E-Book, Deutsch, 420 Seiten
ISBN: 978-3-946348-20-7
Verlag: Eridanus Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der Alltag von Ben Kramer besteht seit jeher aus dem Eintippen komplexer Zahlenabfolgen in einen klobigen Nummernblock. Nur durch Zufall entdeckt der Kolonist, dass sich hinter dieser Aufgabe eine schreckliche Wahrheit verbirgt – mit unumkehrbaren Folgen für alle! Ungerührt davon tragen andernorts die Völker der Galaxien weiter ihre zerstörerischen Konflikte aus.
Zeitgleich breitet sich eine unheilvolle „Düsternis“ im Universum aus, die die Existenz allen Lebens bedroht. Doch die finstere Kraft richtet nicht nur Chaos an. Ihr Wirken führt auch sieben in jeglicher Hinsicht vollkommen verschiedene Charaktere zueinander. Sie alle stellen sich ihren Herausforderungen, nur um irgendwann festzustellen, dass ihre Rolle in diesem Abenteuer schon längst vorbestimmt ist. Und was, wenn nicht das Gepp, dieses mysteriöse Nagetier mit seinen so einzigartigen Fähigkeiten, stünde bereit, auch die letzten losen Schicksalsfäden aufzunehmen und zu verknüpfen?
Sebastian Schaefers Sciencefiction-Spektakel fesselt mit furiosen Raumschlachten, fremdartigen Technologien, einer schillernden Weltenvielfalt und ungewöhnlichen Helden, die zur Rettung des Universums über sich hinauswachsen.
Autoren/Hrsg.
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Die Tiefen Ein dunkler Schatten fiel über den honiggelben Ast der Quar-Weide und instinktiv huschte das Gepp in die Deckung ihrer dichten traubenförmigen Blätter. Das schrille Kreischen, das nun ertönte und über etliche Meilen hinaus noch zu vernehmen war, entsprang der knöchernen Kehle eines einsamen Laabflüglers, von denen es selbst in den unergründlichen Wäldern der Tiefen nicht mehr viele gab. Das Gepp, das seinen durchscheinenden Greifschwanz geschickt und schnell um die feuchte Rinde der Weide geschlungen hatte und dem verschwindenden Schatten nachblickte, während es selbst für die Augen der Raubechse unsichtbar zwischen den klebrigen Blättern herunterhing, gab ein beruhigtes Schnurren von sich. Trotzdem wartete der nur faustgroße Nager noch eine ganze Zeit, bis er sich erneut auf den vor ihm liegenden Weg durch die dichten Wipfel des Dschungels machte. Die drückende Hitze machte einem Gepp genauso wenig aus, wie die enorme Luftfeuchtigkeit, die hier zu jeder Jahreszeit herrschte. Sein kurzer farbiger Pelz sog sie förmlich auf und ließ sie zu einem Mantel aus klaren Wassertropfen werden, der ihn funkelnd und Kühle spendend kleidete. Flink huschte das Gepp weiter, wobei es seinen Schwanz dazu nutzte, das Gleichgewicht zu halten, während es über rutschiges Holz und dünne Zweige kletterte oder dann und wann einen waghalsigen Sprung von einem Baum zum anderen machte. Die Pflanzen der Tiefen waren allesamt groß und urwüchsig. Die Quar-Weiden beispielsweise waren gigantisch und erstreckten sich in solche Höhen, dass man von dort, wo das Gepp gerade mit einem geschmeidigen Sprung die beachtliche Entfernung zwischen zweien der gewaltigen Weiden überbrückt hatte, die Ruinen der versunkenen Stadt nicht einmal mehr erahnen konnte. Die geschmolzenen Trümmer der Vergangenheit waren älter als die Tiefen, viel älter. Aber dennoch war es den über Jahrtausende wild wachsenden Wäldern nicht gelungen, sämtliche Spuren der Vorzeit zu verwischen und ihre Zeugnisse vollends auszulöschen. Zwar wucherte undurchdringliches Dickicht über dem, was einmal gewesen war, kletterten dunkelgrüne Schlingpflanzen über weißen Marmor, sprossen blaue und dunkelrote Sporenpilze direkt aus dem geschundenen Metall von Maschinen, deren einstmaliger Zweck längst vergessen war, und zersetzte das üppige Meer von Shoi-Moos nahezu alles, was es in seinem schier unstillbaren Hunger auch nur erreichen konnte, aber das, was vor Äonen erschaffen worden und untergegangen war, schien letztendlich nicht vergehen zu wollen. Das Gepp unterbrach seinen Lauf. Es setzte sich auf und reckte seinen gedrungenen Körper in die Luft, um mit seiner beweglichen Schnauze leise zu schnuppern. Seine wachen Knopfaugen blitzten im satten Purpurrot der Sonne und sein nasser Pelz flimmerte. Die Farbe wechselte und das Fell glich sein Äußeres erneut an die Umgebung an. Ein Gepp war zwar klein und genauso schwer auszumachen, wie es zu fangen war, aber seine natürliche Vorsicht und angeborene Vernunft sorgten dafür, dass es nichts dem Zufall überließ und lieber etwas mehr tat, als zu wenig, um nicht die Beute eines Laabs oder noch Schlimmerem zu werden. Die Luft war nicht nur erfüllt von den verschiedensten Geräuschen, von Rauschen, Zischen, Wispern, Kreischen und Schreien. In den Wipfeln der Tiefen war sie auch zum Schneiden dick und voller unterschiedlicher Düfte und Ausdünstungen. Das Gepp schmeckte die Lockstoffe der Quar-Weiden, die auch noch Wochen nach der Treibzeit mit den Pheromonen der Sincelschnecken vermischt war. Die etwa unterarmlangen Tiere waren weiter gezogen, nachdem sie im ewig anmutenden Kreislauf der letzten Jahrhunderte das Ihre erneut dazu beigetragen hatten, dass der Fortbestand der turmhohen Bäume gesichert war. Wie viele andere Wesen in den Tiefen und bisweilen auch ein Gepp erfreuten sich die Sincelschnecken an dem harzigen Ausfluss des Quar-Holzes, der in der Treibzeit eine kaum noch erträgliche Süße annahm. Während sich die Schnecken über viele Tage an diesem Nektar weideten, zogen sie gleichzeitig mit ihrem fein beharrten Körper die aufbrechenden Samenstränge mit sich, um diese auf ihrem Zug weiter zu verbreiten. Das Gepp stellte seine buschigen Ohren auf, so, als wollte es neben dem nun aufgeregt scheinenden Schnuppern noch nach etwas Lauschen, was es soeben wahrgenommen hatte. Es rollte seinen kristallinen Greifschwanz dicht an den Körper, während seine Augen aufgeregt funkelten. Die feinen Sinne des Gepps schoben das beiseite, was sie im Augenblick nicht interessierte. Raschelndes Blattwerk verwandelte sich in ein dumpfes Echo, das Fallen eines Tautropfens zog sich endlos in die Länge und das Zirpen der KRais beim Liebesspiel entschwand in weite Ferne. Da war es wieder. Das Gepp hatte sich nicht getäuscht. Wieder gruben sich die spitz zulaufenden Krallen seiner zarten Pfoten in die Rinde einer Quar-Weide und seine unter dem weichen Flaum versteckten Muskeln spannten sich, bevor sein nächster Satz ihn weit nach vorne schleuderte. Nach etlichen Sekunden freien Fluges erreichte das Gepp die ausladenden Äste einer abgestorbenen Lumbapalme. Sein Schwanz hakte sich sofort ein und schwungvoll, aber sicher landete das kleine Tier auf für ihn sicheren Untergrund. Gelb und blau gefiederte Vögel, die hier gerade noch ungestört und schnatternd gesessen und die Glut des allgegenwärtigen purpurnen Lichts genossen hatten, stoben entsetzt auseinander. Gepps waren seltene Gäste in diesen Gefilden. Man kannte sie zwar. Man lebte auch mit ihnen, wenn es unbedingt notwendig war. Aber die Vögel folgten ihrem ureigensten und tief verwurzelten Instinkt, als sie eilig das Weite suchten. Aufs Neue schnupperte das Gepp aufgeregt. Wieder hatte seine wild schnüffelnde Schnauze es gespürt. Es hatte einen weiteren Stoß gegeben. Das Pulsieren, das ihn vor Wochen erreicht hatte und damals noch eine erste und verhaltene Erschütterung gewesen war, hatte ihn auf seine Suche begleitet und geführt – so sicher und zielgerichtet, wie es nur bei einem Wesen wie dem Gepp möglich war. Je näher es seinem Ziel nun kam, umso leiser wurde es. Größeren Tieren war der kleine Nager schon eine ganze Weile nicht mehr begegnet, aber dann waren es zunächst nicht einmal mehr Lurche oder Baumkrebse gewesen, nunmehr weder Würmer noch so winzige Insekten wie die KRais. Wjui duldeten wenig. Man sagte von ihnen, dass ihre Ankunft genauso wenig wie ihr Verschwinden zu ertragen war. Gepps interessierten sich herzlich wenig für derartige Geschichten, selbst wenn sie sie einmal gehört hätten. Es gab nicht viel, was ihre Art, die Dinge zu betrachten und ihnen zu begegnen, beeinflussen konnte. Wjui gehörten nicht dazu. Allerdings konnten Gepps Wjui spüren und das war der Grund für die lange Reise dieses Gepps gewesen. Eine Reise, die lang und zu aufregend war, um sie an dieser Stelle wiederzugeben, aber eine Reise, die sich in Anbetracht dessen, was das Gepp erwartete, als allenfalls unwesentlich ausnahm. Vor ihm hatte sich eine Lichtung aufgetan, in welcher der Bewuchs sehr zurückhaltend und nur in Form von Farnen und Glimbeerensträuchern vorhanden war, auf die das Gepp von hoch oben herabsehen konnte. Die alleinige Ausnahme war die Wju, die etwa in der Mitte der lichteren Vegetation stand und sich hoch hinaus in den Himmel streckte. Wjui waren ebenso wie die Quar-Weiden Bäume und genau wie diese in den Wäldern der Tiefen heimisch. Aber anders als die Weiden hatte man noch nie gehört, dass es außerhalb der Tiefen Exemplare dieser Art gab. Auch waren die Wjui etwa so riesig wie Quar-Weiden, aber ihr Anblick war deutlich beeindruckender. Die Tiefen wirkten überall kraftvoll und so gewaltig, dass man sich selbst klein und unvollkommen vorkommen musste, aber die Wjui vermittelten den Ausdruck solch schöpferischer und ursprünglicher Kraft, wie sie sich vielleicht den Betrachtern des Xenon-Urknalls in den Zeiten des Beginns geboten haben mochte. Hoch und anmutig stand diese Wju da. Gerade gewachsen, mit erhobenen Ästen und zu den Sternen gerecktem Haupt. Ihr Stamm war dick und ihr Holz so fest, dass auch eine ganze Batterie von leichten Pulsgeschützen es nicht verbrannt hätten. Keine Ranke würde versuchen an einer Wju hochzuklettern, kein Tier würde sich jemals trauen, an die Früchte einer Wju zu gelangen. Kein Tier mit Ausnahme eines Gepps. Das Gepp, das sich in diesem Moment für die Wju interessierte, spähte mit einem Ausdruck zu ihr hinüber, der von einem außenstehenden Betrachter, dem es egal war, dass Gepps bloß Tiere waren, als Gemisch von Zufriedenheit und Neugier gedeutet worden wäre. Das Gepp hatte sein Ziel erreicht und das zum richtigen Augenblick. Die Wju regte sich. Ein Knacken und ein anschließendes Ächzen zogen sich durch den Rumpf des hohen Baumes und auf mittlerer Höhe brachen Stücke der massiven Holzdecke auf. Das Gepp drehte sich einmal im Kreis, wobei sein schimmernder Körper das Licht der Sonne reflektierte und sein Schwanz von links nach rechts wirbelte. Man merkte ihm die Anspannung an, aber auch für andere wäre die Luft erfüllt von einem geheimnisvollen Knistern gewesen. Die tief liegenden Adern der Wju pulsierten nun schneller und der Saft, den sie aus den tiefsten Tiefen des Untergrunds sog, wurde in das gepresst, was sich mehr und mehr aus dem Inneren der gewaltigen Pflanze schob. Das Gepp tänzelte und schnurrte behaglich, als sich der erste Ansatz eines großen Fruchtkörpers zeigte, der langsam, aber unaufhaltsam aus der Wju gepresst wurde. Eine gigantische Schote, silbrig und dunkel, an den Enden leicht gebogen und von milchigen Trieben mit dem Baum verbunden, trat sichtbar hervor. Das Gepp gab einen kurzen Pfiff von sich und machte sich behände an den Abstieg von seinem hoch liegenden Aussichtsposten. Dabei verharrte es immer wieder auf der Höhe...