E-Book, Deutsch, Band 2, 312 Seiten
Reihe: Frederike Suttner
Revers Komm gut heim
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-95441-590-8
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eifelkrimi
E-Book, Deutsch, Band 2, 312 Seiten
Reihe: Frederike Suttner
ISBN: 978-3-95441-590-8
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Tod geht durchs Dorf -
Ein neuer Fall für die Eifeler Miss Marple
"Ich fresse einen Besen, wenn das ein natürlicher Tod ist!" - Während Doktor Hoffmann bei der toten Martha Bethmann auf Herzinfarkt tippt, ist sich Frederike Suttner sofort sicher: Hier hat irgendjemand nachgeholfen.
Mit ihrem Mordverdacht sorgt die pensionierte Kriminalkommissarin in dem beschaulichen Eifeldorf für erhebliche Aufregung. Eigentlich wollte sie gemeinsam mit Kater Hannelore in Ruhe ihre Rente genießen, doch plötzlich stolpert sie über mehrere "natürliche" Todesfälle. Ihr Misstrauen ist geweckt.
Geht es hier wirklich mit rechten Dingen zu? Wer hat Martha auf dem Gewissen? Und was ist mit den anderen Toten? Unterstützt von ihrer Freundin Klara, versucht Frederike, dem Mörder auf die Spur zu kommen. Und das hat für sie fatale Folgen ...
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Donnerstag, 29. Oktober
Behutsam strich Frederike mit der Hand über die Bettdecke. Patchwork mit roten Rosen und verschiedenen grafischen Mustern. Echte Handarbeit. Da hatte sich jemand richtig Mühe gegeben. Die Decke lag am Fußende des altmodischen Doppelbetts aus weißem Schleiflack und bedeckte die Beine einer Frau. Einer toten Frau. Frederike seufzte leicht. So schnell konnte es gehen. Gestern noch putzmunter und dann in der Nacht friedlich entschlafen. Eigentlich ganz schön, so zu sterben. Sie betrachtete das entspannte Gesicht der Toten, die über dem Bauch gefalteten Hände. Anscheinend hatte der Tod sie im Schlaf erwischt, ein sanftes Hinübergleiten, ein verlöschender Atemzug. Frederike hatte schon einige Leichen gesehen – als pensionierte Kriminalkommissarin und ehemaligen Mordermittlerin war das lange Jahre ihr »Tagesgeschäft« gewesen – doch selten war ihr der Tod so friedvoll erschienen. Grete betrat das Schlafzimmer, die Arme voller Bügelwäsche. »Mensch, ich bin froh, dass du hergekommen bist! Irgendwie ist das schon gruselig. Ich habe den Eindruck, Martha schlägt jeden Moment die Augen auf und wundert sich, was wir in ihrem Schlafzimmer treiben.« »Apropos treiben: Was treibst du da eigentlich?« Frederike beäugte den Wäscheberg, den Grete, ihre Freundin und Sangesschwester, inzwischen in einem Korb deponiert hatte. »Ich räume schon mal ein bisschen. Bis sie kommen, um Martha abzuholen, dauert es ja noch eine Weile.« Grete sank auf einen Stuhl und schaute die Tote an. »Ich habe sie heute Morgen so gefunden. Das war …«, sie schluckte hörbar, »… schrecklich! Normalerweise sitzt Martha um die Zeit schon in der Küche und wartet auf mich. Seit sie die Schulter gebrochen hatte, helfe ich ihr bei der Hausarbeit, denn sie konnte den Arm nicht mehr über den Kopf heben. Aber heute war alles so still …« Frederike betrachtete ihre Freundin voller Mitgefühl. Normalerweise war Grete nicht kleinzukriegen, aber nun, so zusammengesunken auf ihrem Stuhl, wirkte sie richtig zerbrechlich. »Wie war sie so?« Grete zuckte zusammen, die Frage hatte sie aus ihren Grübeleien gerissen. »Martha? Eine tolle Frau. Sie ist gerade siebzig geworden, aber das hast du ihr nicht angesehen. Sie war noch eine richtige Schönheit. Allerdings hat ihr die Schultergeschichte wirklich zu schaffen gemacht. Es war ihr ziemlich unangenehm, mich um Hilfe zu bitten.« Frederike betrachtete die Tote. »Echt? Siebzig? Da hat sie sich gut gehalten!« »Ja, sie hat sehr auf sich geachtet, immer zurechtgemacht und schick gekleidet. Da kam ich mir mit meiner Kittelschürze ganz schön altbacken vor.« Grete schaute auf ihren blau-grau karierten Kittel. »Aber praktisch sind die Teile schon!« Frederike schnaubte: »Praktisch, aber potthässlich. Ich frage mich schon lange, warum du die Dinger noch trägst.« Grete schaute sie erzürnt an. »Hallo? Mal ein bisschen nett, ja! Ich habe gerade einen Schock erlitten.« Frederike biss sich auf die Lippen und schmunzelte dann in sich hinein. Gut so, sie hatte es geschafft, Grete aus ihrem Trübsinn herauszureißen. »Wie gut kanntest du sie?« »Na ja, ich habe jetzt seit drei Monaten bei ihr nach dem Rechten gesehen. Am Anfang musste ich ihr sogar aufs Klo helfen, weil sie mit einem Arm nicht parat kam. Das schweißt zusammen. Sie war wahnsinnig witzig …« Grete verstummte, Tränen traten ihr in die Augen, und sie schniefte leise. Frederike seufzte. Es hatte wohl doch nicht so gut geklappt mit der Ablenkung! Sie ging zu Grete und nahm sie in den Arm. Schweigend standen die beiden Frauen zusammen, Grete hatte den Kopf auf Frederikes Schulter gelegt und schluchzte leise. Frederike tätschelte ihr den Rücken. »Ist schon gut! Lass es raus!« Da klingelte es an der Tür. Grete schniefte noch einmal, dann machte sie sich los und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Das ist bestimmt der Doktor.« Sie öffnete die Tür, und ein kleiner Mann mittleren Alters schob sich an ihr vorbei. Er hantierte mit einem nassen Regenschirm. Anscheinend goss es draußen gerade in Strömen. »Guten Tag, die Damen. Es tut mir leid, aber es ging nicht früher. Mein Wartezimmer ist immer noch voller Patienten. Wo finde ich Frau Bethmann?« Grete deutete auf die Schlafzimmertür. »Da drinnen. Sie liegt im Bett!« Der Mann schob sich mit seiner Arzttasche an Grete vorbei, nickte Frederike zu und betrat das Schlafzimmer. Die Frauen folgten ihm. Stumm betrachtete er die tote Frau. »Der Notarzt hat den Tod heute früh festgestellt, meinte aber, Sie müssten die Leichenschau noch vornehmen«, versicherte Grete eilig. Doktor Hoffmann zückte den Totenschein. Ohne auch nur die Bettdecke zu heben oder einen näheren Blick auf den Leichnam zu werfen, beeilte er sich, das Formular auszufüllen. Als er Frederikes fragenden Blick bemerkte, ging er in die Offensive. »Frau Bethmann war viele Jahre meine Patientin. Ihr Blutdruck war viel zu hoch, und sie hat ihre Medikamente nur unregelmäßig genommen. Da ist ein solcher Todesfall nicht unüblich.« »Ja, aber muss man das denn nicht genauer untersuchen?«, wunderte sich Frederike. »Du liebe Güte, wenn wir bei jedem alten Menschen, der im Bett stirbt, eine Obduktion durchführen ließen, würde uns die Staatsanwaltschaft ganz schön aufs Dach steigen. Nein, nein, bei dem Alter, der Vorerkrankung und der Art und Weise, wie sie hier liegt, ist die Sache klar.« Er füllte das Formular zu Ende aus. Dann guckte er auf seine Uhr. »Ich muss dringend zurück, gleich kommen auch noch die Terminpatienten. Heute ist aber auch wirklich der Wurm drin!« Er beeilte sich, die Tasche zu packen, schnappte seinen Schirm und nickte Grete zu. »Sie können die Leiche jetzt abholen lassen!« Grete hob den Wäschekorb hoch. »So ein Arsch! Die Leiche! Martha war mehr als zwanzig Jahre seine Patientin, und er nennt sie nicht mal beim Namen. Ich rufe noch mal beim Bestattungsunternehmen an und sag Bescheid. Dann kümmere ich mich um die Wäsche.« Frederike schaute sie verwirrt an. »Du willst jetzt bügeln?« »Ja, Bügeln hilft! Ich gehe in die Küche.« Grete verließ das Zimmer mit Korb und Bügeleisen. Frederike betrachtete erneut das Bett. Anscheinend hatte Martha schnell gefroren, denn obwohl die Heizung lief, war sie mit einem Federbett zugedeckt und hatte zudem die schwere Patchworkdecke auf den Füßen. Frederike geriet schon beim bloßen Anblick ins Schwitzen. Ihr Blick glitt durch das Zimmer. Doppelbett. Anscheinend war Martha geschieden oder verwitwet. Das Mobiliar stammte sicher aus den Siebzigern. Gute Qualität, aber inzwischen unmodern. Ein Toilettentisch mit großem Spiegel stand an der Wand. Zahlreiche Tiegelchen und Schminksachen verrieten, dass sich Martha viel Zeit für ihre Schönheitspflege genommen hatte. Tja, von nichts kommt nichts! Frederike zögerte kurz, dann öffnete sie die oberste Schublade. Irgendwie konnte sie nicht aus ihrer Haut. Unterwäsche! Eine bunte Mischung aus Liebestötern, praktischen weißen Schlüpfern und – sie staunte nicht schlecht – zwei Stringtangas in roter und schwarzer Spitze. Eine Erinnerung an bessere Zeiten? Frederike überprüfte die Kleidergrößen. Alles Größe 40. Nicht schlecht für das Alter! Anscheinend passten die Teile noch. Sie verschloss die Schublade und ließ den Blick weiterwandern. An der Wand hingen zahlreiche Fotos: Martha allein, Jugendfotos, eine wirklich hübsche junge Frau. Martha mit einem Mann. Der Ehemann? Aber es gab kein Hochzeitsfoto. Ein Paar mit kleinem Jungen. Die Ähnlichkeit zwischen der Frau und Martha fiel ins Auge. Ihre Schwester? Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Hoffentlich kam der Leichenbestatter bald. Grete hatte Frederike vor einer guten Stunde angerufen und sie gebeten rüberzukommen, um ihr beizustehen. Sie hatten dann gleich den Arzt und das Bestattungsunternehmen informiert. Grete hatte die Tote heute früh in ihrem Bett liegend gefunden und den Notarzt kommen lassen. Sie war schwer getroffen von Marthas Tod. Frederike war froh, dass sie jetzt bügelte und damit anscheinend einen Weg für sich gefunden hatte, mit der Situation zurechtzukommen. Jeder hatte da ja so seine Methoden! Frederikes Methode war es, sich alles genau und in Ruhe anzuschauen, als wäre sie an einem Tatort. So verschaffte sie sich professionelle Distanz zum Geschehen. Sie hatte Martha zwar nicht gekannt – sie wohnte am anderen Ende des Dorfes –, aber Gretes Trauer hatte...