E-Book, Deutsch, 228 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Wie Frauen limitierende Glaubenssätze abbauen und ihr berufliches Potenzial entfalten. Für echte Gleichberechtigung in der Arbeitswelt, Selfcare und mentale Gesundheit
E-Book, Deutsch, 228 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-18377-9
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. Silke Rusch ist nicht nur eine erfahrene Therapeutin, sondern auch eine erfahrene Führungskraft und Mutter von vier Kindern. Seit 2015 ist sie Mitglied des Leitungsteams einer Klinik, in der sie etwa 50 Mitarbeitende führt. Seit 2021 hat sie sich auf die Förderung gesunder Arbeitsbedingungen und effektiver Führung spezialisiert. Sie ist zertifizierte Supervisorin durch die Psychotherapeutenkammer Hessen und hat zahlreiche wissenschaftliche Artikel zu Themen wie Emotionsregulation veröffentlicht.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftswissenschaften Wirtschaft: Sachbuch, Ratgeber
- Sozialwissenschaften Soziologie | Soziale Arbeit Soziale Gruppen/Soziale Themen Gender Studies, Geschlechtersoziologie
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Organisationstheorie, Organisationssoziologie, Organisationspsychologie
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologische Disziplinen Wirtschafts-, Arbeits- und Organisationspsychologie
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Management
- Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftswissenschaften Literatur für Manager
Weitere Infos & Material
Einleitung
INSIDE WORK
Wie sieht es aus in unserem Land? In welchen Verhältnissen arbeiten Frauen? Auf welche Probleme stoßen sie? Haben sie echte Wahlfreiheit hinsichtlich ihrer Karrieren? Und wie ist es um die mentale Gesundheit von Frauen und Müttern in all ihren Tätigkeiten bestellt?
In den letzten drei Jahren habe ich mich all diesen Fragen ausführlich gewidmet. Vielen davon bin ich auch in meinem Podcast Psychologie @work nachgegangen, der seit 2021 on air ist. Lassen Sie uns also die sinnbildliche Lupe auspacken und zunächst den Status quo erfassen. Er ist ein wichtiger Rahmen, den wir im Hinterkopf haben sollten, wenn wir uns später den weiblichen Glaubenssätzen zuwenden.
Gleichberechtigung! Gleichberechtigung?
Deutschland prangt auf Rang 7 (von 146), wenn es darum geht, den Gender-Gap, die Kluft in der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, zu beschreiben. Laut Weltwirtschaftsforum ist diese Lücke in unserem Land zu 81?% geschlossen.2 Man könnte also meinen, wir seien auf einem guten Weg und Frauen würden (fast) schon genauso leben, partizipieren und arbeiten wie Männer.
Blicken wir auf das Einkommen und den sogenannten Gender-Pay-Gap, revidiert sich dieser Eindruck schnell, denn die Lohndifferenz zwischen Mann und Frau liegt pro Stunde noch immer bei 18?%.3 Für Teilzeitstellen fällt die Lücke (Part-time Wage Gap) noch drastischer aus und beträgt etwa 30?%. Während nur 9?% der Väter in Teilzeit arbeiten, leiden gerade Mütter unter dieser Ungerechtigkeit – von ihnen arbeiten gut zwei Drittel (67?%) nach diesem Arbeitsmodell.4
Die niedrigere Bezahlung von Frauen hat jedoch nicht nur mit dem Stellenanteil zu tun, sondern auch mit den Sektoren, in denen sie vorwiegend tätig sind. So liegen erzieherische, pflegerische, hauswirtschaftliche und Bürotätigkeiten nach wie vor auf den Rängen mit dem höchsten Frauenanteil. Die sogenannten personenbezogenen Dienstleistungen sind gleichzeitig die Berufe, die in unserer Wirtschaft pro Stunde am schlechtesten vergütet werden, obwohl sie allesamt als systemrelevant gelten können. Auch Körperpflege und Verkauf sind Sektoren, die zu etwa 70 bis 80?% weiblich besetzt sind.5
Bis heute erledigen Frauen im Schnitt 44,3?% mehr Sorgearbeit (Care-Arbeit) pro Tag als ihre männlichen Partner. Sie verbringen laut Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BFSFJ) 30 Stunden pro Woche mit unbezahlter Arbeit, was umgerechnet einer 80-%-Stelle entspricht.6 Während Frauen meist zwölf Monate oder länger Elternzeit nehmen, sind es bei den Vätern noch immer hauptsächlich die zwei Partnermonate – jedoch stellen über 55?% von ihnen erst gar keinen Antrag. Erst wenn Väter drei Monate oder länger in Elternzeit gehen, übernehmen sie laut Studienlage auch signifikant mehr Care-Aufgaben. Das tun in der Realität jedoch nicht einmal 10?%.7
Dieser Umstand erklärt, dass Frauen in 27?% der Fälle angeben, ihren Job aufgrund familiärer Pflichten zu reduzieren (bei Männern sind es 6?%).8 Insgesamt führen die genannten Gaps und Unterschiede dazu, dass Frauen nur etwa 50?% des Lebenserwerbseinkommens von Männern erreichen.9 Etwa jede fünfte Rentnerin ist heute von Altersarmut betroffen. Im Jahr 2023 erhielten Frauen im Schnitt eine Rente von 900 Euro, Männer hingegen von 1350 Euro.10
Auf der Businessplattform LinkedIn hat Franziska Büschelberger im April 2024 das fiktive Unternehmen Unpaid Care Work ins Leben gerufen, um auf die unbezahlten Leistungen Erziehender und Pflegender aufmerksam zu machen. Denn gerade im Businesskontext wird Care-Arbeit häufig mit wirtschaftlicher Schwäche assoziiert und von den Sorgearbeitenden aus Angst vor Diskriminierung sogar verschwiegen. Dabei wird übersehen, dass während unbezahlter Sorge- und Pflegearbeit über Jahre hinweg informelles Lernen stattfindet und eine Vielzahl an Kompetenzen aufgebaut werden. Deshalb hat Franziska Büschelberger Unpaid Care Work nicht nur als Unternehmen, sondern auch als Bildungseinrichtung auf LinkedIn eingetragen. Personen in Eltern- oder Pflegezeit können das nun, wie jeden anderen legitimen Arbeitgeber, in ihrem Lebenslauf unter Berufserfahrungen oder Ausbildungsstätte angeben. Das fiktive Unternehmen hat große Resonanz erzeugt und dem Thema unbezahlte Sorgearbeit immense Sichtbarkeit verschafft. Aktuell haben bereits über 3150 LinkedIn-Nutzerinnen und -Nutzer Unpaid Care Work als eine ihrer Arbeitgeberinnen beziehungsweise Ausbilderinnen aufgeführt und über 14.000 Personen folgen dem Unternehmensprofil.11
Frauen und Führung
Auch im Bereich Female Leadership tun sich viele Widersprüche auf. Frauen machen 51?% der Bevölkerung aus, bekleiden jedoch nur 24?% der Führungsposten in unserem Land. In der Vorstandsetage der DAX-Konzerne sind es bloß noch 19?%, in den Aufsichtsräten halten Frauen 37?% der Mandate (hier greift seit 2016 die gesetzliche Quotenregelung für große Unternehmen). Allerdings tendieren Unternehmen seither dazu, exakt eine Frau in den Aufsichtsrat zu berufen (so gesehen bei 80 von 105 DAX-Aufsichtsräten). Blickt man auf den CEO-Posten, stellt man fest: Obwohl 19,7?% des Vorstandes Frauen sind, sind lediglich 2,5?% der Vorstandsvorsitzenden weiblich, sprich 97,5?% der CEOs sind männlich. Fun Fact: Es gibt unter den Vorstandsvorsitzenden mehr Personen mit dem Vornamen Christian, als es Frauen gibt. Der Trend setzt sich also in der Wirtschaft und der Politik unverändert fort: Je mächtiger die Führungsposition, desto unwahrscheinlicher eine weibliche Besetzung.12
Der Bericht der AllBright Stiftung (2022) wies aus, dass 15?% der Vorständinnen ihr Mandat binnen des letzten Jahres abgegeben hatten.13 Auch wenn die Gründe hierfür vielschichtig sein mögen, zeigt sich diese Entwicklung ebenso bei anderen Führungspositionen. Frauen verlassen, wenn sie im Management tätig sind, erheblich häufiger den Job als ihre männlichen Kollegen.14
Führungsfrauen sind effektiv
Studien belegen, dass Frauen in Führungsrollen ebenso erfolgreich sind wie Männer. Bisweilen wenden sie sogar ein effektiveres Führungsverhalten an. Sind Frauen Inhaberin eines Unternehmens, weisen diese Unternehmen der Befundlage nach einige spezifische Vorteile auf:15
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Sie bieten mehr Trainings, Rentenabdeckung und Versicherungen an.
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Sie offerieren Frauen und Jugendlichen mehr Anstellungsoptionen.
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Sie sind innovativer als Unternehmen mit männlichen Inhabern.
Das Credit Suisse Research Institute führte 2016 eine weltweite Untersuchung in 3000 Unternehmen durch und konnte zeigen, dass ein höherer Anteil von Frauen in der Geschäftsleitung mit einem höheren Aktienkurs einherging.16 McKinsey bestätigte dieses Ergebnis zwei Jahre später. »Gender-Diversität in der Geschäftsführung« war auch in ihrer groß angelegten Studie einer der bedeutsamsten Aufklärer für Unternehmenserfolg. Firmen, die sich bezüglich Gendervielfalt im obersten Quartil befanden, hatten eine 15?% höhere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein (gegenüber jenen aus dem untersten Quartil).17
Mentale Frauengesundheit
Vor dem Hintergrund der genannten Arbeitsrealität drehen wir nun den Spot in eine andere Richtung. Es ist eine Richtung, in die wir nicht gern schauen in unserem reichen Land mit all den beruflichen Optionen, die sich vermeintlich für alle bieten.
Aus psychologischer Sicht ist es jedoch höchste Zeit, den Finger in die Wunde zu legen: Die psychische Belastung von Frauen war noch nie so ausgeprägt wie aktuell. Das Robert Koch-Institut (RKI) berichtet eine Stagnation auf hohem Niveau seit 2020 für die deutsche Gesamtbevölkerung, wobei für Frauen stets höhere Werte verzeichnet werden.18
Psychische Erkrankungen belegen bei Frauen den traurigen zweiten Platz des Fehlzeiten-Rankings (bei Männern Rang 3). Sie machen mittlerweile fast 18?% der Arbeitsunfähigkeitstage aus und führen im Vergleich zu anderen Krankheiten zu besonders langen Ausfallzeiten.19 Eine niederländische Studie zeigt, dass Frauen im Falle von Langzeiterkrankungen eine signifikant längere Genesungsdauer aufweisen als männliche Arbeitnehmer. Besonders in den ersten Monaten war ihre Recovery Rate deutlich geringer, erst später glichen sich die Genesungsraten zwischen den Geschlechtern wieder an.20 Doch schauen wir in den Joballtag hinein, für den es aussagekräftige Studienbefunde gibt.
Mentale Belastungsfaktoren im Job
Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte befragte 2024 in der groß angelegten Studie Women @Work 5000 Frauen aus zehn Ländern hinsichtlich ihrer arbeitsplatzbezogenen Stressoren.21 Aufgrund des großen aktuellen Datenpools und...