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E-Book, Deutsch, 560 Seiten

Rajan Die dritte Säule

Warum wir in einer globalisierten Welt lokale Gemeinschaften brauchen

E-Book, Deutsch, 560 Seiten

ISBN: 978-3-96092-472-2
Verlag: FinanzBuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Globalisierung, die Finanzkrise und die digitale Transformation haben die drei Säulen, auf denen die Gesellschaft ruht – der Staat, die Märkte und die Gemeinschaft – ins Ungleichgewicht gebracht. Nur eine kleine Elite scheint von den neuen Paradigmen zu profitieren; die bürgerliche Mitte kämpft um den Erhalt ihres Status und die Schwächsten sind abgehängt. Zur Wiederherstellung des Gleichgewichts müssen alle Säulen wieder auf eine Ebene gehoben werden. Die Lösung liegt in der Stärkung lokaler, inklusiver Gemeinden als notwendigem Gegengewicht zu einem starken Staat und globalen Wettbewerbsmärkten.
Raghuram G. Rajan, ehemaliger IWF-Chefökonom und Ex-Gouverneur der indischen Zentralbank schreibt über eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Eine brillante und weitsichtige Analyse der aktuellen Gegenreaktion auf die Globalisierung von einem der wichtigsten Ökonomen unserer Zeit.
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VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE: UNSERE ZUKUNFT, UNSERE GEMEINDEN
Eines Abends im Februar fuhr mich meine Frau in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Ich hatte mir die Schulter ausgekugelt … ein Problem, mit dem man nicht bis zum normalen Tagesbetrieb warten kann, das aber nicht so ernst ist, dass man schnell drankommt. Während ich wartete, hatte ich viel Zeit, meine Umgebung zu beobachten. Was mir auffiel, war die große Zahl an älteren Mitbürgern, die allein gekommen waren und geduldig warteten, bis sie an der Reihe waren. Die Krankenschwestern und Pfleger tun ihr Bestes, aber selbst in guten Krankenhäusern ist es von unschätzbarem Wert, wenn man auf einen Freund oder ein Familienmitglied zählen kann, das sich um die kleinen Bedürfnisse kümmert und bei ernsteren Problemen Hilfe holt. Diese Menschen hatten niemanden, der ihnen im Alter half. Ich bin Ökonom. Üblicherweise sprechen wir über Zinsen und Fiskalpolitik, nicht über Freunde und Familie. Dennoch fiel mir auf, dass die Notaufnahme eines Krankenhauses und die wachsenden Wirtschaftsprobleme in den entwickelten Ländern eines gemeinsam haben – sie schwächen die Gemeinschaft. Das will ich erklären. In den Industrieländern der Welt bewegt sich die Arbeitslosenquote auf dem niedrigsten Niveau seit zehn Jahren, dennoch sind viele Menschen unzufrieden. Sie halten sich für Opfer des technologischen Wandels und der Globalisierung, und ihre Unzufriedenheit trägt verschiedene Etiketten – Trump, Brexit, Gelbwesten. Im Wesentlichen handelt es sich jedoch um eine Geschichte vernachlässigter Gemeinden, die hinter anderen, prosperierenden Gemeinden zurückbleiben. Der technologische Wandel und die Globalisierung haben höchst unterschiedliche Effekte innerhalb eines Landes. Arbeitnehmer, die in der Finanzdienstleistung und an einem globalen Finanzplatz wie Frankfurt arbeiten, profitieren enorm von der Möglichkeit, auf Knopfdruck mit der ganzen Welt zu handeln, und das spiegelt sich in ihren Gehältern und ihrem Lebensstil wider. Dagegen werden örtliche Gemeinden oft von der Schließung des einzigen großen Industriebetriebs und Arbeitgebers in der Region verheert, wie in Südwestengland, im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten und in Ostdeutschland geschehen. Nationale Indikatoren wie die Arbeitslosenquote vermitteln ein irreführendes Bild über den Wohlstand und verschleiern die Misere in einzelnen Regionen und Gemeinden. Für die betroffenen Gemeinden ist der Verlust der lokalen Arbeitsplätze der Anfang einer Abwärtsspirale. Wenn die wirtschaftlichen Chancen schwinden, beginnt der soziale Zerfall. Arbeitslose sind unattraktive Lebenspartner, daher sinkt die Zahl der Ehen, die Scheidungsrate nimmt zu, und es gibt mehr alleinerziehende Eltern. Die Verzweiflung begünstigt Alkoholismus und Drogenkonsum und gelegentlich das Abgleiten der Betroffenen in die Kriminalität. Auch ihre Gesundheit leidet. Ohne eine starke Gemeinde, die in einer solchen Situation Unterstützung bietet, wirkt sich diese Entwicklung außerdem negativ auf die Qualität lokaler Institutionen wie Schulen oder Community Colleges aus und beraubt sie der Fähigkeit, arbeitslosen Menschen dabei zu helfen, sich für die neu entstehenden Arbeitsplätze zu qualifizieren. Und was noch schlimmer ist: In einer Welt, in der die Qualität der eigenen Ausbildung und Kompetenzen so wichtig für den Erfolg ist, können Langzeitarbeitslose kaum auf eine rosige Zukunft für ihre Kinder hoffen. Der Niedergang einer Gemeinde entwickelt üblicherweise eine Eigendynamik. Die fähigsten Menschen – das sind oft auch die relativ jungen – gehen weg, um sich in einer prosperierenden Gegend niederzulassen, und nehmen ihre Kinder mit. Zurück bleiben die Alten, Schwachen und Nicht-Vermittelbaren. Unglücklicherweise erschwert die Globalisierung der Märkte es den Gemeinden, darauf zu reagieren und ihnen die Macht streitig zu machen. Der Grund: Unternehmen ziehen naturgemäß vor, dass auf allen Märkten, auf denen sie operieren, einheitliche Regeln herrschen, denn das senkt Kosten. In der Geschichte drängten die Unternehmen aufgrund des zunehmenden Binnenhandels auf verbindliche nationale Regeln, um einen reibungslosen Geschäftsablauf zwischen den Bundesstaaten, Bundesländern oder Provinzen ihres Landes zu gewährleisten: Ein Automobilhersteller will nicht, dass seine Autos je nach Bundesstaat, Bundesland oder Provinz andere Sicherheitsauflagen erfüllen müssen. Daher zogen die Nationalregierungen zulasten der Regionen und Kommunen immer mehr Kompetenzen an sich. Im Zuge der beschleunigten Globalisierung, die in den vergangenen Jahrzehnten stattgefunden hat, haben die Nationalregierungen ihrerseits zugunsten von supranationalen und internationalen Organisationen und Abkommen auf einen Teil ihrer Souveränität verzichtet. Zum Beispiel will die Europäische Kommission für Unternehmen in ganz Europa identische Voraussetzungen schaffen, daher wurde ein Großteil der Wirtschaftsregeln von der nationalen auf die EU-Ebene verlagert. Zwar brauchen strukturschwache Gemeinden eine differenzierte Antwort auf die Kräfte, die ihnen zu schaffen machen, aber sie haben nun weniger Macht und Einfluss (oder Finanzmittel), um sich selbst zu helfen. Hat die Nationalregierung die Möglichkeit, den Niedergang der Gemeinden aufzuhalten? Nicht im Alleingang, weil sie die örtlichen Gegebenheiten beziehungsweise die ortsspezifischen politischen Instrumente nicht gut genug kennt. Die niedrigen Zinssätze werden nicht dazu beitragen, die Investitionen in eine Gemeinde zu erhöhen, in der Drogen und Kriminalität Wirtschaftsunternehmen davon abschrecken, sich dort anzusiedeln. Selbst Steueranreize für die Schaffung von Arbeitsplätzen in struktur- und sozialschwachen Gemeinden lassen unter Umständen nicht die richtigen Arbeitsplätze entstehen. Amazons Entscheidung, eine neue Unternehmenszentrale im New Yorker Stadtteil Queens auf Long Island zu bauen, mit der Aussicht auf 25 000 Arbeitsplätze und durchschnittliche Jahresgehälter von mindestens 150 000 Dollar, wäre das ideale Ergebnis eines solchen Steueranreizes gewesen. Dennoch lehnten verschiedene Lokalpolitiker dieses Vorhaben ab. Zu wenig Bürger der lokalen Standortgemeinde wären für diese Arbeitsplätze qualifiziert gewesen. Es herrschte die Befürchtung, der Zuzug gut bezahlter Arbeitskräfte aus anderen Gegenden könnte die Mieten und Grundsteuern in die Höhe treiben und die alteingesessenen Bewohner verdrängen. DIE ANTWORT LIEGT IN DEN GEMEINDEN SELBST
Was sollten wir tun? Jede Gemeinde sollte von dem unstrittigen Produktivitätsanstieg als Folge des technologischen Wandels und der Globalisierung profitieren. Paradoxerweise gibt es aber keine magischen weltpolitischen Tasten, die man nur zu drücken braucht. Stattdessen müssen die Antworten aus der Gesellschaft, um nicht zu sagen den betroffenen Gemeinden selbst kommen. Deren Herausforderung besteht darin, die unterbrochenen Verknüpfungspunkte zu den prosperierenden nationalen und globalen Ökonomien zu finden und zu reparieren, damit sie wieder auf den Wachstumspfad zurückfinden können. In einer Reihe von erfolgreichen Turnarounds, mit denen ich mich eingehend beschäftigt habe, stechen fünf Elemente hervor: Führung, Engagement, Stärkung, Finanzierung und Infrastruktur. FÜHRUNG Einige Kilometer von meinem Wohnort entfernt befindet sich die hispanisch-amerikanische Gemeinde Pilsen, ein Vorort von Chicago, der Anfang der 1990er-Jahre buchstäblich einer Kriegszone glich. Auf der Hauptdurchgangsstraße bekämpften sich auf einem Abschnitt von drei Kilometern 21 verschiedenen Gangs und sorgten für eine erschütternd hohe Zahl an Mordopfern. Es war völlig klar, dass die erste Aufgabe darin bestand, die Kriminalität zu senken. Aber wer würde diese Initiative anführen? Zerfallende Gemeinden brauchen starke Führungspersönlichkeiten, die alle lokalen Gruppen, zum Beispiel Verwaltungsbeamte, Lehrkräfte, Unternehmer, Kirchengruppen und Gemeindemitglieder, hinter sich versammeln, um eine echte Veränderung zu bewirken. Es ist schwierig, eine solche Führungspersönlichkeit in einer zerfallenden Gemeinde zu finden, weil die formale Führung gelähmt ist und viele fähige Leute weggezogen sind. In Pilsen ergab sich diese Führung aus der Verzweiflung heraus. Als ein örtlicher Pastor vor seiner Kirchentür eine Leiche fand und seine Glaubensgemeinde fragte, wer die Verantwortung für den Wiederaufbau der Gemeinde übernehmen wolle, meldete sich eine Gruppe junger Gemeindemitglieder. Aus ihrem Kreis wählten sie einen Anführer für ihr Projekt, das sie passenderweise »Resurrection Project« – Wiederauferstehungsprojekt – tauften. Heute, Siebenundzwanzig Jahre später übt der damals gewählte Leiter des Projekts seine Rolle noch immer aus. Es lässt sich aber noch mehr tun, um gute Leute zurück in ihre Heimatgemeinde zu locken und den Talentpool für zukünftige Führungspersönlichkeiten zu erweitern. Zum Beispiel...


Raghuram G. Rajan war Chefökonom des Internationalen Währungsfonds und Gouverneur der Zentralbank Indiens. Er ist Absolvent des MIT und war der erste Empfänger des renommierten Fischer Black Prize. 2013 gewann er den Deutsche Bank Prize in Financial Economics. Heute ist er stellvertretender Vorsitzender der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und lehrt an der Universität von Chicago.


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