Paborn | Meine Mutter und die Liebe | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Paborn Meine Mutter und die Liebe

Roman

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-641-26144-3
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Spätsommerliebe in Schweden
Wie jedes Jahr verbringen Filippa und ihr Mann Frederik den Sommer bei ihrer Mutter, die allein in einem alten schwedischen Bauernhaus lebt. Das Reetdach ist undicht und muss dringend ausgebessert werden - zumal Filippa überlegt, das Haus zu verkaufen und die verwitwete Rentnerin in ein Seniorenheim zu verfrachten. Doch als der Handwerker sich an die Arbeit macht, blüht Filippas Mutter plötzlich auf, und auch er scheint an ihr interessiert zu sein. Die ältere Dame sprüht vor Lebensfreude, aber Filippa ist misstrauisch - meint der Mann es tatsächlich ernst mit ihrer Mutter? Und wohin sind die Schmetterlinge in ihrer eigenen Ehe eigentlich verschwunden?

Sara Paborn, 1972 in Sölvesborg geboren, war früher in der Werbebranche tätig und lebt heute als Autorin in Stockholm. 2009 veröffentlichte sie ihr Debüt. Ihr Überraschungsbestseller 'Beim Morden bitte langsam vorgehen' ist ihr vierter Roman; damit ist Sara Paborn erstmals auf Deutsch zu entdecken.
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2


Fredrik und ich haben einen Kredit aufgenommen, als wir unser Einfamilienhaus verkauft und eine Wohnung in der Stadt erworben haben. Eigentlich hätte sie nicht so teuer sein sollen, aber als die Auktion im Gang war, konnten wir nicht einfach so aussteigen. Zu dem Zeitpunkt erschien es uns angemessen, acht Millionen Kronen dafür zu zahlen. Die genaue Summe habe ich Mama verschwiegen, das hätte sie nur beunruhigt. Im Gegenteil, ich habe ihr den Kauf so präsentiert, als hätten wir ein gutes Geschäft gemacht. Doch tatsächlich haben wir für das Haus längst nicht so viel bekommen, wie wir uns erhofft hatten. Die neue Wohnung brachte leider auch einige Extraausgaben mit sich, wir brauchten eine Alarmanlage, eine Garage und ein neues Badezimmer. Aber für die Jungs ist es besser, in der Stadt zu wohnen, um näher bei ihren Freunden und Aktivitäten zu sein.

Fredrik hat natürlich immer noch sein Boot im Segelklub, auch wenn wir damit auch dieses Jahr nicht gesegelt sind. Trotzdem kostet der Liegeplatz an Land natürlich einige Tausend Kronen im Jahr. Er hat das Holzboot günstig bekommen, es war allerdings nicht seetüchtig und ist es seit sieben Jahren nicht. Im besten Fall hat es für Fredrik therapeutischen Wert.

Jedenfalls haben wir hohe Schulden. Sobald das Gehalt auf dem Konto ist, geht alles für Zinsen und Raten drauf. Die laufenden Kosten finanzieren wir fast vollständig über einen Kredit. Ich denke nicht gern darüber nach, denn sonst bekomme ich einen Ausschlag an den Händen.

Im Lauf der letzten Wochen haben wir immer öfter daran gedacht, uns Geld von Mama zu leihen, wenn sie das Haus verkauft. Natürlich zu fairen Konditionen und mit einem ordentlichen Ratenzahlungsplan. Es ist wichtig, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Aber jetzt? Mama hat wieder Hoffnung? Und will deshalb weiter hier wohnen bleiben? Und alles nur, weil ich so verdammt effizient bin und diese Brigitte Bagger aufgetrieben habe, die sich ganz plötzlich in unser Leben einmischt. So war das eigentlich nicht geplant.

Ich parke den Wagen am Stortorget in Simrishamn und betrete die Apotheke. Eine Packung Strepsils-Lutschtabletten kostet achtundachtzig Kronen. Das Paracetamol sechsundsiebzig. Ich bleibe am Regal mit den Produkten zu Lust und Liebe stehen, die es seit einiger Zeit hier gibt. Ein Klitorisvibrator. Massagestäbe. Gleitmittel. Etwas zur Stimulierung des G-Punktes. Himmel. Als ich das letzte Mal vom G-Punkt gehört habe, wurde er noch für einen Mythos gehalten.

Die Gegenstände im Regal bereiten mir alles andere als Lust. Kauft das wirklich jemand? Hier in Simrishamn? Hat man mehr Zeit für Lust und Liebe, wenn man weniger arbeitet? Wer bezahlt eigentlich diese Laster? Vermutlich wir Großstädter, mit unseren hohen Steuern und der Unterstützung, die in die ländlichen Gebiete fließt.

Ich persönlich finde ja, dass Sexspielzeuge überbewertet und ein bisschen lächerlich sind. Sie wirken irgendwie gezwungen. Klar, Fredrik und ich haben auch ein wenig herumprobiert. Einmal mit einer Art Dildo, den wir über einen Versandhandel bestellt haben, als es das noch gab. Doch ich habe ihn schon bald auf dem Wertstoffhof im Elektronikcontainer entsorgt.

Man beachte, dass ich mich um die korrekte letzte Ruhe der Batterien und des Gerätes gekümmert habe.

Ich lege noch eine Packung Halstabletten und ein kleines Mundspray in den Korb, bezahle und gehe nach draußen in die Sonne. Ich spüre einen Druck auf der Brust. Vielleicht hilft etwas zu essen und ein Glas Wein.

Ich schlendere in die Hamngatan. In einem blauen Steinhaus mit Terrasse hat ein Restaurant neu eröffnet. Das Essen ist teuer, aber das lässt sich jetzt nicht ändern. Ich setze mich an einen Tisch im Freien und bestelle das Tagesgericht; Scholle mit Roter Bete, Kapern, Meerrettich und gebräunter Butter sowie ein Glas Weißwein. Hier auf dem Land braucht man keine Angst vor einer Verkehrskontrolle zu haben.

Ich hole den Prospekt für die Seniorenwohnanlage namens Bienenkorb aus der Tasche. Sie liegt nicht weit von hier. Ich hatte gedacht, Mama beiläufig davon zu erzählen und daran das Gespräch anzuknüpfen, zu dem es gestern Abend jedoch nicht mehr kam. Auf der Vorderseite ist ein modernes weißes, mehrstöckiges Haus sowie ein prachtvolles Gewächshaus abgebildet, mit gezeichneten Menschen, die fröhlich aussehen.

»Die Seniorenwohnanlage Bienenkorb bietet schöne und funktionale Wohnungen für Menschen ab fünfundfünfzig. Hier wird Ihnen Komfort und Unterhaltung geboten, ein wohnlicher Gemeinschaftsraum für Aktivitäten und gemütliches Beisammensein, ein Wintergarten und eine Gästewohnung für längeren Besuch. Ist es nicht herrlich, eine schöne neue Wohnung zu beziehen, mit der Aussicht auf eine spannende Zukunft? Von der Anlage sind Sie zu Fuß in wenigen Minuten im Zentrum. Trotzdem wohnen Sie ruhig inmitten von Obstbäumen und Vogelgezwitscher, was Sie auf unseren Bänken inmitten von Buchenhecken und Lauben genießen können.

Im großen Gemeinschaftsraum wird am Nachmittag Kaffee serviert, und die gemütlichen Sofas laden zu einem ungezwungenen Kennenlernen ein. Hier muss sich niemand allein fühlen. Herzlich willkommen zu einem neuen Kapitel Ihres Lebens!«

Einen Moment lang bin ich unerwartet neidisch. Man stelle sich vor, ein Ort, an dem man entspannen kann, an dem man kein funktionierendes Mitglied der Gesellschaft mehr sein muss. Die Wohnungen sind nicht billig, ganz bestimmt nicht, aber sie kosten immer noch weniger als die Hälfte dessen, was Mamas Haus einbringen würde. Geld, das sie dann nicht für sich bräuchte. Abgesehen davon, mache ich das ja wegen ihr. Das Haus ist definitiv zu groß für sie allein. Sie ist die Treppe runtergefallen! Sie hinkt! Die Wohnanlage liegt in Bahnhofsnähe, und bis zur Innenstadt ist es auch nicht weit, das ist ein gutes Argument. Dann wäre sie nicht mehr aufs Auto angewiesen. So sollte man sie eigentlich überreden können. Noch werde ich nicht aufgeben. Ich nehme einen Stift aus der Tasche und unterstreiche einige ansprechende Schlagworte. Lauben. In geschmackvollen Farben eingerichtete Zimmer. Salon und Bibliothek. Hausverwaltung vor Ort.

Ich muss gut vorbereitet sein, wenn ich sie erfolgreich bearbeiten will.

Ein junges Paar hat sich an den Nebentisch gesetzt. Plötzlich bin ich abgelenkt. Sie halten einander an den Händen und küssen sich leidenschaftlich. Wahrscheinlich wissen sie nicht, dass ein Kuss achtzig Millionen Bakterien von einer Mundhöhle in die andere überträgt. Man kann sich beim Küssen sogar mit Karies anstecken. Das wissen nicht viele. Das Bakterium Streptococcus sobrinus lebt sehr behaglich im Zahnfleisch und kommuniziert nur zu gern mit allen fremden Zungen, die mal vorbeischauen. Es kommt gar nicht so selten vor, dass Menschen, die nie Probleme hatten, plötzlich Löcher in den Zähnen haben. Oft stellt sich dann heraus, dass sie ein paar Monate zuvor eine neue Beziehung eingegangen sind. Die Zähne verraten mehr, als den meisten klar ist. Wann habe ich Fredrik eigentlich zum letzten Mal geküsst? So richtig, mit Zunge? An Weihnachten vielleicht? Man kann auch ohne Zungenküsse seine Liebe zeigen. Ich zwinge mich, den Blick abzuwenden. Passenderweise wird meine Scholle zusammen mit dem kalten Weißwein serviert. Chablis. Hundertfünfundvierzig Kronen das Glas. Die Kreditkarte krümmt sich geradezu in meiner Tasche. Ich spüle das schlechte Gewissen mit einem großen Schluck hinunter.

Wenn man sich nach einer Veränderung sehnt, dann muss man selbst etwas dafür tun, in der Liebe wie im Beruf. Streit bringt niemandem etwas. Man kann diskutieren, alles durchsprechen, unterschiedlicher Meinung sein. Dann muss man einen Kompromiss finden. Es ist wichtig, dass man im Alltag aufeinander achtet. Die kleinen Dinge zählen. Zum Beispiel, dass man dem anderen einen Smoothie mixt. Oder ihn im Vorbeigehen berührt. Dass man einander eine gute Nacht wünscht, auch wenn man wütend auf den anderen ist. Im Badezimmer hat jeder seine Privatsphäre, und man schnüffelt nicht im Handy des anderen herum. Man muss tolerant sein und nicht nachtragend.

Nach dem Essen bestelle ich mir einen doppelten Espresso mit ein bisschen warmer Milch und halte blinzelnd das Gesicht in die Sonne.

Als ich Fredrik kennengelernt habe, hat er in Umeå Jura studiert. Er war stark ins Studentenleben involviert, hat im Studentenklub Bier gezapft, bedient und Theater gespielt. Er sah gut aus mit seiner rotblonden Mähne und den schmalen Augen und war witzig, sehr beliebt bei den Mädchen. Er war ein bisschen ein Bohème, nur Flausen und verrückte Ideen im Kopf, jemand, um den sich alle scharten. Ich dagegen war eine der besten am Zahntechnikerinstitut. Wir kamen zusammen, nachdem er bei einem Uniball an meinem Tisch gelandet war. Fredrik war weit gereist, sein abgegriffener Pass voller Stempel. Er war sogar schon mit der Transsibirischen Eisenbahn gefahren. Beim ersten Treffen mit meinen Eltern sagte er, dass er Jurist werden wolle. Menschenrechtsfragen waren ihm wichtig. Die Dritte Welt. Internationale Beziehungen. Papa war zufrieden, für ihn klang das ordentlich und ambitioniert. Doch das Studium erwies sich als zu schwer für ihn. Das Studentenleben kostete zu viel Zeit, zu viele Dienste an der Bar im Studentenpub, zu viele Feiern und Billardturniere und Quizabende mussten organisiert werden. Ich schloss meine Ausbildung dagegen als eine der Jahrgangsbesten ab. Wir zogen in eine kleine Zweizimmerwohnung im Zentrum, die ich finanzierte und in der wir in einem schmalen Bett mit Stahlrohrgestell schliefen. Wir kauften uns ein Buch über die Kunst der Liebe und versuchten, alle Stellungen auszuprobieren, die ein stark behaartes Paar...


Paborn, Sara
Sara Paborn, 1972 in Sölvesborg geboren, war früher in der Werbebranche tätig und lebt heute als Autorin in Stockholm. 2009 veröffentlichte sie ihr Debüt. Ihr Überraschungsbestseller „Beim Morden bitte langsam vorgehen“ ist ihr vierter Roman; damit ist Sara Paborn erstmals auf Deutsch zu entdecken.


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