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E-Book, Deutsch, Band 2, 464 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 215 mm

Reihe: Königreich Eckstein

Quiviger Eckstein

Die Maimädchen
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7152-7015-9
Verlag: Atlantis Kinderbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die Maimädchen

E-Book, Deutsch, Band 2, 464 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 215 mm

Reihe: Königreich Eckstein

ISBN: 978-3-7152-7015-9
Verlag: Atlantis Kinderbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



König Tibald ist wieder in Sicherheit. Nachdem er der Catastrophe, dem gefährlichen Wald im Süden Ecksteins, entkommen konnte, versuchen er und seine Gemahlin Ema wieder in die Normalität zurückzufinden. Aber Tibald ist nicht mehr derselbe: Nachts plagen ihn Albträume, tags driften seine Gedanken ab, und er kann sich an nichts mehr erinnern. Ecksteins König ist unfähig zu regieren. Dabei darf der Thron des Inselreichs niemals länger als zwölf Tage unbesetzt bleiben - und Jesko kann es kaum erwarten, den Platz seines Halbbruders einzunehmen. Gemeinsam mit ihren Vertrauten versucht Ema, Tibald zu heilen und die Geheimnisse der Catastrophe zu ergründen. Doch auch Ema quält ein dunkles Geheimnis: Um Tibald zu retten, war sie gezwungen, mit dessen Stiefmutter Sidra einen Pakt zu schließen: Sie muss der Catastrophe ihr ungeborenes Kind als Maimädchen opfern. Und nicht nur am Königshof, auch im restlichen Land stehen die Zeichen schlecht: eisige Temperaturen, knappe Lebensmittelvorräte und eine herannahende Epidemie machen den Bewohnern Ecksteins das Leben schwer.

Pascale Quiviger, 1969 in Montreal geboren, hat als Kind häufig gehört, dass sie sich zwischen dem Schreiben und dem Malen entscheiden müsse. Doch das hat sie bis heute nicht getan. Nach ihrem Studium der Philosophie und bildenden Künste zog sie zunächst nach Italien, wo sie Zeichenkurse gab. Ihre visuellen Arbeiten wurden in Kanada und Italien ausgestellt. Heute lebt sie mit ihrer Familie im englischen Nottingham. Ihre literarischen Werke wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter auch die vierteilige phantastische Abenteuersaga Eckstein.
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1


Es hatte die ganze Nacht geschneit. Eckstein erwachte unter einer dicken weißen Decke, wie das noch leere Blatt einer ganz neuen Erzählung. Die Geräusche waren gedämpft, die Vögel versteckten ihre Schnäbel im Gefieder, das Meer war glatt, der Himmel klar. Ema schlief. Sie lag im Bett des königlichen Gemachs, und neben ihr hatte Tibald sich bis in die frühen Morgenstunden unruhig bewegt. Sie war ihn holen gegangen, hatte ihn im Schneesturm nach Hause gebracht, ohne von jemandem gesehen zu werden. Alle hielten Tibald noch immer für einen Gefangenen der Catastrophe, wo er vier Tage zuvor auf rätselhafte Weise verschwunden war. Alle außer Königin Sidra, mit der Ema einen ungeheuerlichen Pakt geschlossen hatte: Tibalds Freiheit im Tausch gegen die Prinzessin, deren Geburt im Frühling erwartet wurde.

Seit dem vergangenen Abend hielt Ovid vor Emas Suite Wache. Er wusste nicht, dass von ihrer Kleiderkammer ein Geheimgang abging, den sie benutzt hatte, um nach draußen zu gelangen; er wusste nicht, dass er eine leere Suite bewachte. Im Schloss wurde es allmählich lebendig, und da von der Königin kein Mucks zu hören war, dachte er, sie würde lange ausschlafen. Doch je mehr Zeit verging, desto unwahrscheinlicher wurde die Sache mit dem Ausschlafen. Emas Kammerzofe Madeleine überredete Ovid schließlich dazu, an die Tür zu klopfen. Als keine Antwort kam, erhob sich Ovid vorsichtig auf seine dicken Zehenspitzen und trat ein. Keine Königin.

Ovid geriet in Panik und stürzte ins Nebenzimmer.

»LUKAS! DIE KÖNIGIN IST VERSCHWUNDEN!«, schrie er.

Lukas richtete sich auf einen Ellenbogen auf und rieb sich die Augen.

»Was?«

»Die Königin! Sie ist weg, sage ich!«

Lukas sprang aus dem Bett, schlüpfte in seine Hose und rannte los, während er gleichzeitig seine Haare zusammenband.

»Verdammt, Ovid, du solltest sie doch bewachen!«

»Ich schwöre dir, ich hab mich nicht vom Fleck gerührt. Ich bin nicht mal eingenickt. Ich hab die ganze Nacht gepfiffen, um wach zu bleiben, Ehrenwort. Madeleine wartete schon länger drauf, dass die Königin ihr Frühstück bestellt, und hat an der Tür gehorcht, und als sie nichts hörte, nicht den kleinsten Laut, meinte sie zu mir, ich soll aufmachen. Kein Wunder, dass man nichts hören konnte, es ist ja auch keine Menschenseele im Zimmer! Die Königin hat sich verluftigt.«

»In Luft aufgelöst.«

»Sage ich ja: verluftigt. Ich frage dich, Lukas, will sie nun, dass man sie bewacht oder nicht? Also ehrlich!«

Ovid hielt sich den bandagierten Kopf. Seine Teilnahme an der (vergeblichen) Rettungsaktion, die den König den Fängen des Waldes entreißen sollte, war ihn teuer zu stehen gekommen. Es fühlte sich an, als steckte der Stein, der sein Auge zerschmettert hatte, noch irgendwo in seinem Schädel fest. Die Kopfschmerzen waren unerträglich.

»Jetzt beruhige dich«, sagte Lukas zu ihm. »Niemand kann sich einfach so in Luft auflösen.«

»Schau doch selbst nach!«, drängte Ovid und öffnete Emas Tür. »Sie hat sich verluft… verlüftigt … wie auch immer! Ob das wieder so ein Spuk ist, Lukas? Denn du weißt ja, ich und Geister …«

»Ich weiß, ich weiß.«

Lukas hatte jetzt anderes im Kopf als Ovids Geisterphobien. Die »Verluftigung« ließ sich in seinen Augen leicht erklären: Er durchquerte zügig das Boudoir und trat in die Kleiderkammer. Der Zugang zu dem unterirdischen Tunnel war zwar verschlossen, doch die Riegel waren nicht eingerastet und das Sitzbänkchen verschoben.

»Heilige Fresse!«, fluchte er.

»Na, hör mal, du sprichst immerhin von der Königin. Oder nicht?«, meinte Ovid.

»Ja. Nein. Ach, vergiss es.«

Lukas trat das Bänkchen wütend mit dem Fuß weg.

»Sieh doch nur, was du gemacht hast«, tadelte Ovid ihn und zeigte auf die Kratzer am Boden.

»Ich bin nicht der Erste.«

»Was meinst du damit?«

»Lass gut sein, Ovid. Ich weiß, wo sie ist.«

»Du weißt, wo sie ist?«

»Wir brauchen Manfred.«

Lukas hatte nicht nur verstanden, wie Ema nach draußen gelangt, sondern auch, auf welchem Wege sie wieder zurückgekommen war. Er selbst hatte sie am Vortag zum königlichen Arbeitszimmer begleitet, wo sie angeblich etwas in den Akten des Ältestenrats nachschauen wollte. Wahrscheinlich hatte sie den Moment genutzt und in Vorbereitung ihres heimlichen Ausflugs das Fenster geöffnet.

Da die königliche Suite in die Zuständigkeit des Kammerherrn fiel, wollte Manfred die Angelegenheit selbst überprüfen. Er schlich leise durch das Arbeitszimmer, wo ihm ein intensiver Geruch nach Pfefferminze und verbranntem Leder in die Nase drang, und folgte der nassen Spur aus geschmolzenem Schnee, die geradewegs zum Schlafgemach führte. Seinen eigenen Prinzipien zuwiderhandelnd trat er ein, ohne vorher anzuklopfen. In der nächsten Sekunde wich er schockiert zurück und schlug sich die Hände vor die Augen. Er hatte die krausen Locken der Königin und ihre milchkaffeefarbene Haut erkannt – jenen bärtigen Mann aber, der einen mageren Arm um sie gelegt hatte … Nein, den kannte er nicht.

Ehebruch? Im Schlafgemach des Königs?

Und er selbst hatte der untreuen Frau auch noch den Schlüssel ausgehändigt!

»Manfred, was ist denn?«, wollte Lukas wissen.

Der Kammerherr holte tief Luft, ja er atmete die Luft des gesamten Raumes ein.

»Die Königin«, erklärte er in einem so neutralen Ton, wie er vermochte, »liegt im Bett mit einem … Mann.«

»Mit einem was?«, rief Ovid.

»Ihr habt es doch gehört.«

»Einem was?«, fragte Ovid erneut.

»Ich werde Euch nicht auch noch eine Zeichnung anfertigen!«

Da tauchte Ema hinter Manfred auf. Mit flatternden Bändern, denn sie hatte sich hastig angekleidet, und nackten Füßen. Alle drei starrten sie ungläubig an.

»Was ist?«

Keiner von den Männern brachte ein Wort heraus.

»Ach, richtig. Bitte verzeiht, ich bin der Leibwache entwischt. Aber es wird mir wohl keiner vorwerfen, dass ich die Nacht mit meinem Mann verbracht habe.«

Die drei blickten immer verwirrter drein.

»Oder etwa doch?«

»Hoheit …«, setzte Manfred an, doch er wusste nicht weiter.

»Hoheit«, versuchte es nun Lukas, »redet Ihr etwa … vom König?«

»Aber Lukas, wie viele Ehemänner habe ich denn noch?«

Sie musterte die drei aufmerksam.

»Hat es euch den Verstand geraubt?«

Manfred hielt es nicht mehr länger aus. »Ihr erlaubt?«, flüsterte er mit einer raschen Verbeugung und eilte mit seinen langen, weichen Schritten ins Schlafgemach.

»Der König schläft«, warnte Ema ihn.

Manfred ging trotzdem bis ans Bett, beugte sich über Tibald und kam schnell wieder zurück. Er versuchte, sich eine Haltung zu geben, bevor er verkündete:

»Es ist der König.«

»Natürlich ist es der König!«, sagte Ema ungeduldig.

»Aber er sieht so … Er ist …«

»In einer schlechten Verfassung, ja.«

Tatsächlich hatte Tibalds Rückkehr nichts von der Rückkehr eines Herrschers. Er war völlig durcheinander. Die ganze Nacht hatte er gegen seine Albträume, sein Fieber und seine Bettdecke gekämpft und war immer wieder aus dem Schlaf geschreckt, mit einem ebenso furchterfüllten wie furchterregenden Blick.

»Außerdem hat er …«, begann Manfred und deutete mit seinen flatternden Fingern den Bartwuchs an. (Er verabscheute Härchen jedweder Art.)

»Ich weiß«, sagte Ema.

»Dabei hatte ich Benedikt doch angeraten, ihn jeden Morgen zu rasieren.«

»Das hat er auch. Benedikt hat ihn so gründlich rasiert, dass der König meinte, er werde wohl den Rest seines Lebens bartlos bleiben«, bemerkte Ovid mit einem nervösen Kichern.

»Wann war das?«, wollte Manfred wissen.

»Am Morgen seines Verschwindens. Vor vier Tagen.«

»Vergesst erst mal den Bart«, meinte Lukas. »Ich würde viel lieber wissen, wie er es geschafft hat zurückzukommen. Hoheit?«

»Er ist …«, begann Ema zögernd. »Er ist einfach zurückgekommen.«

»Wirklich, Hoheit? Er ist einfach so zurückgekommen, hat spätabends an seine Zimmertür geklopft, und rein zufällig wart Ihr dort, und zufällig auch noch ganz allein?«

»Ein bisschen mehr Respekt«, ermahnte Manfred ihn.

»Sagen wir, ich befand mich gerade im Arbeitszimmer, um eine wichtige Akte des Ältestenrats einzusehen, als er eintraf«, log Ema.

Damit gab sie Lukas deutlich zu verstehen, dass er sich nicht weiter einmischen sollte, aber er war zu wütend, um klein beizugeben. Nicht auszumalen, welche Risiken sie eingegangen war, um Tibald zurückzuholen …

»Und der König, Hoheit, wie erklärt er selbst seine Rückkehr?«

»Er erklärt gar nichts, Lukas«, antwortete sie scharf. »Er ist fiebrig und verwirrt, hat einen Blick wie ein gehetztes Tier, eine Narbe über das ganze Gesicht, einen Schopf weißen Haars und schlimme Albträume. Er … braucht Hilfe.«

»Ich werde unverzüglich Doktor Schnitzer und Doktor Zwillich holen«, versicherte Manfred und eilte durch die Tür, die er lautlos hinter sich schloss.

»Ovid«, bat Ema, »könntest du Blasius von Frixeln holen? Jetzt, wo sein Onkel nicht mehr da ist … Sagen wir, ich vertraue ihm mehr als den beiden Ärzten.«

»Gib unterwegs Madeleine Bescheid, dass wir die Königin gefunden haben, Ovid«, fügte Lukas hinzu. »Die Ärmste ist außer sich vor Sorge.«

Ema hörte den vorwurfsvollen Ton sehr wohl heraus.

»Und ruh dich danach aus, Ovid«, ergänzte sie...


Quiviger, Pascale
Pascale Quiviger, 1969 in Montreal geboren, hat als Kind häufig gehört, dass sie sich zwischen dem Schreiben und dem Malen entscheiden müsse. Doch das hat sie bis heute nicht getan. Nach ihrem Studium der Philosophie und bildenden Künste zog sie zunächst nach Italien, wo sie Zeichenkurse gab. Ihre visuellen Arbeiten wurden in Kanada und Italien ausgestellt. Heute lebt sie mit ihrer Familie im englischen Nottingham. Ihre literarischen Werke wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter auch die vierteilige phantastische Abenteuersaga Eckstein.

Marzolff, Sophia
Sophia Marzolff, geboren 1971, Studium der Romanistik und Slawistik. Sie arbeitet als freiberufliche Lektorin und übersetzt aus dem Tschechischen, Französischen und Italienischen. Sophia Marzolff lebt in München.



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