E-Book, Deutsch, Band 2428, 128 Seiten
Reihe: Beck'sche Reihe
ISBN: 978-3-406-62308-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Kultur- und Ideengeschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Deutsche Geschichte
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Christliche Kirchen, Konfessionen, Denominationen Christliche Orden und Vereinigungen, Ordensgeschichte, Mönchstum
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I. Die Anfänge
1. Die Entstehung des deutschen Hospitals
Lange waren die Anfänge des Deutschen Ordens oder genauer des ihm vorangehenden deutschen Hospitals unklar und umstritten. Schon im 13. Jahrhundert gab es zwei gegensätzliche Traditionen über die Ursprünge des Ordens. Die eine führte den Orden auf das bereits 1143 belegte, 1165 auch durch Johann von Würzburg beschriebene deutsche Hospital zu Jerusalem zurück. Diese Darstellung findet sich in vom Orden beeinflussten Urkunden, in denen einmal sogar die Rede ist von den «Kreuzrittern vom Hospital S. Marien der Deutschen, das einst in Jerusalem gelegen war, aber wegen der Sündhaftigkeit [der Christenheit] nun zu Akkon ist» (Zimmermann, Siebenbürgen, 162). Die andere Überlieferung, vornehmlich die ordenseigene Historiographie, verlegte dagegen die Entstehung des Ordens in eine spätere Phase der Kreuzzugsgeschichte, als während des Dritten Kreuzzugs um 1190 vor Akkon ein Feldlazarett gegründet wurde. Diese unterschiedlichen Traditionen sind einfach zu erklären. Einerseits wollten die Brüder ihrer Korporation durch ehrwürdige Anfänge ein höheres Ansehen unter den Orden verschaffen, vergleichbar den Johannitern, die die Ursprünge ihres Hospitals gar in die vorchristliche Zeit verlegten. Im Falle der stets erhofften Wiedereroberung Jerusalems konnte man damit auch Anspruch auf das alte deutsche Hospital in Jerusalem erheben – was in der Folge des Kreuzzugs Friedrichs II. 1228/29 tatsächlich geschah. Andererseits barg diese Anknüpfung für die junge Gemeinschaft ein erhebliches Risiko, denn die Papsturkunde von 1143 – das älteste Zeugnis für das wohl schon länger bestehende Jerusalemer Hospital – ordnet die weitgehende Inkorporation dieser Institution in den Johanniterorden an. Nicht zufällig hat sie sich bei den Johannitern erhalten, und es ist ebenso wenig ein Zufall, dass es am Anfang des 13. Jahrhunderts zum Konflikt zwischen den beiden Orden kam, weil der ältere die Unterstellung des jüngeren verlangte. Tatsächlich sprechen auch andere Zeugnisse und Überlegungen für eine Neugründung vor Akkon um 1190, nicht zuletzt die Schenkungsurkunde König Guidos von Jerusalem an das deutsche Hospital vor Akkon vom September 1190. Als eigentlicher Empfänger ist ein Meister Sibrandus genannt, der demnach diese Institution während der Belagerung «gegründet und errichtet» hatte (Tabulae, 22). Schon zu diesem Zeitpunkt war das Hospital offenbar so fest etabliert, dass der König eine dauerhafte Einrichtung in der Stadt nach dem Ende der Belagerung annahm. Dafür überließ er Sibrandus das Hospital der Armenier in Akkon. Falls sich die Schenkung nach der Eroberung der Stadt nicht umsetzen ließ, versprach er ersatzweise ein daneben gelegenes Gelände. Dazu kam eine erste Ausstattung mit Land im Umfeld Akkons. Guidos Position war in dieser Zeit durchaus nicht gefestigt. Nach der Niederlage gegen Saladin in der Schlacht bei Hattin 1187 war mit Jerusalem auch der größte Teil des Königreichs verloren gegangen. Als der König im Juni 1188 aus der Haft seiner islamischen Gegner freikam und ein kleines Heer sammelte, wurde er nicht mehr als Herrscher anerkannt. Dennoch begann er im August 1189 die Belagerung von Akkon, das als Seestadt schon die stärkste Festung des Königreichs Jerusalem vor 1187 gewesen war und von Saladin als Stützpunkt weiter ausgebaut wurde. Akkon wurde zum Anlaufpunkt für die Hilfe aus dem Westen. Entscheidend war 1191 die Ankunft der beiden westeuropäischen Herrscher. Während Philipp II. von Frankreich bald nach der Kapitulation Akkons im Juli 1191 abreiste, blieb Richard I. von England vorerst im Heiligen Land. Die Eroberung Jerusalems schlug fehl, und Richard schloss im September 1192 mit Saladin einen Waffenstillstand, der die Küste von Tyrus bis Jaffa in der Hand der Christen beließ. Guido von Lusignan war inzwischen von Richard als Herrscher auf Zypern eingesetzt worden, während Heinrich von der Champagne, der Pfalzgraf von Troyes, mittelbar seine Nachfolge antrat. Der Kaiser, Friedrich I. Barbarossa, nahm im März 1188 das Kreuz und brach auch als erster der europäischen Herrscher zum Dritten Kreuzzug auf. Doch er ertrank im Fluss Saleph im Südosten der heutigen Türkei, und das Kreuzfahrerheer löste sich auf. Nur Kontingente unter seinem jüngeren Sohn, Herzog Friedrich von Schwaben, setzten den Zug noch bis ins Heilige Land fort. Es sind diese Ereignisse, an die die älteste Ordensgeschichtsschreibung, die vor der Mitte des 13. Jahrhunderts entstandene «Erzählung über die Anfänge des Deutschen Ordens» (Narratio de primordiis ordinis Theutonici), anknüpft. Dort heißt es: «In der Zeit, als Akkon von einem christlichen Heer belagert und mit Gottes Hilfe aus der Hand der Ungläubigen befreit wurde, errichteten einige Männer aus den Städten Bremen und Lübeck im Heer unter günstigen Vorzeichen ein Hospital unter dem Segel eines Schiffs, das Kogge genannt wird, um zur Ehre Gottes Werke der Barmherzigkeit auszuüben […]. In dieses nahmen sie viele und verschiedene Kranke auf, und indem sie reinen Herzens die Aufgaben der Menschlichkeit erfüllten, sorgten sie mit Umsicht und großem Eifer für das Hospital bis zur Ankunft des erlauchten Herzogs Friedrich von Schwaben, des Sohns Kaiser Friedrich Barbarossas. […]» Es habe zu dieser Zeit kein anderes Hospital für Kranke im Heer außer diesem existiert. Dieses sei dann «mit seinem Hauptnamen ‹Hospital Sankt Marien der Deutschen zu Jerusalem›» genannt worden «in der Hoffnung und dem Vertrauen, dass das Heilige Land dem christlichen Glauben zurückgegeben und dann in der Stadt Jerusalem das Haupthaus des Ordens entstehen würde […]» (nach Statuten, 159–160). Dieser Bericht stellt gewissermaßen einen doppelten Gründungskontext her. Das eine sind die bürgerlichen Ursprünge des Hospitals, an die auch in späteren Zeiten, etwa in der Korrespondenz mit Lübeck, mehrfach erinnert wurde, das andere ist die frühe Förderung durch die Staufer in der Person des – schon vor dem Ende der Belagerung verstorbenen – Herzogs Friedrich von Schwaben. Das Hospital konnte sich nach 1191 vorerst auch ohne staufische Förderung rasch entwickeln. Schon im Februar 1191 nahm es Papst Clemens III. ausdrücklich unter seinen Schutz. Ein weiteres päpstliches Privileg folgte im Dezember 1196 unter Cölestin III., der die – mit Einnahmen verbundene – Bestattung von Nichtmitgliedern der Gemeinschaft erlaubte und der Bruderschaft das Recht zur freien Meisterwahl verlieh, das vor Eingriffen von außen schützte. Das Hospital blieb zwar weiterhin der Exkommunikationsgewalt der lokalen kirchlichen Autoritäten unterworfen, unterstand aber einer allgemein anerkannten, eigenständig organisierten Bruderschaft. Die Reihe der Leiter des Hospitals, die nach Sibrandus erst als Prior, später als praeceptor («ritterordenstypisch» etwa: Komtur) bezeichnet sind, ist nicht geschlossen überliefert. Ihnen gelang eine Stabilisierung des Hospitals, obwohl sich die königliche Schenkung des armenischen Hospitals nicht umsetzen ließ. Vielmehr erhielt die junge Gemeinschaft nur ein Stück Land am Nikolaitor und musste schon bald eigene Mittel einsetzen. Immerhin konnte der Anspruch der Johanniter auf ein «Hospital-Monopol» für Akkon, für das sie sogar ein päpstliches Privileg vorlegten, abgewiesen werden. Dazu kam ein kontinuierlicher Ausbau des Hospitalbesitzes. König Guido und Heinrich von der Champagne verliehen dem Hospital Grundstücke und Häuser in Akkon, Tyrus und Jaffa sowie weitergehende Rechte für das Königreich Jerusalem. Das deutsche Hospital und die Bruderschaft waren somit 1198 bereits etablierte Institutionen, als sich neue Perspektiven abzeichneten. 2. Der geistliche Ritterorden und die Entfaltung seiner Strukturen
Wenn schon die Johanniter unter dem Eindruck der Situation im Heiligen Land Ritterbrüder aufgenommen hatten, lag auch für die Bruderschaft am deutschen Hospital der Gedanke der Umwandlung in einen Hospital- und Ritterorden nicht fern. Während sich dies aber bei den Johannitern in einem langen Prozess und unter großen Widerständen vollzog, wandelte sich der Deutsche Orden innerhalb weniger Jahre und ohne innere Konflikte. Bald entstanden auch neue Strukturen. Schon seit 1193 war das deutsche Hospital für den Unterhalt eines Teils der Mauern, Tore und Gräben Akkons verantwortlich. Deren Verteidigung übernahm es jedoch erst im August 1198, als die Brüder von König Amalrich II. auch noch den Turm über dem Nikolaitor erhielten. Dennoch zeichnete sich die Umwandlung in einen Ritterorden schon früher ab. Ein erster Schritt könnte die Übernahme der Leitung des Hospitals durch den 1196 nachgewiesenen praeceptor Heinrich gewesen sein, der wohl eher einen weltlichen Hintergrund hatte. Zudem dürfte die Militarisierung der Gemeinschaft in den Mittelmeerplänen Kaiser Heinrichs VI. eine Rolle gespielt haben, spätestens nach seiner Kreuznahme im Mai 1195. Auch wenn der eigentliche Kreuzzug durch den frühen Tod...