Pötter | Die Grüne Null | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Pötter Die Grüne Null

Der Kampf um Deutschlands Zukunft ohne Kohle, Öl und Gas
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-492-60014-9
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der Kampf um Deutschlands Zukunft ohne Kohle, Öl und Gas

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-492-60014-9
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Erderhitzung brennt uns plötzlich allen auf den Nägeln. Dürre in Deutschland, Waldbrände und schmelzendes Eis in aller Welt, der Erfolg der »Fridays for Future«, eine neue EU-Politik und ein Machtwort des Bundesverfassungsgerichts machen deutlich: Wir müssen mehr tun. Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Das heißt: Wir dürfen nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als wir aus der Atmosphäre binden. Unsere Emissionen müssen praktisch auf null. Was technisch klingt, ist eine Herkulesaufgabe für Wirtschaft und Politik: Wir müssen Industrie, Verkehr, Energiesystem, Ernährung und Lebensstile umstellen - und das in nur einer Generation, am besten noch schneller. Bernhard Pötter zeigt, wie hart um diesen größten und dringendsten Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland gerungen wird. Und wie er trotzdem gelingen kann. Er beschreibt ganz konkret, wie die Akteure in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft vorankommen - aber auch, wer und was sie bremst. »Sehr kenntnisreich beschreibt Bernhard Pötter Herausforderungen und Chancen beim Versprechen der Klimaneutralität. Er benennt schonungslos die Probleme und die Instrumente. Dabei wird deutlich: Das Ziel erfordert Mut, Weitblick und einen langen Atem, doch am Ziel lockt ein Zugewinn an Lebensqualität.« Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende Bündnis90/Die Grünen »Die ?Grüne Null?, die Treibhausgasneutralität, wird die Wirtschaft grundlegend verändern. Wer wissen will, wie sich Autoindustrie, Finanzwirtschaft oder Landwirtschaft diesem Transformationsprozess stellen, wird dieses Buch mit großem Gewinn lesen.« Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung »Schwarz auf weiß jetzt im Gesetz ist die ?Grüne Null? eine zentrale Zielmarke für ein nachhaltiges Deutschland. Pötters Klimareise an die Basis der Neutralität liefert umfassende Einblicke für die notwendige Debatte um die richtigen Rezepte.« Andreas Jung, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Bernhard Pötter, Jahrgang 1965, arbeitet als Redakteur für Wirtschaft und Umwelt bei der tageszeitung (taz) in Berlin. Er studierte Amerikanistik, Jura und Politik. Seit mehr als 25 Jahren schreibt er über Politik, Wissenschaft und Wirtschaft rund um den Klimawandel, über Umweltpolitik und nachhaltige Entwicklung. Als freier Journalist und Autor arbeitet er außerdem für DIE ZEIT, Spiegel, WOZ und Le Monde diplomatique. Er verfasste unter anderem die Bücher 33 Fragen - 33 Antworten: Klimawandel sowie Tatort Klimawandel und Stromwechsel.
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Merkels grüne Zeitbombe


Was »Klimaneutralität« konkret bedeutet, weiß bisher in Politik und Wirtschaft praktisch niemand. Trotzdem wird der Abschied von Erdgas, Kohle und Öl die nächsten Jahr-zehnte dominieren.

Raum und Anlass sind nicht dafür gemacht, dass hier Geschichte geschrieben wird. Das unscheinbare Gebäude der DZ Bank am Brandenburger Tor in Berlin-Mitte duckt sich zwischen der Botschaft der USA und der Akademie der Künste. Im Foyer thront eine riesige silbrige Skulptur, die aussieht wie ein durchlöcherter Fußball. Im Kellergeschoss füllen unter einer Glasdecke blaue Sitzreihen den Saal. Hier tritt an diesem 14. Mai 2019 um zehn Uhr morgens Bundeskanzlerin Angela Merkel im roten Blazer ans Rednerpult – im Hintergrund eine blaue Wand mit dem Logo der Bundesregierung.

Im Publikum sind die zweite und dritte Garde der internationalen Klimadiplomatie versammelt. Und die Bundeskanzlerin macht eine unscheinbare Aussage, die allerdings eine Menge Sprengstoff enthält: »Ich schlage vor, dass unser konkretes Datum für die Klimaneutralität 2050 sein soll. Wir sollten darüber reden, wie wir das Ziel erreichen – nicht, ob wir es erreichen wollen.«

Merkel spricht beim Petersberger Klimadialog – benannt nach dem ersten Treffen im Jahr 2010 auf dem Petersberg nahe Bonn, jetzt aber immer in Berlin abgehalten. Seit einem Jahrzehnt treffen sich Ministerinnen und Minister, Klimaretter und Klimabremser, Sherpas und Beamte aus etwa 20 wichtigen Staaten für zwei Tage hinter verschlossenen Türen. Sie loten aus, welche Deals bei den nächsten Verhandlungen möglich sind.

Merkel hat dieses Forum immer schon gern für ein Ausrufezeichen zur Klimapolitik genutzt: 2014 verkündete sie hier, Deutschland werde seine Finanzhilfen für arme Staaten verdoppeln; 2018 nannte sie den Verkehrssektor mitten im Dieselskandal »unser Sorgenkind«. Und auch an diesem 14. Mai 2019 hat die Bundeskanzlerin vor allem eine Botschaft an die eigene Bevölkerung: Deutschland soll sich verpflichten, bis spätestens 2050 nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre zu blasen, als wieder herausgefiltert werden – ob mittels der Speicherfunktion der Wälder oder durch technische Kniffs. Die Idee klingt abstrakt-technisch, Merkel trägt sie trocken in den für sie typischen Schachtelsätzen vor.

Zwei Jahre später, der 7. Mai 2021. Wieder ist »Petersberger Klimadialog«, wieder sitzt Angela Merkel, diesmal im blauen Sakko, vor einer blauen Wand und spricht mit PolitikerInnen in der ganzen Welt – wegen der Coronakrise allerdings nur am Bildschirm. Die Bundeskanzlerin verkündet, warum sie nach harter Kritik des obersten deutschen Gerichts an ihrer Politik dem Land ein noch schärferes Klimaziel verordnet: »Das Bundesverfassungsgericht hat uns in einem wegweisenden Urteil aufgegeben, beim Klimaschutz die Generationengerechtigkeit stärker in den Blick zu nehmen und den Weg zu Klimaneutralität konkreter zu beschreiben.« Deutschland wolle deshalb schon bis 2045 klimaneutral sein und schon bis 2030 seine Treibhausgas-Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 senken, nicht nur um 55 Prozent. Das steht in dem Entwurf für ein geändertes »Klimaschutzgesetz«, den Merkels Beamte nach hektischer Arbeit einen Tag vor »Petersberg« gerade noch fertiggestellt haben.

Plötzlich geht alles ganz schnell. In den letzten Wochen vor Merkels letztem Auftritt im »Petersberg«-Format haben sich die Ereignisse überschlagen. am 29. April erklärte das Bundesverfassungsgericht das »Klimaschutzgesetz« von Merkels Regierung teilweise für verfassungswidrig. Und nur eine Woche später verkündet die sonst oft zögerliche Kanzlerin einer verwunderten Öffentlichkeit, Klimaschutz werde jetzt noch schneller und drastischer betrieben als schon seit 2019 angekündigt.

Tatsächlich ist diese Idee aber ein radikales Zukunftsziel, das Politik, Wirtschaft und Gesellschaft enorm unter Druck setzt. Denn »Klimaneutralität« bedeutet: bis 2045, also im Rahmen einer Generation, muss das viertgrößte Industrieland der Welt seinen Stoffwechsel komplett umbauen. Weg von einer Gesellschaft, die bei der Produktion von Gütern, bei der Mobilität und der Ernährung, bei der Errichtung, Heizung und Kühlung von Gebäuden und der Elektrizität auf Kohle, fossiles Gas, Öl oder Atom setzt – hin zu dem, was die Wissenschaft und ein wachsender Teil der Bevölkerung immer dringender fordern: ein Land, das unterm Strich keine klimaschädlichen Treibhausgase mehr ausstößt.

Ein radikales Klimaziel als politisches Erbe


Mit der Entscheidung für ein klimaneutrales Deutschland definiert Angela Merkel das politische Erbe ihrer Kanzlerschaft. Der Unterschied zum alten Klimaziel von minus 80 bis 95 Prozent sei weitaus größer als ein paar Prozentpunkte, sagte Jochen Flasbarth, der seit 2013 als SPD-Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit in der Regierung den Klimaschutz beharrlich vorangetrieben hat. »Vorher haben die Vertreter der Stahl-, Zement- oder Autoindustrie immer gemeint, die verbleibenden fünf bis 15 Prozent Treibhausgase wären für sie reserviert. Diese Tür ist jetzt zu.«

Experten rund um das Thema Klimapolitik sehen das ähnlich. »Klimaneutralität lässt keine Restemissionen mehr zu; der Einsatz von Kohle, Öl und Erdgas muss um 100 Prozent reduziert werden«, sagt Rainer Baake. Als Staatssekretär für Bündnis 90/Die Grünen im Umwelt- und Wirtschaftsministerium hat er lange am Ausstieg aus der Atomkraft und am Ausbau der erneuerbaren Energien gearbeitet; er hat den Ökoverband Deutsche Umwelthilfe (DUH) geleitet und den Thinktank Agora Energiewende aufgebaut. Seit Ende 2020 treibt Baake mit der neu gegründeten Stiftung Klimaneutralität die Regierung mit Gutachten und Gesetzesvorschlägen vor sich her, ob es darum geht, wie man die Windkraft ausbaut oder wie man die Nutzung von fossilen Brennstoffen einschränkt. Er sagt: »Vor allem die Industrie braucht diese klaren Vorgaben, wenn sie jetzt die richtigen Investitionen für die nächsten Jahrzehnte entscheiden soll – und vor allem, wenn sie ganz konkret die falschen Investitionen in fossile Kraftwerke oder Verbrennungsmotoren unterlassen soll.«

Auch auf der EU-Ebene ist das Signal angekommen. Im Dezember 2019 beschließen die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder, die Union mit ihren etwa 450 Millionen Menschen solle spätestens 2050 klimaneutral sein – viele der PolitikerInnen wissen wohl nicht so genau, wozu sie ihre Länder da verpflichten. Gleichzeitig präsentiert die EU-Kommission ihren »Green Deal«, der den Weg zu diesem Null-Ziel vorzeichnet und gravierende Folgen haben wird. Der Vizechef der EU-Kommission und Kommissar für Klimaschutz Frans Timmermans, beschreibt sie so: »Die EU-Länder haben sich auf diese Ziele festgelegt. Keiner kann sich mehr verstecken, und keiner kann sagen: Es bleibt alles beim Alten.«

»Keiner kann sagen: Es bleibt alles beim Alten.«


Es muss sich etwas ändern, das ist auch Angela Merkel in den letzten zwei Jahren ihrer Amtszeit klar geworden. Oder besser: Dass Veränderungen nötig sind, weiß die promovierte Physikerin, die als Umweltministerin 1997 das Kyoto-Protokoll mitverhandelte, besser als andere. Aber nun sieht die Machtpolitikerin auch eine Chance, für solche Veränderungen Mehrheiten zu organisieren. Da sind die Warnungen aus der Wissenschaft, dass sich der Klimawandel immer weiter und immer schneller zuspitzt. Ein knappes Jahr zuvor hatte der UN-Klimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change; IPCC) in einem Sondergutachten klargestellt, dass der Unterschied zwischen einer Erwärmung um 1,5 oder um zwei Grad Celsius bis 2100 groß wäre – die beiden Grenzen, die im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 angesprochen sind. Die EU und alle Industriestaaten müssen ihre CO2-Emissionen bis 2030 praktisch halbieren, um das Schlimmste zu verhindern.

Dazu kommt: Der Klimawandel ist für Deutschland nicht mehr eine weit entfernte Zukunft. Er brennt auf der Haut. Extrem trockene und warme Sommer seit 2018 bringen Rekordtemperaturen, sie schädigen den Wald und die Landwirtschaft. Es regnet auch im Herbst und im Frühjahr weniger. All die Szenarien, vor denen die Wissenschaft lange gewarnt hat, rücken nun näher.

Dann ist da aber auch der Druck von der Straße. Seit 2019 streiken freitags Schülerinnen und Schüler in Deutschland als »Fridays for Future« für konsequenten Klimaschutz. 2018 hatte das schwedische Schulmädchen Greta Thunberg eine weltweite Klimabewegung ausgelöst, mit Folgen auch in Deutschland: Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen und der Europawahl 2019 wird die »Klimaschutzpartei« Bündnis 90/Die Grünen so stark wie nie zuvor. Und Merkels Vertraute Ursula von der Leyen stellt sich als EU-Kommissionspräsidentin an die Spitze derer, die für Klimaneutralität werben.

Angela Merkel hat in den 14 Jahren ihrer Kanzlerschaft bis 2019 einen Schlingerkurs zwischen »Klimakanzlerin« und Ökobremserin vollzogen. Unter ihrer Führung ist Deutschland politisch und wirtschaftlich stabil geblieben, hat die Finanz-, die Euro- und die Migrationskrise gemeistert, dafür aber die Klimakrise auf die lange Bank geschoben. In Merkels Deutschland ist die Wirtschaft gewachsen und der Anteil von Ökostrom am Strommix auf über 40 Prozent gestiegen. Aber die CO2-Emissionen sind lange kaum gesunken.

Das Land hat unter Merkel den Ausstieg aus der Atomkraft bis 2022 und aus der Kohle bis 2038 begonnen. Aber es wird auch deutlich, dass all das nicht genügt, um den Anforderungen des Pariser Abkommens, den Warnungen der Wissenschaft oder...



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