Runcie | Zwei Sidney Chambers Krimis in einem Band | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 784 Seiten

Runcie Zwei Sidney Chambers Krimis in einem Band

Der Schatten des Todes, Die Schrecken der Nacht

E-Book, Deutsch, 784 Seiten

ISBN: 978-3-455-00486-1
Verlag: Atlantik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Spannung zum Entspannen! Zwei Sindney-Chambers-Krimis in einem E-Book
Grantchester bei Cambridge: Als Pfarrer des kleinen Städtchens hat Sidney Chambers mit seinen Schäfchen alle Hände voll zu tun. Und als wäre das nicht genug, betätigt er sich auch noch als Privatdetektiv. Sidney ermittelt, notgedrungen, aber immer mit viel Einfühlungsvermögen, Charme und großem Verständnis für das Allzumenschliche. Und obendrein muss er sich auch noch der ganz existenziellen Frage stellen, für welche Frau sein Herz schlägt.
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Eine Frage des Vertrauens
Donnerstag, 31. Dezember 1953: Jahreswechsel. Die Städte und Felder von Hertfordshire waren von einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Sidney, erschöpft, aber zufrieden nach den Anstrengungen der Weihnachtszeit, saß im Zug nach London. Er hatte die Feiertage mit einer wohlabgewogenen Mischung aus Geselligkeit und Theologie überstanden und freute sich auf ein paar freie Tage mit Familie und Freunden. Während der Zug auf die Hauptstadt zurollte, zogen vor dem Fenster die Rückfronten kleiner Vorstadthäuser und neue Gartenvorstädte vorbei, eine Nachkriegslandschaft geprägt von Fleiß, Verheißung und Beton. Welten trennten sie von dem Ort, in dem Sidney lebte. Er war jetzt ein Provinzler und ein Fremder in der Stadt, in der er zur Welt gekommen war. Er sann über die Frage von Zugehörigkeit und Identität nach: Wie weit wird ein Mensch durch die Geographie bestimmt und wie weit durch Erziehung, Bildung, Beruf, Glaube und sein soziales Umfeld? Wie sehr kann ein Mensch sich in einem Leben ändern?, überlegte er. Es war eine Frage, die den Kern des Christentums berührte, dennoch blieben viele Menschen im wesentlichen ihrer Natur treu. Im Verhalten der Freunde, die er abends treffen würde, erwartete er keine allzu großen Veränderungen. Als der Zug in King’s Cross einfuhr, beschloss Sidney, sich auch im kommenden Jahr seine Zuversicht zu bewahren. Für ihn bestand das Geheimnis des Glücks darin, es nicht bei sich selbst zu suchen. Selbstbespiegelung und Egozentrik waren die Feinde der Zufriedenheit, und wenn es ihm möglich wäre, mit voller Überzeugung, aber ohne jede Frömmlerei eine Predigt über die Vorteile der Selbstlosigkeit zu halten, würde er das schon am kommenden Sonntag tun. Er setzte seinen Filzhut auf, nahm den dritten Regenschirm des Jahres in die Hand – die Vorgänger hatte er auf früheren Zugfahrten eingebüßt – und hielt Ausschau nach dem Bus, der ihn zur Party in St. John’s Wood bringen würde. Gastgeber des Silvesteressens war sein alter Freund Nigel Thompson, Eton-Schüler und Absolvent des Magdalene College, Cambridge, der schon während des Studiums als heißer Favorit für das Amt des Premierministers galt und gleich nach dem Krieg Vorsitzender der Young Conservatives geworden war. In der Unterhauswahl von 1951 war er als Abgeordneter für St. Marylebone ins Parlament eingezogen. Sein Aufstieg zur Macht hatte als persönlicher Referent von Sir Anthony Eden begonnen (den Sidneys Vater aus dem King’s Rifle Corps kannte), inzwischen war er Staatssekretär im Auswärtigen Amt, und Sidney freute sich darauf, mit einem der vielversprechendsten Abgeordneten des Landes spannende Gespräche über Großbritanniens Rolle auf der internationalen Bühne zu führen. Nigels Frau Juliette ähnelte der Zuleika Dobson aus Max Beerbohms gleichnamigem Roman – mit porzellanzartem Teint, tizianrotem Haar und einer biegsamen Schönheit, die ihr verträumtes Wesen noch unterstrich. Auf der Hochzeit hatte Sidney sich besorgt gefragt, ob sie das für die Frau eines Abgeordneten erforderliche Stehvermögen besaß, hatte aber diesen sehr männlichen Gedanken als erstes Anzeichen von Eifersucht gleich wieder verworfen. Die Thompsons bewohnten ein Stadthaus aus dem 19. Jahrhundert nördlich vom Regent’s Park. In solchen Etablissements hatten reiche Viktorianer früher ihre dekorativen Mätressen untergebracht. Durchaus angemessen, fand Sidney, denn Juliette Thompson erinnerte tatsächlich an eine präraffaelitische Gestalt. Ihre Schönheit hatte etwas Verlorenes, Unberührbares – was womöglich nur MP Nigel Thompson anders sah. Der Bus hielt an Lord’s Cricket Ground, Sidney stieg aus und ging Richtung Cavendish Avenue. Für den Londoner Winter mit seinen nassen Straßen und üblen Gerüchen hatte Sidney sich noch nie begeistern können, aber da seine Familie und seine Freunde hier ihr Geld verdienten, würde er, wenn er sich an der angenehmen Atmosphäre ihrer Häuslichkeit und der Wärme ihrer Kaminfeuer freuen wollte, wohl oder übel dergleichen Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen müssen. Beim Dinner würde er auch seine jüngere Schwester Jennifer treffen. Sie hatte eine ungezwungen freundliche Art, ein runderes Gesicht als ihre Verwandten, wache braune Augen und einen Pagenschnitt, der den passenden Rahmen für ihr liebevolles Wesen bot. Sie freute sich immer, ihren Bruder zu sehen, und ihm ging das Herz auf, wenn sie das Zimmer betrat. Eigentlich galt Jennifer als das solideste Mitglied der Familie, aber an diesem Abend wollte sie einen ziemlich zwielichtigen neuen Freund mitbringen – Johnny Johnson. Sie hatte ihren Bruder beim traditionellen Weihnachtstelefonat entsprechend instruiert und meinte, Sidney würde er bestimmt gefallen, nicht zuletzt, weil Johnny und sein Vater einen Jazzclub betrieben. Er sei »wie ein frischer Wind«, erklärte sie, und mache jede Menge aufregender Sachen. Sidney konnte nur hoffen, dass seine Schwester sich nicht den Kopf verdrehen ließ. Der in der Familie stark ausgeprägte Wesenszug, von allen Menschen nur das Beste zu denken, hatte dazu geführt, dass sie im Hinblick auf die Bindungsfähigkeit der Männer ziemlich unrealistische Erwartungen hegte, was unweigerlich zu Enttäuschungen führte. Zusammen mit Jennifer und Johnny war auch Jennifers Freundin und Mitbewohnerin Amanda Kendall eingeladen, die gerade eine Stelle als Juniorkuratorin an der National Gallery angetreten hatte. Als Sidney ihr kurz nach ihrem einundzwanzigsten Geburtstag zum ersten Mal begegnet war, hatte es ihn ziemlich heftig erwischt. Sie war die Tochter eines reichen Diplomaten und früheren Kollegen seines Großvaters, groß und temperamentvoll und im Gegensatz zu Juliette Thompson nicht das, was die Modezeitschriften eine »englische Rose« zu nennen pflegen. Sie war brünett, dominant, ja eine Spur rechthaberisch, hatte aber eine bemerkenswerte Ausstrahlung und ein ebensolches Talent zur Konversation, und auch wenn Amandas Mutter die Nase der Tochter als »enttäuschend römisch« bezeichnete, war Amanda auf Londoner Dinnerpartys ein gern gesehener Gast. Obwohl es gelegentlich wegen ihrer unverblümten Äußerungen Ärger gab, war man sich allgemein darüber einig, dass sie jede Party belebte und ein guter Fang für jeden Mann wäre, der bereit war, es mit ihr aufzunehmen. Sidney hatte die leise Hoffnung gehabt, er könnte vielleicht dieser Mann sein, aber nachdem er sich für den geistlichen Stand entschieden hatte, war diese Hoffnung dahin. Dass ein Society-Girl mit besten Beziehungen, sich zur Ehe mit einem Pfarrer entschließen würde, war geradezu absurd. Jetzt, nach mehreren Jahren gewissenhafter Sondierung, hatte Amanda offenbar ihren Meister gefunden. Kürzlich hatte sie ein Herrenhaus in Wiltshire besucht, um die Erbschaftssteuer für eine Reihe von Gemälden zu schätzen, und hatte dort den vermeintlich charmanten, zweifellos wohlhabenden, außerordentlich gut aussehenden und bedauerlicherweise sehr ungebildeten Guy Hopkins kennengelernt. Das war der Mann, mit dem sie sich verloben würde, möglicherweise, so wurde gemunkelt, noch an diesem Abend. Sidneys Tischnachbarin war die allseits bekannte Salonlöwin Daphne Young, eine erschreckend magere Frau, berühmt für ihre messerscharfe Intelligenz und die vielen Heiratsanträge, die sie abgelehnt hatte. Er fürchtete sich deshalb ein wenig vor der Enttäuschung, die sogar eine so wohlerzogene Frau nicht würde verbergen können, wenn sie erfuhr, dass ihr Tischnachbar ein Pfarrer war. Immerhin waren die anderen beiden Gäste recht umgänglich – Mark Dowland, seines Zeichens Verleger, der herrlich indiskret über seine Autoren zu reden verstand, und Mary, seine kleine, widerborstige Frau, eine Zoologin mit durchdringenden blauen Augen und sehr spitzer Zunge. Das Weichste an ihr, hatte man ihren Mann einmal sagen hören, seien ihre Zähne. Sidney machte sich nicht viel aus Silvesterpartys – vielleicht weil ihn der Gedanke bedrückte, dass wieder ein Jahr vergangen war und er dadurch an die viele Zeit erinnert wurde, die er in den vergangenen zwölf Monaten vertrödelt hatte, und weil ihm weltliche Festivitäten so bald nach Weihnachten nicht recht passend erschienen. Manchmal überlegte er, wie es wohl wäre, sich ins Bett zu legen, bis alles vorbei war, und erinnerte sich eines Amtsbruders, der sich alljährlich zwischen Weihnachten und Neujahr in der trostlosesten Pension einer möglichst deprimierenden Stadt verkroch, um sich im Pfuhl der Verzweiflung zu suhlen. Wenn er dann ganz unten angelangt war – so seine Überlegung –, würde er in eine Welt emporsteigen, in der alles besser wäre. Sidney erinnerte sich, dass die Stadt, für die sich sein Freund entschieden hatte, um sich allen der Menschheit bekannten Dämonen zu stellen, ausgerechnet Ipswich gewesen war. Die Cocktails wurden im Salon im ersten Stock gereicht, wo Mark Dowland aus dem Werk von John Betjeman, einem vielversprechenden neuen Dichter, vortrug. Das Gedicht nahm humorvoll Eigenheiten des englischen Klassensystems aufs Korn. Die anderen Gäste amüsierten sich, aber Sidney konnte nicht mitlachen. Ihn bedrückte der Gedanke, dass die Party mit Scharaden ausklingen würde, die er fürchtete, seit es ihm beim letzten Mal nicht gelungen war, die fünf Silben des Dickens-Romans Martin Chuzzlewit pantomimisch darzustellen. Er gönnte sich ein erstes Glas Sauvignon Blanc, um sich für Amandas potenzielle Verlobung und die Vorstellung des neuen Liebsten seiner Schwester zu wappnen. Johnny Johnson erwies sich als gutaussehender...


Runcie, James
James Runcie, geboren 1959, ist ein britischer Autor, Fernsehproduzent, Theaterregisseur, Dokumentarfilmmacher und seit 2009 Intendant des Bath Literature Festivals. Sein Vater war Erzbischof von Canterbury, aber nicht detektivisch tätig. Runcie lebt mit seiner Frau in Edinburgh. Einige der Geschichten um Sidney Chambers wurden für das britische Fernsehen verfilmt. Im Atlantik Verlag erschien zuletzt Die Vergebung der Sünden(2019).

James Runcie, geboren 1959, ist ein britischer Autor, Fernsehproduzent, Theaterregisseur, Dokumentarfilmmacher und seit 2009 Intendant des Bath Literature Festivals. Sein Vater war Erzbischof von Canterbury, aber nicht detektivisch tätig. Runcie lebt mit seiner Frau in Edinburgh. Einige der Geschichten um Sidney Chambers wurden für das britische Fernsehen verfilmt. Im Atlantik Verlag erschien zuletzt Die Vergebung der Sünden(2019).


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