle.“ Sie hob die Schultern. „Und wenn schon? Vielleicht sind sie am Ende genau das. Es steht uns nicht zu, das zu beurteilen.“ „Was werden sie jetzt tun? Jetzt, wo das Theater geschlossen bleibt.“ Anneliese Kröger winkte ab. „Für mich spielt das keine Rolle mehr, Herr Hammer. Ich bin alt. Ich weiß, dass ich hier sowieso nur noch geduldet wurde. Ich werde dieses Leben endgültig hinter mir lassen und von meinen Ersparnissen und der kleinen Rente leben.“ Sie ließ ihren Blick versonnen durch den Raum gleiten. „Ich bin sowieso schon viel zu lange hier. Mit zu vielen Erinnerungen. Und zu vielen... Gespenstern...“ Sie lachte und deutete mit dem Kopf über meine Schulter. „Gehen sie den Gang zurück und dann durch die Tür. Halten sie sich rechts, dann kommen sie zu den Garderoben.“ „Wie bitte?“ „Na, zu den Garderoben. Da wollten sie doch ursprünglich hin, oder nicht?“ „Ach so, ja...“ „Viel Glück, Herr Hammer. Ich hoffe, sie finden, wonach sie suchen. Was immer es auch sein mag.“ Mit einem leisen Lachen verschwand sie wieder in der Dunkelheit. Ich starrte noch eine Weile auf die Stelle, wo sie gerade gestanden hatte, und versuchte dem Gehörten einen Sinn zu geben. Irgendwann gab ich mir einen Ruck und wandte mich ab. Es gab noch eine Menge Fragen zu beantworten. * Mehr intuitiv als durch Orientierung fand ich die Garderobe von Mandy-Joelle. Ich klopfte und hörte nur ein schwaches „Herein“. Als ich eintrat, fand ich die junge Flötistin an ihrem Schminktisch, wie sie gedankenverloren ihre Habseligkeiten zusammenkramte. Als mein Blick auf den hohen Spiegel fiel, jagte ein Schauer über meinen Rücken. Doch ich verzichtete darauf, ihr davon zu erzählen. Das arme Mädchen war schon genug gebeutelt. Ihr Lächeln war schwach und wirkte angestrengt. „Die Tragödien reißen nicht ab, Herr Hammer. Wer war der Mann, der gestern hier gestorben ist?“ „Ein Architekt. Ich kannte ihn nicht. Aber vielleicht fragen sie mal ihren Freund?“ „Dustin? Was hat er denn damit zu tun?“ „Das würde ich auch gerne von ihm wissen. Ich dachte, er wäre vielleicht hier.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich glaube, er soll das Theater untersuchen wegen dieser Unfälle. Aber ich vermisse ihn auch nicht sonderlich...“ „Ärger im Paradies?“ „Von Paradies kann wohl keine Rede sein. Er wollte mich von meiner Karriere fernhalten! So etwas tut ein Partner nicht. Und so wie es aussieht, schaffe ich das sowieso ganz alleine.“ „Geben sie sich nicht die Schuld, an dem, was hier passiert ist, Mandy-Joelle. Sie sind ein Opfer. Von wem oder was auch immer...“ Wie auf ein Stichwort ging die Tür auf und Dustin Wunram steckte den Kopf in die Garderobe. Als er mich sah, entglitten ihm die Gesichtszüge und er sah aus, als würde er auf der Stelle die Flucht ergreifen wollen. „Oh, ich wusste nicht, dass du Besuch hast, Liebling. Ich kann auch später noch mal wiederkommen.“ „Aber nicht doch, Wunram“, grinste ich ihn an. „Kommen sie rein. Sie können bestimmt ein paar erhellende Dinge zum Gespräch beisteuern.“ Er schluckte. „Ich weiß nicht, was sie meinen...“ „Na, zum Beispiel könnten sie mir verraten, wo sie gestern Nacht so plötzlich waren, nachdem die Polizei aufgetaucht ist.“ In seinem Blick lag blankes Entsetzen. In den Augen von Mandy-Joelle nur Misstrauen. „Wovon redet Herr Hammer?“ Eigentlich wollte ich der Armen weiteren Schmerz ersparen. Doch seit ich wusste, dass die Liebe eh abgekühlt war, konnte ich auch einen weiteren Nagel in den Sarg schlagen. „Was denn, Wunram? Sie haben ihrer Liebsten nichts von unserem nächtlichen Date erzählt?“ Er funkelte mich wütend an. „Halten sie endlich ihre Schnauze, Hammer!“ Mandy-Joelle schlug mit der Hand auf den Garderobentisch und sprang auf. „Ich will jetzt wissen, was hier gespielt wird.“ Ich lehnte mich zurück und wollte eigentlich Wunram die Erklärung überlassen, doch dazu fehlte ihm offenbar das Rückgrat. Also berichtete ich von den Enthüllungen des Architekten und der Mitwisserschaft von Wunram. Dass der Spiegel auf der Rückseite durchsichtig war, verschwieg ich. Ich erwähnte lediglich, dass es eine Geheimtür gab, die aber nicht von dieser Seite des Raums zu öffnen ging. Mandy-Joelle schauderte, während sie ihren Lover mit einer Mischung aus Schmerz und Entsetzen ansah. „Und du hast davon gewusst?“ Er wand sich wie der berühmte Wurm. „Ich wollte dich nicht beunruhigen, Liebling!“ „Du weißt, wie sehr mich diese Briefe geängstigt haben. Du wusstest die ganze Zeit über, wie sie in meine Garderobe gekommen sind und hast nicht ein Wort gesagt!“ „Ich durfte nicht! Die Verwaltung hat mich zum Schweigen über diese Gänge verdonnert!“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich kenne dich überhaupt nicht, Dustin. Erst versuchst du, meine Karriere zu verhindern und dann lügst du mich auch noch an und lässt mich lieber Todesängste ausstehen, als mir die Wahrheit zu sagen.“ „Aber, Liebling! Versteh doch bitte...“ „Nein“, schrie sie dazwischen. „Ich verstehe gar nichts mehr. Und...