Schäfer | In Teufels Küche | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 204 Seiten

Schäfer In Teufels Küche

E-Book, Deutsch, 204 Seiten

ISBN: 978-3-95959-452-3
Verlag: Machandel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Es sollte ein einfacher Selbstverteidigungs-Kurs für Frauen sein. Schön abgelegen, in einem Gewerkschaftshaus, das an diesem Wochenende für alle Männer gesperrt ist. Da sind nur ein paar Kleinigkeiten, mit denen Wen-Do-Trainerin Jana Müller nicht gerechnet hat. Zum Beispiel, dass sie kurz nach der Ankunft überfallen wird. Dass am nächsten Morgen in der Küche ein Toter liegt. Dass mehrere Polizisten während ihrer Ermittlungen die Frauenidylle besetzen. Und dass sie dort die Liebe ihres Lebens in Form der Polizeifotografin Rosi trifft. Eine Frau, die durch sie in Lebensgefahr und damit in Teufels Küche kommt. Der erste Krimi mit dem 'Sauerland-Team'.

Über die Autorin Martina Schäfer 1952 wurde ich in Düsseldorf geboren, um dort auch zur Schule zu gehen und dann das Abitur mit Bestnoten in Deutsch, Biologie und Geschichte zu vollenden. Zum Schrecken meiner Vormundstante studierte ich solch angeblich brotlose Künste wie Literatur- Musik- und Theaterwissenschaft in Düsseldorf, Frankfurt, München und Bremen. Ließ mich aber dann doch dazu erweichen, ein anständiges Staatsexamen in Heil- und Sonderpädagogik, sowie den Diplompädagogen in Frankfurt abzuschließen um dann wacker im Jahre Tschernobyl in Bremen zu promovieren. Hernach hatte ich das Gefühl, ich hätte wirklich noch nichts Richtiges gelernt, obwohl ich als selbstständige Trainerin und Coach für Kampfsport und Empowerment nicht am Hungertuch nagte und stürzte mich in das Studium der Ur- und Frühgeschichte in Köln, um als Magistra derselben wieder aufzutauchen, mit der Krone meines Bildungsganges, einem Master of Theology auf dem Haupt, in die Schweiz weiter zu schwimmen. Entsprechend diesem Lebenslauf als poeta docta füllte ich viele Seiten mit belletristischen aber auch fachwissenschaftlichen Texten, die teilweise in unendlichen Ordnerreihen auf dem Dachboden dahin vegetieren, teilweise sich in unergründlichen Tiefen meines Computers aufhalten und nach dem Tageslicht der Veröffentlichung gieren, teilweise tatsächlich an die Oberfläche eines allgemeineren Bewusstseins gelangten, teilweise als Fachliteratur zur Gewaltprävention und interreligiöser Kommunikation, teilweise als schillernde Fischlein aus Fantasy- und Kriminalroman.
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2. Ein ungewöhnlicher Kursbeginn

Tatsächlich – ich hätte es nicht für möglich gehalten: Es klopfte um halb neun pünktlich an meine Tür, und eine Damenstimme säuselte: „Ihr Kaffee, möchten Sie aufmachen, oder soll ich ihn vor die Tür stellen?“ „Nein, nein! Ich komme schon. Einen Moment!“ Ich schwang mich erstaunt aus dem Bett, angenehm positiv überrascht, stieg in die Trainingshose, zupfte mein Betthemdchen gerade, zog so leise, wie ich irgend konnte, die Verbarrikadierungen beiseite und öffnete die Tür. „Hallo!“, murmelte ich und rieb mir die Augen. Die Andere lächelte. „Ausnahmsweise nur, weil Sie so spät erst angekommen sind. Morgen müssen Sie sich schon zum Frühstück herabbegeben.“ „Gibt es eine Möglichkeit, meine Thermoskanne abends zu füllen? Ich bin halt ein ausgesprochener Morgenmuffel und hasse es, meinen Kursteilnehmerinnen auf nüchternem Magen zu begegnen.“ Die junge Frau lächelte. Sie trug Jeans, einen dunkelblauen Pulli – denn es war eine gewerkschaftsnahe Heimvolkshochschule, keine kirchliche – und unter glatten Haaren ein Gesicht, das ich spätestens nach dem Anziehen wieder vergessen haben würde. Berufskrankheit! „Wenn Ihnen der Nachmittag nicht zu früh ist, da bekommen sie sowieso Kaffee.“ Natürlich, in solchen Häusern wird ja dreimal am Tag gespeist! Frau weiß gar nicht, wo sie da ihre Stunden zwischenquetschen soll. Meistens haben die vielen Pausen zur Folge, dass ich bis spät in die Nacht arbeiten muss und kaum zum Lesen komme. „Das ist gut. Meine Thermoskanne hält vierundzwanzig Stunden warm. Danke schön.“ Ich wollte mich bescheiden mit meiner Beute zurückziehen. Sie lächelte verlegen. „Wissen Sie, heute Morgen geht schon alles drunter und drüber! Aber damit will ich Sie jetzt nicht vor dem Kaffeetrinken belästigen. Bis gleich dann.“ Mir schwante Übles. „Was geht drunter und drüber?“ Ich balancierte vor ihren staunenden Augen das Tablett mit der linken Hand, goss mir mit rechts den Kaffee in die Tasse, setzte vorsichtig die Kanne wieder auf, der heikelste Moment jener Übung, hob die Tasse mit dem schwarzen, heißen Wasser des Lebens aufseufzend an den Mund und trank, stellte sie zurück und fasste rasch das Tablett wieder mit beiden Händen, ehe es zu kippeln drohte. „Wo haben Sie denn das gelernt?“ „In einem Jonglierkurs während meiner Ausbildung.“ „Na, dann lassen Sie vielleicht das Tablett auch nicht fallen, wenn ich Ihnen sage, dass heute Morgen ein toter Mann im Haus gefunden wurde.“ „Was?“ Mein Gewissen schlug haushohe Wellen. „Ein Mann – wo doch nur Ihre Frauen diese Woche belegt haben.“ „Ein Unfall? “ Um sie zu verwirren, vollführte ich das Kunststück mit dem balancierten Tablett noch einmal. Aher auch, um mir einen kühlen Kopf zu verschaffen. „Nein, stellen Sie sich vor, vermutlich ermordet!“ Ich erbleichte und fühlte mich schuldig. Hatte ich den Kerl doch zu hart angefasst? Und wer würde mir das glauben? „Ja, wer macht denn so was? In dieser abgelegenen Gegend? Und wieso wissen Sie, dass er ermordet wurde?“ „Er schwamm in Blut!“ Sie umfasste schaudernd ihre Oberarme. „In Blut?“ Das konnte doch nicht sein! „Und das Messer steckte noch, als die Küchenhilfe ihn fand, die heute zum Frühstück machen eingeteilt war.“ „Ach, wie entsetzlich!“ Mir fiel ein Stein vom Herzen. Mit solchen Sachen hatte ich nichts zu tun. So was Abscheuliches! „Bisher hat ihn noch keiner erkannt. Na ja, ich muss weiter und will Sie nicht länger stören. Möglicherweise kommen die Polizisten ja auch in Ihren Kurs. Darauf sollten Sie vorbereitet sein.“ „In meinen Kurs?“ „Na ja, die ganze Bescherung wurde doch erst vor einer halben Stunde entdeckt. Vorläufig darf auch niemand das Haus verlassen.“ Und mit dieser tröstlichen Bemerkung lief sie den Flur hinunter, während ich mich kopfschüttelnd mit meiner Kaffeekanne ins Zimmer zurückzog. Natürlich war es ja nicht sicher, dass es der gleiche Mann war. Der konnte sich auch gut selbst befreit haben, um weiter auf heimlichen Sohlen durch das mitternächtliche Haus zu schleichen. Es könnte auch sein Befreier sein, den er dann undankbarerweise umgelegt hatte. Er könnte es auch selbst sein, umgelegt vom Befreier. Es könnte weder-noch sein, sondern eine vollkommen andere Person, die rein zufällig in derselben Nacht, in der ich mich eines seltsamen Eindringlings erwehren musste, erstochen worden war. Was für Zufälle! Ich nahm die Brettchen unter den linken Arm, die Pratzen unter den rechten, verstaute den Zimmerschlüssel tief in der Trainingshosentasche und machte mich höchst neugierig auf den Weg in den Gymnastikraum. Unterwegs winkte mir die junge, unauffällige Frau fröhlich von der Anmeldung aus zu, was von einem über den Tresen lehnenden uniformierten Polizisten stirnrunzelnd bemerkt wurde. Er wandte sich mit einer Frage – wohl wer diese obskure Person da sei – der jungen Frau wieder zu, und ich machte, dass ich weiter kam.
Aus dem Trainingsraum her empfing mich Geschnatter und Geplapper, wie ich das eigentlich eher von Kursen mit pubertierenden Mädchen gewohnt bin. Ich beeilte mich einzutreten, um die notwendige Ruhe herzustellen. Die Frauen standen in einer engen Gruppe beieinander, was sie für gewöhnlich am Anfang eines Kurses nicht zu tun pflegen, und blickten mich erwartungsvoll an. „Setzen wir uns doch erst einmal!“ Sie ließen sich dankbar auf den Matten nieder, und einige kuschelten sich schaudernd in ihre mitgebrachten Decken, als ob sie frören. War ja auch schauerlich, so etwas! „Ich bin soeben darüber informiert worden, was hier im Haus in unserer ersten Nacht geschehen ist. Ich schlage vor, wir beginnen gleich mit der Arbeit, denn irgendwann wird die Polizei wohl hier auftauchen und uns alle ausfragen wollen. Und ihr zahlt für die Zeit. Außerdem denke ich, dass die Konzentrationsübung, mit der ich jeden Kurs jeden Tag seit Jahren beginne, allen hilft, sich gegen das Kommende mental zu schützen. Dazu ist diese Übung sowieso da! Danach sprechen wir dann erst einmal über das Ereignis, und ich hoffe doch, dass wir, ehe die böse Außenwelt uns aufstört, noch dazu kommen, die Bretter durchzuschlagen!“ Diese Bemerkung rief, wie beinahe in jedem Kurs, aufgeregtes Geflüster und Getuschel hervor. Die Frauen starrten neugierig auf den Stapel, den ich in der Mitte ihres Kreises auf den Boden gelegt hatte. „Die sollen wir durchschlagen? Das weiß ich schon, das schaffe ich nie.“ Diesen Satz höre ich seit über fünfzehn Jahren mindestens einmal pro Woche. Langweilig, ehrlich gesagt, da ich weiß, dass zumindest in meinen Kursen alle Frauen ihre Bretter früher oder später durchschlagen. Schließlich bezahlen sie mich teuer dafür, dass ich sie an jenen Punkt führe. Ich wischte also diese Bemerkung beiseite und erklärte ihnen die Konzentrationsübung, die „Zeltaufbauen“ heißt. Durch ruhiges Atmen, entspanntes Sitzen und Bewusstwerdung aller ihrer Körperteile richten die Frauen ein geistiges Zelt auf, sodass „nichts von dem, was wir nicht wollen, von außen nach innen dringt und den Kurs stört und nichts von dem, was wir nicht wollen, von innen nach außen geht und das Vertrauen bricht.“ Hurra – ich hatte es zumindest geschafft, diese Übung abzuschließen, ehe neugierige Männerpolizisten hereinplatzten und alles durcheinanderbrachten. Die Runde brachte mir nicht mehr Information, als ich sie selbst hatte, denn die Frauen waren bei ihrem Frühstück von der grausigen Nachricht überrascht worden. Das meiste hatte sich hinter den Kulissen des Tagungshauses in den weiten Räumen der Küche abgespielt, und die unauffällige junge Frau war nur gefasst an den Tisch der Kursteilnehmerinnen getreten, um ihnen die unangenehme Nachricht zu überbringen. Vielleicht mehr noch, um sie auf die bald eintreffenden Polizisten vorzubereiten, als um irgendeiner Fürsorglichkeit gegenüber ihren Gästen nachzukommen. Den Toten hatte noch keine meiner Frauen gesehen. Also beschloss ich, dass es uns erst einmal wenig anginge und dass wir wohl am besten mit der Situation fertig würden, indem wir uns unserer Arbeit widmeten. Ich scheuchte die Frauen zwecks Aufwärmen durch die Halle, ließ sie ein kleines Wettspiel zur Ablenkung absolvieren und machte ein bisschen Kraftgymnastik für die Arme und Hände. Anschließend ließen wir uns leicht außer Atem wieder auf den Matten nieder, wo ich begann, das Durchschlagen der Bretter zu erklären und vorzumachen. Die Faust muss hart geballt, der Unterarm angespannt sein. Geschlagen wird mit einer kurzen, knappen Geste aus dem Ellenbogen heraus, als schlüge frau wütend auf, nein besser, durch einen Tisch. Sie soll das Gefühl, den Willen, den Impetus haben, durch das Holz zu schlagen, durch mit wilder Entschlossenheit, durch bis auf den Boden! Die Art, wie die Teilnehmerinnen eines Selbstverteidigungskurses diese Übung angehen, sagt mir immer viel über sie selbst aus, sodass ich aus dieser Einschätzung heraus dann sehr gut den weiteren Kursverlauf gestalten kann. Da gab es Irmtraud, die junge Gewerkschaftsfunktionärin und aufsteigende Angestellte, die das Brett natürlich auf Anhieb durchschlug. Auch Ursula, die Grundschullehrerin, wurde dank ihrer mehr als dreißig Dienstjahre unter dem gellenden Gekreisch der Klitzekleinsten unsres Bildungssystems nicht daran gehindert, mit der Faust durch das Brett wie ein Messer durch die Butter zu fahren. Anneliese, Hausfrau und Mutter von drei Kindern zwischen zwei und fünf...


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