"Königliche Hoheit" unter den Schriftstellern des 20. Jahrhunderts und Freund der Psychoanalyse
Buch, Deutsch, 112 Seiten, GB, Format (B × H): 150 mm x 215 mm, Gewicht: 274 g
ISBN: 978-3-921836-60-6
Verlag: Verlag für Tiefenpsychologie
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
- Zum Geleit
- Psychographie und Pathographie Thomas Manns
- Roman I: Von der Sympathie mit dem Tode zur Weltbejahung und Lebensbürgerlichkeit
- Romane II: Von der Humanisierung des Mythos zur spielerischen Bewältigung des Daseins
- Wenn schon Dichter, dann poeta doctus: das essayistische Gesamtwerk
- Thomas Mann und die Politik
Zum Geleit
Ich habe immer die These vertreten, dass die große Weltliteratur zum Forschungs- und Lernpensum der Tiefenpsychologie gehört. In dieser Auffassung wurde ich durch die drei Gründerväter der Psychotherapie (Sigmund Freud, Alfred Adler, C.G. Jung) bestärkt. Sie waren in Bezug auf die Dichtung aller Zeiten kenntnisreich. Man muss nur ihre Schriften zur Hand nehmen, um zu sehen, wie sehr sie ihre Theorie und Praxis durch die Lebensweisheit der Dichter untermauerten.
Von dieser Haltung ist die akademische Psychologie seit langem durchaus abgewichen. Sie ist zu den Modellen der Naturwissenschaft zurückgekehrt und will durch scheinbar exakte Methoden gründliche Kenntnis der seelischen Tatsachen ermitteln. Aber ihre pompösen und hochmütigen Programme hat sie bis jetzt nie eingelöst. Man verspricht uns Forschungsresultate, doch diese bleiben aus. Offenbar befindet man sich auf einem Irrweg, den man nicht zugeben will.
Ich habe vor einiger Zeit mit Psychologiestudenten gesprochen und sie darüber befragt, ob sie im Studium mit der Tiefenpsychologie und den angrenzenden Disziplinen vertraut gemacht wurden. Man sagte mir, dass die Texte und Ideen der Psychoanalyse Tabu seien. Freud, Adler, Jung und ihre Schüler werden gar nicht erwähnt. Aber auch die anderen Klassiker einer dynamischen Seelen- und Seelenheilkunde werden totgeschwiegen. ,,Was lernt ihr denn nun?", fragte ich. Ich erhielt die Antwort: ,,Wir haben viel Mathematik, Statistik, Empirie usw. Auf diese Weise üben wir ein, exakt zu arbeiten."
Ich meine, dass das absurd ist. Man darf nicht hinter die analytische Lebens- und Seelenkenntnis zurückfallen. Auch sollte man die großen Dichter aller Zeiten als Seelenkenner präsentieren. Um ein Beispiel hierfür zu geben, versuche ich in der Folge, das Werk Thomas Manns psychologisch zu erhellen. Wenn ich meiner Aufgabe gewachsen bin, wird man sehen, dass sich das Studium solcher Autoren lohnt. Dabei gewinnt man Erkenntnisse, die auch für die eigene Lebensführung und Lebensgestaltung fast unentbehrlich sind. Der Leser möge allfällige Wiederholungen und Unebenheiten im Text nicht streng beurteilen. Wenn man als 89-Jähriger eine solche Arbeit unternimmt, kann man derlei nicht vermeiden.