Buch, Deutsch, Band 924, 424 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 213 mm, Gewicht: 528 g
Reihe: Campus Forschung
Zur Wirkung von Gedenkstätten auf ihre Besucher
Buch, Deutsch, Band 924, 424 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 213 mm, Gewicht: 528 g
Reihe: Campus Forschung
ISBN: 978-3-593-38384-2
Verlag: Campus
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Einleitung 9
I. Gedenkstätten als Orte historischer Erinnerungund historisch-politischer Bildung 24
1. Konturen des Gedenkstättenbegriffs 25
2. Gedenkstätten als Fixpunkte des kulturellen Gedächtnisses und Phänomene der Geschichtskultur 31
3. Aufgaben, Ziele und Funktionen von Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft 36
4. Gedenkstätten als Lernorte 46
4.1 'Historisch-politisches Lernen' und 'historisch-politische Bildung' 47
4.2 Ziele der Gedenkstättenpädagogik 51
5. Diskussionen um das Selbstverständnis von Gedenkstätten 61
II. Erkenntnisse über die Besucher von Gedenkstätten, historischen Ausstellungen und Museen 74
1. Erfahrungen der Gedenkstättenpädagogik 75
2. Ergebnisse der Besucherforschung in Gedenkstätten 85
2.1 Überblick über Besucherstudien in Gedenkstätten 86
2.2 Die Besucherstruktur von Gedenkstätten 91
2.3 Motive und Erwartungen der Besucher 96
2.4 Emotionen und andere Eindrücke 101
2.5 Bewertung von Gedenkstättenangeboten 104
2.6 Folgen von Gedenkstättenbesuchen 106
2.7 Die Bedeutung von Gedenkstättenbesuchen aus Sicht der Besucher 111
2.8 Zusammenhänge zwischen Vorerfahrungen, Besuchseindrücken und Besuchsfolgen 114
2.9 Defizite bisheriger empirischer Untersuchungen 116
3. Ergebnisse der Besucherforschung in historischen Ausstellungen und Museen 123
3.1 Fragestellungen, Formen und wesentliche Ergebnisse der Besucherforschung in Museen 125
3.2 Besucher in historischen Museen 135
3.3 Die Besucher der 'Wehrmachtausstellung' 140
3.4 Besucher an historischen Stätten und in Freilichtmuseen 148
III. Forschungsdesign 159
1. Ziele, Fragestellungen und Methoden der empirischen Untersuchung 159
2. Reflexion des Forschungsdesigns 165
3. Verlauf der Untersuchung 172
IV. Ergebnisse der Untersuchung 182
1. Elemente des Gedenkstättenbesuchs und seiner Verarbeitung 182
2. Besuchszusammenhang und Vorverständnis 199
2.1 Organisatorische Form und inhaltlicher Kontext der Gedenkstättenbesuche 200
2.2 Die Bedeutung des Vorverständnisses für das Besuchserlebnis und seine Verarbeitung 206
3. Motivation 218
3.1 Besuchsmotive 220
3.2 Erwartungen und Wünsche der Besucher 226
4. Besuchserfahrungen 235
4.1 Emotionale Erfahrungen 236
4.2 Kognitive Erfahrungen 248
4.3 Vorstellungen (Imaginative Erfahrungen) 257
4.4 Einfühlung (Empathische Erfahrungen) 262
4.5 Erinnerungen (Memorierende Erfahrungen) 267
4.6 Ortserfahrungen 269
4.7 Soziale Erfahrungen 276
4.8 Selbst-Erfahrungen 283
4.9 Dissonanzerfahrungen 288
5. Verarbeitung der Besuchserfahrungen 299
5.1 Die Bedeutung von Gesprächen für die Verarbeitung der Besuchseindrücke 301
5.2 Nachdenken über den Besuch 307
5.3 Anregung von Interesse und Weiterbeschäftigung 323
5.4 Faktoren für die Auseinandersetzung nach dem Besuch 325
5.5 Bekräftigung und Veränderung von historischen und politischen Einstellungen 328
5.6 Speicherung der Besuchserfahrungen 334
6. Die Bedeutung des Aufenthalts in der Gedenkstätte aus Sicht der Besucher 341
V. Resümee 349
1. Die Bedeutung von Gedenkstätten als Lern- und Erlebnisorte 349
2. Die Bedeutung von Gedenkstättenbesuchen für das Geschichts- und das Politikbewusstsein 356
3. Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Bedeutung von Gedenkstätten- und Museumsbesuchen 363
4. Schlussfolgerungen für die didaktische und methodische Diskussion 365
4.1 Die Bedeutung von Anschaulichkeit für Lernprozesse und das Problem der Aktualisierung von Vergangenheit 366
4.2 Didaktische und methodische Empfehlungen 373
Literatur 384
Übersichten 408
Besucherstudien in Gedenkstätten 408
Übersicht über die geführten Interviews 414
Danksagung 417
Was Gedenkstättenbesuche bewirken sollen, wird oft proklamiert, doch welche Folgen sie tatsächlich nach sich ziehen, ist bislang kaum erforscht. Was und wie wird in Gedenkstätten eigentlich gelernt? Gibt es Belege dafür, dass Besuche gegen extremistische Einstellungen unempfindlicher machen? Inwieweit werden Besucher tatsächlich zu Selbstreflexion angeregt? In welchem Maße und unter welchen Umständen werden sie für Gefahren in Gegenwart und Zukunft sensibilisiert? Erwerben sie tatsächlich Kompetenzen, die in Bewährungssituationen Handeln möglich werden lassen, das im Einklang mit demokratischen Werten steht?
Zwar verfügen die Beschäftigten in Gedenkstätten über vielfältige Erfahrungen mit Besuchern, doch sind diese in ihrer Aussagekraft begrenzt: durch die Perspektive der eigenen Ansprüche, auf Gespräche mit den Besuchern, die sich äußern, sowie auf Besucherreaktionen während des Aufenthalts. Von den Motiven, Erwartungen und Eindrücken der Besucher, die nicht ihre Meinung kundtun und denen, die nicht an Führungen teilnehmen, wissen sie nichts. Die Verarbeitungs- und Reflexionsprozesse nach dem Besuch sind generell eine Terra incognita.
Die Diskrepanz zwischen elaborierten normativen Aussagen und empirischen Erkenntnissen über Besuchsfolgen, die insbesondere für erwachsene Besucher festzustellen ist, kann nicht allein mit fehlenden finanziellen Mitteln für entsprechende Untersuchungen erklärt werden. Sie hat ihre Ursache zum einen in der Entstehungsgeschichte von Gedenkstätten, und zwar in verschiedener Hinsicht. So ist für die meisten Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik zu berücksichtigen, dass ihre Gründung von einer Minderheit gegen die Mehrheit, die nicht mehr erinnert werden wollte, durchgesetzt wurde. Mit dieser Erfahrung war und ist bei den Initiatoren ein starker erzieherischer Anspruch verbunden, der Besucher lange Jahre vor allem als Objekte ansah, die etwas lernen sollen bzw. müssen, nicht aber als Nutzer, die von sich aus etwas lernen wollen. Dass es bis auf eine Ausnahme auch keine Besucherstudien in den Nationalen Mahn- und Gedenkstätten der DDR gab, ist mit den generellen Beschränkungen für empirische Sozialforschung, insbesondere für die Erforschung historischer und politischer Einstellungen, zu erklären.
Die meisten Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft in der SBZ/DDR entstanden erst Mitte der 90er Jahre, und vor ihnen lagen – wie zuvor bei den NS-Gedenkstätten – anfangs andere Aufgaben als Untersuchungen zu ihren Besuchern: historische Forschung, Bestandsaufnahme und -sicherung sowie öffentliche Erschließung und Institutionalisierung. Außerdem spielte bei allen Gedenkstätten zunächst und vor allem das individuelle und öffentliche Gedenken an die Opfer eine zentrale Rolle, obgleich es von Anbeginn an auch pädagogische Motive und Anstrengungen gab.
Des Weiteren sind methodische Schwierigkeiten bei der Erforschung des Bildungswertes zu berücksichtigen. Die 'Lernwirkung' von Gedenkstättenbesuchen ist schwer empirisch fassbar, 'da dies die Zuordnung von wahrnehmbaren Veränderungen zu Geschehnissen notwendig macht, die sie bewirken.' Sowohl der empirische Nachweis 'wahrnehmbarer' Veränderungen als auch ihre eindeutige Zuordnung zum Besuch, das heißt ihre Isolierung von anderen Einflussfaktoren, ist kaum möglich. Ziele historisch-politischer Bildung sind außerdem nur schwer zu operationalisieren, so dass sich ihre spezifischen Leistungen einer exakten Messung weitgehend entziehen. Trotz dieser unzweifelhaft in Rechnung zu stellenden methodischen Schwierigkeiten ist zu fragen, ob die bisherigen Bemühungen, mehr über Gedenkstättenbesucher zu erfahren, ausreichend gewesen sind, und wie groß das Interesse an empirisch gesättigten Antworten auf die eingangs gestellten Fragen eigentlich ist.