Reitemeyer / Knillmann | Menschliche Gesellschaft 4.0 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Reitemeyer / Knillmann Menschliche Gesellschaft 4.0

(Christliche) Beiträge zum Digitalen Wandel
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-451-82101-1
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

(Christliche) Beiträge zum Digitalen Wandel

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

ISBN: 978-3-451-82101-1
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Digitale Wandel verändert unsere Gesellschaft so stark wie der Buchdruck oder die Industrialisierung. Dieser Wandel wird mit Euphorie oder Skepsis beobachtet. Wie stellen wir uns eine Gesellschaft vor, die digital und gleichzeitig menschlich ist? Wie wirkt sich das auf unser Menschenbild, die Arbeitswelt, Demokratie und Pflege aus? Haben Christen etwas dazu zu sagen?

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Einführung
ROLAND KNILLMANN / MICHAEL REITEMEYER »Willkommen in der Zukunft. Hier läuft alles rund. Arbeit, Freizeit und Beziehungen sind von Algorithmen optimiert. QualityPartner weiß am besten, wer zu dir passt. Das selbstfahrende Auto weiß, wo du hin willst. Und wer bei TheShop angemeldet ist, bekommt alle Produkte, die er haben will, automatisch zugeschickt. Ganz ohne sie bestellen zu müssen. Denn das System weiß, was du willst. Kein Mensch ist mehr gezwungen, schwierige Entscheidungen zu treffen, denn in QualityLand lautet die Antwort auf alle Fragen: o. k.«1 Das ist der Anfang des Werbefilms für QualityLand, einem beeindruckenden und gleichzeitig beunruhigenden Buch von Marc-Uwe Kling. Worum geht es? Um den Digitalen Wandel. Der Digitale Wandel verändert alles. Das darf man wörtlich nehmen. Es ist mittlerweile ein Allgemeinplatz, die Zeit des Umbruchs, in der wir stehen, mit der Entstehung der Sprache, der Erfindung der Schrift oder des Buchdrucks zu vergleichen. Trotzdem ist die Feststellung korrekt. Wir spüren das im Alltag. Einige willkürliche Beispiele: Das Smartphone macht uns überall erreichbar. Die Taschencomputer haben eine Rechnerleistung, die weit über das hinausgeht, was selbst ein guter PC vor einigen Jahren unter der Haube hatte. Zum Zeitpunkt, als diese Zeilen geschrieben werden, wird große Hoffnung auf eine Corona-Warn-App gesetzt, die helfen soll, Infektionsketten sehr früh zu identifizieren und zu unterbrechen. Sprachassistenten wie Alexa und Siri erheben den Anspruch, das Leben zu erleichtern und bequemer zu machen; sie schaffen blitzschnelle Zugänge zu fast allem, was wir wollen. Spotify, Deezer, Netflix, Amazon Prime usw. ermöglichen teils kostenlos, teils für kleines Geld unmittelbaren Zugang zu Millionen von Musik- und Filmtiteln. Das alles geschieht sofort. Ist das alles kostenlos? Natürlich nicht. Die Digitalwirtschaft steht in immensen wirtschaftlichen Zusammenhängen. Basisfaktoren sind die Unmengen von Daten, die mittlerweile jede Sekunde generiert werden, ihre Analyse und die faszinierenden Möglichkeiten, die auf diesem Weg eröffnet werden. Sieben der zehn wertvollsten Unternehmen der Welt verdienten 2019 ihr Geld im Internet.2 Es geht also auch um sehr viel Geld und sehr viel Macht. Der Münchner Soziologe Armin Nassehi nennt das »Plattformkapitalismus«. Dabei komme es nicht darauf an, was da angeboten werde, »sondern … welche Daten anfallen«. Das Produkt sei lediglich Vehikel zur Abschöpfung von Daten für weitere Geschäfte.3 Vieles von dem, was den Digitalen Wandel ausmacht, spielt sich im Rücken des Alltags ab, ist zunächst kaum oder gar nicht wahrnehmbar. Oder wissen Sie, welche Daten Ihr Auto erfasst, speichert oder gar an den Hersteller sendet, wenn Sie den Zündschlüssel umdrehen? Wissen Sie, was Ihr Smartphone über Sie weiß und mit wem es dieses Wissen teilt? Können Sie einschätzen, weshalb Google Ihnen gerade die Treffer zeigt, die Sie bei bestimmten Suchbegriffen sehen, und nicht die Treffer, die zum Beispiel Ihr Nachbar bei den gleichen Suchbegriffen geliefert bekommt? Die Entwicklung geschieht in atemberaubender Geschwindigkeit und in nicht zu durchschauender Komplexität. Die allermeisten Zeitgenossinnen und Zeitgenossen sind völlig überfordert. Das gilt für normale Bürgerinnen und Bürger, für Politikerinnen und Politiker und auch für Kirchenleute. Es bleibt ein Schwanken zwischen staunender Faszination, Resignation und alltäglicher, fast gleichgültiger Akzeptanz. Beinahe verloren geht die Wahrnehmung, dass in dieser Dynamik auch Linien verschoben werden, die nicht mehr einzuholen sind: gesellschaftliche Autonomie, individuelle Freiheitsrechte, das normative Bild des Menschen. Die Überforderung, die durch Geschwindigkeit und Komplexität verursacht wird, geht hier direkt in Gleichgültigkeit über, die mit dem resignierten Stoßseufzer einhergeht, dass man doch sowieso nichts machen könne. Die beiden Autoren dieses Beitrags sind davon überzeugt, dass dies die falsche Perspektive ist, auf die aktuellen Entwicklungen zu schauen. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Umbrüche geschehen nicht von allein, sondern sind zumindest zum Teil gestaltbar. Wem überlassen wir die Gestaltung – und damit die Antworten auf die Frage, was der Mensch ist –, wie die Arbeitswelt sich verändert, ob unsere Demokratie zukunftsfähig ist, wie die Pflege älterer Menschen zukünftig vonstatten gehen soll? Sollen wie in Marc-Uwe Klings QualityLand die Algorithmen und die Firmen, die sie programmieren, die Antworten geben, oder wollen wir mitreden? Dieses Buch ist der Rückblick auf eine Fachtagung, die im Juli 2019 vom Caritasverband für die Diözese Osnabrück e. V. und dem Ludwig-Windthorst-Haus, der Katholisch-Sozialen Akademie des Bistums Osnabrück, ausgerichtet wurde. Die zentrale Frage, die der Tagung »Menschliche Gesellschaft 4.0« zugrunde lag, lautete: Was haben Christen zu diesen Fragen zu sagen? Was sollten sie sich sagen lassen? Damals wie heute ist der Befund ziemlich ernüchternd: Suchen Sie mal in Buchhandlungen, in den Feuilletons der großen Zeitungen, im Internet nach reflektierten christlichen Stimmen. Da gibt es nicht viele. Manchmal hört man aus kirchlichen oder theologischen Kreisen mahnende Stimmen, die die Bedrohungen und Gefahren an die Wand malen. Das ist bestimmt wichtig – aber so gestaltet man keine Zukunft. Wer Zukunft mitgestalten will, braucht eine Vision, einen positiven Entwurf seines Ziels. Eine Haltung, die nur abgrenzt und verneint, ist nicht nur kontraproduktiv, sondern überflüssig. Dieses Anliegen hat auch der Deutsche Caritasverband aufgegriffen, der seine Jahreskampagne 2019 unter das Motto #sozialbrauchtdigital gestellt hat.4 Die Vision des katholischen Wohlfahrtsverbandes: »Digital ist sozial!«5 In den sozialpolitischen Positionierungen der Caritas finden sich Ansätze, mit denen die Basis christlichen gesellschaftlichen Engagements neu durchdekliniert und weiterentwickelt werden könnten. Denn: Seit mehr als hundert Jahren hat die katholische Kirche mit der christlichen Soziallehre eine hervorragende Basis, von der aus wir in die Diskussion ziehen könnten. Worum geht es bei alledem? Nicht um die Frage, was Technik kann, so faszinierend sie auch sein mag. Es darf auch nicht allein um die Frage gehen, wer das meiste Geld oder die größte Macht hat. Es muss um die uralte Frage gehen, was das gute Leben ist, wie Technik und Wirtschaft dem Menschen nutzen. Oder, wie Harald Welzer formuliert: »Die Frage, was das gute Leben ist, bildet die unabhängige Variable, die Mittel, mit denen man es am besten verwirklichen kann, die abhängige.«6 Es geht letztlich auch um die Frage, mit welchem Bild des Menschen wir an die Vision unserer Zukunft herangehen. Das wird gerade in den Tagen deutlich, in denen dieses Buch zur Veröffentlichung vorbereitet wird: Der größenwahnsinnige Fort-schrittsoptimismus und die Hybris, mit der manche Protagonisten des Digitalen Wandels den Menschen als gottgleich fantasieren, wird gebrochen durch ein mikroskopisch kleines Virus. Die Coronapandemie bedroht innerhalb von Wochen die gesamte Welt. Wo immer es letztlich seinen Ursprung genommen hat – es ist ein biologisches, kein digitales Virus, das zu einer ungeahnten Gefahr wird. Die Heldinnen und Helden dieser Krise leben und arbeiten nicht im Silicon Valley, sondern stehen an Kranken- und Pflegebetten, an den Kassen der Supermärkte oder sitzen hinter Lkw-Lenkrädern, um die Lieferketten nicht abreißen zu lassen. In der Krise wird zugleich ganz konkret deutlich, welche Chancen der Digitale Wandel bergen kann: Die bereits erwähnte Corona-Warn-App könnte die Verbreitung des Virus erheblich ausbremsen. Die Möglichkeit, wenigstens per Video-Chat mit Familienmitgliedern oder Freunden in Kontakt zu bleiben, hat vielen Menschen die Isolation etwas erleichtert. Wenn wir den Horizont weiterziehen und von der Coronakrise weg auf andere Einsatzgebiete digitaler Technik schauen, ergibt sich eine Fülle weiterer positiver Perspektiven. Die Analyse von Big Data und der Einsatz komplexer Algorithmen muss nicht zwangsläufig in den Überwachungsstaat oder zur Entmündigung der Bürgerinnen und Bürger führen. Im Gegenteil: Klug eingesetzt können algorithmische Analysesysteme zum Beispiel Benachteiligungen identifizieren und damit die Ansatzpunkte liefern, mit denen kluge Sozialpolitik Chancen verbessern und bislang benachteiligte Menschen fördern kann. Diese Liste lässt sich beliebig verlängern. Wenn Christinnen und Christen, wenn kirchliche Institutionen diese Chancen ergreifen, Risiken identifizieren und minimieren und die Zukunft unserer Gesellschaft mitgestalten wollen, dann müssen sie ins Gespräch gehen. Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner müssen die Gestalterinnen und Gestalter des Wandels sein. Von ihnen können wir lernen, mit ihnen müssen wir, wenn nötig, streiten. Ein Phänomen der Fachtagung »Menschliche Gesellschaft 4.0« hat uns, die beiden Organisatoren, überrascht: Mehrfach war in den Vorträgen der Wunsch, ja die Aufforderung zu hören: »Bringen Sie sich ein, denn wir brauchen Ihre ethische, theologische und menschliche Kompetenz, damit wir bei unserer Arbeit keine gravierenden Fehler machen!« Die behandelten Themenbereiche sind Spots auf wesentliche Entwicklungen. Sie sind willkürlich, aber nicht zufällig gewählt. Wenn wir über den Digitalen Wandel sprechen, dann brauchen wir dringend eine Diskussion um das Menschenbild, das sich – teils offen diskutiert, teils unter der Hand – verändert; wir müssen...


Knillmann, Roland
Roland Knillmann, geb. 1964, hat Theologie und Sozialpädagogik studiert. Seit 1993 arbeitet er bei der Caritas, zunächst als Suchttherapeut, dann als Pressesprecher für den Caritasverband für die Diözese Osnabrück e. V. bzw. für die Niels-Stensen-Kliniken. Seit 2018 ist er beim Osnabrücker Caritasverband Leiter der Abteilung Kommunikation und Grundfragen. Knillmann gehört zu den Treibern des Digitalen Wandels in der deutschen Caritas.

Reitemeyer, Michael
Michael Reitemeyer, geb. 1963, Dr. theol., Direktor der Katholisch-Sozialen Akademie des Bistums Osnabrück "Ludwig-Windthorst-Haus e.V.", zudem zuständig für die Bereiche Theologie, Politik und Kultur. Zuvor war er lange tätig im Landtag, Umweltministerium und Staatskanzlei NRW.

Michael Reitemeyer, geb. 1963, Dr. theol., Direktor der Katholisch-Sozialen Akademie des Bistums Osnabrück "Ludwig-Windthorst-Haus e.V.", zudem zuständig für die Bereiche Theologie, Politik und Kultur. Zuvor war er lange tätig im Landtag, Umweltministerium und Staatskanzlei NRW.
Roland Knillmann, geb. 1964, hat Theologie und Sozialpädagogik studiert. Seit 1993 arbeitet er bei der Caritas, zunächst als Suchttherapeut, dann als Pressesprecher für den Caritasverband für die Diözese Osnabrück e. V. bzw. für die Niels-Stensen-Kliniken. Seit 2018 ist er beim Osnabrücker Caritasverband Leiter der Abteilung Kommunikation und Grundfragen. Knillmann gehört zu den Treibern des Digitalen Wandels in der deutschen Caritas.



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