Buch, Deutsch, 120 Seiten, GB, Format (B × H): 150 mm x 215 mm, Gewicht: 285 g
Ein Essay - Studienausgabe
Buch, Deutsch, 120 Seiten, GB, Format (B × H): 150 mm x 215 mm, Gewicht: 285 g
ISBN: 978-3-921836-58-3
Verlag: Verlag für Tiefenpsychologie
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
• Zum Geleit
• Bertrand Russell: Apologet von Frieden, Freiheit und Vernunft
• Werkanalyse
• Autobiographie
• Eine Anleitung für Skepsis im Leben und Denken
• Erziehung für eine bessere Welt
• Philosophie und Psychologie der Macht
• Ehe und Moral
• Die Eroberung des Glücks
• Geschichte der Philosophie des Abendlandes
• Religion und Atheismus
• Literatur
• Neuere Bücher von Josef Rattner
Zum Geleit
Vor etwa 60 Jahren (ich lebte damals in Zürich) besuchte ich meinen literarischen Mentor Max Rychner in seinem Redaktionsbüro. Er war Feuilleton-Redaktor in der Tageszeitung Die Tat, welche der Multi Millionär Gottlieb Duttweiler zur Förderung der Politik des sozialen Kapitals gegründet hatte. Ich fand Rychner bei der Lektüre eines von ihm verfassten Essays über 0. Spengler. In seiner liebenswürdigen Art wollte er mir einige Passagen vorlesen, um mein Urteil zu erfahren.
Ich fand, dass er den Autor von Der Untergang des Abendlandes (1918) allzu positiv würdigte und äußerte das freimütig. Rychner lachte und fragte mich, welche Einwände ich hätte. Ich meinte, mir gefalle die Grundthese des berühmten Historikers nicht. Ich glaubte nicht an die Verwandtschaft von Kulturen und Pflanzen; demnach sollten ja Kulturen wachsen, blühen und vergehen. Aber eine Kultur ist doch kein Blumenkohl! - sagte ich. Sodann hielt ich Spengler für erzkonservativ. Sein Menschenbild sei pessimistisch. In Der Mensch und die Technik (um 1930) hätte ich auch gelesen: Der Mensch ist ein Raubtier. Das erste Lebewesen, das er vor den Pflug spannte, war kein Zugtier, sondern der unterworfene und versklavte Mitmensch. Ich hätte meine Zweifel an dieser These.
Rychner wollte nicht diskutieren und fing an zu lachen. Er fragte, welchen Autor ich denn für gut fände. Entsprechend meiner Lektüre in jener Zeit erwiderte ich: Bertrand Russell. Er liebt die Menschen und will sie nicht demütigen. Er kämpft für Freiheit, Fortschritt und Vernunft. Darauf sagte mein Gesprächspartner, immer noch lachend: Der saugt seine Einsichten aus seiner immer brennenden Pfeife und ist auch nicht stets realitätsgetreu. Wir wandten uns anderen Themen zu.
Aber mein Urteil über Russell ist konstant geblieben. Ich schätze ihn immer noch hoch und bewundere viele seiner Bücher. Aber dem Alter entsprechend bin ich intellektuell gereift und habe da und dort auch an ihm etwas auszusetzen. Doch nichts Prinzipielles. Daher mein vorliegender Versuch, dem großen Mann ein bescheidenes Denkmal zu setzen. Russell ist noch aktuell, und seit seinem Tod 1970 ist seine Lebensleistung in mancher Hinsicht unerreicht geblieben. Er verdient weiterhin große Beachtung und Wertschätzung.
Berlin, Spätsommer 2016 Josef Rattner