E-Book, Deutsch, 188 Seiten
Reihe: Reclam XL. Text und Kontext
Schiller / Hellberg Maria Stuart. Textausgabe mit Kommentar und Materialien
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-15-962432-7
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Reclam XL - Text und Kontext
E-Book, Deutsch, 188 Seiten
Reihe: Reclam XL. Text und Kontext
ISBN: 978-3-15-962432-7
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Maria Stuart - eine Königin von Freunden, Familie und eigenem Land verraten und verfolgt. Was ist Historie, was Fiktion? Schiller stellt in seinem Enthüllungsdrama die Frage nach Macht, Schuld und Gerechtigkeit. Klassenlektüre und Textarbeit einfach gemacht: Die Reihe »Reclam XL - Text und Kontext« erfüllt alle Anforderungen an Schullektüre und Bedürfnisse des Deutschunterrichts: * Reclam XL bietet den sorgfältig edierten Werktext - seiten- und zeilengleich mit der entsprechenden Ausgabe aus Reclams Universal-Bibliothek. * Das Format ist größer (12,2 x 20 cm) als die gelben Klassiker der Universal-Bibliothek, mit ausreichend Platz für Notizen am Seitenrand. * Schwierige Wörter werden am Fuß jeder Seite erklärt, ausführlichere Wort- und Sacherläuterungen stehen im Anhang. * Ein Materialienteil mit Text- und Bilddokumenten erleichtert die Einordnung und Deutung des Werkes im Unterricht. * Natürlich passen auch weiterhin alle Lektüreschlüssel, Erläuterungsbände und Interpretationen dazu!
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Sechster Auftritt
MORTIMER. MARIA. MARIA. Von meinem Oheim! Dem Kardinal von Lothringen aus Frankreich! (Liest.) »Traut dem Sir Mortimer, der Euch dies bringt, Denn keinen treuern Freund habt Ihr in England.« [18](Mortimern mit Erstaunen ansehend.) Ist’s möglich? Ist’s kein Blendwerk, das mich täuscht? 391So nahe find ich einen Freund und wähnte mich Verlassen schon von aller Welt – find ihn In Euch, dem Neffen meines Kerkermeisters, In dem ich meinen schlimmsten Feind – MORTIMER (sich ihr zu Füßen werfend). Verzeihung 395Für diese verhasste Larve, Königin, Die mir zu tragen Kampf genug gekostet, Doch der ich’s danke, dass ich mich Euch nahen, Euch Hülfe und Errettung bringen kann. MARIA. Steht auf – Ihr überrascht mich, Sir – Ich kann 400So schnell nicht aus der Tiefe meines Elends Zur Hoffnung übergehen – Redet, Sir – Macht mir dies Glück begreiflich, dass ich’s glaube. MORTIMER (steht auf). Die Zeit verrinnt. Bald wird mein Oheim hier sein, Und ein verhasster Mensch begleitet ihn. 405Eh Euch ihr Schreckensauftrag überrascht, Hört an, wie Euch der Himmel Rettung schickt. MARIA. Er schickt sie durch ein Wunder seiner Allmacht! MORTIMER. Erlaubt, dass ich von mir beginne. MARIA. Redet, Sir! MORTIMER. Ich zählte zwanzig Jahre, Königin, 410In strengen Pflichten war ich aufgewachsen, In finsterm Hass des Papsttums aufgesäugt, Als mich die unbezwingliche Begierde Hinaustrieb auf das feste Land. Ich ließ Der Puritaner dumpfe Predigtstuben, 415Die Heimat hinter mir, in schnellem Lauf Durchzog ich Frankreich, das gepriesene Italien mit heißem Wunsche suchend. Es war die Zeit des großen Kirchenfests, Von Pilgerscharen wimmelten die Wege, 420Bekränzt war jedes Gottesbild, es war, Als ob die Menschheit auf der Wandrung wäre, [19]Wallfahrend nach dem Himmelreich – Mich selbst Ergriff der Strom der glaubenvollen Menge, Und riss mich in das Weichbild Roms – 425 Wie ward mir, Königin! Als mir der Säulen Pracht und Siegesbogen Entgegenstieg, des Kolosseums Herrlichkeit Den Staunenden umfing, ein hoher Bildnergeist In seine heitre Wunderwelt mich schloss! 430Ich hatte nie der Künste Macht gefühlt, Es hasst die Kirche, die mich auferzog, Der Sinne Reiz, kein Abbild duldet sie, Allein das körperlose Wort verehrend. Wie wurde mir, als ich ins Innre nun 435Der Kirchen trat, und die Musik der Himmel Herunterstieg, und der Gestalten Fülle Verschwenderisch aus Wand und Decke quoll, Das Herrlichste und Höchste, gegenwärtig, Vor den entzückten Sinnen sich bewegte, 440Als ich sie selbst nun sah, die Göttlichen, Den Gruß des Engels, die Geburt des Herrn, Die heil’ge Mutter, die herabgestiegne Dreifaltigkeit, die leuchtende Verklärung – Als ich den Papst drauf sah in seiner Pracht 445Das Hochamt halten und die Völker segnen. O was ist Goldes, was Juwelen Schein, Womit der Erde Könige sich schmücken! Nur Er ist mit dem Göttlichen umgeben. Ein wahrhaft Reich der Himmel ist sein Haus, 450Denn nicht von dieser Welt sind diese Formen. MARIA. O schonet mein! Nicht weiter. Höret auf, Den frischen Lebensteppich vor mir aus- Zubreiten – Ich bin elend und gefangen. MORTIMER. Auch ich war’s, Königin! und mein Gefängnis 455Sprang auf und frei auf einmal fühlte sich Der Geist, des Lebens schönen Tag begrüßend. Hass schwur ich nun dem engen dumpfen Buch, [20]Mit frischem Kranz die Schläfe mir zu schmücken, Mich fröhlich an die Fröhlichen zu schließen. 460Viel edle Schotten drängten sich an mich Und der Franzosen muntre Landsmannschaften. Sie brachten mich zu Eurem edeln Oheim, Dem Kardinal von Guise – Welch ein Mann! Wie sicher, klar und männlich groß! – Wie ganz 465Geboren, um die Geister zu regieren! Das Muster eines königlichen Priesters, Ein Fürst der Kirche, wie ich keinen sah! MARIA. Ihr habt sein teures Angesicht gesehn, Des vielgeliebten, des erhabnen Mannes, 470Der meiner zarten Jugend Führer war. O redet mir von ihm. Denkt er noch mein? Liebt ihn das Glück, blüht ihm das Leben noch, Steht er noch herrlich da, ein Fels der Kirche? MORTIMER. Der Treffliche ließ selber sich herab, 475Die hohen Glaubenslehren mir zu deuten, Und meines Herzens Zweifel zu zerstreun. Er zeigte mir, dass grübelnde Vernunft Den Menschen ewig in der Irre leitet, Dass seine Augen sehen müssen, was 480Das Herz soll glauben, dass ein sichtbar Haupt Der Kirche not tut, dass der Geist der Wahrheit Geruht hat auf den Sitzungen der Väter. Die Wahnbegriffe meiner kind’schen Seele, Wie schwanden sie vor seinem siegenden 485Verstand und vor der Suada seines Mundes! Ich kehrte in der Kirche Schoß zurück, Schwur meinen Irrtum ab in seine Hände. MARIA. So seid Ihr einer jener Tausende, Die er mit seiner Rede Himmelskraft 490Wie der erhabne Prediger des Berges Ergriffen und zum ew’gen Heil geführt! MORTIMER. Als ihn des Amtes Pflichten bald darauf Nach Frankreich riefen, sandt er mich nach Reims, [21]Wo die Gesellschaft Jesu, fromm geschäftig, 495Für Englands Kirche Priester auferzieht. Den edeln Schotten Morgan fand ich hier, Auch Euren treuen Leßley, den gelehrten Bischof von Roße, die auf Frankreichs Boden Freudlose Tage der Verbannung leben – 500Eng schloss ich mich an diese Würdigen, Und stärkte mich im Glauben – Eines Tags, Als ich mich umsah in des Bischofs Wohnung, Fiel mir ein weiblich Bildnis in die Augen, Von rührend wundersamem Reiz, gewaltig 505Ergriff es mich in meiner tiefsten Seele, Und des Gefühls nicht mächtig stand ich da. Da sagte mir der Bischof: Wohl mit Recht Mögt Ihr gerührt bei diesem Bilde weilen. Die schönste aller Frauen, welche leben, 510Ist auch die jammernswürdigste von allen, Um unsers Glaubens willen duldet sie, Und Euer Vaterland ist’s, wo sie leidet. MARIA. Der Redliche! Nein, ich verlor nicht alles, Da solcher Freund im Unglück mir geblieben. MORTIMER. 515 Drauf fing er an, mit herzerschütternder Beredsamkeit mir Euer Märtyrtum Und Eurer Feinde Blutgier abzuschildern. Auch Euern Stammbaum wies er mir, er zeigte Mir Eure Abkunft von dem hohen Hause 520Der Tudor, überzeugte mich, dass Euch Allein gebührt in Engelland zu herrschen, Nicht dieser Afterkönigin, gezeugt In ehebrecherischem Bett, die Heinrich, Ihr Vater, selbst verwarf als Bastardtochter. 525Nicht seinem einz’gen Zeugnis wollt ich traun, Ich holte Rat bei allen Rechtsgelehrten, Viel alte Wappenbücher schlug ich nach, Und alle Kundige, die ich befragte, Bestätigten mir Eures Anspruchs Kraft. 530[22]Ich weiß nunmehr, dass Euer gutes Recht An England Euer ganzes Unrecht ist, Dass Euch dies Reich als Eigentum gehört, Worin Ihr schuldlos als Gefangne schmachtet. MARIA. O dieses unglücksvolle Recht! Es ist 535Die einz’ge Quelle aller meiner Leiden. MORTIMER. Um diese Zeit kam mir die Kunde zu, Dass Ihr aus Talbots Schloss hinweggeführt, Und meinem Oheim übergeben worden – Des Himmels wundervolle Rettungshand 540Glaubt ich in dieser Fügung zu erkennen, Ein lauter Ruf des Schicksals war sie mir, Das meinen Arm gewählt, Euch zu befreien. Die Freunde stimmen freudig bei, es gibt Der Kardinal mir seinen Rat und Segen, 545Und lehrt mich der Verstellung schwere Kunst. Schnell ward der Plan entworfen, und ich trete Den Rückweg an ins Vaterland, wo ich, Ihr wisst’s, vor zehen Tagen bin gelandet. (Er hält inne.) Ich sah Euch, Königin – Euch selbst! 550Nicht Euer Bild! – O welchen Schatz bewahrt Dies...