E-Book, Deutsch, 316 Seiten
Roos Die STILLE spricht
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7597-1852-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Hättest Du mal was gesagt, Du Idiot
E-Book, Deutsch, 316 Seiten
ISBN: 978-3-7597-1852-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Gute Beziehungen schenken Lebensfreude und Erfüllung. In "Die Stille spricht oder Hättest Du mal was gesagt, Du Idiot" befasst sich Rechtsanwalt Harald Roos am Beispiel tiefgehender beruflicher und privater Erfahrungen mit den großen Themen des Lebens und zeigt dem Leser zahlreiche Abkürzungen auf dem Weg zu innerer Balance, Gelassenheit, Leichtigkeit und Lebensfreude. In drei Abschnitten, Erleben - Erfahren - Erkennen, setzt sich der Strafverteidiger und Coach mit sich und seinen "drei Leben" auseinander. Im "Ersten Leben" beschreibt er seine eigenen menschlichen Prägungen durch familiäre Einflüsse und Kindheitserlebnisse. Die Erfahrung einer Leukämie-Erkrankung zu Beginn seiner beruflichen Selbständigkeit lässt ihn nach Überleben einer Knochenmarktransplantation in seinem "Zweiten Leben" die Sinnhaftigkeit klassischer Karrieremodelle hinterfragen und sich beruflich neu ausrichten. Mehrere Schicksalsschläge und unvorhergesehene Ereignisse in seinem privaten Umfeld führen schließlich jenseits der Lebensmitte vollkommen überraschend zu einem psychischen Zusammenbruch. Der ehemalige Ironman-Triathlet muss lernen, nicht alles alleine schaffen zu können und stattdessen selbst Hilfe anzunehmen. Erst als er sein Schweigen in eigener Sache bricht, kann er sich in seinem "Dritten Leben" Überlegungen zu psychologischen und philosophischen Themen wie Persönlichkeitsentwicklung, Glück und Sinn des Lebens widmen. Er reflektiert über die Bedeutung guter Beziehungen - sowohl zu sich selbst als auch zu anderen und betont die zentrale Rolle, die der Mut, das eigene Leben zu leben, in unserem Streben nach Erfüllung spielt. Dieses Buch richtet sich an alle, die sich für authentische Lebensweisheiten, persönliche Entwicklung und zwischenmenschliche Beziehungen interessieren. Besonders Menschen, die in privaten oder beruflichen Krisen stecken und nach Orientierung suchen, finden hier nicht nur wertvolle Einsichten und Anregungen, sondern mit den "8 Schlüsseln" des Schlusskapitels auch praktische Zugänge auf dem Weg zu stimmigen und tragfähigen Veränderungen.
Harald Roos (*1969) ist von Beruf Rechtsanwalt, Strafverteidiger und Coach. Geboren und aufgewachsen in einer Kreisstadt im Saarland, lebt und arbeitet er nach weiteren Stationen in Baden-Württemberg und Sachsen seit 1998 in Wiesbaden/Hessen. Als Strafverteidiger hat er viele Jahre in allen Bereichen des Strafrechts gearbeitet und sowohl Beschuldigte als auch Opfer von Straftaten sowie deren Angehörige vertreten. Über viele Jahre gehörten erfolgreiche Vorstände von Großkonzernen in gleicher Weise zu seinen Mandanten wie Jugendliche und Heranwachsende oder auch psychisch kranke Täter. Harald Roos hat nicht nur im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht verteidigt, sondern auch in anderen Deliktskategorien wie etwa in Betäubungsmittel-, Sexual- und Kapitalstrafsachen (Tötungsdelikte). Privat hat der ehemalige Triathlet und Ironman-Finisher nicht nur eine Leukämie-Erkrankung überlebt, sondern auch mehrere teilweise dramatische Todesfälle in seinem ganz persönlichen Umfeld miterlebt. Eine eigene schwere psychische Krise war Anlass, sich beruflich als Coach neu zu orientieren und auch das vorliegende Buch zu schreiben. Er ist der Auffassung, dass wir am besten über das schreiben können, was wir am härtesten lernen mussten. In "Die Stille spricht oder Hättest Du mal was gesagt, Du Idiot" verarbeitet er nicht nur berufliche Erfahrungen, sondern nimmt den Leser anhand seiner "Drei Leben" mit auf eine vielschichtige und inspirierende Reise durch die großen Themen des Lebens.
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Stiller Schrei
Ich bin wohl so etwa vier oder fünf Jahre alt, als ich ihn zum ersten Mal habe. Diesen Traum, der mich über so viele Jahre immer wieder heimsuchen, meine Nächte jäh unterbrechen und mich aus dem Schlaf reißen wird. Er ereilt mich in meinem Bett. Von außen dürfte es nach einem friedlichen Schlaf aussehen. Urplötzlich steht ein riesiger Elefant in dem Kinderzimmer, das mein älterer Bruder und ich zu dieser Zeit noch teilen. Das gewaltige Tier kommt auf mich zu. Es umschlingt mich mit einem sanften, weichen Rüssel ganz fest, hebt mich aus meinem Bett und trägt mich von allen unbemerkt davon. Schließlich hebt es mich uneeeendlich hoch in die Luft, bevor es mich irgendwo im Nirgendwo einfach fallen lässt. Während der ganzen Zeit versuche ich verzweifelt, auf mich aufmerksam zu machen. Aber niemand bemerkt mich. Niemand schaut nach mir, sieht mein Winken, sieht mein Strampeln. Mich kann auch niemand hören. Mir versagt die Stimme. Mir stockt der Atem. Ich versuche verzweifelt Luft zu holen, um zu schreien, aber ohne Luft in den Lungen kommt einfach kein Ton. Und so falle ich. Hilflos. Machtlos. Tiefer. Immer tiefer. Mir ist klar: wenn ich auf dem Boden aufschlage, bin ich tot. Einen Fall aus dieser Höhe kann niemand überleben. Der Fall ist schier endlos. Ich habe furchtbare Angst vor dem Aufprall. Ich wache auf. Mein Herz schlägt wie wild. Es dauert einen Moment, bevor ich realisiere, dass es wieder nur dieser Traum war und ich sicher in meinem Bett liege, mein großer Bruder im gleichen Raum, meine Eltern noch im Wohnzimmer, nicht mehr als einen Meter entfernt von mir, aber durch eine Wand getrennt. „Alles ist gut.“ sage ich mir. Und weiß doch, dass es nicht so ist. Nicht viel ist wirklich gut in dieser Welt, in der ich mich befinde. Es ist aber so gut, wie es sein kann. Alle bemühen sich vor allem um eines: um Sicherheit. Natürlich. Was sonst? Zu sehr stehen sie auch drei Jahrzehnte danach noch unter dem Eindruck eines Krieges, der die unmenschlichen Seiten des Menschseins vor Augen geführt und gezeigt hat, wie schnell nur noch Erinnerungen bleiben. Erinnerungen an die, die einmal waren und das, was nicht mehr ist. Tod, Verlust, Trennung, Vertreibung und Flucht sind allgegenwärtig in den Erzählungen derer, die noch Worte finden. Andere Worte, Worte, die Nähe herstellen, Geborgenheit geben, finden die, die mir am nächsten stehen, oft nicht. Wie auch? Sie sind ohne Worte groß geworden. Die, von denen sie sie hätten lernen können, sind gefallen oder verstummt, jedenfalls, soweit es um mehr als Alltägliches geht. Was Gefühle betrifft, herrscht Schweigen. Um mich herum und in mir. Wer in einer stummen Gesellschaft und Familie groß wird, tut sich schwer mit Reden. Ich wachse in einem gut-, aber kleinbürgerlichen Umfeld auf. Die Kleinstadt hat mit Umlandgemeinden rund 20.000 Einwohner, drei Gymnasien. Meine Mutter ist seit der Geburt meines Bruders und mir nicht mehr berufstätig, sondern kümmert sich um uns Kinder, während mein Vater als technischer Angestellter in einem Automobilzuliefererbetrieb arbeitet. Er tut nicht, was er liebt, sondern das, was nötig ist, um das Geld für den Lebensunterhalt seiner Familie zu verdienen, um Haus, Auto und die Campingurlaube zu ermöglichen. Um die drei Wochen im Sommer, meist an irgendeinem Wasser, wechselweise in Frankreich, Italien, Österreich und Deutschland, später ganz exotisch sogar am Plattensee in Ungarn, dreht sich in gewisser Weise alles. Wir können in den Urlaub fahren. Uns geht es gut. Es ist ein Leben von Wochenende zu Wochenende, von Ferien zu Ferien. Dazwischen klar strukturiert über den schulischen, in der Freizeit sportlichen Rhythmus und all das, was eben so getan werden muss oder ansteht, wie die obligatorischen Besuche bei der Verwandtschaft. Besuche, bei denen die Kinder versuchen miteinander zu spielen, während sich die Erwachsenen über Belangloses von heute unterhalten, oder von früher erzählen, ohne zu sprechen über das, was wirklich war, über all das, was zu viel war, nicht nur für ihre Augen, sondern vor allem für ihre Seelen und sich dementsprechend auch vor ihren Worten versteckt. Zu Hause ist das Wohnzimmer das Zentrum der kleinen Welt. Die wuchtige Möbelserie mit Sessel, Zwei- und Dreisitzer-Sofa ist ausgerichtet auf das scheinbar wichtigste Haushaltsgerät dieser Zeit schlechthin: den Fernseher. Der Tag, an dem der alte schwarz-weiß-Empfänger abgeholt und stattdessen ein Farbfernseher mit Fernbedienung (Marke Grundig – nach Auskunft des Verkäufers halten die am längsten und ausländische, gar asiatische Hersteller gibt es noch nicht) geliefert wird, ist einer der gefühlten Höhepunkte der Familiengeschichte. Vorbei die Zeiten, in denen es beim Umschalten heißt: „Harald, steh mal auf und drück auf den Knopf“. Dabei kommt diese Bitte nur selten. Es gibt schließlich mit ARD, ZDF und dem Dritten (Regionalfernsehen) nur drei Sender. Das Programm beginnt jeweils erst um 17:00 Uhr, im ZDF meistens mit einer Kinderserie, die ich gerne schauen würde. Genau zu dieser Zeit kommt aber Papa von der Arbeit. Also sitzen wir dann alle in der Küche beim gemeinsamen Abendessen am von Mama bereits gedeckten Tisch. Gesprochen wird über das, was vorgefallen ist, nicht über das, was uns bewegt hat. Danach verlagert sich der Lebensmittelpunkt allabendlich ins Wohnzimmer vor dieses Gerät, diesen Flimmerkasten. Dienstags gibt’s um 19.30 Uhr einen Film. Donnerstags dann wechselweise „Dalli Dalli“ oder „Der große Preis“, freitags „Der Alte“, „Derrick“ oder „Aktenzeichen xy“, samstags „Am laufenden Band“. Mit Hans Rosenthal, Wim Thoelke, Rudi Carrell und Hans-Joachim Kulenkampff bemühen sich die Protagonisten der Bildschirme um Unterhaltung. Sie verstellen bei astronomischen Einschaltquoten in vielen Familien den Blick auf das, was deren Mitglieder wirklich bräuchten. Gelegentlich übernachte ich bei meinem besten Freund. Ich weiß, dass es dort nicht viel anders aussieht. Und so lernt eine ganze Generation zuzusehen und zu schweigen, statt zuzuhören und zu sprechen. Das scheint so normal in meiner Welt wie alles andere. Ich spiele Fußball, wie fast alle Jungs um mich herum, dienstags und donnerstags wird trainiert, samstags nachmittags ein Spiel, abends wird gebadet, sonntags gibt es Kuchen. Diesen backt Mama selbstverständlich selbst und befindet sich dabei fortdauernd in einem – natürlich unausgesprochenen – imaginären Wettbewerb mit anderen Frauen um die Position der besten Hausfrau und Köchin. Als Preis könnte eine selbst gestickte Kittelschürze (Motiv: goldener Käseigel) überreicht werden. Und mit ein wenig mehr Amaretto-Likör käme vielleicht auch der Mut für etwas mehr als das altbekannte „Das wäre doch nicht nötig gewesen“. Lob annehmen und vor anderen etwas zu sagen, fällt schwer in Zeiten, die vielfach noch vom althergebrachten Bild der Hausfrauen-Ehe geprägt sind und in denen Frauen fernab der Großstadt meinen, ihre Erfüllung in „Heim und Herd“ suchen zu müssen. „Sind wir hier in einen Hotel?“. Mit großen Augen wendet sich einmal ein Fünfjähriger, der den Unterschied zwischen Dativ und Akkusativ noch nicht kennt, an seine Mutter, als meine von ihm wissen möchte, ob er zum Essen „Pom Fritz“ haben möchte. Er ist mit seinem Bruder und seinen Eltern bei uns zu Besuch. „Ja, wir sind im Hotel. Familie Roos. Die Inhaberin ist meine Mama.“ möchte ich ihm zurufen. Dabei weiß ich, dass er mit seiner Frage der Gastgeberin das Leben gerade ein wenig schöner und den Besuch etwas leichter gemacht hat. Für mich ist es normal, dass meine Mama gut kochen und backen kann. Rinderbraten, Rahmschnitzel und eingelegte Schweinefilets mit Pommes sind für mich genauso selbstverständlich auf dem Teller zu Hause, wie alle möglichen Varianten von Obsttorten und -kuchen oder sonstigen Leckereien, die andere eher aus Restaurant oder Konditorei kennen. Ich bin ein paar Jahre älter als der unbewusst so charmante Dreikäsehoch. Gleichwohl sind solche Besuche für mich immer mit etwas zwiespältigen Gefühlen verbunden. Seine Eltern sind – anders als meine – beide Akademiker; sein Vater hat sogar promoviert. Seine gesamte Familie bewegt sich wie selbstverständlich in Welten, die mir ziemlich fremd sind. Und so prallen an unserem Esstisch in der kleinstädtischen, fast dörflichen Provinz zwei Welten aufeinander. Hier trifft Opel auf BMW, Wohnwagen auf Hotel, Fußball und Fernseher auf Tennis und Tanz. Und am schlimmsten: hier trifft Dialekt auf Hochdeutsch, Schweigen auf Sprechen. Letzteres scheint einen großen Unterschied zu machen. Wer sich permanent mit anderen Menschen umgibt, sich mit ihnen austauscht, scheint auch anders zu denken. Möglicherweise ist das der Grund, weshalb die einen starr in Klein-Klein-Kategorien von „Das tut man nicht!“
„Das geht doch nicht!“
„Was sollen die Leute denken?“ verharren,...