Pissowotzki / Tennemann | Wortwörtlich: Gerd Kische | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 0-1, 208 Seiten

Reihe: WORTWÖRTLICH

Pissowotzki / Tennemann Wortwörtlich: Gerd Kische

Gespräche mit der DDR-Fußballlegende, dem Hansa-Präsidenten und Hansa-Manager
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-941452-74-9
Verlag: TENNEMANN Media GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Gespräche mit der DDR-Fußballlegende, dem Hansa-Präsidenten und Hansa-Manager

E-Book, Deutsch, Band 0-1, 208 Seiten

Reihe: WORTWÖRTLICH

ISBN: 978-3-941452-74-9
Verlag: TENNEMANN Media GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Vielleicht muss die Geschichte des DDR-Fußballs, ja des DDR-Sports überhaupt, in Teilen umgeschrieben werden. Denn hier redet einer wirklich erstmals Klartext, der dabei war: Gerd Kische. Der langjährige DDR-Nationalspieler, HANSA-Stammverteidiger und spätere HANSA-Boss mit einem beeindruckenden Blick auf den Fußball im einstigen Arbeiter- und Bauernstaat, in der Zeit der politischen Wende und im heutigen Gesamtdeutschland. Bei Gerd Kische gibt es keine Verklärung, keine Nettigkeiten. Fußball ist die herrlichste Nebensache der Welt, in der es aber immer auch um die Mächtigen und natürlich um sehr viel Geld ging und geht. Auch darüber erzählt Gerd Kische im Gespräch mit den Journalisten Jörn Pissowotzki und Leif Tennemann.

Jörn Pissowotzki, geboren 1973 in Grevesmühlen, hat an der Universität Rostock in Politikwissenschaft promoviert. Er ist Reporter wie auch Moderator bei NDR 1 Radio MV, Antenne Brandenburg und Deutschlandfunk Kultur.
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(lacht) Interpretieren Sie, wie Sie wollen...

Oh, das soll vorgekommen sein, aber das hab’ ich alles vergessen.

Ja, sicher.

Das gehört dazu...

Wie der eine oder andere das sieht, das soll er für sich entscheiden, also Außenstehende.

Aber, man muss sagen: Ja, davon gab es reichlich, reichlich, die dann am Spielfeldrand standen und nur gewartet haben, dass man mal „Guten Tag!“ sagt oder so. Aber ist das heute anders? Wenn du Geld hast, ist es doch egal, wie du aussiehst. Wenn du dich dann noch einigermaßen artikulieren kannst und noch nicht ganz wie Quasimodo aussiehst, und die Dinge kommen alle zusammen, dann ist das doch nicht schwer.

Also, die da genannten sind ja unglaublich talentierte Jungs gewesen. Unglaublich talentiert! Und wenn Juri Schlünz eines Tages mal gesagt hat, das macht er heute nicht mehr, das hat auch einen Grund, und er möchte mal so erfolgreich werden wie ich, da hab’ ich ihn natürlich auch gefördert. Juri Schlünz, aber besonders auch Axel Schulz, dieser Spieltyp, ein genialer Fußballer, wirklich. Der hatte alles. Er ist klug, unglaublich schnell, kann ein Spiel erkennen, kann lesen, kann einen wunderbaren Pass, ist ein Schlitzohr. Und er hat sich auch getraut, mal richtig reinzugehen, auch als Mittelfeldspieler. Wirklich! Also, den mochte ich immer sehr, sehr gerne, wie auch am Anfang den Juri Schlünz. Die haben auch alle noch mit mir gespielt oder ich mit ihnen, ganz egal, wie man das jetzt sieht. Wer für mich immer ein rotes Tuch war, war Rainer Jarohs. Er hatte als Spieler Veranlagung und war so’n fauler Hund. Ich rede von ihm als Fußballer. Nicht, dass man mir jetzt was unterstellt, er kann im Job sicherlich sehr, sehr gut sein, das kann ich überhaupt nicht beurteilen. Als Fußballer konntest du ihn selten gebrauchen. Er war auch einer, der mit ’m weißen Hemd immer runtergegangen ist, vom Platz, wenn alle anderen dreckig waren. Du konntest ihn nicht gebrauchen, wenn’s drauf an kam. Wie oft ich dem in den Hintern getreten habe! Das hat mich geärgert. Wenn ich gesehen habe, was die alles konnten, da müsste ich dreihundert Jahre alt werden, da hätte ich das immer noch nicht gekonnt. Was die am Ball konnten und nichts draus gemacht haben. Wie ich mich anstrengen musste, mit wie viel Auskotzen und mit wie viel Arbeit, damit ich diese Athletik erreichte. Und wenn mir jetzt einer sagt: „Die haben jetzt ’n Länderspiel!“ Ja, sie haben ’n Länderspiel. Da waren aber 55 krank und die anderen 40? Die hatten Urlaub und hatten keine Lust zum Spiel. Dadurch sind die zum Länderspiel gekommen. (redet sich in Rage) Um das mal ganz deutlich und ehrlich zu sagen. Das ärgert mich. Und das haben sie auch so fortgesetzt, finde ich. Man hätte mit dieser Veranlagung viel mehr aus sich machen müssen.

Als Fußballer. Sie hatten die Voraussetzungen, sie hätten alle gestandene Nationalspieler werden können.

Ich hab’ zu Doll ja nach wie vor einen engen Kontakt. Wir haben uns zwischendurch auch immer mal gesehen. Als er auch in Italien gespielt hat, da hat er mich eingeladen. Wir waren zusammen zur Formel 1 in Monte Carlo. Das hat mir damals schon gefallen. Dieser Junge hatte weniger Talent als die drei vorher Genannten. Aber, als Spieler, was er als Trainer dann nachher nicht mehr gemacht hat, als Spieler war der ehrgeizig. Der wollte und hat auch. Das ist der Unterschied!

Da muss ich ein bisschen zurückgehen. Ich glaube, der Ursprung lag darin begründet, dass damals der Dr. Saß viel zu früh die sogenannten älteren, gestandenen Spieler um die 30 rausgeschmissen hat.

Das war Anfang der 70er Jahre. Ich glaube, das liegt darin begründet. Andere Vereine haben das sukzessiv gemacht, ihre älteren Spieler nach und nach rausgenommen. Darüber habe ich zu seinen Lebzeiten oft mit Dr. Saß gesprochen. Das hat er dann am Ende auch streckenweise eingesehen.

Gut, er hat auch aus sehr persönlichen Gründen einen Herbert Pankau schnell rausgefeuert oder Kleiminger, Sackritz, und wie sie alle heißen. Und er hat gedacht, er kann mit jungen Leuten wie Bergmann, wie Streich, wie Kische und Lenz das neu aufbauen und über Jahre stabilisieren. Denn wir haben ja erlebt, dass in den 60er Jahren zwar der FC Hansa nie DDR-Meister geworden ist, aber immer ganz oben war und einen gepflegten Fußball gespielt hat. Davon hat die ganze DDR gesprochen, mit Heinsch als Torhüter, und was weiß ich. Das sind alles super Spieler, auch Nationalspieler, gewesen. Wenn ich heute so zurückblicke, ich sage nach wie vor, davon konnten wir uns einiges abschneiden. Statt mit denen so zu trainieren wie mit uns, so dreimal am Tag, die kannten das doch gar nicht. Dann haben sie noch viel weniger verdient. Das habe ich aber auch schon mal gesagt und dass sie mehr trainieren sollten. Und Saß hat es nicht verstanden, das feinfühlig rüberzubringen. Dann waren wir plötzlich ein Haufen junger, unerfahrener Leute. Dann kamen solche Spiele, wie zwischen Achim Streich und mir noch dazu, die sich gar nicht verstanden haben. Da gab’s ’ne Fraktion auf der einen Seite und die auf der anderen Seite. Die einen haben gesagt: „Die sind zu faul zum Laufen, die kannste nicht gebrauchen!“ Und die anderen haben gesagt: „Du lern’ erstmal das Jonglieren! Du kannst ja gar nichts! Hast nur die große Klappe!“ So war das. Da ist in der Mannschaft so’n Riss gewesen. Und das hast du nie gekittet bekommen. Und du hast kein Gerüst mehr gehabt. Aber so ein Gerüst muss da sein. Das hatten wir nicht mehr. Und da brach das zusammen. Und deswegen kam es zu diesen Schwierigkeiten. Dann hatten wir natürlich auch immer auserlesene Präsidenten. Das waren alles Abgeschossene von der SED. Dann hatten wir Trainer, die haben alles andere, aber nicht ordentlich trainiert. Das war eine Vielzahl von Faktoren, die keine Ruhe reinkommen ließen.

Ja, dann ja. Wir haben geglaubt, dass wir immer noch der Nabel der Welt sind. Aber das zeichnet den FC Hansa aus. Das ist ja heute auch noch so.

Na ja, da braucht man sich ja nur anzuschauen, wo wir heute stehen, mit dem FC Hansa: Hausgemachter, eigener Müll, der da geschehen ist. Es war kein böser Wessi, der uns da hingebracht hat. Sondern das haben wir selber gemacht. Ich will da jetzt im Detail nicht drauf eingehen. Und wenn ich die Kommentare heute lese, wenn ich auch Kommentare von Trainern höre und lese, dann habe ich manchmal den Eindruck, wir sind noch Bundesliga, und ich hab ein anderes Spiel gesehen. Also, dieses Nichtaufarbeiten der tatsächlichen, riesigen Schwächen, die dort sind, das Schönreden, das kenn’ ich alles aus unserer Zeit. Das Nicht-Durchgreifen, dass Dinge passieren, die so undiszipliniert sind und gar nicht in den Fußballsport reingehören. Was früher gelaufen ist und was jetzt läuft, das ähnelt sich unglaublich. Vielleicht ist auch das ’ne norddeutsche Mentalität, dass da keiner mit dem Knüppel mal...



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