E-Book, Deutsch, 140 Seiten
Oversohl / Bey MARCO POLO Reiseführer Stuttgart
9. Auflage 2017
ISBN: 978-3-8297-7425-3
Verlag: MAIRDUMONT
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz
Reisen mit Insider-Tipps und Kartendownloads
E-Book, Deutsch, 140 Seiten
Reihe: MARCO POLO Reiseführer E-Book
ISBN: 978-3-8297-7425-3
Verlag: MAIRDUMONT
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz
Schon während seines Geografiestudiums in Tübingen hat sich Jens Bey mit Stuttgarts Eigenheiten beschäftigt. Dann übersiedelte der gelernte Journalist in die schwäbische Landeshauptstadt, wo er heute als freier Redakteur, Lektor und Autor arbeitet - und die Erkundung all der schönen, versteckten Ecken der immer etwas verkannten Metropole zu seiner Passion gemacht hat. Imagepflege inklusive!
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Bild: Blick auf den Schlossplatz und das Neue Schloss
Stuttgart hat’s, das gewisse Etwas. Und damit ist nicht nur das lebendige Kulturleben gemeint, sondern auch die vielen Shoppingadressen, das (Mode-)Design made in Stuttgart oder die berühmten Autos, die hier produziert werden. Es ist das Lebensgefühl, das zwischen Höhen und Talkessel herrscht, zwischen rotem Dächermeer und grünen Hügeln. Es spiegelt sich im bunten, multikulturellen Leben in den Stadtvierteln, in den vielfältigen Küchen aller Standards, in den gut besuchten Bars, Clubs und Lounges. Eine Fähigkeit zum Genießen, die – trotz aller schwäbischen Erdverbundenheit – fast schon so etwas wie Leichtigkeit hervorruft. Mit Betonung auf fast: Denn im Streit um „Stuttgart 21“ zeigten sie sich dann doch, die unlockeren Seiten der Bürgerseelen im Talkessel, und zwar auf beiden Seiten. Befürworter und Gegner des milliardenschweren Bauprojekts im Herzen der Stadt, bei dem der Bahnhof unter die Erde verlegt werden soll, verfochten ihre Sache mit fast religiösem Eifer. Im Verlauf der Auseinandersetzungen traf die Medienerfindung vom „Wutbürger“ auf alle zu, ob sie nun die Gleise tieferlegen oder „oben bleiben“ wollten, wie es der Schlachtruf der Gegner forderte. Innerhalb weniger Jahre fügte damit die schwäbische Landeshauptstadt ihrem Image noch eine weitere Facette hinzu: Korrigierte sie ihren drögen, spießigen Ruf durch die fröhlichen und weltoffenen Feiern während der Fußball-WM 2006 und der EM 2008, so wurde sie ab 2010 zur Keimzelle einer neuen, bürgerlichen Protestkultur. Mit Erstaunen registrierte die Weltpresse: Diese Stadt ist weder bieder, noch werden hier die Bürgersteige ständig wahlweise gefegt oder hochgeklappt. Weder bieder, noch werden hier die Bürgersteige hochgeklappt
Beim Schlendern durch die City oder bei einem Bummel durch die Kneipen werden Sie deshalb schnell erkennen: Stuttgart passt in keinen Rahmen. Auf den ersten Blick ein typisches, klar umrissenes Gesicht zu finden, ist nicht einfach. Lassen Sie sich Zeit, die Vielfalt – und auch die Gegensätze – zu entdecken: Schlendern Sie allein durchs verträumte Lapidarium mit seinen steinernen Zeitzeugen oder ziehen Sie mit Zehntausenden während der „Langen Nacht der Museen“ durch die Stadt; begegnen Sie Franziska Walser und Edgar Selge auf der Bühne des Schauspiels Stuttgart oder bestaunen Sie die Primaballerinen des Balletts; reisen Sie im Württembergischen Landesmuseum durch die Vergangenheit oder lassen Sie sich in der Neuen Staatsgalerie von Joseph Beuys provozieren; spazieren Sie durch die Weinberge rund um die Stadt oder reihen Sie sich ein in den Strom der Shopper im Zentrum. Stuttgart hat mit seinen etwas mehr als 606 000 Einwohnern stetig an Selbstbewusstsein gewonnen. Die Statistiker registrieren einen ständigen Aufwärtstrend bei den Übernachtungen: 2015 waren es rund 3,6 Mio. Das Thema „Stuttgart 21“, das mit dem Fortschreiten des Bahnhofsumbaus die Tagesordnung zumindest nicht mehr beherrscht, hat der Stadt dabei nicht geschadet, sondern sie nur bekannter gemacht. Ebenso wie die Tatsache, dass im Mai 2011 mit Winfried Kretschmann der erste grüne Ministerpräsident in der Geschichte der Bundesrepublik in die Villa Reitzenstein, den Regierungssitz des Landes, einzog. Wissen in Weiß: Allein wegen der Architektur lohnt ein Besuch der neuen Stadtbibliothek
Der erste grüne Ministerpräsident
Dass die Schwabenmetropole, was Attraktivität und Lebensqualität angeht, auf der Städte-Beliebtheitsskala ganz vorn rangiert, ist auch der innovativen Kulturszene zu verdanken. „Was brauchen wir Kunst, wir brauchen Kartoffeln“, lautete früher eine schwäbische Redensart. Doch heute wie damals setzen und setzten sich Kunstliebhaber und Kulturmanager, Stifter und Bühnentalente durch – fast ohne Promis und Protz, aber mit Ideenreichtum, Engagement und internationaler Teamarbeit. Für den Kauf berühmter Kunstschätze wurden zusätzliche Kassen geöffnet und Stiftungen ins Leben gerufen. Das Stuttgarter Ballett brachte es zu Weltruhm, die Staatsoper wurde mehrfach zum besten Opernhaus im deutschsprachigen Raum gekürt, die Stadt verfügt über eine der vielfältigsten Kleintheaterszenen in Deutschland. Der Musicalboom dagegen ist abgeebbt, sorgt aber immer noch für ordentliche Besucherzahlen. Und, nicht zu vergessen: die Museenlandschaft, die von der Neuen Staatsgalerie in den 1980ern bis hin zu Mercedes-Benz Museum, Porsche Museum und Kunstmuseum immer auch mit ihren Bauten für Furore sorgte. Zwischen der Internationalen Bachakademie und den Ludwigsburger Schlossfestspielen schlug außerdem mit den ersten Auftritten der „Fantastischen Vier“ die Geburtsstunde des deutschen Hip-Hop – auch wenn das langjährige „Mutterstadt“-Image gerade von krachigen Gitarrenbands wie „Die Nerven“ oder „Human Abfall“ weggefegt wird, die Stuttgart auf die Rock-Landkarte gebracht haben. Trotz all dieser Erfolge darf man aber auch eines nicht verschweigen: Junge Bands, Subkultur und Underground haben es nach wie vor nicht leicht im saturierten Städtle. Stuttgart ist nun mal der Tradition immer treu geblieben, vielleicht macht aber gerade diese Verbindung den – selbst in Krisenzeiten relativ beständigen – wirtschaftlichen Erfolg der Landeshauptstadt aus. Kaum eine andere Region hat es geschafft, ein so solides Fundament zu legen. Sicherlich ist es kein Zufall, dass weltweit erfolgreiche Unternehmen wie Daimler, Porsche oder Bosch hier ihren Ursprung haben. Erfolgreich auch die Taktik, dass Wirtschaft und Wissenschaft stark aufeinander zugegangen sind. Stuttgart kann zwei Universitäten, sechs Akademien und Fachhochschulen sowie eine Reihe außeruniversitärer Forschungseinrichtungen vorweisen. Und auch für die Verlagslandschaft ist Stuttgart ein wichtiger Standort. 130 Verlage haben ihren Sitz im Zentrum und 250 in der Region; Holtzbrinck, Klett, MotorPresse und Mairdumont sind nur die größten und bekanntesten. Und: Von den Thienemann-Verlagsräumen in einer Seitenstraße aus eroberten der Räuber Hotzenplotz, Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer, die Kinderzimmer. Nicht überall stößt der Erfolgscocktail aus klassischen Industrien, neuen Wachstumsbranchen wie Informations- und Kommunikationstechnologien, neuen Medien und Umwelttechnik auf Gegenliebe. Einige warfen den Stadtvätern in der Vergangenheit vor, sich im Rennen um internationale Anerkennung vor allem bei großen Bauprojekten wie „Stuttgart 21“ oder dem Messeneubau beim Flughafen zu verschätzen und viel zu schnell die Bagger anrücken zu lassen, um Altes, Wertvolles unwiederbringlich zu zerstören. Wie das „Stuttgart der Zukunft“ aussieht, ist nicht abzusehen, denn neben der Bahnhofsbaustelle wird es bis voraussichtlich 2020 mindestens neun weitere Großbaustellen geben. Außerdem gestaltet mit Fritz Kuhn seit Januar 2013 zum ersten Mal ein grüner Oberbürgermeister die Politik in der Landeshauptstadt. Die Stuttgarter stammen aus 180 Nationen
Ein großer Teil der Industrie hat sich rund um Stuttgart angesiedelt. Ihre Fließbänder zogen seit den 1960er-Jahren viele Ausländer an: Menschen aus rund 180 Nationen leben hier. 40 Prozent der Stuttgarter haben einen Migrationshintergrund, es werden 100 verschiedene Sprachen gesprochen, teils hat das gelernte Deutsch einen schwäbischen Akzent angenommen. Die „Reig’schmeckten“ und Fremden haben das Bild der Stadt und der Schwaben nachhaltig – zum Besseren – verändert. „Das Zweiflerische, Querköpfige, Kritische und Praktische im Wesen des Stuttgarters vermischte sich mit der Großzügigkeit, dem Wagemut, der Urbanität und der Musenfreundlichkeit vieler Neubürger“, erklärte der heimische Schriftsteller Thaddäus Troll. Und so schaffte es Stuttgart auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 sogar in die New York Times – als Beispiel für eine Stadt mit hohem Migrantenanteil, in der die Integration vorbildlich funktioniere. Hier sei man, so der US-Autor, stolz auf die Vielfalt in der Bevölkerung: „Die Botschaft in Stuttgart lautet, dass Migranten gebraucht werden, ja sogar willkommen sind.“ Eher weniger verändert hat sich die Metropole selbst, in vielen Stadtteilen ist und bleibt sie ein Meer aus roten Dachziegeln – und eine Großstadt im Grünen, mit dem Schlossgarten, den Bärenseen oder dem Wald rund um den Bopser, auf dessen Höhe der Fernsehturm thront. Von den Hügeln aus, der Uhlandshöhe etwa, dem Haigst, dem Bismarckturm oder der Karlshöhe, fallen nicht nur die Schönheiten wie Neues Schloss oder Königsbau auf. Auch die Betonwunden, die nach dem Krieg im zerstörten Stuttgart, aber auch in den 1960er- und 1970er-Jahren geschlagen wurden, sind deutlich zu sehen. Wenn Sie noch höher hinauswollen, müssen Sie fliegen: Blick vom Fernsehturm
Nobelterrassen und Arbeiterwohnungen
Die idyllische Lage hat es der Stadt auf ihrem Weg in die Zukunft nicht einfach gemacht. Eingeengt zwischen Buckeln und Bergen, nur in Richtung Osten offen, konnte sich Stuttgart nur schlecht ausbreiten. „Aus einem Kessel kann man eben nicht herausgucken“, hieß es. Historisches Zentrum ist das Gebiet um das Alte Schloss, dort, wo im sumpfigen...