E-Book, Deutsch, 370 Seiten
Prescher Der Nachträcher schlägt zu
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-96215-440-0
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der siebte Fall für Mark & Felix
E-Book, Deutsch, 370 Seiten
ISBN: 978-3-96215-440-0
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
DONNERSTAG
4
Der nächste Morgen begann mit energischem Weckerklingeln. Völlig übermüdet schleppte sich Mark in den Flur, wo er von Felix bereits erwartet wurde. Sie wussten beide, was nun anstand: Ihre tägliche frühmorgendliche Joggingrunde. Nach über einem Jahr war ihnen diese gemeinsame Routine längst in Fleisch und Blut übergegangen. Daher schlüpfte Mark auch heute rasch in Hosen, T-Shirt und Turnschuhe, bevor es mit dem Hovawart in den angrenzenden Stadtpark ging. Um die Zeitungskästen am Bürgersteig machten sie absichtlich einen großen Bogen. Mark wollte gar nicht wissen, was für reißerische Schlagzeilen sich die Blätter für den gestrigen Vorfall ausgedacht hatten. Bestimmt war es eine comicartige Überschrift wie Der Nachträcher schlägt zu oder Im Visier des Nachträchers. Gern benutzt wurden dabei auch Adjektive wie blutig, fies und brutal. Da konzentrierte sich Mark lieber ganz auf seinen Morgensport und freute sich auf die anschließende heiße Dusche. Als Felix und er um kurz nach halb neun im Präsidium eintrafen, hielt sich lediglich Kollege Jan Schuster im Großraumbüro auf. Dass Dominik auf sich warten lassen würde, wunderte Mark kein bisschen. Die wenigen Male, die sein Partner vor ihm eingetroffen war, ließen sich an einer Hand abzählen. Bei seiner Ankunft einige Zeit darauf trug Dominik zumindest einen neuen Anzug, obgleich der ebenso schlecht saß wie der gestrige. Ein stacheliger Dreitagebart zierte sein Kinn und seine Wangen. Außerdem hielt sich seine gute Laune vor dem ersten Kaffee noch stark in Grenzen. Aus Erfahrung wusste Mark, dass es besser war, ihn erst einmal in Ruhe ankommen zu lassen. Daher kümmerte er sich weiter um die E-Mail an Arne Brenneisens Mobilfunkanbieter, um die Verbindungsnachweise und die Funkzellenortung anzufordern. Um die Verständigung von Brenneisens Angehörigen brauchten sie sich nicht zu kümmern. Das übernahmen die Kollegen in Hamburg, wo die Eltern und Geschwister des Ermordeten lebten. Sollten sich dabei ermittlungsrelevante Informationen ergeben, würden sie die vermutlich noch an diesem Vormittag weitergeleitet bekommen. Mark ging nicht davon aus, dass wirklich etwas kommen würde. In den wenigsten Fällen besaß die Familie große Einblicke in das Leben eines Verstorbenen, wenn sie zu Lebzeiten mehrere Hundert Kilometer voneinander entfernt gewohnt hatten. Er wollte gerade im Posteingang nachschauen, ob die vorläufigen Berichte der Rechtsmedizin und der Spurensicherung bereits vorlagen, als Felix plötzlich aufsprang und an ihm vorbei durch das Büro flitzte. Das tat er in der Regel bloß, wenn entweder jemand Vertrautes oder komplett Unbekanntes den Raum betrat. Letzteres ging in der Regel mit einem warnenden Bellen einher. Da dies ausblieb, konnte es sich bloß um jemanden handeln, den sie kannten. Und wirklich: Ihre Kollegin Nicole Rösler von der Spurensicherung kam mit einem amüsierten Lächeln auf sie zu. Das hieß: Sie probierte es. Der aufgeregt um sie herumspringende Vierbeiner machte ihr das nicht gerade leicht. „Unten freut sich der Hund“, ermahnte Nicole die Fellnase und spazierte zwischen seinen ständigen Hochspringversuchen zum Doppelschreibtisch der Kommissare. Kaum waren sie angekommen, schmiss sich Felix auf den Boden, drehte sich auf den Rücken und streckte sämtliche Gliedmaßen von sich, um der Freundin mehr Fläche zum Kraulen anzubieten. Da konnte Nicole natürlich nicht Nein sagen. „Guten Morgen, die Herren“, sagte sie aus der Hocke heraus. „Mit dem vorläufigen Untersuchungsbericht kann ich leider nicht dienen. Der ist noch in Arbeit. Deshalb dachte ich mir, ich schaue mal kurz vorbei und bringe euch auf den neuesten Stand. Viel zu berichten scheint es allerdings nicht zu geben. Unser Highlight ist ein ovaler schwarzer Knopf, der vermutlich vom Kostüm des Täters stammt und unweit der Leiche lag. Ob uns das weiterhelfen wird, wird sich noch zeigen. Aktuell schauen wir, ob wir das Fabrikat oder andere Besonderheiten herausfinden können. Fingerabdrücke gibt es nicht. Davon abgesehen haben wir weder an der Kleidung noch am Tatort einen Hinweis gefunden, der uns Aufschluss über den Täter gibt. Stand jetzt zumindest. Spuren zum Überprüfen gibt es in so einer Einkaufsmeile andererseits zuhauf. Wird ein wenig dauern, bis wir die alle zugeordnet haben. Insgesamt haben wir sieben verschiedene Filmaufnahmen sichergestellt. Mehrere zeigen die Tat, einige beginnen erst kurz darauf. Dazu gibt es zahlreiche Fotos. Deren Auswertung läuft. Auf ein Wunder würde ich an eurer Stelle nicht hoffen.“ „An so was glauben wir eh nicht.“ Dominik nippte an einer noch dampfenden Tasse Kaffee mit der vielsagenden Aufschrift Loddar is my English Teacher. „Gibt es Hinweise auf Fremdblut oder eine Blutspur, die vom Tatort wegführt?“ „Leider nicht.“ „Schade. Das Kostüm oder den Dolch habt ihr nicht zufällig in einer Mülltonne in der Nähe gefunden?“ Nicole schnipste mit den Fingern. „Ach, jetzt, wo du es sagst: Genau das wollte ich noch erzählen. Im Oberteil war hinten sogar ein Etikett mit Namen und Adresse eingenäht. Und in die Klinge war ein Monogramm eingraviert.“ „Dann ist ja alles geritzt.“ „Wenn der Mörder halbwegs bei Verstand ist, entsorgt er das Kostüm und die Tatwaffe nicht in der Nähe oder behält sie fürs Erste vielleicht sogar“, warf Mark ein. „Es ist die ideale Maskerade, vor allem für die kommenden Tage.“ Inzwischen war die Kraulstunde vorüber, und Nicole erhob sich. Einige Sekunden lang blieb Felix noch unschlüssig vor ihr auf dem Boden liegen, dann erhob er sich und trottete zu seiner Decke zurück, um die Unterhaltung von dort aus weiterzuverfolgen. „Apropos die kommenden Tage“, sagte Nicole an Mark gewandt. „Was meint eigentlich Caro dazu, dass du kurz vor der Hochzeit noch einen neuen Fall übernimmst?“ „Sie ist hellauf begeistert. Oder so ähnlich. Ich glaube, der genaue Wortlaut war ‚verrückt geworden’.“ „Kann ich verstehen. Wenn mein Verlobter mir so was antäte …“ „Was heißt denn hier antäte? Alles, was ich mache, ist mein Job. Ich habe es mir nicht ausgesucht, dass ausgerechnet jetzt ein Comiczeichner erstochen wird. Er sicher auch nicht. Davon abgesehen bin ich wahrscheinlich der beste Mann für diese Art von Fall. Hast du ja selbst gesagt.“ „Das stimmt schon. Trotzdem sieh mal lieber zu, dass du dich ranhältst und wegen der Arbeit nicht der Haussegen schief hängt. Die Braut kurz vor der Hochzeit zu verstimmen dürfte keine besonders gute Idee sein.“ Als wenn er das nicht selbst wüsste! Er hatte gewiss nicht vor, Caro in irgendeiner Weise zu verstimmen. Trotzdem konnte er nicht einfach zu Olaf gehen und ihm sagen, dass er den Fall nicht übernehmen wollte, nur weil das Wochenende bevorstand und er etwas Besseres vorhatte. Keine Frage, Olaf würde es diesmal verstehen und den Fall vermutlich, ohne zu zögern, jemand anderem zuweisen. Dennoch würde ein fader Nachgeschmack zurückbleiben, und die Kollegen könnten den Eindruck gewinnen, dass er nicht so belastbar und ihm andere Dinge wichtiger wären. Nein, das wollte Mark nicht riskieren. Er war noch nie jemand gewesen, der sich vor irgendeiner Aufgabe gedrückt hatte. Er würde das Ganze schon deichseln. So wie immer. Nachdem Nicole sich verabschiedet hatte, stand routinemäßig die Überprüfung von Arne Brenneisens generellem Hintergrund an. Dominik nahm sich die Bankdaten vor, während Mark den Namen des Ermordeten durch die Polizeidatenbanken jagte. Straffällig geworden war er bisher nicht, selbst die Ordnungsvergehen wie zu schnelles Fahren oder Falschparken waren kaum der Rede wert. Interessanter waren da eher die von Dominik angeforderten Schufa-Auskünfte, denen zufolge Brenneisen zwei größere Kredite abzuzahlen gehabt hatte. Einen über 50.000 Euro, der bereits zu mehr als der Hälfte getilgt war, den anderen über einen sechsstelligen Betrag für den Kauf einer Eigentumswohnung in Köln. Im Gegensatz dazu sah es auf seinem Bankkonto nicht sehr rosig aus. Zwar hatte Arne über mehrere Einkünfte verfügt, manche sogar im zweistelligen Tausenderbereich, allerdings trafen diese in eher unregelmäßigen Abständen und unterschiedlichen Höhen ein, stets abhängig von den jeweiligen Honorarabrechnungen, Auftragsarbeiten für andere Verlage sowie kleinere Werbeverträge. Manchmal kam über Monate kaum bis gar kein neues Geld herein, und die Kontobewegungen bestanden ausschließlich aus Abbuchungen. Auffälligkeiten waren auf den ersten Blick keine darunter. Wie er bei seiner Finanzsituation überhaupt einen so hohen Immobilienkredit bewilligt bekommen hatte, war Mark ein Rätsel. Mehrere Leute in seinem Bekanntenkreis waren trotz regelmäßiger Gehaltseingänge mit ihren Kreditanfragen bei den Banken gescheitert. Möglicherweise sah man das in Nordrhein-Westfalen ja nicht ganz so eng wie in Bayern. Oder der Zeichner hatte sich bei seinen Finanzgesprächen gut zu verkaufen gewusst. Neben den vertraulichen Informationen galt es noch die öffentlich zugänglichen abzuklären. In dem Fall bedeutete das: Internet und soziale Netzwerke. Darauf, dass der Name einer in den Medien vertretenen Person das eine oder andere Mal auftauchen würde, war Mark gefasst. Nicht jedoch darauf, dass die Suche dermaßen viele Treffer aufweisen würde. Zig Webseiten befassten sich mit Arne Brenneisen und den von ihm erschaffenen Comicfiguren. Dazu gab es mehrere Accounts auf praktisch jeder einzelnen Social-Media-Plattform. Bei den meisten war nicht einmal klar ersichtlich, ob es echte, gefälschte oder Fan-Profile waren, weil es überall scheinbar private Aufnahmen von...