7 Prinzipien für mehr KörperMUT
E-Book, Deutsch, 176 Seiten
ISBN: 978-3-7495-0309-4
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
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Es geht los!
In mir wohnt eine Elfe oder: Wie es zu diesem Buch kam
Ich bin dick. Gerne wäre ich schlank. Fast mein ganzes Leben lang beschäftigt mich dieses Thema schon. Meist habe ich die Lösung in der nächsten Diät gesucht. Leider hat dies das Problem vergrößert. Denn über die Jahre bin ich so immer dicker geworden. Manchmal spüre ich, dass tief in mir drin eine Elfe wohnt. Ganz leichtfüßig springt und tanzt dieses zarte Wesen in mir, ich kann es fühlen. Doch von außen ist es nicht sichtbar. Schon oft habe ich mir innerlich und manchmal auch laut und deutlich gesagt: Es reicht jetzt! Ich lasse dieses Thema los. Es kostet mich zu viel Kraft und Energie, mich dauernd damit zu beschäftigen. Ich nehme jetzt entweder ab oder ich höre auf, mir darüber Gedanken zu machen. Es gibt auch wirklich Schlimmeres, als dem gängigen Schönheitsideal nicht zu entsprechen. Eine Zeit lang war dann auch mal Ruhe, entweder weil die aktuelle Stoffwechselkur gerade die Pfunde schmelzen ließ oder weil die Stimme in meinem Kopf wirklich mal für einen Moment die Klappe gehalten hat. Doch damit war es meist auch schnell wieder vorbei. Die Stimme ist wiedergekommen, die Pfunde nach der Diät auch. Im Herbst 2019 war ich beruflich in der Schweiz. Ich hatte gerade vor 800 Menschen gesprochen, Applaus und Wertschätzung für meine Worte erhalten und machte mich zufrieden auf den Heimweg. Die Zürcher Innenstadt war an diesem Tag wegen zwei Demonstrationen komplett gesperrt, es herrschte Chaos und ich musste auf dem Weg zum Hauptbahnhof mit meinem Koffer einen kleinen Sprint einlegen, um meine Verbindung nach Köln zu erwischen. Verschwitzt, mit hochrotem Kopf, aufgeregt, aber glücklich lasse ich mich im Regio auf einen Gangplatz fallen und krame nach meinem Ticket. Mein Koffer und meine Tasche stehen neben mir und ragen in den Gang, aber es ist relativ leer und so stört sich niemand daran – dachte ich. Dann steigen zwei Männer, groß, durchtrainiert und tätowiert, in die Bahn. Ich freue mich, denn sie sprechen amerikanisches Englisch. Da ich mal in Amerika gelebt habe, verstehe ich es gut und mag den Klang. Ich schaue hoch. Genau in diesem Moment blickt einer der beiden in meine Richtung und sagt ganz laut und deutlich zu seinem Kollegen: „Das ist ja klar, die Dicke blockiert vier Sitze. Fettes Stück Scheiße, man sollte …“ Den Rest höre ich nicht mehr. Meine Ohren rauschen, mir bricht der Schweiß aus, ich schaue zu Boden. Ein vertrautes Gefühl flutet meinen gesamten Körper: Ich schäme mich. Ich schaue so lange es geht auf den Boden und tue dann so, als suchte ich etwas in meiner Tasche. Meine Hände zittern, mir fällt nicht ein, was ich noch tun könnte, also schaue aus dem Fenster, mein Gesicht brennt. Ich höre das Stimmenkonzert in meinem Kopf: Wieso sagen die sowas? Haben das alle gehört? Kann ich gleich überhaupt aufstehen und aussteigen? Funktionieren meine Beine noch? Wie komme ich an denen vorbei, ohne noch einen solchen Spruch zu kassieren? Und eine andere, ganz zarte Stimme sagt: Haben die vielleicht recht, bin ich weniger wertvoll, weil ich so dick bin? Ich fahre nach Hause, vier Stunden im Zug. Die Zeit und die schlechten Gedanken vertreibe ich mir mit Arbeit. Zwischendurch meldet sich die Scham zurück. Ich arbeite darüber hinweg. Daheim angekommen entscheide ich, es niemandem zu erzählen. Dann kann ich so tun, als sei es nie passiert, und die Erinnerung verschwindet hoffentlich irgendwann. Dann denke ich daran, welche Botschaft ich in die Welt bringen will. Ich lese in meinem eigenen Buch „Mutmuskeltraining“ noch mal das Kapitel über Scham und Verletzlichkeit. Und ich weiß, die einzige Chance, die ich habe, dieses Ereignis in Wachstum und Heilung zu verwandeln, ist, den MUT zu finden, darüber zu sprechen und mich damit zu zeigen: Mit meiner Scham, mit meiner Verletzung, mit meinen Zweifeln – ob ich so sein darf, wie ich bin oder ob die Männer in der Bahn vielleicht doch recht hatten. Zuerst erzähle ich die Geschichte meinem Mann und lasse mich in den Arm nehmen. Ich fühle mich nicht mehr ganz so schrecklich und eine Stimme in mir sagt: Schau, du wirst doch geliebt! Am nächsten Tag spreche ich dieses Erlebnis meiner Freundin Eva und meiner Schwester Tina als Sprachnachricht auf. Ich merke, auch das tut mir gut. Beide schimpfen auf die Männer, versichern mir, dass ich eine tolle Frau und auch mit meiner Fülle schön und wertvoll bin, ganz zu schweigen von meiner tollen Ausstrahlung. So langsam richte ich mich auf – innerlich wie äußerlich – und kann auch wieder andere Dinge an mir wahrnehmen als mein Übergewicht. Dinge, die ich gut und schön finde an mir. Eine Woche später erzähle ich mein Erlebnis öffentlich auf dem Familienwochenende des Alopecia Areata Vereins1 Deutschland. Ich sollte einen Gesprächskreis von Eltern betroffener Kinder moderieren, es war eine große Gruppe von etwa 100 Menschen. Um in so einem Rahmen Austausch anzuregen, braucht es ein gutes Intro, das den Raum dafür eröffnet. Ziemlich spontan entscheide ich mich, mein Erlebnis aus der Bahn dafür zu nutzen. Denn meine Emotionen sind noch frisch und ich möchte ein Statement setzen in diesem Raum. Und eigentlich nicht nur dort. Ich möchte der ganzen Welt erzählen, wovon ich fest überzeugt bin. Deshalb hältst du heute dieses Buch in Händen, denn ich möchte, dass möglichst viele Menschen wissen, verstehen und leben: Scham überlebt nur im Dunkeln. Die beste Möglichkeit, mit Scham umzugehen ist, sich ehrlich und offen mit ihr zu zeigen. Jeder Mensch und jeder Körper hat das Recht darauf, geliebt zu werden. Diese Liebe sollte nie die Bedingung haben, dass der Körper eine gewisse Form oder Funktion hat. Ohne unsere eigene Liebe und Annahme machen wir uns das Leben sehr schwer. Denn auch wenn wir im Außen oft hören, dass wir gut und richtig sind: Wenn wir es nicht selbst fühlen können, werden wir immer Mühe haben, es wirklich zu glauben. Die größte Kraftquelle für ein glückliches Leben ist, voll und ganz JA! zu uns zu sagen, unabhängig von Leistung, Aussehen, Krankheit oder Behinderung, eben genau so, wie wir sind. Jeder Mensch ist anders und einzigartig, und das ist gut so. Auch wenn wir es uns wünschen, wir haben kein Anrecht darauf, unversehrt, gesund und schön zu sein. Wenn wir es sind, ist das wunderbar. Wenn wir es nicht sind, sind wir genauso wertvoll und richtig. Ich weiß das alles. Trotzdem haben die beiden Männer mich schmerzlich daran erinnert, dass ich es manchmal noch nicht in aller Konsequenz fühlen und leben kann. Nicht auf allen Ebenen und nicht immer. Dass ich schnell rausfalle aus dem Gefühl, in Ordnung zu sein. Dass ich zwar andere Menschen im Coaching und im Training anleiten und ihnen helfen kann, ihren Selbstwert zu stärken und sich anzunehmen, aber ich selbst noch ein Stück des Weges vor mir habe. Deshalb bin ich noch mal losgegangen, um auch für mich endlich den vollen KörperMUT zu finden und ganz und gar zu mir zu stehen. Sollte ich jemals wieder in eine solche Situation kommen, dann wäre mein großer Wunsch, aus voller Überzeugung und tiefstem Herzen den folgenden Satz aussprechen zu können: Deine Meinung zu meinem Körper ist für mein Leben nicht relevant. Mit großer Klarheit. Ohne Verletzung. Ohne Scham. Aus Liebe zu mir und meinem Körper. Das wäre für mich das Größte und ich bin mir sicher, es ist möglich: mit der klaren Entscheidung für diesen Weg und dem MUT, hinzuschauen, wie ich mich ganz und gar lieben kann und wo ich es noch nicht tue. Dabei rausgekommen ist dieses Buch mit Geschichten von interessanten Persönlichkeiten, die bereits echten KörperMUT bewiesen haben, Interviews und Inspirationen, wie auch du diesen MUT finden kannst, Impulsen und hilfreichen Tipps für dein Training, den 7 Prinzipien für mehr KörperMUT, den besten Übungen für mehr Annahme und Selbstliebe. Bist du dabei? Willst auch du dich mit all deinen Narben, Defiziten und Begrenzungen, die wir nun mal alle haben, mit deinen Schönheitsmakeln, mit Fett, Dellen und Streifen, mit Veränderungen durch die Geburt eines Kindes, einen Unfall oder eine Krankheit annehmen und lieben lernen? Dann lass dich inspirieren und anleiten, jetzt für dich und deinen Körper zu gehen. Lass dich motivieren und berühren von den unterschiedlichen Herausforderungen und Schicksalen, die du in diesem Buch kennenlernen wirst. Richte dich zu deiner vollen Größe auf und gehe jetzt den ersten Schritt in ein Leben ohne Scham und Abwertung. Ich bleibe ein Stück an deiner Seite, denn zu zweit ist der Weg leichter. Also, lass uns zusammen losgehen und Frieden mit unserem Körper schließen und zurück in die bedingungslose Selbstliebe fallen, mit der wir auf die Welt gekommen sind. Lass uns herausfinden, was alles möglich ist, wenn der KörperMUT und die Liebe zu uns selbst unsere Weggefährten werden. Von Herzen,
Deine Tanja
Noch ein paar Worte zum Thema MUT
Vielleicht hast du dich gefragt, warum ich dieses Programm KörperMUT nenne, wo es doch um Selbstliebe und Annahme des eigenen Körpers geht? Das will ich dir an dieser Stelle noch schnell erklären. Wenn du meine Bücher oder vielleicht meinen Podcast Mutmuskeltraining® kennst, dann weißt du bereits, ich beschäftige mich hauptberuflich mit dem MUT, denn MUT ist für mich die Kernkompetenz für ein freies und selbstbestimmtes Leben. Wie kann etwas gelingen, woran wir noch zweifeln oder wovor wir...