Paqué / Schröder | Gespaltene Nation? Einspruch! | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 289 Seiten

Paqué / Schröder Gespaltene Nation? Einspruch!

30 Jahre Deutsche Einheit
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-907291-01-6
Verlag: NZZ Libro
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

30 Jahre Deutsche Einheit

E-Book, Deutsch, 289 Seiten

ISBN: 978-3-907291-01-6
Verlag: NZZ Libro
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zwei politische Schwergewichte aus Ostdeutschland und Westdeutschland legen gemeinsam eine Streitschrift vor. Sie argumentieren gegen die zurzeit häufig vorgebrachte Behauptung, die Deutsche Einheit sei gescheitert, weil sie eine gespaltene Gesellschaft hinterlassen habe.
In ihrem Buch zeigen Karl-Heinz Paqué und Richard Schröder, dass – bei allen verbleibenden West-Ost-Unterschieden – weder wirtschaftlich noch politisch oder sozial von einer dauerhaften und sich vertiefenden Spaltung die Rede sein kann. Allerdings sind die verbleibenden Unterschiede ernst zu nehmen, vor allem was die ökonomische Lage und die politische Kultur betrifft. Nach 30 Jahren Deutscher Einheit ist klar, dass sie das Ergebnis der Geschichte sind. Sie lassen sich nicht in wenigen Jahren beseitigen, sondern müssen in einem Geist des Verständnisses offen diskutiert werden. Die Autoren haben sich jahrzehntelang aktiv mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der beiden Deutschland auseinandergesetzt.

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2 Fakten
2.1 Das Erbe der DDR
Im Anfang war die Planwirtschaft. Wer die ökonomische Seite der Deutschen Einheit ab 1990 verstehen will, muss sich zunächst mit dem beschäftigen, was die Planwirtschaft der DDR in den vier Jahrzehnten ihrer Existenz geschaffen und hinterlassen hat. Vor allem müssen die Entwicklung und der Zustand der DDR-Wirtschaft zu dem in Vergleich gesetzt werden, was sich im marktwirtschaftlichen Westen und im gleichfalls planwirtschaftlichen Osten Europas abspielte. Nur so lässt sich in etwa nachvollziehen, wie nach dem Mauerfall am 9. November 1989 das Erbe der DDR wirtschaftlich einzuschätzen ist. Machen wir also im Zeitraffer eine Reise zurück zu den Anfängen der DDR-Planwirtschaft in die späten 1940er-Jahre und fassen die dann folgende Entwicklung in einer Art Holzschnitt zusammen. Dies geschieht ohne den Blick auf Details, die längst historisch aufgearbeitet sind.12 Im Vordergrund stehen für uns allein die großen Wegmarken und Trends, soweit sie ihren Niederschlag in jener Volkswirtschaft hinterließen, die 1989/90 in die globale Marktwirtschaft zurückgeführt werden musste. Zunächst aber folgende Frage: Was ist überhaupt eine Planwirtschaft? Die Antwort lautet: eine Wirtschaftsordnung, in der die Lenkung der wirtschaftlichen Aktivitäten durch eine zentrale Planbehörde erfolgt – und eben nicht durch die Signale freier Marktpreise. Nach dieser groben Definition war die DDR-Wirtschaft tatsächlich spätestens seit dem faktischen Entstehen zweier deutscher Staaten im Jahr 1949 eine Planwirtschaft. Die Preise der Güter und Dienstleistungen wurden politisch festgelegt, die zu produzierenden Mengen im Voraus geplant und die Unternehmen grundsätzlich zur Einhaltung der Pläne verpflichtet. Um diese Verpflichtung durch Pläne in die Realität umzusetzen, bedurfte es natürlich einer zentralstaatlichen Kontrolle. Genau darin lag permanent ein riesiges Problem der Organisation. Zu dessen Lösung wurden die Betriebe entweder verstaatlicht oder als private Unternehmen unter staatlicher Lenkung geführt. Der erste Weg, die Verstaatlichung, überwog von Beginn an in der Industrie. Die zweite Variante, die staatliche Lenkung nach wie vor privater Unternehmen, überlebte zunächst in der Landwirtschaft, in Handel, Handwerk und Dienstleistungen sowie in kleineren Industriebetrieben (mit bis zu 100 Beschäftigten). Im Lauf der DDR-Geschichte wurde allerdings die zumindest faktische Übernahme durch den Staat das dominierende Modell, weil sich die Kontrolle eigenständiger, oft renitenter privater Eigentümer als sehr schwierig erwies. Es kam deshalb zu mehreren sukzessiven Wellen der Verstaatlichung, deren letzte 1972 die verbliebenen Industrie- und größere Handwerksbetriebe (ab zehn Beschäftigte) betraf.13 Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde die DDR-Planwirtschaft zu einer Zentralverwaltungswirtschaft, in der alle wesentlichen Sektoren in staatlicher Hand lagen. Soweit zum Rahmen der DDR-Wirtschaft in den rund vier Jahrzehnten ihrer Existenz. Bevor wir über die Leistungen dieser Wirtschaft Bilanz ziehen, ist eine Vorbemerkung nötig. Sie betrifft die östlichen Nachbarländer in Mitteleuropa, die gleichfalls unter sowjetischer Führung zum sozialistischen Ostblock gehörten. Ihnen wurde von moskautreuen nationalen kommunistischen Parteien eine im Kern ganz ähnlich funktionierende Planwirtschaft oktroyiert. Zwar gab es graduelle Unterschiede, zum Beispiel im Ausmaß und in der Art der Verstaatlichung zwischen den «Modellen» von DDR und Polen, Tschechoslowakei und Ungarn sowie Rumänien, Bulgarien und der Sowjetunion, aber im Wesentlichen handelte es sich überall um Planwirtschaften mit durchgreifender staatlicher Kontrolle. Hinzu kam, dass die Länder Teil einer umfassenden planwirtschaftlichen Arbeitsteilung innerhalb des östlichen Europas waren, die mit der 1949 erfolgten Gründung des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) von der Sowjetunion politisch und wirtschaftlich dominiert wurde. Besondere Bedeutung hatte dies für die Währungen, die – technisch formuliert – gegenüber dem Rest der Welt nicht konvertibel waren. Praktisch bedeutete dies, dass Güter aus dem marktwirtschaftlichen Rest der Welt, einschließlich des benachbarten Westeuropa, nicht am freien Weltmarkt mit eigener Währung gekauft werden konnten, was all diese Länder zu einer Existenz im isolierten «Ostblock der Planwirtschaft» verurteilte. Sie teilten also das gleiche Schicksal und begannen auch etwa zur gleichen Zeit nach 1989/90 mit der Transformation ihrer Plan- in Marktwirtschaften. Sie sind (und bleiben!) deshalb überaus interessante Vergleichsländer zu Ostdeutschland.14 Zurück zur DDR: Was war die Bilanz ihrer Wirtschaftsleistungen? Wir unterscheiden im Folgenden – mit Mut zur nötigen Vereinfachung – zwischen positiven und negativen Ergebnissen, die sich innerhalb der vier Jahrzehnte zeigten und tatsächlich zur Zeit der Wende 1989/90 das wirtschaftliche Erbe der DDR darstellten. 2.1.1 Wachstum
Das Wachstum der DDR-Wirtschaft war über vier Jahrzehnte ohne Zweifel positiv.15 Die volkswirtschaftliche Bruttowertschöpfung pro Einwohner – als Näherungsgröße für das Pro-Kopf-Einkommen16 – nahm laut DDR-Statistik in jedem Jahr von 1950 bis 1989 zu. In den frühen 1950er-Jahren des Wiederaufbaus lagen die Zuwachsraten sehr hoch im zweistelligen Bereich, gingen dann in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts deutlich zurück und erreichten im Jahr des Mauerbaus 1961 einen Tiefpunkt von unter 3 Prozent. Danach fluktuierte die Wachstumsrate im Wesentlichen zwischen 2 und 6 Prozent, in normalen Jahren zwischen 3 und 5 Prozent.17 Erst in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre, also in den letzten Jahren der DDR, gab es nochmals einen mehrjährigen Trend nach unten. Rein rechnerisch bedeutete dies sogar, dass die Wertschöpfung der DDR pro Kopf im Trend schneller wuchs als in der Bundesrepublik und damit die Relation Ost- zu Westeinkommen pro Kopf von unter 40 Prozent 1950 recht kontinuierlich bis auf fast 55 Prozent in den späten 1980er-Jahren anstieg.18 Allerdings ist eine derartige Rechnung in hohem Maß fragwürdig, weil eine angemessene Bewertung der DDR-Wertschöpfung zu (Welt)Marktpreisen nicht möglich ist. Gleichwohl kann kein Zweifel darüber bestehen, dass sich der Lebensstandard in der DDR über die vier Jahrzehnte kontinuierlich verbesserte. Dies lässt sich auch aus Statistiken über die Ausstattung mit langlebigen Gebrauchsgütern wie Fernsehgerät, Kühlschrank und Waschmaschine in privaten Haushalten ablesen, die vor allem im Zeitraum von 1960 bis 1980 zunahm, sodass 1980 praktisch eine Vollversorgung gewährleistet war. Auch der Besitz von Automobilen ging in diesem Zeitraum deutlich nach oben: Fast 40 Prozent aller Haushalte hatte 1980 einen PKW zur Verfügung.19 Tatsächlich war die rein quantitative Ausstattung mit den üblichen Geräten des täglichen Gebrauchs in der DDR zwar schlechter als in der Bundesrepublik, aber der Unterschied fiel keineswegs dramatisch aus. Die Planwirtschaft war also im Ergebnis sehr wohl in der Lage, die Versorgungslage einigermaßen stabil zu halten und an wesentlichen Veränderungen der in Industrieländern üblichen technologischen Möglichkeiten rein quantitativ teilzuhaben. Das eigentliche wirtschaftliche Kernproblem lag auf der Seite der Qualität und Vielfalt der Produkte sowie auf deren schneller Verfügbarkeit. Dies war und blieb über die gesamte Zeit der DDR-Geschichte die zentrale Herausforderung für die Planungsbürokratie, an der sie immer wieder scheiterte – trotz wiederholter Anläufe zu Reformen. Mit Blick auf das Erbe der DDR 1989/90 ist es dabei nützlich, zwischen zwei Arten von Schwierigkeiten der Planwirtschaft zu unterscheiden: zwischen fehlender Effizienz und mangelnder Innovationskraft. 2.1.2 Fehlende Effizienz
Was die fehlende Effizienz des Systems betrifft, so waren die Probleme ganz offensichtlich – und deshalb schon immer auch Gegenstand des manchmal bitteren Spotts der Menschen. Da auf die Signalwirkung der Marktpreise verzichtet wurde und auch die Verbindung zu den Weltmärkten durch die fehlende Konvertibilität der Währung durchgängig gekappt blieb, erwies sich die Planungsbürokratie als viel zu schwerfällig, die Knappheit der Güterversorgung im konkreten Fall zu orten und die Produktion entsprechend umzulenken. Hinzu kam phasenweise der Unwille, es überhaupt zu tun: Immer wieder wurde aus übergeordneten politischen Gesichtspunkten die Herstellung von Konsumgütern für die breite Masse der Menschen in der Priorität hintangestellt. Besondere Förderung erhielt dann die Produktion von Grundstoffen und Investitionsgütern, die keineswegs dem direkten Nutzen der Verbraucher, sondern nur der volkswirtschaftlichen Produktivkraft dienten – und dies auch bestenfalls langfristig und indirekt. Aufgrund der planerischen Willkür kam es dabei auch oft zu massiven Fehlinvestitionen, weil es an marktwirtschaftlichen Informationen über die Rentabilität der staatlichen Lenkung von Ressourcen weg vom Konsum fehlte. Ineffizienz gab es natürlich auch im Produktionsablauf selbst. Es fehlte häufig an den nötigen Vor- und Zwischenprodukten – wegen Schwächen in der Logistik und der Infrastruktur sowie wegen Stockungen in der Herstellung der vorgelagerten Ebenen. Um dies in den Griff zu bekommen, wurden in späteren Jahren riesige Kombinate gebildet, die dann mehrere Produktionsstufen an einem Ort «vertikal» integrierten, aber neue Probleme der Massenorganisation schufen. All dies ging zulasten der Arbeitskräfte und deren Motivation, die zudem darunter litten, dass viele Konsumgüter...


Karl-Heinz Paqué (*1956), Prof. Dr. Dr. h. c., studierte Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Saarbrücken, Kiel und Vancouver. Seit 1996 Professor für Internationale Wirtschaft an der Otto-von- Guericke-Universität Magdeburg. 2002–2006 Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt für die Freien Demokraten. Seit 2018 Vorstandsvorsitzen der der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und Mitglied im Präsidium der FDP.
Richard Schröder (*1943), Prof. Dr. Dr. h. c., studierte Theologie und Philosophie. Ab 1977 Dozent für Philosophie an zwei staatlich nicht anerkannten theologischen Ausbildungsstätten. 1990 Wahl in die freie Volkskammer der DDR und zum Fraktionsvorsitzenden der SPD. 1991–2009 Professor für Philosophie an der Theologischen Fakultät der Humbolt-Universität Berlin.



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