Peseschkian | Der Schmerz und seine Komplizen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Peseschkian Der Schmerz und seine Komplizen

Resilienz bei chronischen Krankheiten

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

ISBN: 978-3-451-82554-5
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wer schwer oder lange erkrankt, der leidet oft auch emotional. Der Schmerz und seine Komplizen werden zum Mittelpunkt des Lebens. Der eigene Körper wird fremd oder sogar zum Feind. Nossrat Peseschkian entwickelte eine Methode, die den Umgang mit Krankheit und Schmerz erleichtert und neue Lebensfreude schenkt. Zehn Jahre nach seinem Tod hat seine Enkeltochter Samira Peseschkian die Grundlagen seiner Methode mit den neuesten medizinischen Erkenntnissen zum Umgang mit Schmerz kombiniert. Die junge Medizinstudentin, die aufgrund einer seltenen chronischen Erkrankung selbst Patientin wurde, wandte die Methoden ihres Großvaters erfolgreich an. Sie gibt einen Einblick in die sichtbaren und verborgenen Herausforderungen eines chronisch Erkrankten und ermöglicht dem Leser praktische Anwendungsmöglichkeiten der Methode.
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Einleitung:
Vom besten Freund zum
meistgehassten Feind
Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. Neun Zehntel unseres Glücks beruhen allein auf der Gesundheit. (Arthur Schopenhauer)   Februar 2018: Der Beginn meiner Fahrt auf der Gesundheits-Achterbahn. Woher kamen plötzlich diese starken Bauchschmerzen? Waren es die Nachwehen einer Grippe, der Stress des Medizinstudiums oder hatte ich vielleicht doch nur etwas Falsches gegessen? Zu diesem Zeitpunkt hätte ich es mir in meinen wildesten Träumen nicht ausmalen können, noch hätte ich es mir gewünscht, dass ich später, nach zweieinhalb Jahren täglicher Schmerzen, die seltene Diagnose Dunbar-Syndrom bekommen würde, eine Krankheit, die nur fünf von einer Millionen Menschen betrifft. Lasst uns von vorne anfangen. 20 Jahre alt, aktiv und sportlich, so hätte ich mich Anfang 2018 selbst beschrieben. Doch dann kam der Tag, als ich beim Lauftraining für einen Halbmarathon bereits nach ein paar Kilometern erschöpft nach Luft schnappte. Ein ungewöhnlicher Umstand, denn ein paar Wochen zuvor war ich noch problemlos 15 Kilometer gejoggt. Jetzt fühlte sich mein Körper schwer an, als müsste ich bei jedem Schritt fünf Kilo Blei an meinen Füßen mitziehen. Das war nicht nur eine verschlechterte Kondition, irgendetwas fühlte sich falsch an. Einige Tage nach dem Trainingslauf stellten sich dann plötzlich meine neuen „Mitbewohner“ vor: Bauchschmerzen, ein unangenehmes Völlegefühl, Übelkeit und komplette Appetitlosigkeit. Auch ein Schwindel überraschte mich von nun an häufig und es schlich sich über die nächsten Monate ein Gewichtsverlust von 15 Kilogramm ein. Zunächst versuchte ich hartnäckig, die Schmerzen wieder loszuwerden. Ich machte mich auf die Suche nach der Ursache. Waren es meine geliebten Intoleranzen? Meine besten Freunde Laktose-, Fruktose- oder Histamin-Intoleranz? Ich suchte zahlreiche Fachärzte auf, die mich mehreren Gastroskopien, Endoskopien und Bluttests unterzogen und mir verschiedene Schmerzmedikamente verschrieben. Auch Homöopathie wurde nicht ausgelassen und ein strenger Diätplan eingeführt. Ich wurde vom Nutella-Liebhaber und Genussmensch zur glutenfreien, laktosefreien, zuckerfreien und histaminvermeidenden Spießerin. Immer wieder wurde ich gefragt: „Was darfst du überhaupt noch essen? Bleibt da eigentlich noch etwas übrig?“ Etwas schon: Weißer Reis mit Brokkoli und ein wenig Hähnchen wurden zu meinen engsten Gefährten. Eine richtige Lösung fand sich jedoch nicht. Die Schmerzen blieben und das Ergebnis aller Untersuchungen waren unauffällige Befunde. Eigentlich ein Grund zur Freude – oder etwa nicht? Wieso hatte ich dennoch tägliche Schmerzen? Dachte ich mir das alles nur aus? Nach sechs langen Monaten stellte man dann bei einer Magenspiegelung mit endoskopischer Kamera fest, dass die intestinale Wand meines Darms durchlässig war. So gelangten Giftstoffe, Essensreste und Bakterien in mein Blut und verursachten Immunreaktionen. Die Ursache für meine Probleme schien gefunden: „Leaky-Gut-Syndrom“. Eine Untergruppe des Reizdarmsyndroms und die Lieblingsdiagnose aller verzweifelten Gastroenterologen. Doch half mir dieses „Etikett“? Hat es das Schmerzniveau oder sogar die Behandlung verändert? Leider nein. Rückblickend weiß ich, dass dies nur eine von vielen falschen Diagnosen auf dem langen Weg zu meiner tatsächlichen Diagnose sein würde. Es gab kaum mehr etwas, das ich nicht probiert habe: drei Magenspiegelungen (weil jeder Arzt die Kompetenz des anderen anzweifelte), zwei Darmspiegelungen, Antibiotika, Schmerzmedikamente, Akupunktur, Heilerde vor jeder Mahlzeit (schmeckt so eklig, wie es sich anhört), 24h-Knochenbrühe-Fasten, Biophysikalische Therapie und eine Moxa-Therapie (aus der Traditionellen Chinesischen Medizin). Nichts brachte mich einer Lösung näher, und das, obgleich die Spurensuche wirklich kein Vergnügen war. Für die Moxa-Therapie wurde ich von meiner Familie sogar nach draußen verbannt. Die Methode wird bei vielen chronischen Erkrankungen sowie Entzündungen mit großer Wirksamkeit eingesetzt. Dabei werden Akupunktur-Punkte anstelle von Nadeln mit intensiver Wärme gereizt. Die getrockneten und in Zigarettenform gerollten Beifußblätter, die man dazu über der Haut abbrennt, entwickeln allerdings einen, sagen wir mal, „ungewöhnlichen“ Geruch. So saß ich abends auf einer Parkbank und zündete meine „Zigaretten“ an, die ich dann auf die verschiedenen Körperstellen legte. Über die Grimassen der Passanten schweige ich lieber. Ich entwickelte mich zusehends von einer doch eher sportlichen Person (zumindest hatte ich auf der höchsten Landesebene Tennis gespielt) zur „Frührentnerin“, deren Gedanken nur noch darum kreisten, wie sie ihre zahllosen Medikamente, Probiotika und Vitamine in der richtigen Menge zur richtigen Zeit einzunehmen hatte. Nicht nur das Essen und der Sport waren beeinflusst durch die Schmerzen, auch bei meinem Medizinstudium war ich beeinträchtigt. Ich hatte Schwierigkeiten, den Vorlesungen zu folgen, während ich Stiche im Magen spürte. Der Schmerz wollte alle meine Aufmerksamkeit und ließ sich auch nicht vom spannendsten Vortrag über Anatomie beruhigen. Mit der Zeit schlich sich auch eine konstante Müdigkeit in das Geschehen. In Prä-Krankheitszeiten lautete mein Essens-Motto: „Lecker, schnell und vor allem viel.“ Jetzt verging mir durch die nach jeder Mahlzeit auftretenden Schmerzen immer mehr der Appetit. Ich tauschte große Teller gegen kleine Schüsseln aus. Bald räumte ich auch die kleinen Schüsseln zurück in den Schrank und füllte mein Essen in Teetassen. Eine Teetasse, eine Mahlzeit. Und trotzdem fühlte ich mich auch nach diesen Kleinstportionen derartig voll, als hätte ich eine halbe Weihnachtsgans verschlungen. Die Portionsgrößen, die ich zu mir nahm, beeinflussten auch meine Wahrnehmung der geeigneten Mengen, wenn ich für meine Familie kochte. Während ich von Resten für eine ganze Woche ausging, war bei meiner Familie nach dem Essen gerade mal der Appetit angeregt, ganz zu schweigen davon, dass sie satt gewesen wäre. Zwar kochte ich nach wie vor gerne und verbrachte wie früher Stunden damit, mir auszumalen, was ich einkaufen, zubereiten und essen wollte. Häufig scheiterte ich aber in der Umsetzung des letzten Schrittes, dem Essen selbst. Meine Beziehung zum Essen hatte eine 180-Grad-Wendung gemacht: vom besten Freund zum meistgehassten Feind. Vielleicht war ich durch die nicht enden wollenden Beschwerden auch zum Pawlow’schen Hund (siehe S. 48) geworden. Die Angst vor den Schmerzen nahm bald einen so großen Teil von mir ein, dass ich sie schon kommen sah, bevor ich überhaupt den Löffel zum Mund hob. Den Gipfel meiner Frustration erreichte ich 2019, rund ein Jahr nach der fälschlichen Leaky-Gut-Diagnose, als ein Gastroenterologe mich nüchtern anblickte und feststellte: „Die gute Nachricht ist, dass Sie keine verkürzte Lebenserwartung haben, sondern nur eine geringere Lebensqualität.“ Einerseits schwand meine Kampfbereitschaft, andererseits wuchs meine Angst, lebenslänglich Schmerzen leiden zu müssen. Mir blieben nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich akzeptierte, dass ich ein Leben lang nur Portionen von zwei bis drei Bissen essen konnte, um Schmerzen zu vermeiden. Oder ich gab einer alternativen Heilmethode unvoreingenommen eine Chance. Beide Optionen gefielen mir nun nicht besonders gut. Doch der Gedanke, als „junge Rentnerin“ eine restriktive und schmerzbelastete Existenz zu fristen, war derart beängstigend, dass ich schließlich die Alternative in Erwägung zog. Ich kannte bei mir selbst wie auch in meinem Freundeskreis ein skeptisches Misstrauen gegenüber ganzheitlicheren Methoden zur Behandlung körperlicher Symptome, die auch die Psyche als Akteur verstehen. Unvoreingenommen zu sein, ist auch nicht einfach, denn obwohl Akzeptanz von psychischen Krankheiten gewachsen ist, so schwingen beim Thema Psyche weiterhin Vorurteile und Scham mit und Betroffene erleben nach wie vor Diskriminierung. Als Medizinstudentin hörte ich im Klinikalltag regelmäßig Sätze wie: „Der Patient hat nichts. Das ist nur in seinem Kopf…“, „Ist bestimmt psychosomatisch.“ Wer kann da unvoreingenommen bleiben? Ich konnte es jedenfalls nicht. Und das, obwohl ich ausgerechnet in einer Familie von Psychiatern groß geworden bin. Oder war genau das der Grund für meine Skepsis? Jedes Mal, wenn ein Familienmitglied auch nur ansatzweise vorschlug, dass ich mit Blick auf meine Erkrankung die psychische Komponente nicht außer Acht lassen sollte, ging ich demjenigen jedenfalls fast an die Gurgel und sagte: „Das ist nicht psychisch! Ich habe mir das nicht selbst angetan.“ Rückblickend weiß ich: Die Vorstellung, dass organische Störungen nicht auch durch unsere Lebensweise und Lebenseinstellung beeinflusst werden, muss verworfen werden. Eine Trennung von Psyche und Körper in zwei Systeme, die unabhängig voneinander krank oder gesund sind, ist weder faktisch korrekt noch realistisch. Krankheiten sind häufig weder rein somatisch noch rein psychisch, denn es herrscht ein enges Zwischenspiel der Systeme. Körper und Psyche bilden eine Einheit. Dass ich selbst dieser fragmentierten Denkweise anhing und meine Krankheit nur somatisch abklären ließ, hinderte mich monatelang daran, auch anderen „nicht schulmedizinisch orientierten Therapien“ eine Chance zu geben. Als bei mir schließlich doch noch eine Fehlbildung entdeckt wurde, stand im Sommer 2020 eine Operation auf dem...


Samira Peseschkian (geb. 1998) ist Medizinstudentin an der Kassel School of Medicine. Für ihre Leser verbindet sie medizinisches Fachwissen mit der von ihrem Großvater Nossrat Peseschkian entwickelten Positiven Psychotherapie – für einen neuen Umgang mit chronischen Krankheiten, der Körper und Psyche als Einheit versteht.
Prof. Dr. Nossrat Peseschkian (1933–2010) war Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin sowie Begründer der Positiven (und Transkulturellen) Psychotherapie. Der Autor vieler Bücher wurde im Iran geboren und lebte seit 1954 in Deutschland.


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