Rohr | Von 40 Grundhaltungen und Interventionen zu 10 Prinzipien von Beratung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 222 Seiten

Reihe: Verlag für systemische Forschung

Rohr Von 40 Grundhaltungen und Interventionen zu 10 Prinzipien von Beratung

Ergebnisse eines 15-jährigen empirischen Beratungsforschungsprojektes

E-Book, Deutsch, 222 Seiten

Reihe: Verlag für systemische Forschung

ISBN: 978-3-8497-9060-8
Verlag: Carl Auer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In dem umfangreichen Forschungsprojekt zur Erarbeitung allgemeiner Prinzipien für Beratung, Coaching und Supervision wurden auf Basis umfassender, schulübergreifender Konzeptionsarbeiten 40 Grundhaltungen und Interventionen für die universitäre und außeruniversitäre Lehre von Beratung herausgearbeitet. In über 30 verschiedenen Expert:innen-Gruppen wurden anschließend insgesamt ca. 500 Live-Beratungen (inkl. Live-Supervisionen und -Coachingsitzungen) und ca. 200 Videomitschnitte von Beratungen anhand dieser 40 Grundhaltungen und Interventionen theoretisch reflektiert und in Gruppendiskussionen strukturiert ausgewertet – sowie ca. 900 Kurzdokumentationen von Beratungssitzungen mit der Grounded Theory Methodology. Hierdurch konnten zehn schulübergreifende Prinzipien formuliert werden. In diesem Buch werden sowohl der Forschungsprozess als auch die Forschungsergebnisse vorgestellt.
Rohr Von 40 Grundhaltungen und Interventionen zu 10 Prinzipien von Beratung jetzt bestellen!

Zielgruppe


(angehende) Berater:innen, Therapeut:innen, Supervisor:innen und Coaches sowie Studierende humanwissenschftlicher Studiengänge


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


2 Grundbegriffe der Forschung
Zuerst gilt es, die relevanten Grundbegriffe zu erläutern: Intervention, Haltung und Prinzip – sowie Improvisation. Dieser Arbeitsschritt ist wichtig, da es sich insbesondere bei Intervention und Haltung um Begriffe handelt, die häufig in der Fachliteratur verwendet werden, allerdings wenig mit expliziten Überlegungen oder Wissen zu ihrer jeweiligen Bedeutung bedacht werden. Daher ist es für ein Verständnis der Forschung hilfreich sich den Begriffen, mit denen im Folgenden gearbeitet wird, kurz zuzuwenden. Insbesondere aus einer konstruktivistischen Perspektive wird deutlich, dass niemals alle Forscher:innen genauso wenig wie alle Leser:innen ein gleiches begriffliches Verständnis haben und haben werden; dies ist auch nicht angestrebt. Es ist jedoch sinnvoll, sich diesen wenig eindeutigen Begriffen anzunähern, indem aufgezeigt wird, wie sie in der Literatur verwendet werden und welches begriffliche Verständnis die Grundlage der Forschung bildet. 2.1 Intervention
Der Interventionsbegriff lässt sich häufig in der Fachliteratur über Beratung und in die angrenzenden Disziplinen der Humanwissenschaft finden, wo er meist ohne weitere Erklärung genutzt wird. Er wird als bekannt vorausgesetzt oder als selbsterklärend verstanden. Dennoch sind viele unterschiedliche Interventionsformen in zahlreichen Publikationen mit dem Titel ‚Intervention‘ beschrieben und präsentieren sehr unterschiedliche Charakteristika. Der eigenen Begriffslogik wird dabei kaum Beachtung geschenkt. Es ist zu beobachten, dass die „Spannweite“ des Begriffes sehr unterschiedlich gefasst wird, sodass an einigen Stellen Beratung allgemein als Intervention gesehen wird (vgl. Stimmer, 2020, S. 227) und an anderen Stellen Intervention als isoliert zu betrachtende, sorgfältig geplante Handlung erscheint, deren Wirkung unmittelbar beobachtbar ist und überprüft werden sollte (vgl. Borg-Laufs & Wälte, 2021, S. 56). Tritt man einen Schritt zurück und richtet einen weniger fachspezifischen Blick auf den Begriff, zeigt sich beispielsweise im Duden-Wörterbuch folgender Eintrag zu ‚intervenieren‘: 1) A) [vermittelnd] in ein Geschehen, einen Streit o.Ä. eingreifen, sich [als Mittler] einschalten B) bei wirtschaftlichen Problemen ausgleichend eingreifen 2) sich protestierend in bestimmte Vorgänge einschalten; Protest gegen etwas anmelden 3) (von einer Regierung, einem Land) sich aktiv in die Angelegenheiten eines anderen Staates einmischen (Dudenredaktion, o. D.a) Ein großer Anteil des Bedeutungsraumes von ‚intervenieren‘ liegt im politischen Bereich und bezieht sich auf einen Eingriff, bei dem sich jemand zwischen Etwas bewegt, etwa zwischen Personen, Parteien oder Handlungen von Einzelnen. Es symbolisiert eine Reaktion, die sich auf das Verändern der Dynamik einer Situation richtet. In einigen Texten nähern sich die Autor:innen dem Wort von seinem Ursprung her und beziehen sich dabei auf das lateinische Wort ‚intervenire‘, welches übersetzt ‚dazwischenkommen‘, ‚dazwischen treten‘ oder ‚sich einschalten‘ heißt (vgl. Lutz et al., 2012, S. 16). Der weitere Wortstamm bleibt oft unbeachtet, wobei dieser interessante Aspekte der Wortbedeutung beinhaltet, wie etwa (lat. interventus) Vermittlung von Beistand sowie (lat. interventrix) Vermittler:in und Fürsprecher:in (vgl. Stimmer, 2020, S. 226). Es zeigt sich ein Wort, das in seiner Bedeutung zwischen Stören und Dazwischentreten, aber auch Vermitteln und Beistand befindet. In der Medizin und der Psychologie wird eine Intervention deutlich in eine Handlungsabfolge eingebettet, die aus Diagnostik, Indikation und Intervention besteht (vgl. Lutz et al., 2012, S. 17). Die Intervention gilt hier als „geplante und gezielte Maßnahme, um Störungen vorzubeugen (Prävention), sie zu beheben (Psychotherapie) oder deren negative Folgen einzudämmen“ (Wenninger, 2000). Dabei handelt es sich um eine defizitorientierte Sichtweise, bei der zuerst ein Leiden bestehen muss, welches nach der Intervention verbessert oder beseitigt sein sollte. Innerhalb der Pädagogik wird der Begriff etwas weniger monokausal eingesetzt. Im Pädagogik-Lexikon (vgl. Heim et al., 2015, S. 227) wird Intervention als ein „zielgerichtetes Eingreifen“ in fünf Schritten wie folgt beschrieben: Problemerfassung Informationssammlung Methodenauswahl Methodenanwendung Auswertung (ebd.) Im Fokus von Interventionen stehen hier Verhaltensweisen und Persönlichkeitsmerkmale von Individuen, sowie gesellschaftliche Strukturen, Normen und sozioökologische Bedingungen (vgl. ebd.). Der Interventionsbegriff wird hier größer gefasst und zeigt eine deutliche Präsenz von Methoden auf, die in eine Handlungsfolge eingebettet werden. Intervention wird teilweise synonym mit Methode verwendet (beispielsweise bei Stimmer & Ansen, 2016, S. 214 ff.) und insbesondere im Fachbereich des Coachings wird häufig das Wort ‚Tool‘ gebraucht. Allen ist gemeinsam, dass sie sich auf aktive Handlungen beziehen. Allerdings zeichnen sich Methoden meist durch mehr Regeln und explizitere Anweisungen aus. So formulieren Stimmer und Ansen zum Beispiel ein „Kriterienraster zur Beurteilung von Methoden“ (ebd.). Bei Methoden gibt es oft klare Vorstellungen von richtigen Handlungen und deren Ausführungen, was durch Formulierungen, wie ‚methodisch sauber‘, ‚methodensicher‘, ‚methodisch korrekt‘ o. ä. verdeutlicht wird. Der Interventionsbegriff scheint sich umfassender auf die beraterischen Handlungen zu beziehen, die ein Versuch sind, zu einer hilfreichen Auseinandersetzung mit der Thematik beizutragen. So kann die Durchführung einer Methode eine Intervention darstellen (vgl. Borg-Laufs & Wälte, 2021, S. 55). Zeitlich werden Interventionen bei Borg-Laufs und Wälte (2021) – die eher verhaltenstherapeutisch geprägt sind – dort verortet, wo bereits eine Beziehung aufgebaut ist und Ziele geklärt sind (S. 56). Zudem werden Interventionen hier als zeitlich isolierbar betrachtet. Damit ist gemeint, dass immer nur eine Intervention zurzeit erfolgt und diese im Anschluss, ähnlich wie es oben beschrieben wird, hinsichtlich ihrer Wirkung bei den Ratsuchenden überprüft werden soll. Damit ist nicht gemeint, dass eine gezielte Wirkung überprüft werden soll, sondern die Resonanz durch die Intervention einer Betrachtung unterzogen, bevor sich einer neuen Intervention zugewandt wird (vgl. ebd., S. 57). Stimmer (2020) beschreibt Intervention in der Sozialen Arbeit passend dazu als „Teil des zirkulären Problemlösungsprozesses“ (S. 226). Diese Idee hebt die Zirkularität, welche in der Beratung eine wichtige Rolle spielt, hervor. Intervention wird hier nicht als etwas verstanden, was unmittelbar, direkt und gezielt planbar ein vorhandenes Defizit beseitigt. Vielmehr bildet eine Intervention einen Anteil des Prozesses der Problembearbeitung. Es handelt sich um eine Handlung, welche in die (gedanklichen) Prozesse der Ratsuchenden eingreift. Diese Handlung zeige sich aktiv, geplant und intentional, wobei die Wirkung vorher niemals genau festgelegt ist. Die Planung und Ausführung von Interventionen kann immer nur auf den Hypothesen basieren, die Berater:innen in diesem Moment als hilfreich erachten. Die Reaktion auf eine Intervention zeigt sich im Anschluss und beeinflusst den weiteren Prozess, den der:die Berater:in einschlägt. Damit ist die Auffassung von Intervention, als Teil eines zirkulären Problemlösungsprozesses, für die Beratungswissenschaft anschlussfähig. Interventionen sind demnach als aktives, meist intentionales Eingreifen im Prozess der Beratung zu verstehen. Sie zielen darauf ab, eine Verbesserung im Verhalten oder der Problemwahrnehmung zu erzeugen (vgl. Beushausen, 2020, S. 148). Interventionen beziehen sich darauf, was die Berater:innen tun, um hilfreich ins Geschehen einzugreifen. Allerdings braucht gute Beratung zusätzlich zu den Interventionen eine passende Haltung, um ihr Potential entfalten zu können. 2.2 Haltung
Betrachtet man das Wort Haltung und seine Verwendung im deutschen Sprachgebrauch, wird deutlich, dass diese sich sowohl auf das Innere wie auch auf das Äußere des Menschen bezieht. Im Duden-Wörterbuch ist bezüglich Haltung folgendes formuliert: 1) Art und Weise, besonders beim Stehen, Gehen oder Sitzen, den Körper, besonders das Rückgrat zu halten; Körperhaltung. 2) A) innere [Grund]einstellung, die jemandes Denken und Handeln prägt B) Verhalten, Auftreten, das durch eine bestimmte innere Einstellung, Verfassung hervorgerufen wird C) Beherrschtheit; innere Fassung (Dudenredaktion, o. D.b) Im Folgenden werden wir uns auf die Bereiche 2A) und 2B) konzentrieren: Haltung als eine innere Verfassung, die sich in der Art und Weise der Handlungen eines Menschen zeigen. Kurbacher (2008) beschreibt Haltung als Bezugnahme auf Etwas. Eine Bezugnahme kann auf all den genannten Ebenen passieren...


Dirk Rohr, Dr.; Studium von Sonderpädagogik und Sport (1. und 2. Staatsexamen) sowie Diplom-Heilpädagogik (Schwerpunkt Beratung); Gestalttherapeut, systemischer Lehr-Supervisor (DGSv/DGSF) sowie Instituts- und Weiterbildungsleiter „Systemische Beratung“ im koelner institut für Beratung & pädagogische Professionalisierung; als Akademischer Direktor Leiter des Arbeitsbereiches Beratungsforschung sowie des Zentrums für Hochschuldidaktik an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln; Präsident der European Association for Counselling (EAC) sowie Member Executive Council der International Association for Counselling (IAC). Herausgeber der Reihe Beratung, Coaching, Supervision im Carl-Auer-Verlag; Publikationen u. a.: „Über die Arbeit mit Genogrammen“ (2017).


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.