Sargent / Gascoigne Earthdawn 8: Schleier des Wahnsinns
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95752-497-3
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Earthdawn-Zyklus, Band 08
E-Book, Deutsch, Band 8, 350 Seiten
Reihe: Earthdawn
ISBN: 978-3-95752-497-3
Verlag: Ulisses Medien und Spiel Distribution GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Nachdem die Völker der Welt vierhundert Jahre lang in ihren magischen Festungen dem Eindringen der Dämonen getrotzt haben, öffnen sich nun wieder die Pforten ihrer selbstgewählten Gefängnisse. Doch die Bewohner Barsaives müssen feststellen, dass ihre Welt vollständig verwüstet wurde und ihre alten Feinde immer noch gegenwärtig sind. Es liegt am Zwergenkönigreich von Throal, dem grausamen Theranischen Imperium und den verschlagenen Dämonen die Stirn zu bieten. Wie von einer Seuche werden die Bürger Vivanes durch heimtückische und mysteriöse Unfälle dahingerafft. Der Elf Cassian, berühmt als Krieger, Diplomat und Gelehrter, versucht die Ursache des Unheils aufzudecken - und verstrickt sich in ein Netz aus Intrigen und tödlichen Machenschaften. Um zu überleben, lässt er sich mit wahnsinnigen Magiern, lebenden Toten und mordlustigen Orks ein. Allein die Freundschaft zu dem Sklavenjungen Jerenn hält ihn aufrecht. Doch dann führt ihn Jerenn ins dunkle Herz von Vivane und Cassians Leben wird von Grund auf erschüttert.
Carl Sargent (*11.12.1952) ist ein walisischer Autor zahlreicher Rollenspielprodukte und Romane zu verschiedenen Rollenspielen. Seine Karriere begann während seines Studiums der Psychologie in Cambridge (Er hält einen Doktortitel in Parapsychologie), als er für TSR UK zu arbeiten begann. Er schrieb für das Magazin Imagine und arbeitete danach für Games Workshop an Fighting Fantasy , dem Warhammer Fantasy Roleplay und dem Greyhawk Kampagnenhintergrund.
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2. »Ist mir eine Freude, Euch an Bord zu haben, ganz gewiß.« Die Betonung des Trolls verwandelten die Worte in das genaue Gegenteil ihrer oberflächlichen Bedeutung. Wenngleich Cassian Korrurgs Abreise um keinen einzigen Augenblick verzögert hatte, schien es wohl so zu sein, daß bereits die geringste Änderung des zuvor festgelegten Reiseplans des Luftschiffs den routineliebenden Kapitän ärgerte. Der Troll funkelte ihn in einer Haltung an, als habe er eine Eisenstange verschluckt. »Normalerweise haben wir im Hinblick auf Passagiereinrichtungen nicht viel anzubieten, aber Ihr bekommt eine der Einzelkabinen«, fuhr Korrurg ungnädig fort. Cassian rang sich ein Lächeln ab. »Meine aufrichtige Entschuldigung für alle Ungelegenheiten, die ich Euch bereite. Ich kann nur sagen, daß ich heute im Morgengrauen aus dem Bett geworfen wurde und man mir befohlen hat, sofort nach Vivane zu reisen. Ich glaube, daß es bei uns beiden zu erheblichen Störungen des normalen Tagesablaufs gekommen ist, und ich entschuldige mich im Namen des Richteramts«, sagte der Elf glatt. Korrurg schien ein klein wenig aufzutauen. »Hmmm. Nun, wir sind jedenfalls zum Ablegen bereit. Ich hoffe, Ihr neigt nicht zur Luftkrankheit«, brummte der Troll, der sich ganz offensichtlich mehr Sorgen darum machte, welchen Schaden ein kranker und unerwünschter Gast der luxuriösen Einrichtung des Luftschiffs zufügen mochte, als um die Gesundheit des Betroffenen. »Ich hatte das Glück, auch früher schon auf Luftschiffen zu fahren, wenngleich selbstverständlich keines so großartig war wie die Überlegenheit«, sagte Cassian schmeichlerisch, »und ich neige nicht zu dieser Krankheit. Aber seid bedankt für Eure Fürsorge.« Trotz dieser Worte warf das von der Levitationsmagie, die ihn hierher zur Anlegestelle gebracht hatte, hervorgerufene leichte Schwindelgefühl die Frage auf, ob er nicht vielleicht doch Probleme bekommen würde. Korrurg warf ihm einen Blick zu, wie man ihn sich normalerweise für einen ärgerlichen Plagegeist Vorbehalten würde, den man ob seiner Gewandtheit nicht zertreten konnte. »Der Erste Maat Arcanth wird sich Eurer Wünsche annehmen, solltet ihr welche haben«, sagte er schließlich, bevor er zum gewaltigen Mittelturm des mächtigen Luftschiffs stapfte. Während er einen Ork in Lederrüstung beobachtete, der vom Steuerbord-Bugturm kam, nahm Cassian die gewaltigen Dimensionen des großartigen Schiffes auf. Es handelte sich um eine fast quadratische Konstruktion mit einem zylinderförmigen Turm an jeder Ecke. Jeder Turm war mehr als fünfzig Ellen hoch und bestand aus Holz, Stein und Bronze. Jeder Turm enthielt eine Reihe von Schlitzen – Schießscharten für die Elitebogenschützen der Achten Legion. Eine einzige Salve von ihnen konnte Tod und Verwüstung in die Reihen der Trolle jedes Kristallpiratenschiffs tragen, das so dumm war, sich in ihre Reichweite zu wagen. Feinde an Land konnten von den Bogenschützen in wenigen Augenblicken zu Hunderten dahingemetzelt werden. Doch selbst diese Gebilde verblaßten neben dem riesigen Großen Turm zur Bedeutungslosigkeit, der noch zwanzig Ellen höher war und in der Breite fünfzig Ellen durchmaß. Die Steinmauern des Turms hatten ein kolossales Gewicht, und die Magie, die in diesen Behemoth der Lüfte geflossen war, mußte unglaublich anstrengend und für die Handwerker und Magier, die die Überlegenheit gebaut hatten, eine scheinbar nie enden wollende Plackerei gewesen sein. Zweihundert Ellen lang, lag das stolze Luftschiff reglos in der Luft und schwankte nicht im geringsten in der Brise, die in der Höhe der Anlegestelle für Kühlung sorgte. Fast vierhundert Soldaten waren ständig auf dem Schiff stationiert. Diese Zahl konnte auf kurzen Reisen um weitere zweihundert erhöht werden. Vivane, das über sechshundert Meilen entfernt war, würde kurz nach Mittag des morgigen Tages erreicht werden. Welche Entbehrungen sein Quartier auch mitbrachte – und Cassian glaubte, daß sich eine Einzelkabine eigentlich ganz und gar nicht nach Entbehrungen anhörte –, für einen so kurzen Zeitraum würde er sie mühelos auf sich nehmen können. »Dort drüben«, sagte der Ork kurz angebunden, als er schließlich neben Cassian stand. »Eure Sachen befinden sich bereits in Eurer Kabine. Erster Gang, erste Tür rechts.« Er wandte sich ab, bevor Cassian ihm auch nur danken konnte. Der Ruck des Luftschiffs, als es seine Reise begann, war für Cassian kaum wahrnehmbar, aber er spürte, wie der willkommene Luftzug, der ihn umspielte, stärker wurde, während er seine wenigen Habseligkeiten auspackte. Er nahm die Papiere, mit deren Durchsicht er nicht einmal begonnen hatte, und überlegte sich übellaunig, daß er es kaum riskieren konnte, sich an Deck zu setzen und sie sich womöglich vom Wind aus der Hand reißen und über Bord wehen zu lassen. Einer Eingebung folgend, legte er die Papiere sorgfältig neben das Kopfkissen seiner Koje, versperrte die Kabinentür mit dem kleinen Messingschlüssel, der im Schloß steckte, und ging an Deck. Mit beiden Händen löste er die mit Silberfäden durchzogenen Lederbändchen aus seinen Locken, stellte sich in den Wind und ließ sich von ihm die Haare um den Kopf wehen. Nach der drückenden Hitze Theras kam ihm der Wind wie Magie vor. Dann ging er zur Holzreling auf der Steuerbordseite und schlang sich den Sicherheitsgurt um die Hüften, während er nach unten auf die Schönheit des blaugrünen Ozeans starrte und die Insel Thera sich langsam in der Feme verlor. Sie ist so klein, dachte er, und dennoch hat unser Volk ein Reich errichtet, das sich über Tausende von Meilen erstreckt. Ein Reich, das von den fruchtbaren Flüssen Eupharel, Indris und Vasgoth begrenzt wird. Theraner haben die Welt in Luftschiffen wie diesem umsegelt und aus jedem noch so abgelegenen Winkel der Erde Wunder und Sehenswürdigkeiten mitgebracht. Einen Augenblick lang sah er vor seinem geistigen Auge die Länder, über die er gelesen hatte: Wasserfälle, die eine halbe Meile tief waren, endlose Eiswüsten, Geysire, die Fontänen aus Schlamm, elementarer Erde und Dampf ausstießen. Und er sah sagenhafte Tiere, wie sie in den Winkeln und Nischen der Ewigen Bibliothek dargestellt waren – als Felle oder Skelette. An diesem Ort des Lernens gab es nicht nur Bücher. Irgendwo innerhalb ihrer endlosen Mauern fand sich ein Exemplar von allem, was die Welt zu bieten hatte. Ein harter Schlag auf den Rücken, ausgeteilt auf jene grobschlächtige Weise, die von Orks als spielerisch bezeichnet wurde, riß ihn aus seinen Träumereien. Er drehte sich um und sah einen Orkmatrosen an einem Paar gekochter Schweinsfüße nagen. Der Ork fragte ihn, ob er ›Futter‹ wolle. Grinsend lehnte Cassian ab und beschloß, mit der Durchsicht der Schriftstücke zu beginnen. Das in verschnörkelter Handschrift verfaßte Dokument verriet ihm, daß die politische Situation in Vivane weniger kompliziert war, als er befürchtet hatte. Von den großen etablierten Häusern Theras waren nur fünf in die Angelegenheiten der Grenzstadt verwickelt. Gegenwärtig bedurfte noch ein so großer Teil der Stadt des Wiederaufbaus, daß nur die Abenteuerlustigen, Verwegenen und Begeisterungsfähigen in Erwägung gezogen hatten, sich dort niederzulassen. Natürlich sorgten die Bürger des Reichs dafür, daß sie sich in der Sicherheit der neugebauten Mauern des Theranerviertels befanden, aber ein gutes Drittel der übrigen Stadt war wenig mehr als ein unüberschaubares Labyrinth gefährlicher, von Flüchtlingen bevölkerter Ruinen. Daß _ die grimmige Generalin Crotias dem Hause Zanjan angehörte, wußte er bereits, aber von Provinzadmiralin Tularch hatte er bisher kaum etwas gehört, und so war er ziemlich überrascht, als er las, daß die Kommandantin der gewaltigen Luftschiffgeschwader, die in Himmelsspitze stationiert waren, eine Carinci war. Dieses Haus war nicht für seine militärische Tüchtigkeit bekannt, und Cassian fragte sich, ob Tularchs Ernennung nicht vielleicht einer dieser politischen Schachzüge war, bei denen jeder ein Stück vom militärischen Kuchen abbekam, um das Kräftegleichgewicht zwischen den Häusern zu erhalten. Doch das könnte in diesem Fall kaum sein. Die Stellung war zu wichtig. Sie mußte ihrer wert sein. Medari, Carinci, Zanjan, Narlanth, Thaloss. Vertraute Namen. Niemand würde einen schwelenden Groll gegen ihn hegen. Einmal, vor Jahren, hatten seine Urteile das Haus Carinci gegen Cassian aufgebracht, und zwar wegen seiner Zugehörigkeit zu ihren ärgsten Rivalen, aber dafür hatte er schon vor einiger Zeit gebüßt, als er nach Vasgothien versetzt worden war. Seine Brauen runzelten sich, als er sein eigenes Haus Medari auf der Liste sah. Mit Sicherheit wäre es besser gewesen, einen Praetor mit einer anderen Hauszugehörigkeit zu wählen, vielleicht einen aus dem Hause Aralaith? Dann hätte die Unparteilichkeit des Praetors außer Frage gestanden. Wiederum überkam ihn das nagende Gefühl, daß etwas nicht stimmte. Vielleicht ist das alles nur niedergeschrieben worden, damit ich keine unbequemen Fragen stellen konnte, dachte er. Er las weiter und erfuhr, daß sich der erste Mord vor weniger als zwei Monaten ereignet hatte. Man hatte den Zwergenbaumeister Dragold, der sowohl am Wiederaufbau der Stadt als auch an militärischen Projekten beteiligt war, mit aufgeschlitztem Leib in seinem Schlafzimmer gefunden. Unter den Dokumenten befand sich auch ein Augenzeugenbericht über den Fund der Leiche, und obwohl Cassian nicht leicht zu schockieren war, ging ihm die Schilderung der grausigen Einzelheiten ziemlich an die Nieren. Der Zwerg war an seinen eigenen Gedärmen an einem Deckenhaken aufgehängt worden. Glücklicherweise waren die Einzelheiten in den...