Erotischer Roman
E-Book, Deutsch, 100 Seiten
ISBN: 978-3-88769-875-1
Verlag: konkursbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wer ist aber Anita? Lebenskünstlerin, schnelllebige Mutter zweier kleiner Buben, die sich nicht lang mit Kinderwagenschieben aufhält, sondern diese auch mal am Steuer ihres Autos stillt, Autoritäten ablehnt und ihrem Chef frech die Stirn bietet; die wilder herumtobt als ihre Söhne.
Sex wird zwischen Kindertheaterstücken, Burgerbuden und Fußballbesuchen auch noch eingebaut.
Doch die große Liebe hat eine Kehrseite:
Irene befindet sich bald in einem gefährlichen Strudel realer und erfundener Geschichten über Anitas Leben. Was ist Wahrheit, was ist Lüge? Wird die junge Liebe alle Hindernisse überwinden?
Autoren/Hrsg.
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1
An einem milden Spätsommertag trat Anita in mein Leben, besser, sie rannte beinahe in mich hinein, ich konnte ihr gerade noch ausweichen, bevor wir zusammenprallten. Sie trug ein weites, kariertes Hemd und an einem dünnen Lederhalsband einen silbernen Anhänger, der ein Reptil verkörperte. Das Hemd schien aus den Tagen amerikanischer Pioniere zu stammen, ihr Gesicht war bereit, jederzeit zu lächeln, was sie sofort berührbar machte. Es schien mir ersichtlich, dass sie eigenwillig war, Regeln ablehnte oder zumindest gerne hinterging, und deshalb war es unwahrscheinlich, einem Menschen wie ihr in der Strenge des Amtes für verlorene Güter zu begegnen. Erst dachte ich, es handle sich um eine Fata Morgana, dann, es wäre eine Klientin, eine, die sich mit dem auszufüllenden Formular nicht auskannte und nun mein Büro ansteuerte. Fremde sprach ich nie an, aber jetzt hielt ich inne und fragte, wen sie suche. „Niemanden. Ich bin die neue Kollegin. Ich arbeite jetzt nebenan“, antwortete sie prompt und irgendwie frech. Ich lachte und, vielleicht noch unbeschwert von meinem Urlaub, sagte kühn: „Kommen Sie doch auf einen Sprung zu mir.“ Ich machte eine einladende Handbewegung zur offenen Bürotür, kam mir jedoch aus unerklärlichen Gründen verrucht vor, als hätte ich böse Absichten mit der Neuen. Ich dachte bei ihrem Anblick: lesbisch. So lesbisch, dass ich für Bruchteile von Sekunden daran zweifelte, im richtigen Gebäude gelandet, zum richtigen Tagewerk gekommen zu sein. Ich bot ihr an, sich zu setzen und, um keine peinliche Stimmung entstehen zu lassen, fragte ich sie über ihr Leben aus, etwas, das ich bei einem Menschen, den ich erst seit Sekunden kannte, noch nie gemacht hatte. Vielleicht, weil sie so hübsch war. Wie die Schlange um die Beute wand ich mich um das Thema des vermutlich lesbischen Lebensentwurfes der neuen Kollegin, stellte vorsichtige Fragen und sie gab bereitwillig Auskunft, aufgeregt, als ob auch sie nur auf die Begegnung mit mir gewartet hätte. Vielleicht hatte sie in meiner Abwesenheit schon von mir gehört oder war sie immer so schnell bereit, über sich zu reden? Wie vom Schicksal zusammengetrieben waren wir. In den ersten zehn Minuten schon erfuhr ich, dass sie Mutter zweier kleiner Buben war, aber in Scheidung lebte. „Die Kinder hab ich ohnehin nur am Wochenende, die hab ich meinem Exmann überlassen, die sind aber super, meine Kids“, sprudelte sie heraus. Sie sei ihrem Mann, einem Jugendfreund, fünfzehn Jahre lang treu gewesen, aber dann sei es zu einem grundlegenden Wandel in ihrem Leben gekommen … „Und was war das?“, fragte ich lauernd. „Ich habe mich verliebt …“ „Das ist an sich noch nicht so ungewöhnlich“, warf ich ein. „Es ist komplizierter als bloß eine normale, neue Liebe“, wich die Neue aus. „Aber ich kann darüber heute noch nicht mit Ihnen reden, wir kennen uns ja noch kaum.“ Ich wusste ohnehin, worin das Komplizierte lag und warum es nicht aussprechbar war. Die neu entdeckte Frauenliebe waberte und strahlte um diese Frau herum wie Sonnenprotuberanzen. Sie verkörperte sie so stark, dass ich den irrwitzigen, verrückten Wunsch hatte, sie in den Arm zu nehmen und an die Wand zu pressen, sie lüstern anzufassen, zu spüren, wie die Geilheit an uns entlangkroch. Ich war ausgelassen, ich fühlte mich verwegen und konnte mich kaum zurückhalten, ich war kurz davor, aufzuspringen und die andere hochzureißen, sie zu küssen und nicht mehr damit aufzuhören. Noch nie hatte ich derartige Empfindungen für einen Menschen verspürt, den ich erst seit ein paar Augenblicken kannte. Natürlich ließ ich mich zu diesen Handlungen nicht hinreißen, obwohl sie, bildete ich mir ein, so aussah, als ob ihr das gefallen würde. Ihre Anziehung auf mich war mit einem Wort monumental. Brutal sinnlich. Ihre Erscheinung entsprach dem Typ Frau, auf den ich abfuhr, dieser James-Dean-Look auf weiblich, Gang aus den Hüften heraus, vollkommenes Unwissen über die eigene Ausstrahlung, unprätentiöse Schlankheit, etwas zerzaust Jungenhaftes, die Schmachtlocke in der Stirn, im übertragenen Sinn, schmale Hüften, aber breite, eckige Schultern, bauchlos, schmales Gesicht und etwas unsicher Ungelenkes, das mich berührte. Da ich mit Mühe den Anstand wahrte und die Normalität eines Kennenlerngespräches aufrechterhielt, verklang das unerträgliche Begehren und wich sublimierten Gesten, wie meinem Hinweis auf ein Gemälde auf dem Cover eines vor mir liegenden Kunstkataloges, auf dem eine Frau, wenn auch verschwommen, nackt zu sehen war, der Titel „Noli me tangere“, berühr mich nicht. Das Gegenteil wollte ich ja und so fragte ich die Neue unverschämt direkt, wie ihr dieses Bild gefalle und blätterte mit ihr den Katalog durch. Ein selten klares Beispiel von Wunschverschiebung, dachte ich. Statt der Berührung ihres Körpers, ihrer Lippen, blieb ein verhaltenes Gespräch über einen weiblichen Akt und dessen Urheberin mit zerfledderten Fragen und Antworten übrig. In den darauffolgenden Tagen fegte Anita täglich in mein Büro. Wir wurden viel zu schnell vertraut. Kaum war ich am Morgen angekommen, klopfte es und sie stand vor mir, sie kam unter allerlei Vorwänden, vor allem aber, um mich über ihr neues, wie ich richtig vermutet hatte, lesbisches Leben zu informieren und zu erzählen, dass sie zwischen zwei Liebhaberinnen pendelte, die sie beide über eine Annonce in der Zeitung kennengelernt und mit denen sie zeitgleich eine Beziehung angefangen hatte. Sie las mir vertrauensselig deren SMS vor und erzählte, die Schuldbewusste mimend, dass diese sich bei ihr die Klinke in die Hand gaben und manchmal sogar ihre beiden Kinder, Söhne im Alter von vier und sechs, in die sich daraus ergebenden Komplikationen hineingezogen wurden. Der Größere, Sechsjährige, habe, als die zweite Liebhaberin einmal zu früh an der Schwelle erschien, gleich wie ein Erwachsener gehandelt und sie zuerst ins Wohnzimmer geführt, sei dann zu Anita hinauf in die Küche gelaufen und habe geflüstert, „Melanie ist schon da“, so dass die andere schnell und unbemerkt verschwinden konnte. „Wie clever meine Kinder sind!“, rief Anita ein ums andere Mal aus. „Dass sie das alles mitkriegen!“ Ich wollte von mir nichts preisgeben. Ich führte eine Fernbeziehung mit Sue aus Irland, die nur alle sechs Wochen nach Wien kommen konnte. In einem Moment von Leutseligkeit und Schwäche zeigte ich Anita dann doch Fotos von Sue, von dem letzten Urlaub mit ihr, drei Tage in Venedig, die wider Erwarten konfliktfrei und ohne größere Rückzugsmanöver meinerseits verlaufen waren. Eigentlich wollte ich eher mit der Harmonie der Reise und mit Fotos von mir selbst denn mit meiner Partnerin protzen, aber man soll nie aus Effekthascherei handeln, denn man weiß nicht, was herauskommt. Prompt entschlüpfte Anita in Bezug auf Sue der Ausruf: „Die ist aber hässlich!“ Sie hielt sich gleich darauf schuldbewusst den Mund zu, aber der Schaden war geschehen. „Das ging ja jetzt wohl zu weit“, fauchte ich, mir stockte der Atem vor so viel Taktlosigkeit. Es stimmte, dass ich selbst mich mit manchen Aspekten von Sues Körper nicht abfinden konnte, sie war mir zu dünn, zu eifrig zappelig, ich fragte mich seit den Anfängen der Beziehung, was ich wohl an ihr fand. Wenn sie mich in Wien besuchte, ertrug ich sie nur stundenweise, obwohl wir mit der Fernbeziehung schon die größtmögliche Distanz lebten. Ich brachte es nicht über mich, im selben Bett mit ihr zu schlafen, quartierte sie gar bei meiner Schwester ein und grübelte darüber nach, was mich in dieser Verbindung hielt. Die Abneigung lag sicher nicht bloß an Sues Körper. Und eigentlich hätte ich mich längst von ihr trennen sollen. Doch eine Außenstehende wie Anita hatte schon gar nicht das Recht, mir den Spiegel meiner eigenen Unsicherheiten vorzuhalten. „Entschuldige“, rief Anita in meine Gedanken hinein, „ich habe es nicht so gemeint, ich wollte sagen, du schaust so gut aus und ich habe mir gedacht, deine Freundin müsste mindestens genauso schön sein wie du, o je, ich glaube, ich sage von nun an gar nichts mehr.“ „Wie unhöflich und geschmacklos von dir, selbst wenn es wahr wäre“, rief ich erbost aus und Anita schlich betreten weg. Am nächsten Tag wartete eine E-Mail, in der sie sich tausende Male für ihren Ausruf entschuldigte, aber sie trat weiterhin in ein Fettnäpfchen nach dem anderen. Sie kannte keine Grenzen oder wollte diese nicht respektieren. So gab sie einer Klientin meine private Handynummer, die sie hilfsbereit extra aus dem Telefonbuch heraussuchte. „Bist du verrückt? Wie konntest du das tun? Klienten geben wir keine privaten Nummern.“ „Sie hat so bedauernswert ausgeschaut. Ihre Katze ist ihr entlaufen.“ „Die Katze ist kein verlorenes Gut. Die gehört in eine andere Abteilung“, maßregelte ich sie. Daraufhin sahen wir einander nicht mehr. Anita war gekränkt, klopfte am Morgen nicht mehr an die Tür, wenig später erfuhr ich, dass sie in eine andere Sektion gewechselt hatte, drei Stockwerke tiefer. Winter, Frühling und Sommer zogen ins Land und meine Beziehung zu Sue zerbrach endlich. Vor lauter Lieblosigkeit meinerseits hatte sie sich endlich in eine andere verliebt. Und gestern ist mir Anita im Stiegenhaus begegnet, als ich stapelweise Berichte in eine Sitzung schleppte. Ich erkannte sie zuerst gar nicht, sondern war überrascht über den schlanken, wohlgebauten, blondlockigen Jungen, der mir entgegen die Treppe hinaufstürmte, eine erfrischende Erscheinung in diesem altbackenen Amt, dann erkannte ich, dass der Junge eine Frau war, dann, dass es sich um Anita handelte. Ich war wider Erwarten erfreut darüber, mein Unbewusstes reagierte schneller als mein Verstand und flüsterte: Fein, dass du diese schmucke, schlanke Gestalt...