Schlögel | Das sowjetische Jahrhundert | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 915 Seiten

Schlögel Das sowjetische Jahrhundert

Archäologie einer untergegangenen Welt
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-406-71512-9
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Archäologie einer untergegangenen Welt

E-Book, Deutsch, 915 Seiten

ISBN: 978-3-406-71512-9
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der große Osteuropa-Historiker Karl Schlögel lädt mit seiner Archäologie des Kommunismus zu einer Neuvermessung der sowjetischen Welt ein. Wir wussten immer schon viel darüber, wie "das System" funktioniert, weit weniger über die Routinen des Lebens in außer gewöhnlichen Zeiten. Aber jedes Imperium hat seinen Sound, seinen Duft, seinen Rhythmus, der auch dann noch fortlebt, wenn das Reich aufgehört hat zu existieren. So entsteht, hundert Jahre nach der Revolution von 1917 und ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Sowjetunion, das Panorama eines einzigartigen Imperiums, ohne das wir "die Zeit danach", in der wir heute leben, nicht verstehen können.

Karl Schlögel ist dabei, wenn die Megabauten des Kommunismus eingeweiht und die Massengräber des Stalin'schen Terrors freigelegt werden. Er interessiert sich für Paraden der Macht ebenso sehr wie für die Rituale des Alltags, er erkundet die Weite des Eisenbahnlandes und die Enge der Gemeinschaftswohnung, in der Generationen von Sowjetmenschen ihr Leben zubrachten. Die Orte des Glücks und der kleinen Freiheit fehlen nicht: der Kulturpark, die Datscha, die Ferien an der Roten Riviera. In allem – ob im Mobiliar, im Duft des Parfums oder der Stimme des Radiosprechers – hat das "Zeitalter der Extreme" seine Spur hinterlassen.

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Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;3
3;Zum Buch;913
4;Über den Autor;913
5;Impressum;4
6;Widmung;5
7;Inhalt;7
8;Vorwort;17
9;Einleitung: Archäologie einer untergegangenen Welt;20
10;Splitter des Imperiums;27
10.1;Baracholka im Ismailowski-Park, Basar in Petrograd;28
10.2;Die sowjetische Welt als Museum;38
10.2.1;Museumsimperium. Lebenswelten des Imperiums;40
10.2.2;Lineare Fortschrittsgeschichte und der Zauber der Vitrinen;43
10.2.3;Die Geschichte neu lesen;47
10.2.4;Nikolai Anziferow: Material Culture. Exkursion als Methode;54
10.2.5;Identitätssuche: Zwischen Entsorgungswut und neuen Mythen;55
10.3;Rückkehr auf den Schauplatz: Petrograd 1917;59
10.3.1;Zehn Tage, die die Welt erschütterten;60
10.3.2;Topographie der Revolution;63
10.3.3;«Schmelztiegel der Ereignisse»;70
10.3.4;«On s’engage et puis … on voit»;75
10.4;Der Philosophen-Dampfer und die Spaltung der russischen Kultur;78
10.4.1;Lenins chirurgische Operation;79
10.4.2;Berlin, Prag, Paris, New York – die russländische Diaspora;86
10.4.3;Glanz und Tragödien im «Zeitalter der Extreme»;90
10.4.4;Heimkehr in ein verändertes Land;93
11;Chaussee der Enthusiasten;95
11.1;«USSR im Bau» – die Macht der Bilder;96
11.2;Dnjeproges: Amerika am Dnjepr;103
11.2.1;Die gekrümmte Spange;104
11.2.2;Das Genie der Baumeister: Alexandrow, Wenedejew, Winter, Wesnin;106
11.2.3;Jahrhundert der Ingenieure;109
11.2.4;Amerika am Dnjepr;113
11.2.5;Dnjeproges: Die Sprengung eines Jahrhundertbauwerks;116
11.3;Magnitogorsk – die Pyramiden des 20. Jahrhunderts;118
11.3.1;Die Maschine in der Steppe;118
11.3.2;Der Mythos von Magnitka;120
11.3.3;Arbeit als Front, Magnitka als Schlachtfeld;122
11.3.4;Der «neue Mensch»;126
11.3.5;«Gorod budet» – «Eine Stadt entsteht»;129
11.4;Schwarz und Weiß. Das Auge des Photographen;134
11.5;Exkursion zum Bjelomor-Kanal;141
11.5.1;Alter Reiseführer in die neue Zeit;143
11.5.2;Panamakanal am Polarkreis;145
11.5.3;Wunder in der Felsenlandschaft;148
11.5.4;«Kanalarmisten». Sowjetgesellschaft als Mobilisationsgesellschaft;151
11.5.5;Perekowka. Umschmiedung. Sklavenarbeit als Wiedergeburt;154
11.5.6;«Wir fahren jetzt in die Hauptstadt der russischen Intelligenzija»;157
11.6;Landschaft nach der Schlacht;160
11.6.1;Sturm und Drang;161
11.6.2;Zeit des Plans, New Deal;164
11.6.3;Out of control;170
12;Sowjetische Zeichenwelten;175
12.1;Zeichen an der Wand;179
12.2;Orden und Medaillen: Die Abzeichen auf der Brust;188
12.3;Körpersprache. Der tätowierte Leib;196
12.4;Moscow Graffiti. Am Anfang war der Futurismus;202
12.5;Namen sind nicht Schall und Rauch;207
13;Das Leben der Dinge;213
13.1;Packpapier, Verpackung;214
13.2;Das Schicksal der Großen Sowjet-Enzyklopädie: Die Ordnung des Wissens im Tumult der Geschichte;217
13.2.1;«Ein Denkmal unserer großen revolutionären Epoche»;218
13.2.2;Überschießende Aufklärung. Die Überbietung der ersten Moderne;220
13.2.3;Eine Enzyklopädie verschlingt ihre Autoren;223
13.2.4;Rückkehr zur Ordnung des Alphabets;227
13.3;Galerien des Privaten: Der Porzellanelefant auf dem Regal;230
13.4;Das Klavier im Kulturpalast;236
13.5;Müll. Eine Phänomenologie der Ordentlichkeit;245
13.6;«Krasnaja Moskwa»: Chanel auf Sowjetisch;250
13.6.1;Der komponierte Duft;251
13.6.2;Wie aus dem «Bouquet Catherine II» das Parfum «Rotes Moskau» wurde;253
13.6.3;Klassenkampf in der Sphäre der Düfte;258
13.6.4;Michail Bulgakow und die Connection Chanel;260
13.7;Stalins Kochbuch. Bilder vom guten Leben in sowjetischer Zeit;264
13.7.1;Eine Politische Ökonomie von Essen und Trinken;265
13.7.2;Rationale Ernährung, methodisches Einüben von Manieren;266
13.7.3;Sozrealistische Stillleben. Bilder von einem besseren Leben;269
13.7.4;Das vorrevolutionäre Kochbuch der Jelena Molochowjez;275
13.7.5;Zur Bildungsgeschichte der russisch-sowjetischen Mittelklasse;278
13.7.6;Wiederentdeckung der russischen Küche in der Zeit der Globalisierung;279
14;Räume der Freiheit;281
14.1;Geologen auf Expedition und andere Wege ins Weite, ins Freie;282
14.1.1;Bis an seine Grenze gehen;284
14.1.2;Der Zug Workuta–Adler und Sex on the Beach;286
14.1.3;Das Baltikum als Europa-Ersatz. Die Itinerare der Intelligenzija;288
14.2;Datscha: Tschechows «Kirschgarten» im 20. Jahrhundert;291
14.2.1;«Sommergäste»;293
14.2.2;Biotop der Aufsteiger und der neuen Mittelklasse;296
14.2.3;Selbstversorgung und Krisenresistenz;297
14.2.4;Peredelkino – lieu de mémoire;299
14.3;Erholungsheime für die Werktätigen. Das Sanatorium als Geschichtsort;303
14.3.1;Das Erholungsheim, die Heilstätte als Topos;305
14.3.2;Prächtiges Erbe: Die Kurorte des Russischen Reiches;306
14.3.3;Die Krim: Wie aus der Perle des Imperiums das Sanatorium des Sowjetlandes wird;309
14.3.4;Mazesta: Ein neuer Kurort für den neuen Menschen;312
14.3.5;«Stalins Datscha»: Die Hauptstadt am Meer;316
14.3.6;Erholungsgebiete als Kriegsgelände;318
15;Binnenräume;321
15.1;Klingelschilder, Klingelzeichen;322
15.2;Kommunalka oder Wo der Sowjetmensch gehärtet wurde. Der Alltag als Ausnahmezustand;324
15.2.1;Die Lebenswelt im toten Winkel der Sowjetstudien;326
15.2.2;Das Auge des Dichters: Joseph Brodskys Essay «In eineinhalb Zimmern»;327
15.2.3;Die Kommunalka als umkämpfter Raum;330
15.2.4;Die Kommunalkagemeinschaft . Der Alltag als Ausnahmezustand;335
15.2.5;Diktatur der Intimität, Zerstörung der Privatheit, Verhaltenslehren der Indifferenz;340
15.3;Das Interieur als Schlachtfeld;346
15.3.1;Sich einrichten im Ambiente der alten Welt. Die Revolutionäre und der Plüsch;347
15.3.2;Revolutionäres Wohnen. Eine neue Welt für den neuen Menschen;349
15.3.3;Der verzweifelte Kampf gegen das «Kleinbürgertum»;351
15.3.4;Sehnsucht nach «Gemütlichkeit» in Zeiten des Chaos;353
15.3.5;Boris Iofans Sessel und die Arbeit am sowjetischen Stil;354
15.3.6;Nach dem Sieg: Der Große Stil, Neo-Empire – und seine Auflösung;356
15.4;Wohnheim/Obschtscheshitie: Soviet melting pot;359
15.5;Zeltstädte, Barackenwelten: Halt finden in «Russia in Flux»;364
15.5.1;Die Baracke;366
15.6;Palmen im Bürgerkrieg;369
15.6.1;Die andere Palmenwelt: Siegfried Kracauers «Unter Palmen» 1930;370
15.6.2;Palme, Absolutismus und Aufklärung;372
15.6.3;Wsewolod Garschins «Attalea princeps»: Revolution als Sprengung des Gewächshauses;374
15.6.4;Die Palme im Bürgerkrieg;377
15.6.5;Palme gegen Gummibaum;379
15.6.6;Hydrokultur und Imperium;381
15.7;Das sowjetische Treppenhaus: Zur Analytik anonymer und anomer Räume;383
15.8;Ilja Kabakows Installation – Die Toilette als zivilisatorischer Ort;388
15.9;Moskauer Küche oder Die Wiedergeburt der Civil Society;398
15.9.1;Juli Kims Denkmal für die «Moskauer Küchen»;399
15.9.2;Die Moskauer Küche – eine Topographie;402
15.9.3;Die «1960er» und die Formierung der Dissidentenbewegung;407
15.9.4;«Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine»;415
16;Landschaften, Öffentliche Räume;419
16.1;Gorki-Park: Ein Garten für den neuen Menschen;420
16.1.1;Die Inszenierung eines Gesamtkunstwerks;421
16.1.2;Kombinat des glücklichen Lebens;423
16.1.3;Geburt der sowjetischen Massenkultur;428
16.1.4;Paradise lost. Luna-Park postsowjetisch;431
16.2;Das Diorama: Ausblick auf eine Landschaft mit Helden;435
16.3;Shilmassiv oder Die Erhabenheit der Plattenbau-Gebirge;442
16.3.1;Tscherjomuschki als Prototyp;446
16.3.2;Entstalinisierung vor der Entstalinisierung;449
16.3.3;Die Plattenbausiedlung als Endpunkt einer großen Wanderung;453
16.3.4;Postsowjetische Erosion, Suche nach der neuen Stadt;456
16.4;Russkaja glubinka – Das Land jenseits der großen Städte;460
16.4.1;«Eine neue Wüstungsperiode»;462
16.4.2;Das Sowjetdorf: Weißgeblutet, verbrannte Erde;470
16.4.3;Säkulare Erschöpfung;473
17;Big Data;475
17.1;Spezchran. Katalog der verbotenen Bücher;476
17.2;Diagramme des Fortschritts, Diagramme der Katastrophen;487
17.2.1;Bildsprache für die neue Zeit;488
17.2.2;Der «Wiener Kreis» und Moskau;490
17.2.3;Die abwesenden Millionen und die Zerstörung der Statistik;494
17.2.4;Otto Neuraths Projekt, unabgegolten;497
18;Rituale;503
18.1;Die Grenze bei Brest – Rites de passage;504
18.1.1;Die Brest-Erfahrung. Verlangsamung der Bewegung, Innehalten;505
18.1.2;«Dies ist eine besondere Grenze»;507
18.1.3;Der Grenzwächter als Held und die Erfindung des Feindes;510
18.1.4;Open Sky und das Ende des Imperiums;514
18.2;Choreographien der Macht: Paraden auf dem Roten Platz und anderswo;517
18.2.1;Abläufe. Das Skript;518
18.2.2;Die Geburt der Parade aus Krieg und Revolution;520
18.2.3;«Uhrwerk der Nachrevolution»;522
18.2.4;Die Parade der Fünfjahrpläne, die Parade des Sowjetvolkes;523
18.2.5;Überleben und Triumph: Die Vollkommenheit des Rituals;527
18.2.6;Militärparaden in Friedenszeiten;531
18.3;Ein «Tempel der Moderne» – das Krematorium;534
18.3.1;Einäscherung und neue Zeit;534
18.3.2;Der Petrograder Krematoriumsdiskurs;537
18.3.3;Rotes Pantheon und die Asche der Opfer und ihrer Henker;540
18.4;SAGS oder Riten der Ordnung des Alltags;544
18.5;Die Warteschlange als sowjetischer Chronotop;553
18.5.1;Sowjetischer Chronotop;554
18.5.2;Die Schlange – Versuch einer künstlerischen Bewältigung;557
18.5.3;Der Agent der Geheimpolizei und die Warteschlange: Das Ohr an der Gesellschaft;559
18.5.4;Requiem: Warten im Angesicht des Todes;563
18.5.5;Zerstörung des Marktes: Zentraler Plan an Stelle der «unsichtbaren Hand»;568
18.5.6;Postsowjetischer Basar: Zusammenbruch der Ordnung der Warteschlange;571
18.6;«Was hatten wir doch für Feste …»;574
18.6.1;Die Geburt des sowjetischen Festes im Karneval der Geschichte;576
18.6.2;Roter Kalender: Neue Welt, neue Zeitordnung;580
18.6.3;«Sowjetfordismus». Neues Zeitregime;583
18.6.4;Säkularisierung: Wie aus Weihnachten Neujahr wurde;584
18.6.5;Die Erosion der sowjetischen Festkultur;586
19;Körper;589
19.1;Fiskultura: Der Sowjetmensch als Athlet. Der andere Weg zu Kraft und Schönheit;590
19.1.1;Russische Stahlgewitter: Geburt der Körperkultur aus Revolution und Krieg;594
19.1.2;Spartakus versus Olympia;595
19.1.3;Von modernen Bewegungsstudien zur antiken Skulptur. Ikonisierung;598
19.1.4;Krieg: Die Lebenden und die Toten – eine Meditation;601
19.1.5;Sportweltmacht UdSSR\CCCP;602
19.1.6;Nach Juri Wlassow: Arnold Schwarzenegger;604
19.2;Kleider für den neuen Menschen oder: Christian Diors Rückkehr auf den Roten Platz;607
19.2.1;Wie Schmetterlinge von einem anderen Planeten;608
19.2.2;Die Russische Revolution und der Umsturz der Kleiderordnung;612
19.2.3;Mode als Klassenkampf;616
19.2.4;Das «Haus der Modelle» 1935: Der Plan und die Mode;620
19.2.5;Nadjeshda Lamanowa – Couturière der Sowjetunion;623
19.2.6;Der Puls der Zeit: Stiljagi und andere Subkulturen;626
19.2.7;Ein Museum der sowjetischen Mode: Retrospektive der Antizipationen;629
19.3;Männliche Grazie. Nurejews Geste;631
20;Kältepol Kolyma;643
20.1;Jewgenija Ginsburg: Neunundvierzig Grad;646
20.2;Warlam Schalamows «Erzählungen aus Kolyma». Protokoll vom Kältetod;650
20.3;Bersins Villa und das Gold;658
20.4;Dalstroi: Imperium, innere Kolonisation;664
20.5;Spurensicherung: Die Lärche, der Schubkarren, die Handschuhe;668
21;Solowki – Laboratorium der Extreme: Die Klosterinsel als Konzentrationslager;673
21.1;Das Wunder im Weißen Meer;675
21.2;Die Arbeit der Mönche;676
21.3;Das erste Konzentrationslager;680
21.4;Wiedergeburt und Restauration;687
22;Korridore der Macht;691
22.1;K. im Labyrinth des sowjetischen Alltags;692
22.1.1;«Geschlossen wegen Reparatur»;692
22.1.2;Soziologie der Schwelle;695
22.1.3;Der Sinn sinnloser Bewegung;696
22.1.4;Privateigentum und Ökonomik der Zeit;700
22.2;Das «Haus an der Moskwa»: Wohnmaschine, Menschenfalle, gated community;703
22.2.1;Das «Haus an der Moskwa»;704
22.2.2;Das Ambiente der Aufsteigerklasse;706
22.2.3;Die Falle: Säuberung und Wohnungswechsel;710
22.2.4;Neue Zeiten: Vom «Gosdom» zur gated community;713
22.3;Die Aura des Telephonapparates und die Abwesenheit des Telephonbuchs;716
23;Rauschen der Zeit;725
23.1;Das Verstummen der Glocken;728
23.1.1;Klangwolken: Die akustische Textur des alten Russland;728
23.1.2;Doppelherrschaft . Glocken gegen Fabriksirenen;731
23.1.3;Soundtrack postsowjetisch;737
23.2;Lewitans Stimme;739
23.2.1;Die Stimme und die Technik;741
23.2.2;His Master’s Voice;745
23.2.3;Fernsehen: Der Abschied des Veteranen;750
23.3;Back in the USSR. Tonspuren;752
24;Fremdes Territorium, Kontaktzonen, Zwischenwelten;757
24.1;«The little oasis of the diplomatic colony» (George F. Kennan);761
24.2;Im Journalistenghetto. Blick von außen, Zentrumsfi xierung;767
24.3;Berjoska-Läden: «Oasen des Überflusses»;772
24.4;Das Genie des Sammlers: George Costakis und die Wiederentdeckung der sowjetischen Avantgarde-Kunst;779
24.4.1;Wie vom Blitz getroff en. Wie alles begann;782
24.4.2;Der russische Grieche: Außenseiter und zwischen den Welten;786
24.4.3;Im Fadenkreuz der Macht;790
24.4.4;Zwischen Sotheby’s Triumph und neuer Staatskunst;793
25;Auf den Magistralen des Imperiums: Zeitreise ins Russische 20. Jahrhundert;795
25.1;Abschied vom Eisenbahnzeitalter;797
25.2;Kochender Samowar, Sandwich zellophanverpackt;798
25.3;Russländische / sowjetische Geschichte ist Eisenbahngeschichte;800
25.4;Lebenswelt Eisenbahn;807
25.5;Reise in die Ungleichzeitigkeit;811
26;Red Cube. Das Lenin-Mausoleum als Schlussstein;817
26.1;Der Kubus. Die Suche nach der vollkommenen Form;820
26.2;Leninismus und Lenin im Sarkophag: «Die zwei Körper des Königs»;825
26.3;Das Pantheon, das nie gebaut wurde;831
27;Das Lubjanka-Projekt – Entwurf für ein Musée Imaginaire der Sowjetzivilisation;833
28;Anhang;847
28.1;Danksagung;848
28.2;Anmerkungen;851
28.3;Ausgewählte Literatur;897
28.4;Nachweis der Abbildungen;899
28.5;Personenregister;901
28.6;Karten;914


Einleitung:
Archäologie einer untergegangenen Welt
Was hier als «Archäologie einer untergegangenen Welt» vorgestellt wird, ist nicht eine neue Geschichte der Sowjetunion, sondern der Versuch, sich die Geschichte dieses Landes neu zu vergegenwärtigen, gewiss auch anders als in vielen der vorliegenden eindrucksvollen Gesamtdarstellungen. Die Sowjetunion war nicht nur ein politisches System mit datierbarem Anfang und Ende, sondern eine Lebensform, die ihre eigene Bildungsgeschichte, ihre Reife, ihre Verfalls- und Auflösungszeit hatte. Sie hat die Bürger des Landes für mehrere Generationen mit ihren Praktiken, Werten und Routinen geprägt.[1] Ich bezeichne diese Lebenswelt von langer Dauer als «sowjetische Zivilisation», unabhängig davon, was ihr Anspruch, eine der alten Welt, dem Kapitalismus oder dem Westen gegenüber überlegene zu sein, gewesen sein mag. Lebenswelten können älter und stabiler sein als politische Ordnungen, und sie können fortleben, wenn das Ende eines Systems schon proklamiert und protokolliert ist.[2] Sie hinterlassen ihre Spuren noch weit über ihr Ende hinaus, wie jeder weiß, der sich in der Staatenwelt bewegt hat, die aus großen Imperien hervorgegangen ist: Sprachen, der Stil von Verwaltungs- und Schulgebäuden, Infrastruktur und Eisenbahnstrecken, aus alter Zeit übernommene Umgangsformen, Bildungswege und Biographien, Hass auf oder sentimentale Anhänglichkeit an die Herren von einst – überall lassen sich diese Erscheinungen beobachten, ob im ehemaligen Bereich des British Empire, des Osmanischen Reiches oder der Donaumonarchie, ja sogar des Deutschen Reiches. Nicht viel anders verhält es sich mit dem Sowjetimperium. Seine Spuren werden noch sichtbar sein – physisch-reell und auf den mentalen Karten der Bewohner der nun postimperialen, postkolonialen Welt –, wenn das Staatswesen UdSSR schon vergessen ist. Hier setzt eine Archäologie an. Sie nimmt das Territorium des einstigen Imperiums als Feld, in dem sie die Spuren sichtet und sichert, die Sonden ansetzt und Ausgrabungen veranstaltet – buchstäblich und im übertragenen Sinne. Archäologen graben nicht aufs Geratewohl, sondern sie haben Anhaltspunkte, an denen sie fündig werden können. Sie haben ihre Navigationsgeräte und Karten und haben vor allem ganze Bibliotheken im Kopf. Worauf sie es abgesehen haben, sind die Hinterlassenschaften vorangegangener Generationen. Sie legen Schicht um Schicht frei, bergen die Funde, katalogisieren die Bruchstücke und treffen alle Vorkehrungen für deren Konservierung und spätere Analyse. Der Fund soll ihnen Aufschluss geben über eine Welt, die nicht mehr ist. Die Bruchstücke, die zu lesen und zu dechiffrieren sie gelernt haben, rekonstruieren ein Abbild, den Text einer vergangenen Epoche. Jedes dieser Fragmente hat seine Geschichte, und die Kunst besteht darin, die Fragmente zum Sprechen zu bringen. Aus den Einzelstücken setzt sich das Mosaik zusammen, und aus den Geschichten, die die toten Objekte preisgeben, bündelt sich das, was «die» Geschichte genannt wird. Zuweilen stoßen Archäologen wider Erwarten und unvermutet auf Schichten und Funde, die sie zwingen, mit überlieferten Deutungen, Periodisierungen, Kontexten zu brechen. Das sind dann die Sternstunden der Ausgräber. Die Objekte freilegen, sie bergen, sie zum Sprechen bringen – das ist der Weg der Archäologie, der hier vorgeschlagen wird. Mit ihr kommt auch ein viel weiter gefasster Begriff des Dokuments, der «Quelle» ins Spiel. Als Quelle für die Vergegenwärtigung einer vergangenen Epoche kommen jetzt nicht nur das schriftliche Dokument, der Bericht, das Zeugnis, der Aktenbestand in Betracht, sondern – im Grunde – alle Objektivationen, Vergegenständlichungen menschlicher Tätigkeiten (wenn man hier einmal von den Ablagerungen der Naturgeschichte absieht). Die Welt wird betrachtet und lesbar durch die Geschichte der Dinge, durch die Analyse von Zeichen und Verkehrsformen, Orten und Routinen; das Ganze erwächst aus dem Detail, und die Hauptfrage bei einem Projekt «Sowjetische Zivilisationsgeschichte» ist dann: wo anfangen, wo aufhören, wenn alles in Betracht kommt: die Großbauten des Kommunismus ebenso wie die Nippes-Porzellanfiguren der 1930er Jahre, die Stimme des Sprechers von Radio Moskau ebenso wie die Parade der Sportler, der Gorki-Park ebenso wie die Lager an der Kolyma, der Bau des Mausoleums ebenso wie die Strände an der Roten Riviera. Diese Aufzählung ist kein Plädoyer für anything goes und kein Spiel auf der Suche nach dem Ungewöhnlich-Exotischen, sondern der Hinweis auf die unendliche Komplexheit einer Gesellschaft, erst recht wenn diese in eine Sequenz aus Krieg, Bürgerkrieg und Revolution hineingezogen wurde und wenn Leben über weite Strecken eine Form von Kampf ums Überleben war. Zivilisationsgeschichte geht aufs Ganze, sie ist nicht eine Geschichte der Politik oder des Alltags, des Terrors oder begeisterter Zustimmung, der Kultur oder der Barbarei, sondern beides und noch viel mehr – oft zur gleichen Zeit und am gleichen Ort.[3] Wenn man die Idee einer histoire totale als wenn schon nicht erreichbares, aber doch als erstrebenswertes Ideal aufrechterhält, und wenn man bereit ist, die damit verbundenen Risiken in Kauf zu nehmen, dann stellt sich also bei aller «panoramatischen Offenheit» die Frage nach den Kriterien der Auswahl, nach der «Relevanz» – also der Entscheidung, was in einer solchen Studie avisiert und Gegenstand der Analyse werden soll. Das vorliegende Buch ist nicht eine Kollektion von Essays, die sich über die Jahre angesammelt haben, obwohl einige der Texte zu verschiedenen Zeitpunkten geschrieben worden sind; vielmehr beschreiben die im Inhaltsverzeichnis benannten Kapitel Stationen eines durchgehenden Parcours, für die sich der Verfasser bewusst entschieden hat. Ob diese Auswahl, die nie auf enzyklopädische Vollständigkeit abzielen konnte, plausibel und überzeugend, ob sie konstruiert oder gar gewaltsam ist, muss sich an der Lektüre selbst erweisen. Der Autor hätte gern einige weitere hinzugefügt, wenn es vom Umfang her möglich gewesen wäre: zum Beispiel Artek-Lager und Kindheit; Weltfestspiele der Jugend 1957; Juri Gagarin, der strahlende Held. Kein vorausgeschickter Kommentar kann den einzelnen Kapiteln abnehmen, was sie selbst nur leisten können: etwas zur Evidenz bringen. Es ist der ungeheure Satz, den Walter Benjamin im riesenhaften Torso seines «Passagen-Werks» versteckt hat: «Methode dieser Arbeit: literarische Montage. Ich habe nichts zu sagen. Nur zu zeigen.» Ein Satz, der aber schon damals, als aus dem Flaneur des 19. Jahrhunderts der Flüchtling des 20. Jahrhunderts geworden war, kaum noch einzulösen war.[4] Das Buch umfasst, wie auf einen Blick aus der Gliederung ersichtlich ist, an die sechzig Einzelstudien unterschiedlicher Länge, gruppiert in rund zwanzig Blöcken. Es sind die Stationen, die zurückgelegt werden zwischen dem Eingangskapitel – einem Gang über einen der Moskauer Basare am Ende der Sowjetunion – und einem Nachwort, das auf ein musée imaginaire, ein Museum der Sowjetzivilisation hinausläuft, und zwar an einem denkwürdigen zentralen Ort, dem Herz der Finsternis der sowjetischen Geschichte: der Lubjanka. Eine Linie der Erkundung könnte man mit «Ein Zeitalter wird besichtigt» (Heinrich Mann) beschreiben. Eine andere folgt der Einladung «Im Raume lesen wir die Zeit».[5] Und beides kommt zusammen in dem, was Michail Bachtin den «Chronotopos» genannt hat.[6] Die Kapitel handeln von den Großbauten des Kommunismus, gleichsam Pyramiden des 20. Jahrhunderts, vom Duft des Imperiums, einem sowjetischen Markenparfum, von dem, was die Kälte von 49 Grad minus für Häftlinge an der Kolyma bedeutete, von den «Zehn Tagen, die die Welt erschütterten» und anderen Topoi, bei denen alle Sinne der Weltwahrnehmung ins Spiel kommen. Wenn es keinen Sinn ergibt, diese Topoi an dieser Stelle im Einzelnen in ihrer «Relevanz», ja Notwendigkeit zu begründen, so ist es durchaus von Bedeutung, die Grundlage für die Entscheidung, warum gerade diese ausgewählt wurden, zu benennen. Die Auswahl beruht auf einer Primärerfahrung, der Erfahrung des Autors. Sie leitet sich nicht ab aus einer derzeitigen akademischen Kontroverse oder Veränderung der Richtung in den Sowjetunion- oder Russland-Studien. Die Felder der Exploration und die Stellen, an denen die Sonden angesetzt werden sollten, waren jemandem, der sich ein Leben lang mit der sowjetischen Welt beschäftigt hatte und noch knapp drei Jahrzehnte des sowjetischen Systems selbst miterlebt hatte, längst klar, und das Problem war eher eines der «Architektur», der Komposition, also der Darstellung, wenn man sich von einer allzu einfachen...


Karl Schlögel lehrte Osteuropäische Geschichte, zuerst an der Universität Konstanz, seit 1995 an der Europäischen Universität Viadrina. Er ist Autor zahlreicher bedeutender Bücher zur sowjetischen und osteuropäischen Geschichte und darüber hinaus ein engagierter Publizist. 2016 erhielt er für sein Buch Terror und Traum. Moskau 1937 den Preis des Historischen Kollegs, der sich als deutscher Historikerpreis etabliert hat. Das sowjetische Jahrhundert schrieb er als Fellow der Carl Friedrich von Siemens Stiftung in München.



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